Protocol of the Session on December 11, 2006

(Beifall bei der CDU – Christa Goetsch GAL: Fünf Jahre verschlafen!)

Es ist nicht nur ein Problem Hamburgs, sondern das ist ein Problem vieler Großstädte. Es ist vor allen Dingen ein Problem vieler europäischer Großstädte. Aber ich glaube schon, dass sich dieses Problem in Hamburg in den letzten zehn bis 20 Jahren in einem Maße entwickelt hat, das wir im Grunde genommen als Stadt gemeinsam nicht mehr verantworten können. Daher bin ich froh, dass das Konzept der lebenswerten Stadt versucht, hier zumindest die notwendigsten Dinge rechtzeitig zu ändern und umzusteuern.

(Zurufe von Nebahat Güçlü und Christiane Blömeke, beide GAL)

Ich hoffe, dass Sie alle dieses Konzept mittragen, denn hier haben wir eine gemeinsame Schuld aus der Vergangenheit zu bewältigen und sie verpflichtet uns, jetzt wirklich entsprechend massiv gegenzusteuern.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde es richtig, dass das Konzept der wachsenden Stadt, was umfassend ist und – wie bereits erwähnt – alle Ressorts eingeschlossen hat, sich im Haushalt niederschlägt.

Der Haushalt war niemals ein reiner Konsolidierungshaushalt, was auch gar nicht möglich war. Ich habe immer erklärt, dass es zum Ersten die Aufgabe ist, die Wachstumskräfte in Hamburg zu stärken. Zum Zweiten sind die notwendigen Politikschwerpunkte – und das ist Soziales, Kinderbetreuung oder Inneres – abzubilden, und zwar so, dass sie ausreichend finanziert sind. Aber es ist zum Dritten auch die Aufgabe, mit dem Geld der Bürger sparsam und konsequent umzugehen und den Konsolidierungskurs gezielt fortzusetzen.

In der Tat ist die Aussage richtig, dass wir in den letzten Jahren etwa 500 Millionen Euro strukturell eingespart haben und es ist auch korrekt, Herr Zuckerer, dass das etwa das Volumen an Steuermehreinnahmen in diesem Jahr ist. Aber dass diese beiden Zahlen gleich sind – denke ich – ist rein zufällig.

Ich bin auch der Meinung, dass es keinen Gegensatz zwischen den Maßnahmen, die das Wachstum der Stadt fördern – auch wenn es von dem einen oder anderen als Leuchtturmprojekte benannt wird –, und den Maßnahmen, die als soziale Maßnahmen die Zukunft dieser Stadt absichern, gibt. Wir brauchen beides.

Helmut Schmidt hat einmal gesagt: Hamburg ist ein Gesamtkunstwerk. Das ist richtig. Aber zu einem Gesamtkunstwerk gehört eben alles. Hierzu gehört genauso, die Investitionen zu stärken und die Stadt attraktiv zu machen, sich aber auch für den sozial Schwachen einzusetzen und hierfür die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen. Zu Recht ist der Sozialhaushalt der stärkste Haushalt in dieser Stadt.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin Ihrer Meinung, dass es Dinge gibt, die in diesem Hause unter den Haushaltspolitikern Konsens haben. Das ist zum einen die Aussage, dass über Expansion des Haushaltes nicht gesprochen wird und ist zum anderen der konsequente Abbau der Nettoneuverschuldung. Wir werden dieses Jahr bei 600 Millionen Euro liegen und gehen nach dem vorliegenden Haushalt auf 500 Millionen

Euro herunter. Aber ich denke, es ist auch ein Weiteres. Wir sind uns mittlerweile auch in diesem Hause einig, dass Privatisierung nach Kassenlage kein Parameter ist, der für uns richtig ist. Ich glaube, das ist auch eine zusätzliche Erkenntnis, die wir in dieser Legislaturperiode gewonnen haben.

Daher ist auch die Aussage richtig, dass der ausgeglichene Betriebshaushalt für eine solide Finanzpolitik nicht ausreicht. Ich habe das bereits bei der Vorstellung der Bilanz ausgeführt. Die Bilanz und insbesondere der Jahresabschluss, der daraus folgt, machen deutlich, wie viel Substanz sozusagen eine Gebietskörperschaft verbraucht. Nur diese zwei Bilanzen und die Differenz daraus können uns eine vernünftige Aussage geben.

Selbst bei einem ausgeglichenen Betriebshaushalt in den Vorjahren wären wir um 500 bis 600 Millionen Euro von einem sozusagen strukturell ausgeglichenen Haushalt entfernt gewesen, der uns auch die Substanz der Stadt sichert. Das ist jetzt die nächste Herausforderung, der wir uns alle, dieses Parlament und der Senat, stellen müssen. Das Vermögen – das ist völlig richtig – ist dann auch irgendwann begrenzt. Daher ist es auch korrekt, mit Vermögen nicht Löcher in Betriebshaushalten zu stopfen, sondern es ist richtig – wenn überhaupt –, Vermögen zur Verringerung der Nettoneuverschuldung und für nichts anderes einzusetzen. Dann wäre das vertretbar.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, dass es auch richtig ist, dass wir in dieser Stadt die Diskussion über die öffentlichen Unternehmen und deren Rolle angestoßen haben.

Daher haben wir vor einigen Jahren ein Raster vorgestellt, nach welchen Grundsätzen privatisiert werden könnte. Man kann das teilen und man kann das ändern. Ein Aspekt ist in der Tat richtig, den ich aber nur erwähne, weil Sie, Herr Zuckerer, ihn angesprochen haben. Das ist die Frage: Nutzen wir unsere öffentlichen Unternehmen auch expansiv oder nutzen wir sie nur sozusagen unter der Überschrift: "Sichert es im Moment den Bestand dieser Stadt"? Oder sollten wir darüber hinaus denken und wirklich die Frage aufwerfen: Können wir nicht aus öffentlichen Unternehmen auch einen Nukleus für Aktivitäten über die Stadt hinaus schaffen?

Wir haben dieses positiv für die HSH Nordbank durch die Fusion und durch den bevorstehenden Börsengang beantwortet. Unsere klare Aussage ist hierbei, dass wir einen Nukleus schaffen wollen, indem wir in Hamburg einschließlich Schleswig-Holstein eine Bank einrichten, damit wir uns in diesem Punkt über den Tagesbedarf Hamburgs hinaus entwickeln können.

Wir stehen natürlich auch ganz konkret vor dieser Frage bei der Hochbahn. Soll die Hamburger Hochbahn Opfer eines Prozesses der Europäisierung werden oder sollte sie nicht Partner und Treiber sein? Ich denke, das ist eine wichtige Frage, mit der sich sicherlich auch dieses Parlament und der Senat innerhalb der nächsten zwölf Monate befassen sollten. Soll man das Know-how einer Hamburger Hochbahn nutzen, um auch national und möglicherweise europäisch zu expandieren? Wenn ja, mit wessen Geld, das des Steuerzahlers oder von Dritten?

Dieselbe Frage stellt sich naturgemäß auch bei der HHLA. Das heißt, wir müssen uns die Frage stellen: Wie entwickeln sich die europäischen Verkehrsketten? Wie ist hierbei der Standort Hamburg zu sehen und welche Rolle

kann dabei die HHLA oder möglicherweise Partner der HHLA spielen, um auf Dauer Geschäft, Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft an Hamburg zu binden und für Hamburg zu bündeln? Es ist in der Tat eine wichtige strategische Frage, die diesen Standort berührt.

Daher ist es auch wichtig, zu erklären, dass wir offen sind, um einfach zu sehen, welche Partner es gibt, die etwas für die HHLA und damit zwangsläufig auch für die Beschäftigten tun, aber natürlich auch etwas für den Logistikstandort Hamburg bewirken und möglicherweise etwas zur Wertschöpfung beitragen können, dass diese Logistikkette sozusagen zwischen den Weltmeeren und dem Hinterland ausgebaut und stabilisiert wird.

Ich war dankbar, dass Herr Petersen anlässlich einer Diskussion bei Ver.di auf die Frage Privatisierung zwei Bedingungen gestellt hat. Er hat ausgeführt, dass es den Menschen dienen und in der kommenden Generation noch vertretbar sein muss. Herr Petersen, ich kann Ihnen nur bestätigen, dass das auch exakt meine Messlatte wäre. Die Privatisierung muss den Menschen dieser Stadt dienen, aber sie muss auch in der kommenden Generation noch sinnvoll und vertretbar sein.

Vor dieser Frage – glaube ich – stehen wir bei der HHLA in einer sehr grundsätzlichen Weichenstellung und daher rate ich diesem Hause völlig unvoreingenommen, sich hiermit auseinanderzusetzen. Was ist für die Zukunft der HHLA und was ist für die Zukunft Hamburgs am wichtigsten? Insofern zeigt sich, dass wir möglicherweise in dem gesamten Bereich Haushalt vielleicht doch mehr Konsens haben, als es nach außen scheinen mag.

Da wir hier alle gemütlich zusammensitzen, erlauben Sie mir noch eine Schlussbemerkung hinsichtlich der Frage der Glaubwürdigkeit der Politik, die Sie, Herr Petersen, mit Recht angesprochen haben.

Es gibt immer wieder eine Reihe von Umfragen, in denen die Frage aufgeworfen wird: Welche gesellschaftlichen Bereiche sind glaubwürdig? Das Erschreckende für mich ist immer wieder, dass die Politik hierbei am untersten Ende steht. Das ist ein Thema, was uns alle Sorgen machen sollte.

Ich sage Ihnen nach meiner fünfjährigen politischen Tätigkeit, dass die Politik und die Politiker weit besser sind als ihr Ruf. Aber wir haben alle einen gemeinsamen Auftrag. Vielleicht sollten wir alle übereinander besser reden, denn, wenn wir schlecht übereinander reden und uns als Politiker verunglimpfen, bleibt nicht hängen, dass Meier, Müller, Lehmann oder Schulze schlecht sind, sondern es heißt, die Politik ist schlecht. Daher ist mein Appell: Wenn Politiker besser übereinander reden, können wir vielleicht neben allen anderen Dingen, die heute angesprochen worden sind und für die es keine einseitigen Lösungen gibt, einen Beitrag leisten, dass auch die Politik in Zukunft besser behandelt wird und wieder stärker an Glaubwürdigkeit gewinnt.

(Nebahat Güçlü GAL: Da fassen Sie sich mal an die eigene Nase!)

Das wäre mein Wunsch und ich wiederhole noch einmal: Ich glaube, dass die Politik in Hamburg oder auch in Deutschland besser ist als der Ruf, der ihr heute vorauseilt. Ich finde das schade, aber es liegt an uns allen, hierzu einen Beitrag zu leisten, dass das besser wird. – Schönen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU und verein- zelter Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Frau Dr. Lappe.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Senator Peiner hat wieder einmal eindrucksvoll bewiesen, warum er für diesen Senat und auch für die CDU-Fraktion von besonderer Bedeutung und Wichtigkeit ist und dass es ein herber Verlust für Ihre Seite sein wird, wenn er nicht mehr dabei ist und Ihnen in Zukunft auch nicht mehr erklären kann, warum Sozial- und Wachstumsorientierung zusammenhängen und wichtig sind. Denn aus den heutigen Reden Ihrer Vorgänger habe ich nicht wirklich entnehmen können, dass sie verstanden haben, was Sie mit Metropole – Wachsende Stadt gemeint haben.

(Beifall bei der GAL)

Wenn man abtritt und sich jetzt aus der Politik verabschiedet, ist es natürlich besonders beeindruckend beziehungsweise fällt es einem dann vermutlich auch leichter, Zugeständnisse zu machen und einzugestehen, dass man sich vielleicht nicht genug um die Stadtteile gekümmert hat.

Allerdings verwehre ich mich ganz strikt gegen diese Legendenbildung, dass niemand Sie darauf hingewiesen hätte, wie schwierig es in den Stadtteilen geworden ist, durch die Politik, die Sie dort betrieben haben. Es ist durchaus nicht einfach so über Sie gekommen, dass in den Stadtteilen Probleme auftauchen,

(Karen Koop CDU: Wir haben das geerbt!)

sondern das waren Maßnahmen Ihres Senats und die Entscheidung der Fraktion,

(Unmutsäußerungen bei der CDU)

in den Stadtteilen Finanzierungen wegzunehmen. Ich denke hierbei insbesondere an die Arbeitsmarktpolitik, die stadtteilorientiert gearbeitet hat und ich denke auch an diverse Bücherhallen oder Schulen. Ihre Aufregung deutet sehr dahin, dass hier ein Punkt getroffen ist, den Sie nicht so gern hören.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Herr Zuckerer hat zutreffend ausgeführt, dass eine Politik die ganze Realität wahrnehmen muss. Das haben Sie ein paar Jahre entschieden nicht getan, auch wenn Sie jetzt Einsicht zeigen und Veränderungen andeuten.

Herr Zuckerer hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass es Alternativen gibt. Alle drei Fraktionen haben Anträge zum Haushalt 2007/2008 vorliegen, die solide ausfinanziert sind, aber unterschiedliche inhaltliche Orientierungen haben. Es ist dann in der Tat eine fachliche Entscheidung, wer in welche Richtung gehen möchte.

Sie haben sich entschieden, in eine bestimmte Richtung zu gehen. Die SPD möchte in eine andere Richtung gehen und wir wiederum ziehen eine noch andere Richtung vor. Die Richtungen unterscheiden sich wesentlich in einigen Punkten, und zwar in dem Sinne, dass in den SPD- und in unseren Anträgen entschieden versucht wird, gegen die soziale Spaltung dieser Stadt vorzugehen. Das ist ein ganz entscheidender Punkt der Unterscheidung. Selbst wenn Sie ansatzweise verstanden

haben, dass es mit der Politik, die Sie in den vergangenen Jahren gemacht haben, nicht so weiter geht, so reichen die von Ihnen vorgeschlagenen Veränderungen aus unserer Sicht bei weitem nicht aus.

(Beifall bei der GAL und bei Rüdiger Schulz SPD)

Ich möchte gern mit einigen weiteren Legenden aufräumen. Herr Zuckerer hat darauf hingewiesen, und zwar die Geschichte mit der Konsolidierung und Verschuldung. Man muss an dieser Stelle nochmals deutlich zum Ausdruck bringen, dass auch vor der CDU-Regierungsübernahme konsolidiert worden ist. Das geschah jährlich in einem größeren Umfang, als Sie das in jedem Jahr, in dem Sie an der Regierung sind, durchgeführt haben. Vorher waren es jährlich ungefähr 150 Millionen Euro nicht D-Mark und jetzt sind es ungefähr 105 Millionen Euro gewesen. Es ist also vorher genauso konsolidiert worden. Und ohne die vorherigen Erfolge könnten Sie sich der Dinge, die Sie hier jetzt immer anpreisen, gar nicht rühmen, weil das gar nicht möglich gewesen wäre.

(Beifall bei der GAL)

Daher möchte ich ein bisschen mehr an Ihr Geschichtsbewusstsein und an die Einsicht appellieren, dass man sich sozusagen Dinge nicht auf die Brust heften darf, für die man nicht allein verantwortlich ist.