Protocol of the Session on September 27, 2006

(Beifall bei der CDU)

Die Redezeit der Aktuellen Stunde ist erschöpft.

Wir kommen zu Punkt 2 a der heutigen Tagesordnung, der Wahl einer oder eines Deputierten der Justizbehörde.

[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Justizbehörde – Drucksache 18/5062 –]

Der Stimmzettel liegt Ihnen vor. Er enthält je ein Feld für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Sie dürfen auf dem Stimmzettel ein Kreuz machen, aber bitte nur eines. Mehrere Kreuze beziehungsweise weitere Eintragungen oder Bemerkungen machen den Stimmzettel ungültig. Auch unausgefüllte Zettel gelten als ungültig.

Bitte nehmen Sie nun Ihre Wahlentscheidung vor und ich bitte die Schriftführerinnen, die Stimmzettel einzusammeln. Die Spielregeln dazu kennen Sie schon. Vielleicht wäre es ganz hilfreich, wenn Sie die Zettel so hoch halten würden, dass die Schriftführerinnen sie finden.

(Die Wahlhandlung wird vorgenommen.)

Gibt es noch nicht eingesammelte Stimmzettel? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Wahlhandlung. Das Wahlergebnis wird jetzt ermittelt und ich werde es Ihnen

im Laufe der Sitzung bekannt geben.

Wir kommen zu Punkt 28 der Tagesordnung, dem Antrag der CDU-Fraktion: Qualifizierung zum Familienbetreuer beziehungsweise zur Familienbetreuerin im Rahmen einer Weiterbildung Haushaltsnahe Dienstleistung.

[Antrag der Fraktion der CDU: Qualifizierung zum/zur "Familienbetreuer/in" im Rahmen einer Weiterbildung "Haushaltsnahe Dienstleistung" – Drucksache 18/4986 –]

Wer wünscht das Wort? Frau Meyer-Kainer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Familie ist das Fundament unserer Gesellschaft. Wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern einstehen, werden wichtige soziale Kompetenzen weitergegeben, Grund genug, die Ressource Familie weiter zu stärken. Mit der Kinderbetreuung haben wir in Hamburg bereits wesentliche Verbesserungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht. Dennoch sind weitere Anstrengungen notwendig, um Familien noch umfassender zu entlasten.

(Beifall bei der CDU – Wolfgang Beuß CDU: Ge- nau!)

Wenn Eltern berufstätig sind und auch noch den Haushalt führen müssen, dann besteht eine vergleichsweise hohe Belastungssituation. Vielen berufstätigen Eltern fehlt dadurch schlicht die Zeit, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen. Diese gemeinsame Zeit mit Kindern ist aber notwendig, um deren Bindungsfähigkeit zu stärken. Bisher gibt es bei Dienstleistungen im Haushalt nur einen sehr begrenzten Umfang. Es fehlt ein Angebot aus einer Hand, das die Lücke zwischen Haushaltsführung, Kinderbetreuung und auch der Unterstützung älterer Menschen schließt.

(Vizepräsidentin Bettina Bliebenich übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt eben keine Dienstleistung, die darauf abzielt, die Hausfrau und Mutter umfassend zu vertreten. Hier setzt unser Familienbetreuer an. Es soll eine Angebotslücke zwischen Kindertagesbetreuung, Tagespflege und auch den pflegerischen Berufen geschlossen werden. Wer einen Familienbetreuer einstellt, benötigt eben keine Haushaltshilfe, sondern erhält alles aus einer Hand. Ist dies überhaupt leistbar, mögen Sie fragen. Ich sage: Selbstverständlich. Natürlich kann in einem dreimonatigen Kurs nicht alles erlernt werden. Wohl aber können bestehende Kompetenzen erweitert und vertieft werden. Nach unserer Vorstellung lernen die angehenden Familienbetreuer in einem dreimonatigen Kurs, wie man ein Kind in seiner häuslichen Umgebung betreut, wie eine gesunde Mahlzeit zubereitet wird und auch gegebenenfalls, wie ältere Menschen unterstützt werden können. Dabei wird es nicht so sein, dass der Familienbetreuer in nur drei Monaten komplette Altenpflege erlernt. Er oder sie soll nicht ganze Berufe ersetzen, sondern schlicht die Hausfrau vertreten.

Sie werden gegebenenfalls auch fragen, wer für diese Aufgabe infrage kommt.

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Ergebnis siehe Seite 3358 A

(Olaf Ohlsen CDU: Nee, da werden wir nicht fra- gen!)

Ich denke zum Beispiel an Personen mit Dienstleistungsausbildung, die sich neu orientieren möchten, oder auch Berufsrückkehrerinnen. Der private Haushalt bietet genug Einsatzmöglichkeiten. Diese sind bisher nur noch nicht erkannt worden, nicht zuletzt, weil die Bedeutung von Haushaltsführung und Kinderbetreuung jahrelang unterschätzt wurde. Hausfrauen, so das gängige Vorurteil, arbeiten ja nicht.

Mit unserer Familienbetreuerinitiative machen wir deutlich, dass Haushaltsführung und Kinderbetreuung sowohl wichtig als auch durchaus Berufe sind. Nicht zuletzt entstehen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, die damit auch steuerlich absetzbar sind, und last but not least können sich mehrere Familien auch eine Familienbetreuerin teilen und auch hier neue Modelle ausprobieren.

Wie sieht die tatsächliche Umsetzung aus? Die Weiterbildung zum Familienbetreuer oder zur -betreuerin ist für die Teilnehmer kostenlos. Sie soll als arbeitsmarktpolitische Maßnahme finanziert werden, also über die Behörde für Wirtschaft und Arbeit. Nach unseren Prognosen wird ein dreimonatiger Kurs mit 20 Teilnehmern rund 50 000 Euro kosten. Aus München wissen wir bereits, dass sich dort eine vergleichbare Maßnahme gut bewährt hat.

Dennoch sind wir hier in Hamburg vorsichtig und möchten ein einjähriges Pilotprojekt auf dem Markt testen. Mit der Umsetzung soll aus einer Ausschreibung ein familiennaher Träger beauftragt werden. Die Vorteile einer solchen Maßnahme sind nach meiner Auffassung unbestreitbar.

(Beifall bei der CDU)

Ich bitte auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, stimmen Sie für diesen Antrag und setzen Sie mit uns ein Signal für die Unterstützung der Hamburger Familien. Ich bin sehr optimistisch, dass wir neue Ressourcen erschließen können, die sowohl den Familien als auch dem Arbeitsmarkt zugute kommen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dees.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Frau Meyer-Kainer! Leider sind Sie die Beantwortung der entscheidenden Frage schuldig geblieben, warum es diese Dienstleistung aus einer Hand nicht gibt, obwohl wir viele qualifizierte Frauen und Männer haben.

Bevor ich darauf auch arbeitsmarktpolitisch eingehe, eines vorweg: Die Idee ist aus zwei Gründen prinzipiell zu begrüßen. Erstens, Familien gehören in unserer Stadt dringend besser unterstützt, allemal nach all den Mehrbelastungen, die gerade Sie in den vergangenen Jahren den Familien aufgebürdet haben.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens, Dienstleistungen, zumal haushaltsnah, sind in Deutschland unterentwickelt. Vergleichen wir uns mit ähnlichen Ländern wie dem unsrigen, dann fehlt dem deutschen Arbeitsmarkt ungefähr ein Beschäftigungsvolumen von 1,7 bis 3,1 Millionen Menschen, die in die

sem Bereich tätig sein könnten. Es ist schon interessant, sich die Frage zu stellen, warum das in anderen Ländern möglich ist und bei uns nicht.

Was Ihren Antrag anbelangt, muss ich Ihnen aber leider bescheiden: Die Idee ist auch schon das einzig Richtige an diesem Antrag und sie ist nicht einmal neu.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)

Fortbildungen zur Familienbetreuerin oder in der Tagespflege von Kindern werden von den BezirkslandFrauen Blaubeuren, den KreisLandFrauen Schwäbisch Hall, der Katholischen Militärseelsorge Wiesbaden oder, wenn Ihnen eine größere Nähe wichtiger und lieber ist, der Familienbildungsstätte in Wedel angeboten.

Nun stellt sich also die Frage, ob Ihr Antrag die vorliegenden Erfahrungen aufgreift und ein schlüssiges Konzept anbietet, gerade was die arbeitsmarktpolitische Realisierung betrifft. Da muss ich Ihnen leider sagen: Die Ausgestaltung der Maßnahmen ist durchgängig zu kurz gedacht und in Teilen widersprüchlich. Ich finde sie auch wirr. Die von Ihnen propagierte Wirkung am Arbeitsmarkt ist wirklich ein naiver Wunschtraum. Mal ehrlich, Hand aufs Herz – ich glaube, hier sind viele Familienväter und -mütter, die versucht haben, für die Erziehung und für die Haushaltshilfe, die sie gerne gehabt hätten, Personen zu finden.

(Olaf Ohlsen CDU: Das haben wir nie gesagt!)

Da schlagen Sie nur mal die Wochenblätter auf. Seien wir einmal ehrlich, es ist doch nicht ein Mangel an Personen da, die sich gegebenenfalls anbieten und nicht qualifiziert wären, die sind qualifiziert. Die machen das nur ohne Steuerkarte. Unsere Familie hat ein halbes Jahr gesucht, bis wir überhaupt jemanden gefunden haben.

Wenn man ein solches Konzept in dieser Stadt implementieren will, muss man doch an diesem Kernproblem etwas ändern. Sonst macht man es doch eigentlich nur, um einen schönen Antrag geschrieben zu haben, aber nicht, um wirklich eine Wirkung zu erzielen.

Noch einmal zu den Inhalten: Zu kurz gedacht ist, dass nicht einmal klar wird, was die Familienbetreuerin leisten soll. Sie sprechen von Kindertagesbetreuung, von pflegerischen Berufen, von der Verwaltung des Familienbudgets. Nach dem finnischen Modell ist eine Familienbetreuerin jemand, der eine Familie von der Schwangerschaft bis zum Schuleintritt der Kinder begleitet. Das finde ich ein sehr schlüssiges und interessantes Konzept. Aber was ist es nach dem Modell der Hamburger CDU? Deutlich wird das nicht. Aber auf jeden Fall sind Sie anspruchsvoll und die Person, die innerhalb von nur drei Monaten geschult werden und einen Beruf erwerben soll, muss vor allem sehr vielen Anforderungen entsprechen. Die Ansprüche stehen in Wahrheit in Widerspruch zu der Ausbildungsdauer, an die Sie denken.

Richtig wirr wird es, wenn man sich die Zielgruppe der zu qualifizierenden Menschen in Ihrem Antrag anschaut. Das reicht von Frauen mit Migrationshintergrund ohne Ausbildung über Berufsrückkehrerinnen bis hin zu sozialpädagogischen Assistentinnen. Bei Männern ist es ein bisschen einfacher, da reicht es wenn sie als Voraussetzung mitbringen, dass sie ein Interesse an der Tätigkeit im Privathaushalt haben.

(Antje Möller GAL: Das ist ja sehr suspekt!)

Für einschlägig Qualifizierte soll die gleiche Weiterbildung im gleichen Umfang angeboten werden wie für relativ arbeitsmarktferne Personen, die zum Teil ohne jegliche Ausbildung sind. Entschuldigung, aber das finde ich schlichtweg absurd. Es passt aber zu den bisherigen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen des Senats, die allesamt auch nicht adäquat an den Qualifikationen der Arbeitssuchenden ansetzen und so die Langzeitarbeitslosen immer wieder im Regen stehen lassen.

Der entscheidende arbeitsmarktpolitische Punkt, sozusagen das dicke Ende dieses Antrags, kommt noch: Die Kosten für die Familienbetreuung, Sie haben in Ihrer Pressekonferenz von 1500 Euro gesprochen, tragen die Eltern – 1500 Euro. Aber wahrscheinlich möchte ich trotzdem meine Tochter und meinen Sohn in den Kindergarten bringen. Dann kommen noch einmal 200, 300 oder 400 Euro dazu. Vielleicht kommt noch einmal die Vorschule darauf. Dann sind wir schnell bei über oder an die 2000 Euro. Da muss ich Sie einmal ernsthaft fragen: Wer in dieser Stadt, glauben Sie – lassen Sie es einmal 2000 oder nur 1500 Euro sein –, hat das Geld, sich dafür eine Familienbetreuung zu leisten?

(Wolfhard Ploog CDU: Ich nicht!)

Ich glaube, das sind bestenfalls die 5 oder 2 Prozent der besser und am allerbesten Verdienenden dieser Stadt, aber mitnichten die Leistungsträger und die doppelt arbeitende Mittelschicht, die in Wahrheit die Entlastung bräuchte und die auch einen nennenswerten Arbeitsmarkteffekt erzielen könnte und die für sich eine richtige Lebensentlastung sehen könnte.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)