Protocol of the Session on December 13, 2006

[Bericht des Haushaltsausschusses über die Drucksachen 18/5198: Haushaltsplan-Entwurf 2007/2008 Ergänzung nach § 32 Landeshaushaltsordnung (LHO) (Senatsvorlage) 18/5162: Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA) 1. Umsetzung von Beschlüssen der Bund-LänderKommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) und Auflösung der Stiftung HWWA 2. Änderung des Entwurfs des Haushaltsbeschlusses 2007/2008 3. Änderung des Haushaltsplan-Entwurfs 2007/2008 (Senatsvorlage) 18/5144: Haushaltsplan 2006 sowie Haushaltsplan-Entwurf 2007/2008 Einzelplan 3.1 Kapitel 3380 Sportstätten Titel 893.06 "Investitionszuschuss an den FC St. Pauli für den Umbau und die Modernisierung des Millerntorstadions" hier: 1. Nachbewilligung einer Verpflichtungsermächtigung im Haushalt 2006 und 2. Ergänzung zum Haushaltsplan-Entwurf 2007/2008 (Senatsvorlage) – Drucksache 18/5400 –]

Wer der Ausschussempfehlung folgen und das Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über die Errichtung der Stiftung Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv aus der Drucksache 18/5162 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig angenommen.

Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erkennen.)

Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Den sehe ich nicht. Wer das soeben in erster Lesung beschlossene Gesetz in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen worden.

Wer möchte des Weiteren der Ausschussempfehlung folgen und das Gesetz zum Staatsvertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und der Freien und Hansestadt Hamburg über die Voraussetzung zur Ausstattung und Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Stiftung Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaft, LeibnizInformationszentrum Wirtschaft als Serviceeinrichtung für die Forschung mit den Standorten Kiel und Hamburg aus der Drucksache 18/5162 beschließen, den bitte ich um

das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig angenommen.

Es bedarf auch hier einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erkennen.)

Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus dem Haus? – Den sehe ich nicht.

Wer das soeben in erster Lesung beschlossene Gesetz in zweiter Lesung beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist damit in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen worden.

Über die Ausschussempfehlung zu Ziffer 4 des Petitums aus der Drucksache 18/5162 stimmen wir nachher im Rahmen des Haushaltsbeschlusses ab. Auch über die Abschlusszahlen aus der Textzahl 284 aus der Drucksache 18/5000 stimmen wir nachher ab.

Ich rufe nun den

Einzelplan 3.3 Kulturbehörde

auf. Wer möchte das Wort? – Frau Dr. Stapelfeldt, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Jede Gesellschaft schafft sich ihre Form der Repräsentation, setzt sich ihre Denkmäler. Auch eine demokratische Gesellschaft braucht Zeichen. In der Kultur waren es der Neubau der Staatsoper 1955, das 1997 eröffnete Museum der Arbeit in Barmbek, die Galerie der Gegenwart 1997, das von Michael Otto großzügig unterstützte und im Sommer 2000 bezogene neue Gebäude der Jugendmusikschule oder die Zentrale der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen am Hühnerposten seit 2004.

(Präsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Wenn wir nun nach drei Tagen am Ende der Haushaltsberatungen angelangt sind, will ich den Blick nach vorne werfen und mich ausdrücklich nicht mit Bauten beschäftigen, sondern die Frage stellen, welche Kulturthemen in Hamburg in den nächsten fünf bis zehn Jahren wichtig sind, welche geistig-kulturellen Zeichen und Wegweisungen unsere Gesellschaft braucht. Ich will es auf vier Punkte konzentrieren und zuspitzen.

Erstens: Die musisch-ästhetische Erziehung und Bildung in Hamburgs Kindertagesstätten und Schulen muss erheblich ausgeweitet werden. Musizieren und Singen, Malen und Zeichnen müssen zum Kernangebot der Kindertagesstätten und Schulen gehören. Jedes Kind muss die Chance erhalten, ein Instrument zu erlernen, im Malen oder Zeichnen ausgebildet zu werden, Theater spielen oder tanzen zu dürfen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wenn, wie die Zeitung "Die Zeit" schrieb, 82 Prozent der Musikstunden in Deutschland ausfallen oder von fachfremden Lehrern gegeben werden, wenn Kunst oder Musik in der Sekundarstufe I abgewählt werden können, ist das ein Armutszeugnis für Deutschland, man könnte sagen, für die Kulturnation, die wir sein wollen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Ökonomismus pur ist nicht unsere Zukunft. Ökonomische Verwertbarkeit ist nicht das alleinige Kriterium für Bildung und Erziehung. In der schon erwähnten Zeitung "Die Zeit" von vor zwei Wochen sagte Simone Young – Zitat –:

"Muss gespart werden, schaut man zuerst in den musischen Bereich. Er wird als Luxus angesehen, als ein Extra obendrauf. Mathematikstunden werden nicht gestrichen."

(Gesine Dräger SPD: Bitte, bitte nicht!)

Nicht immer, vielleicht. –

"Das ist ein furchtbarer Fehler,"

so fährt sie fort –

"denn es ist erwiesen, dass Kinder, die mit Kunst direkt in Kontakt sind, sich besser konzentrieren können und engagierter sind. Das gilt doch auch später für den Beruf: Um kreativ Probleme lösen zu können, muss man kreativ denken können, da hilft eine musische Ausbildung enorm. Jeder schreit heute nach Effizienz. Mein Begriff von Bildung ist altmodischer. Ich plädiere für eine große Bandbreite und vermeintliche Umwege."

Damit spricht sie mir aus dem Herzen.

Schon vor einem Jahr, meine Damen und Herren, haben wir als SPD-Fraktion in unserem Antrag zur Elbphilharmonie gefordert, dass es parallel zu den Planungen ein Sonderprogramm für die musische Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen geben muss, um für die zukünftigen Besucher unserer Kultureinrichtungen, der Laeiszhalle und der Elbphilharmonie, wenn sie denn kommt, auch zu sorgen.

(Beifall bei der SPD und bei Gudrun Köncke GAL)

Nach meiner Auffassung sollte ein solches Sonderprogramm wirklich kommen und auch sehr hoch ausgestattet werden. Der Antrag ist damals abgelehnt worden, aber mit Simone Young und Christoph Lieben-Seutter, mit vielen Institutionen der Stadt, so der Jugendmusikschule, sehe ich die Chance, noch einmal eine Initiative für ein solches Projekt auf den Weg zu bringen. Wenn wir für unsere Stadt Gutes wollen, müssen wir alle ein Interesse daran haben, gerade dieses umzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens: Bibliotheken müssen wir ausbauen, nicht abbauen. Die öffentlichen Bibliotheken sind Teil einer demokratischen Informationsgesellschaft und Bestandteil unseres Bildungssystems. Neben Familie und Schule sind die Bibliotheken die wichtigsten Einrichtungen für Kinder und Jugendliche bei der Entwicklung von Lesekompetenz. Sie sind Lernorte und zugleich Kulturorte. Flächendeckende Kooperationen von Stadtteilbibliotheken mit Kindertagesstätten und Schulen, öffentliche Bibliotheken mit einem breit gefächerten Angebot sind für unsere Stadt kein Luxus, sondern Grundlage für Lebensqualität.

(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GAL)

Vor zwei Jahren, bei den Haushaltsberatungen 2004 – Sie erinnern sich –, wurden die Zuwendungen an die Stiftung Hamburger Öffentliche Bücherhallen dramatisch gekürzt. Das war falsch. Die unabhängige Expertenkommission schlug Strukturveränderungen vor, darunter die Schließung von Stadtteilbibliotheken. Die Schließung von

Bücherhallen in sozial belasteten Stadtteilen, solchen, die besonders Bildung brauchen, wie Lurup, St. Pauli oder Dulsberg, war eine falsche Entscheidung und das falsche Signal.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Für die Bücherhalle in Sasel gilt das Gleiche. Ich finde es toll, dass diejenigen, die sich dafür engagieren, heute schon seit Stunden hier oben ausharren und uns zuhören.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Meine Damen und Herren! Wir müssen neue Angebote der HÖB schaffen. Ich finde es gut, dass die HÖB trotz dieser Umstrukturierung aus eigener Kraft sehr erfolgreich war, dass die Nutzerzahlen sehr hoch geblieben sind, auch die Ausleihen, die Veranstaltungen und die Lesungen. Was ich besonders positiv finde, ist, dass die HÖB in den vergangenen Jahren insbesondere die Zusammenarbeit mit den Schulen intensiviert und gestärkt hat. So gibt es jetzt für 827 erste Klassen Lesekisten. Diese erfolgreiche Kooperation wollen wir ausweiten und verlässlicher machen. Wir wollen den Stiftungsauftrag der HÖB so ergänzen, dass die Bücherhallen flächendeckend verbindliche Kooperationen mit Kindertagesstätten und Schulen eingehen. Wir wollen, dass Kinder die Welt der Bücher kennenlernen und dass sie Lesen als Abenteuer im Kopf wahrnehmen. Deswegen bin ich froh darüber, dass wenigstens ein Antrag die Überweisung an den Kulturausschuss erfährt und dass wir darüber weiter diskutieren können.

(Beifall bei der SPD – Thomas Böwer SPD: Wow!)

Drittens: Wir müssen unser kulturelles Erbe bewahren. Erinnerung und Arbeit am kulturellen Gedächtnis der Menschheit müsste Inbegriff und Leitidee dieses Teils von Kulturpolitik sein. Die öffentlichen Museen werden in den nächsten Jahren mehr Mittel brauchen, womöglich eine halbe oder eine Million Euro. Das können wir jetzt noch nicht beziffern. Auch das ist kein Luxus. Museen sind Errungenschaften unserer Bürgergesellschaft, errichtet, um Kunst und Kultur öffentlich zugänglich zu machen und Kultur nicht nur in den privaten Kunstkammern zu zeigen.

Hamburgs Ruf als europäische Kulturmetropole beruht sehr stark auf den besonderen Qualitäten unserer Museen. Trotz der hohen Besucherzahlen und der attraktiven Ausstellungen sind die Museen in eine finanzielle Schieflage geraten. Bei jährlich bis zu 29 Millionen Euro, die wir insgesamt für die sieben staatlichen Museen ausgeben, ist in den letzten Jahren bis Ende 2005 ein Fehlbetrag von über 8 Millionen Euro aufgelaufen. An den Zinsen für Kredite zur Sicherung der Liquidität erkennt jeder diese unhaltbare Situation.

(Inge Ehlers CDU: Wer hat die denn verursacht?)

Meine Damen und Herren! 11 Prozent, 11,75 Prozent oder 12,55 Prozent zahlen die Museen an ihre Hausbanken – die HSH-Nordbank und die Haspa –, als wären sie Kunden mit schlechter Bonität und ohne Sicherheiten. Ich finde, das ist absurd. Wären die Kredite über die Stadt vergeben worden, dann hätten wir damit 100 000 Euro einsparen können. 100 000 Euro, das war die Summe, die Sie für die Staatsbibliothek abgelehnt haben, um die Bücher, die dort dem Verfall anheim fallen, zu retten.

(Beifall bei der SPD und GAL)

Diese Situation, die wir jetzt in den Museen haben, resultiert nicht aus der Verselbständigung, sondern daraus, dass es eine falsche Kalkulation der Zuwendungen gegeben hat. Um Ihnen das ganz schlicht anschaulich zu machen: Die Galerie der Gegenwart, in die besondere Kunstwerke ausgeliehen werden können, braucht besondere klimatische Bedingungen. Ihre Bewirtschaftungskosten sind überhaupt nicht vollständig in diese Zuwendungen eingerechnet worden, ebenso wenig die Bewirtschaftung des neuen Schümann-Flügels am Museum für Kunst und Gewerbe, und das macht schon klar, dass das so nicht geht.