Protocol of the Session on October 11, 2006

Deswegen nochmals meine Bitte: Wir sollten jetzt nicht von dem gemeinsamen Vorgehen abweichen, sondern feststellen, dass es wichtig ist, das Verfahren mit vernünftigen Grundlagen über den Stadtentwicklungsausschuss weiter auf dieser Ebene zu halten. Da Herr Hesse diesen Forderungen in der Sache zustimmt, sollten wir auch den Mumm haben, nicht nur hier in Kürze den interfraktionellen Antrag zum Geld zu beschließen, sondern auch unseren Antrag mit zu beschließen und zur gemeinsamen weiteren Beratung im Stadtentwicklungsausschuss zu überweisen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der GAL und bei Britta Ernst SPD)

Das Wort erhält Senator Dr. Freytag.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich denke, wir erleben hier eine Sternstunde im Parlament, nämlich die Durchbrechung des Schwarzer-Peter-Prinzips. Nach der reinen Rechts

lage gilt das Verursacherprinzip. Wir könnten uns darauf beziehen und sagen: Die Deutsche Bahn ist verantwortlich, sie muss es alleine machen. Es ist aber schlecht, dieses Prinzip nach draußen zu kehren, weil es den Menschen nicht hilft. Wir müssen den Menschen vor Ort helfen, deshalb finde ich es sehr gut, dass alle Fraktionen den Antrag gemeinsam unterstützen. Das hilft nämlich insbesondere auch uns als Senat, gegenüber der Deutschen Bahn deutlich zu machen, dass dies kein Thema für den alltäglichen politischen Meinungsstreit ist, sondern dass wir im Parlament und im Senat einig zusammenstehen, wenn es darum geht, für die Interessen unserer Menschen zu kämpfen, insbesondere wenn Lärmschutz in Rede steht.

Denn es gibt durchaus Rechtslagen, die unbefriedigend sind. Ich finde es vom Grundsatz her nicht in Ordnung, dass für Straßenlärm höhere Lärmschutzanforderungen gelten als für Bahnlärm. Das ist aber nach wie vor so. Das ist auch eine Frage, die sich insgesamt an den Bund richtet. Dies ist aus finanziellen Gründen einmal so entschieden worden, aber ob das noch der Situation der Menschen, die unter unerträglichem Bahnlärm leiden, gerecht wird, möchte ich sehr stark bezweifeln.

Das heißt, hier besteht auch ein insgesamt erkennbarer politischer Handlungsbedarf. Ich finde es gut, wenn mit dieser Debatte zu diesem gemeinsam getragenen Antrag hier und heute von allen Fraktionen des Hauses deutlich gemacht wird, dass wir der Deutschen Bahn unsere Hand ausstrecken, indem wir uns mit Steuermitteln beteiligen. Wir erwarten aber auch, dass die Deutsche Bahn mehr tut, als sie müsste. Wir unternehmen auch mehr als wir müssten, weil es hier nicht um Rechtspositionen sondern um den Schutz von Menschen geht. Wir machen damit deutlich, dass wir unsere Bürger nicht im Stich lassen.

(Beifall bei der CDU und bei Michael Neumann und Lutz Kretschmann-Johannsen, beide SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Wersich.

(Jörg Lühmann GAL: Jetzt geht's los!)

– Ja, lieber Herr Lühmann, jetzt kommt Herr Wersich.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lieber Herr Lühmann! 60 000 Menschen sind von der sogenannten Güterumgehungsbahn betroffen. Das sind 60 000 Menschen, die seit 2002 ein Unwort des Jahres kennen, und zwar jedes Jahr wieder. Dieses Unwort des Jahres, das auch über drei Bezirke geht, ist das Wort Ertüchtigung. Mit dem Wort Ertüchtigung wird etwas verbunden, was für die betroffenen Menschen erheblichen Schaden anrichtet, das aber juristisch nicht angreifbar ist. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass wir etwa vor vier Jahren die ersten Anhörungen zu diesem Thema im Bezirk hatten, denn ich war im November 2002 Bezirksabgeordneter. Es gab schnell eine zweite Anhörung und wir mochten das, was wir dort gehört haben, gar nicht so recht glauben. Es wurde hier bereits gesagt – es wurde lediglich von passivem Lärmschutz gesprochen. Wir hatten auch den Eindruck, dass die Bahn aktiv wird und sich Unterschriften Betroffener für den passiven Lärmschutz holt. Das galt es zu verhindern. Deswegen sind wir Politiker damals auch sehr froh gewesen, dass sich dann Anfang 2003 als Ergebnis eine Interessengruppe, die IG

Schienenlärm, gegründet hat, die heute koordinierende Aufgaben übernimmt und der ich dann im Verlaufe der Zeit nach den ersten Erfahrungen mit der Deutschen Bahn auch persönlich beigetreten bin. Denn ich muss sagen, man fühlte sich doch sehr alleine gelassen.

Wir haben sehr schnell herausgefunden, dass für den Lärmschutz Bund und Bahn verantwortlich sind, nicht die Freie und Hansestadt Hamburg. Bei der Haushaltslage ist das auch nichts, wo man einfach sagen kann: Ich springe hier einmal ein. Herr Rosenfeldt, da komme ich natürlich auf Ihren Beitrag und von Frau Sparr habe ich Ähnliches auch schon gehört: Warum habt Ihr denn nicht früher gehandelt? Herr Rosenfeldt, wir haben versucht, in Gesprächen und Verhandlungen die Verantwortlichkeiten so zu klären, dass die Unterstützung von Bahn und Bund auch wirklich kommt.

Es sind damals Ihre Staatssekretärin im Verkehrsministerium – es regierte damals noch Rotgrün in Berlin – und die Bundestagsabgeordneten sensibilisiert worden, sich dieses Themas anzunehmen. Es haben sich alle dafür eingesetzt und wir haben bis zum Schluss versucht, den Hamburger Haushalt so weit wie möglich zu schonen. Deswegen habe ich immer wieder auf Bürgerversammlungen und in Antworten auf Briefe, die Bürger an mich gerichtet haben, betont, dass die Freie und Hansestadt Hamburg nicht in der Lage sei, für den Bund einzuspringen. Dass wir am Ende die Bahn nicht so in die moralische Verpflichtung einbinden können, dass diese auch weitere Kosten übernimmt, haben wir jetzt erkennen müssen. Wir erkennen ein Engagement der Bürger an, die bereits sehr viel Geld gesammelt haben, die sich beteiligen wollen, die selbst auch erkannt haben, dass juristische Wege nichts nützen. Wir erkennen das an und sind froh, dass wir eine interfraktionelle Lösung gefunden haben, diesen Menschen zu helfen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist noch eine ganze Reihe von Problemen zu lösen, wo wir auch heute noch keine endgültigen Antworten haben. Ich nenne nur einmal die Problematik der Entdröhnung von Brücken oder das Ziel des durchgängigen Lärmschutzes. Die Pfeilerbahnproblematik haben wir hier bereits erkannt und wir haben erhebliche Probleme mit den Ultimaten der Bahn.

Ich sagte vorhin, wir diskutieren vier Jahre. Die Bahn sagt uns heute:

"Jetzt geht es aber los"

und versucht den Schwarzen Peter den Anwohnern unterzujubeln. Jetzt geht es aber los, aber wir schaffen von dem, was wir bauen müssten, gerade einmal die Hälfte. Der Rest ist dann 2008 dem Lärm ausgesetzt und ab 2009 schauen wir dann einmal weiter, wie es geht. Das ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe mir dann einmal überlegt, was die Bahn eigentlich alles Positives oder weniger Positives gemacht hat. Das einzig Positive ist herausgestrichen worden, das ist die Beteiligung am Runden Tisch. Was ich als besonders negativ empfinde, ist der Verfahrenstrick dieser Ertüchtigung. Man hat die Strecke, die man nutzen will durch drei geteilt, hat zwei Teile mit entsprechenden Planfeststellungsverfahren, mit Lärmschutz eingerichtet und hat dieses Mittelstück, viele Kilometer, völlig ungeschützt, also

ohne Planfeststellungsverfahren, vorantreiben können. Man hat völlig zögerlich angefangen. Jetzt auf einmal marschiert man voran und sagt, es muss aber losgehen, und konnte den Bürgern bis vor kurzem noch nicht sagen, was das Ganze überhaupt kosten soll.

Ich will es hierbei belassen, weil das Thema im Endeffekt natürlich, auch wenn es bezirksübergreifend ist, schon auch ein bisschen regionalen Charakter hat. Unsere Message an die Deutsche Bahn muss hier heute sehr deutlich sein, dass wir nämlich gemeinsam fordern, dass erst die Wand und dann die Bahn kommt.

Ich habe noch eine Bitte an die Kollegen aus dem Bezirk Hamburg-Nord, der noch rotgrün ist, dass man dort jetzt den Widerstand aufgibt und endlich die 150 000 Euro der CDU beschließt, damit wir auch in diesem Bereich weiterkommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Quast.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als es sich spätestens Anfang dieses Jahres abzeichnete, dass es bei der Deutschen Bahn in Sachen Lärmschutz bei der Güterumgehungsbahn keine befriedigende Lösung geben würde, hat die SPD-Fraktion einen Antrag in diese Bürgerschaft eingebracht

(Olaf Ohlsen CDU: Genau!)

und damit das Thema auf die Agenda gesetzt. Ich bin froh, dass unsere Initiative dazu geführt hat, dass wir es heute schaffen, gemeinsam zu beschließen, dass sich die Stadt Hamburg – wie von uns damals angeregt – zugunsten der Bürger finanziell beteiligen wird, die vom Lärm betroffen sind, und zugunsten der Nutzer von Spielplätzen und Grünanlagen an der Strecke, die künftig vor Lärm, so hoffe ich jedenfalls, auch mit Unterstützung der Stadt geschützt werden können.

Die öffentliche Anhörung, die der Stadtentwicklungsausschuss zu dieser Problematik vor kurzem durchgeführt hat und an der rund 350 Bürger teilgenommen haben, hat eindrucksvoll demonstriert, was die Güterumgehungsbahn an Lärm mit sich bringen wird. Für mich war aber noch viel eindrucksvoller, zu erleben, wie ein Unternehmen, nämlich die Deutsche Bahn, mit den Bürgern umgeht, die berechtigt ihre Interessen, nicht mehr von Lärm geschädigt zu werden, vorbringen. Ich denke einmal, dass das, was wir dort gehört haben, auch ein Punkt ist, der auf jeden Fall auf die Agenda für weitere Gespräche mit der Deutschen Bahn – worum es auch immer gehen mag – gehört, der auch auf die Agenda gehört, wenn der Senat Verhandlungen mit der Deutschen Bahn führt. So kann man nicht mit den Menschen in dieser Stadt umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist richtig, dass wir die Deutsche Bahn AG nicht aus der Verantwortung lassen, es ist aber genauso richtig, dass die Stadt Hamburg sich an den Lärmschutzmaßnahmen finanziell beteiligt. Wie Senator Freytag ausgeführt hat, ist es vernünftig, das Schwarzer-Peter-Prinzip zu durchbrechen. Gleichwohl bleibt der Schwarze Peter bei der Deutschen Bahn. Wir wollen alle, das hat Herr Hesse auch ausgeführt – da bin ich froh, dass wir das alle so sehen –, die Güter auf die Schiene bringen, aus öko

logischen und ökonomischen Gründen. Ökonomische Gründe sind sicherlich hauptsächlich für die Bahn wichtig. Das Ganze hat seinen Preis, nämlich zum Beispiel, dass auch wir in den Lärmschutz investieren werden.

Ich bin froh, dass wir die Gelegenheit haben, im Stadtentwicklungsausschuss auch noch einmal anhand des GAL-Antrages über die Forderungen, die wir an die Deutsche Bahn richten müssen, debattieren können. Dann sollte der Senat aber auch im November darlegen, wie er das, was er bisher gegenüber der Presse verkündet hat, gedenkt umzusetzen, wie er im Einzelnen Unterstützung leisten will mit dem, was wir als Bürgerschaft ihm heute als Spielraum geben werden. Das erwarte ich von Ihnen.

Herr Senator Freytag, wenn Sie hier zu Recht kritisieren, dass die Lärmrichtlinien, die es gibt, mit ihren verschiedenen Maßstäben heute nicht mehr zeitgemäß sind, dann erwarte ich aber auch, dass Hamburg etwas unternimmt, um auf Bundesebene Verbesserungen herbeizuführen. Dort sitzen wir in einem Boot, wie der Bürgermeister des Öfteren zu erwähnen beliebt. Ich denke, dass wir Sie auch unterstützen würden, wenn Sie eine Bundesratsinitiative starten, um an diesem Thema etwas für die Stadt Hamburg und für viele andere von Lärm durch die Bahn betroffene Regionen tun. Wir warten auf Ihre Initiative.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Lühmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will es nur noch einmal ganz kurz machen. Herr Wersich, diese reflexartigen Vorwürfe gegen Rotgrün gehen teilweise richtig am Thema vorbei.

(Beifall bei Jan Quast SPD)

Ich will das doch noch einmal ganz klar sagen. Sie haben eben noch einmal das Wirken von Angelika Mertens thematisiert. Ich will Ihnen dazu nur ganz kurz sagen: Die Güterumgehungsbahn ist, soweit ich mich auskenne, die erste und einzige Strecke in Deutschland, die allein aufgrund von Prognosewerten in ein Lärmsanierungsprogramm des Bundes aufgenommen wurde, und zwar des Lärmsanierungsprogramms, das Rotgrün aufgelegt hat. Dazu muss ich Ihnen wirklich sagen: Bis April 2005, bis zur Einrichtung des Runden Tisches – im Juni 2005 kam die Erkenntnis der DB, sie komme mit passivem Lärmschutz allein nicht aus, sie müsse auf aktiven Lärmschutz gehen – bis dahin haben alle Vertreter der Stadt und des Bundes zum Wohle der Bürger in dieser Stadt an einem Strang gezogen. Da finde ich es einfach albern, wenn Sie jetzt meinen, noch einmal auf der Staatsrätin herumhacken zu müssen. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Gregersen.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur kurz allen noch eine Aufgabe mit auf den Weg geben, was die Güterumgehungsbahn betrifft. Gut situierte Bürger

(Wolfhard Ploog CDU: Wer ist das?)

bezahlen für Lärmschutz und bekommen ihn auch. Mietshäuser, Mieter von SAGA und GWG können nicht zahlen. Die SAGA will auch nicht zahlen. Es wird dort eventuell nie Lärmschutz geben oder vielleicht erst in zehn, 20 Jahren. Die Forderung auch an dieses Haus und an alle Kolleginnen und Kollegen ist:

(Karen Koop CDU: Immer diese gleiche Schiene!)

Kümmern Sie sich bitte darum, dass auch Barmbek, Dulsberg und die anderen Stadtteile, wo die Güterbahn auch Tag und Nacht vorbeirattern wird, Lärmschutz bekommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)