Protocol of the Session on September 14, 2006

Es hat sich vieles zum Guten gewendet, aber es hat sich in den letzten Jahren leider auch wieder einiges zum Schlechteren gewendet.

Damit kommen wir gleich zum nächsten Thema. Wenn wir von Toleranz und Akzeptanz sprechen, so fällt die nicht vom Himmel. Wenn Sie sich damit herausreden wollen, man könne sie auch nicht verordnen, wie das Rotgrün gemacht habe, dann kaschieren Sie damit eigentlich nur Ihre eigene Unwilligkeit, die Rahmenbedingungen in der Gesellschaft so zu schaffen, dass Minderheiten eine Chance haben, denn Toleranz fällt nicht vom Himmel, die muss man sich hart erkämpfen. Das gilt im Übrigen für alle Minderheiten und ich glaube, die Frauen in diesem Saal wissen, wovon ich rede.

(Gesine Dräger SPD: Wir sind keine Minderheit!)

Natürlich sind Sie keine Minderheit, aber ich will einmal die eine oder andere Frau fragen, ob sie nicht auch schon einmal Diskriminierung aufgrund dessen erfahren hat, dass sie eine Frau ist. Da gibt es sicher die eine oder andere Geschichte, die wir hier hören könnten.

(Karen Koop CDU: Es gibt aber auch Männer, die diskriminiert werden!)

Meine Damen und Herren! Ich kann ja verstehen, dass Sie als CDU mit dem Thema nichts am Hut haben.

(Zurufe von der CDU)

Hören Sie doch einmal zu und regen sich nicht gleich auf.

Wir wollen Metropole werden, wir wollen gemeinsam Olympiastadt werden. Glauben Sie denn allen Ernstes, dass Hamburg eine Chance auf internationalem Parkett hat, wenn wir so mit den Menschen in dieser Stadt umgehen, wenn wir nicht weltoffen sind und das einfach nur eine Floskel bleibt, die uns niemand abnimmt.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Was reden Sie eigentlich?)

Wir kommen gleich beim nächsten Antrag noch darauf, was wirklich Weltoffenheit in dieser Stadt bedeutet und da werden wir uns dann auch darüber unterhalten. Jedenfalls machen Sie Toleranz und Weltoffenheit nicht zum Markenzeichen dieser Stadt und das ist nicht nur schade, das schadet dieser Stadt und auch allen heterosexuellen und homosexuellen Bürgern dieser Stadt. Deswegen ist ein wichtiges Zeichen in diesem Jahr schon versäumt worden, Sie haben es in den Medien auch mitbekommen. Es wäre die verdammte Pflicht des Ersten Bürgermeisters gewesen, an der CSD-Demo teilzunehmen. Ob links, ob rechts, ob Homo oder Hetero, jeder Bürgermeister einer Millionenmetropole läuft inzwischen mit. Das ist Amtspflicht

(Lachen bei der CDU)

und da gibt es kein Verstecken, da gibt es keine Ausreden. Sie mögen das alles nicht hören wollen, sprechen Sie mit Ihren Kollegen in den anderen Städten, dann können Sie ein bisschen abschätzen, was so eine Anwesenheit des Ersten Bürgermeisters ausrichten könnte.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Zum Schluss will ich noch eine Sache ansprechen, wenn wir davon reden, ob überhaupt noch Diskriminierung ausgeübt werde, wie es denn eigentlich den lesbischen und schwulen Hamburgern in unserer Nachbarschaft

gehe. Es gab im Sommer einen sehr interessanten Artikel in dem schwulen Magazin "hinnerk", der nämlich einmal beleuchtet hat, wie sich schwule Männer in bestimmten Stadtteilen fühlen und wie sie dort leben. Ein Stadtteil, der dort näher untersucht worden ist, war Wilhelmsburg. Sie erinnern sich noch, dass Sie dafür gesorgt haben, dass dort auch Studenten wohnen können.

(Wolfhard Ploog CDU: Richtig!)

Unter diesen Studenten war auch ein schwuler Student, der berichtet hat, dass er zwar vom Äußeren her sehr gerne dort wohnt, sich aber nicht traut, zu erkennen zu geben, dass er schwul ist, weil er Angst hat.

(Olaf Ohlsen CDU: Vor wem?)

Das war nur die Spitze des Eisbergs. Wir wissen, dass es in anderen Stadtteilen genauso ist. St. Georg ist nicht das schwule Leben in Hamburg und auch andere Stadtteile sind nicht das lesbische Leben. Wir hatten die Debatte in diesem Land, dass es in dieser Stadt No-go-Areas für Lesben und Schwule gibt und Sie verschließen die Augen davor und sprechen nicht einmal an, dass bestimmte Hamburger nicht mehr in bestimmte Stadtteile gehen können, um sich dort ganz normal zu zeigen; das wirft ein übles Bild auf diese Stadt. Ich schäme mich dafür, dass das so ist und würde mir sehr wünschen, dass auch der Kollege Heintze nicht nur, weil seine Partei an der Regierung ist und er sie schützen will und sie sich nicht mit Problemen auseinander setzen will, die vielleicht schwierig sind, mithelfen würde, dass sich diese Zeiten in dieser Stadt ändern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Wolfgang Beuß CDU: Wo leben sie eigentlich!)

Das Wort erhält Senatorin Schnieber-Jastram.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin überhaupt nicht verschämt und mir ist es auch nicht peinlich. Ich bin nämlich ganz sicher, dass Hamburg eine weltoffene Metropole ist und bleibt, eine Metropole, die sich orientiert am Gedanken der Toleranz.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Es leben in dieser Stadt seit jeher Menschen verschiedener Nationalitäten unterschiedlicher Lebensentwürfe – Herr Müller, Ihre Frage zeigt übrigens, dass Sie die personifizierte Intoleranz sind –

(Beifall bei der CDU)

und natürlich auch unterschiedlicher sexueller Ausrichtungen. Das ist doch ganz selbstverständlich in dieser Stadt, das nimmt jeder wahr und zur Gleichstellung und zum Schutz homosexueller Menschen leistet die Politik dieses Senats einen wichtigen Beitrag.

Wenn Sie sich die Antwort des Senats auf die Große Anfrage ansehen, dann wird deutlich, dass sich die Bilanz des Senats bei der Umsetzung der Gleichberechtigung, bei dem Schutz vor Diskriminierung homosexuell orientierter Menschen in Hamburg auch in Zeiten der Haushaltskonsolidierung durchaus sehen lassen kann.

Wir haben uns maßgeblich bei der Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes engagiert,

einem Gesetz, dass unmittelbar in den Ländern gilt und eine wichtige Grundlage für den Schutz vor Diskriminierung darstellt. Ein weiterer Schritt zur Gleichberechtigung homosexueller Paare ist das vom Bund erlassene Lebenspartnerschaftsgesetz. Die landesrechtliche Anpassung des Ausführungsgesetzes werden wir in Hamburg umsetzen.

(Lutz Kretschmann-Johannsen SPD: Wann? 2010?)

Über die rechtlichen Verbesserungen für eingetragene Lebenspartnerschaften im Bereich der Familien- beziehungsweise Ortszuschläge und der Reise- und Umzugskosten hat das Personalamt laufend informiert. Diese positive Entwicklung zur Verbesserung der rechtlichen Gleichstellung von Lebenspartnerschaften ist noch nicht abgeschlossen, aber ich finde und denke, sie ist auf einem guten Weg.

Was Herr Kretschmann-Johannsen

(Lutz Kretschmann-Johannsen SPD: Ich habe nach "wann" gefragt!)

hier in den Raum gestellt hat, ist die Behauptung: Hier in Hamburg passiert überhaupt nichts für die Gleichstellung von homosexuellen Menschen. Das können wir ganz klar widerlegen. Das zeigt übrigens auch unsere Antwort. Auch die betroffenen Menschen empfinden das so und fühlen sich in Hamburg wohl. Sie sind doch nicht der Einzige, der Homosexuelle kennt. Wir alle kennen homosexuelle Menschen. Ich habe darüber nie eine Klage gehört, dass man hier nicht leben könne, sondern immer wieder: Hier kann man sich wohlfühlen.

(Beifall bei der CDU – Lutz Kretschmann- Johannsen SPD: Das kommt darauf an, wen man fragt!)

Wenn man, Herr Kretschmann-Johannsen, sich allerdings Ihre Fragen aus der Großen Anfrage ansieht, dann bekommt man manchmal das Gefühl, dass Sie deutlich über das gut gemeinte Ziel hinausschießen. Wenn Sie zum Beispiel fragen, ob der zuständigen Behörde Erkenntnisse über die Anzahl homosexueller Mitglieder in den Sportvereinen vorliegen oder ob sie Erkenntnisse über die Altersgruppen von Menschen haben, die Coming-outHilfen im Jugendhilfebereich besonders nachfragen, verlangen Sie, dass Politik, Verwaltung, Jugendhilfe, Sport und so weiter für den guten Zweck Daten über Schwule und Lesben sammeln. Nach meiner Einschätzung sind Angaben zur sexuellen Orientierung wirklich ganz persönliche und besonders schützenswerte Daten, das gilt auch und gerade, wie ich finde, für die öffentliche Verwaltung. Das sollten wir alle miteinander gelernt haben.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt ein Wort zu Ihnen, Herr Müller, wir wissen doch längst, dass Sie, wann immer das Thema Schwule und Lesben – er hat seinen Part getan, er hört gar nicht mehr zu – auf der Tagesordnung steht, mit moralinsaurem Gesicht auftauchen, an das Rednerpult treten und die angebliche Verfolgung der Schwulen durch diesen Senat beschwören. Zugleich malen Sie auch den Untergang des Abendlandes an die Wand.

(Lutz Kretschmann-Johannsen SPD: Sie übertrei- ben schamlos!)

Ich sage Ihnen, Herr Müller, ich finde es toll, wenn Menschen sich für andere Menschen, die in Not sind, einsetzen. Aber ich denke, wir alle merken, dass Ihre Entrüstung bei diesem Thema eher zu einem leeren Ritual geworden ist.

(Beifall bei der CDU)

In Wahrheit haben Sie so etwas wie ein politisches Existenzproblem, weil auch Schwule und Lesben ganz normale Bürger unserer Stadt sind

(Zurufe von Katja Husen GAL)

und dieselben, ganz normalen Alltagsthemen und Alltagssorgen haben, wie alle Hamburger auch. Das Ergebnis von Gleichstellung, Herr Müller, ist nicht Sonderstellung, sondern Normalität.

(Beifall bei der GAL – Lutz Kretschmann- Johannsen SPD: Da wollen wir auch hin!)

Was bei den Maßnahmen und Projekten im Rahmen der Gleichstellungsarbeit ganz deutlich wird, ist, dass die Gleichstellung weit über Homosexualität hinausgeht und ein Querschnittsthema ist, das alle Politikbereiche umfasst. Sie ist kein alleiniges Thema eines einzelnen Amtes, sondern sie ist Personalpolitik, sie ist Schulpolitik,

(Lutz Kretschmann-Johannsen SPD: Haben wir doch eben gesagt! Es passiert doch nichts!)

sie ist Bildungspolitik, sie ist Jugendpolitik, sie ist Integration von Zuwanderern, ist ein Thema für die Wirtschaft, für die Firmen, für die Betriebe. Das zeigt auch die Antwort auf die Große Anfrage ganz deutlich, die Gleichstellungsarbeit des Senats ist in all diesen Politikfeldern präsent und das ist auch gut so.