Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die SPD-Fraktion unternimmt heute einen erneuten Vorstoß, um endlich die Früherkennungsuntersuchungen für Kinder in unserer Stadt verpflichtend zu machen. Immer noch machen mit grausamer Regelmäßigkeit Fälle wie der Tod der siebenjährigen Jessica Schlagzeilen. Die registrierten Fälle von Kindesmisshandlungen steigen durch eine gestiegene Bereitschaft der
Bevölkerung, genauer hinzusehen und die Polizei zu rufen. Auch im letzten Fall in Norddeutschland, den wir in der Presse verfolgt haben, benachrichtigte ein Gemüsehändler die Polizei, als er bei einem Kind äußere Verletzungen feststellte, und hat damit bewirkt, dass dem Kind endlich geholfen wird. Es hat sich also in dieser Gesellschaft etwas bewegt. Menschen wissen, dass Kinder in großer Not sind und sind bereit einzuschreiten, auch wenn sie die Kinder gar nicht kennen.
Aber auch die Politik muss ihre Hausaufgaben gründlich machen und alles tun, um ein umfassendes Netz des Kinderschutzes zu knüpfen. In Hamburg herrschte nach dem Tod von Jessica schnell großes Einvernehmen, dass die Verbindlichkeit von Früherkennungsuntersuchungen ein wichtiger Baustein sein kann, um Kindern flächendeckend zu helfen und die Beratungen im Sonderausschuss haben das auch bestätigt. Es gibt bisher vor der Schulpflicht kein wirksames Instrument, mit dem wir wirklich alle Kinder erreichen können. Wir haben durch die Beratungen im Sonderausschuss auch festgestellt, dass es eine sehr kleine, aber doch eine Gruppe von Eltern gibt, die sich systematisch jeder Hilfe entzieht. Auch deshalb war es uns ein großes Anliegen, mit den Früherkennungsuntersuchungen einzugreifen.
Die SPD-Fraktion hat diese Forderung bereits im August 2005 in einem Antragsentwurf formuliert, den wir damals auch den beiden anderen Fraktionen zur Verfügung gestellt und um einen interfraktionellen Antrag gebeten haben. Unser Ziel war es, den Senat zu bitten aufzuzeigen, auf welchem Wege man die Früherkennungsuntersuchungen verbindlich macht, weil wir damals rechtliches Neuland betreten und nach dem richtigen Weg gesucht haben. Die GAL hat uns unterstützt. Die CDU-Fraktion ist damals diesem Antrag nicht beigetreten und es war erkennbar, dass der Senat Einfluss auf die CDU-Fraktion genommen hat. Verfolgen wir es weiter, wird die zögerliche Haltung des Senats erkennbar. 2005 wird berichtet, man glaube, es sei eine Bundeszuständigkeit und man kündigt einen weiteren Bericht an. Dieser wurde dann auch im Januar 2006 vorgestellt. Hier hat der Senat nun dargestellt, dass es verbindliche Früherkennungsuntersuchungen nur durch den Bundesgesetzgeber geben kann, dieses aber mit den verfassungsgemäßen Rechten der Eltern abzuwägen sei, die auch geschützt sind. Es heißt dort in der Drucksache:
"Eine Teilnahmeverpflichtung bzw. größere Verbindlichkeit der Früherkennungsuntersuchungen der GKV kann auf Landesebene wegen fehlender landesrechtlicher Gesetzgebungskompetenz nicht hergestellt werden."
Sie haben dann eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht. Im Gegensatz zu Hamburg hat es in anderen Ländern umfangreiche rechtliche Prüfungen gegeben, die auch der Öffentlichkeit bekannt wurden und ganz klar zu einem anderen Ergebnis kommen, nämlich dazu, dass die Bundesländer eine Zuständigkeit haben, weil sie für das Gesundheitswesen zuständig sind und hier handeln können. Ich nenne zum Beispiel den Wissenschaftlichen Dienst des Abgeordnetenhauses in Berlin und glaube, Ihre Kolleginnen und Kollegen von der CDU haben dieses angeregt.
Es gibt weiterhin ein Gutachten des Justizministeriums in Brandenburg, das eine klare Landeszuständigkeit sieht
und es gibt auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das ebenfalls besagt, wenn man den Weg über das Gesundheitswesen gehe, sei eine eindeutige Landesrechtlichkeit gegeben. Hier haben Sie uns eine falsche Auskunft gegeben und insofern nicht gehandelt, wo Sie es hätten tun können.
Inzwischen sind wir schon weiter, weil das Saarland als erstes Bundesland einen Gesetzentwurf eingebracht hat, wo genau über den Weg des Gesundheitswesens die verbindliche Untersuchung auf Länderebene gefordert wird. Dort hat die CDU-Fraktion das beschlossen und die SPD und die Grünen tragen das mit. Es wird dort in den Ausschüssen beraten und es gibt eine große Einstimmigkeit im Parlament, über landesgesetzliche Regelungen endlich die Verpflichtung herzustellen.
In Hamburg ist eine rechtliche Prüfung unterblieben oder die Ergebnisse wurden uns nicht mitgeteilt, weil der Senat die Verbindlichkeit vielleicht doch nicht so wollte. Wer der Senatorin zuhört, hat oft herausgehört, dass sie die Verantwortlichkeit für Kinder allein bei den Familien sieht und zögert, den Staat eingreifen zu lassen, wo Kinder Hilfe brauchen. Das ist altes konservatives Denken zulasten des Kinderschutzes.
Die Bundesratsinitiative war halbherzig, was man auch daran merkt, dass die zentrale Forderung, nämlich mehr Verbindlichkeit zu erreichen, in den Beratungen gestrichen wurde. In Hamburg hat das niemand kommentiert und wir haben den Eindruck, dass Ihnen das vielleicht ganz recht war.
Wir legen heute einen Gesetzentwurf vor, mit dem endlich in Hamburg für alle Kinder diese Untersuchungen verpflichtend gemacht werden können. Es ist das Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst in Hamburg, das einfach geändert werden muss und ich sage Ihnen, wie man das macht. Der Arbeitsauftrag des Gesetzes wird erweitert. Künftig ist der öffentliche Gesundheitsdienst auch dafür zuständig, das Lebensumfeld von Kindern zu beobachten. Die Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen wird verbindlich festgeschrieben. Dann muss eine zentrale Stelle eingerichtet werden. Dort schlagen wir ein zentrales Gesundheitsamt vor, das den Datenabgleich macht und von Ärzten die Informationen darüber bekommt, wo eine Früherkennungsuntersuchung stattgefunden hat. Hat sie nicht stattgefunden, gibt es eine freundliche Ermahnung an die Eltern, ihre Kinder zu dieser Untersuchung zu bringen. Scheitert das weiterhin, sollen die örtlich zuständigen Gesundheitsämter noch einmal mit den Eltern sprechen und darauf hinweisen, wie wichtig diese Untersuchung für ihre Kinder ist. Gelingt dies wiederum nicht, dann soll das Jugendamt eingeschaltet und mit den Maßnahmen der Jugendhilfe auch tätig werden.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Dies sind einfache, klare und verbindliche Regelungen für besseren Kinderschutz. So erreicht man im Gegensatz zu Ihrem Weg, dass endlich alle Kinder erreicht werden. Wenn die CDU hier so mutig ist wie ihre Kolleginnen und Kollegen im Saarland und endlich diese Lücke im Hilfesystem schließen will, dann stimmen Sie unserem Antrag zu. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir müssen alles tun, um Kindern in Hamburg das Schicksal der kleinen Jessica zu ersparen. Ich darf damit ein Zitat von Frau Ernst, das ich heute der "Welt" und dem "Hamburger Abendblatt" entnommen habe, einbringen und würde es gerne ein bisschen abwandeln. Ich würde nämlich sagen, wir müssen alles tun, um Kindern das Schicksal der kleinen Jessica zu ersparen.
Um das weiter zu denken: Eine Verengung auf Hamburg alleine ist in meinen Augen gar nicht so sinnvoll, das greift zu kurz. Deswegen sind wir nach wie vor der Meinung, dass die Bundesratsinitiative ein sehr wichtiger Schritt war und wir weiterhin unsere Bemühungen auf Bundesebene sehen sollten.
Ihr Antrag oder genauer genommen den, den Sie von der CDU im Saarland übernommen haben, nimmt in meinen Augen ein bisschen den Druck weg auf die Bemühungen im Bund. Sie haben selbst gerade einen Fall aus Norddeutschland genannt; das war gar nicht in Hamburg. Da hätte es gar nicht gegriffen, wenn wir in Hamburg etwas auf Landesebene machen.
Dies zeigt nur, dass Insellösungen uns da nicht wirklich weiterhelfen. Mir persönlich ist es auch gar nicht wichtig, ob ein Kind aus Langenhorn, aus Norderstedt oder aus einer anderen Stadt kommt, sondern entscheidend ist, dass Kindern generell geholfen wird; sie verdienen alle unseren Schutz.
Darüber hinaus halte ich den Zeitpunkt aus den vorgenannten Gründen für eher kontraproduktiv. Es schwächt die Bemühungen auf Bundesebene und eine Insellösung in Hamburg kann nur unbefriedigend sein.
Inhaltlich gibt es auch einige Schwächen, wobei ich annehme, dass das als erster Diskussionsentwurf gedacht war. Wenn ich mir zum Beispiel – ich habe mir einmal die Mühe gemacht, das ein bisschen weiter zu denken – Ihren Vorschlag ansehe, das zentrale Gesundheitsamt solle die gesetzlichen Vertreter zu den bevorstehenden Früherkennungsuntersuchungen einladen, dann müsste man, streng genommen nach dem Wortlaut, auch schon für die U 1 und U 2 einladen. Es kann sicherlich nicht Ihr Ernst sein, schon bei der Geburt Briefe zu schreiben; so ist es aber dort formuliert.
Das macht auch Sinn, nur, so steht es dort. Insofern sind noch inhaltliche Schwächen in Ihrem vorliegenden Entwurf.
Hinzu kommt, dass ein zentrales Gesundheitsamt neue Bürokratie bedeutet, während wir der Auffassung sind, dass es bei den Krankenkassen, so wie es auch in der Bundesratsinitiative geplant ist, besser aufgehoben ist. Die wissen, was sie zu tun haben. Dass Sie natürlich
Beifall von der Seite bekommen, ist kein Wunder. Aber insofern ist es sehr viel sinnvoller, das so zu regeln als neue Bürokratie zu schaffen.
Früherkennungsuntersuchungen sind auch nicht in jedem Falle ein Hinweis, um Vernachlässigung aufzudecken. Die Frage ist, ob man durch so ein Mittel, wie Sie es planen, nicht einen großen Aufwand hat, um auf Personen zu kommen, die wir im Prinzip auch durch andere Maßnahmen wesentlich wirkungsvoller erreichen können.
Insofern setzen wir zurzeit sehr stark auf Hebammenprojekte, wo wir sehr viel besser an die Eltern herankommen.
Wir haben bereits hohe Freiwilligenzahlen, müssen aber diese Zahlen sicherlich noch steigern; das ist gar keine Frage. Aber zurzeit sind wir nach wie vor besser mit der Bundesratsinitiative bedient – sie ist auch schon sehr weit gekommen und das ist ein Erfolg der Hamburger Bemühungen und des Senats –, wenn wir erst einmal abwarten und nicht gleich voller Ungeduld den zweiten Schritt vor dem ersten machen.
Das sind alles nur Sprüche, das kann man immer leicht sagen. Aber so, wie Sie das vorbringen, macht es eher den Eindruck, als ginge es bei Ihnen zurzeit um Populismus und um mehr nicht.
Auf jeden Fall möchte ich damit enden, dass wir uns weiterhin den Bemühungen auf Bundesebene zuwenden, statt hier eine Insellösung zu schaffen. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr von Frankenberg, das sind doch alles faule Ausreden, die Sie hier gebracht haben.