Man muss Folgendes sagen: Wir wollen diesen Platz im Konsens, wir wollen, wenn es möglich ist, mit Ihnen darüber weiterhin im Gespräch bleiben, um zu einer guten Lösung zu kommen. – Vielen Dank.
Bevor ich Herrn Lieven das Wort erteile, erteile ich dem Abgeordneten Neumann einen Ordnungsruf für den gegenüber Herrn Finck gemachten Zuruf.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ad eins: Leider sehe ich mich genötigt zu sagen, dass ich es vonseiten des Bausenators als auch vonseiten der CDU-Fraktion sehr schwach finde, dass Sie sich keine Mühe geben, auch nur eines unserer inhaltlichen Argumente zu kontern,
Ad zwei: Ich möchte mich gerne auf die beiden zentralen Argumente, die Bausenator Freytag eben vorgetragen hat, beziehen. Herr Freytag, entweder sind Sie Autist, völlig beratungsresistent oder hemmungslos wettbewerbsgläubig.
Warum glauben Sie unbedingt daran, dass eine prominente Jury, wenn sie ein renommiertes Architekturbüro auswählt, zwangsläufig automatisch einen guten Entwurf auswählt? Das ist nicht so, auch ein gutes Architekturbüro kann nicht leisten, unter falschen Voraussetzungen einen guten Entwurf abzugeben.
Ich war in der Jury als sachverständiger Berater dabei wie andere Kollegen der Bürgerschaft auch, aber ohne Stimmrecht wohlgemerkt. Wir waren in der dritten Reihe als Parteien daran beteiligt. Und die Lyrik, die Sie vorhin vorgelesen haben, ist die Standardlyrik bei allen Wettbewerben; dort bekommen alle Preisträger eine lobende Erwähnung. Sie hätten vielleicht vorlesen sollen, was die Jury zu Peter Eisenman vorgelegt hat. Daraus sprach Begeisterung und nicht nur eine zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorgeknirschte Anerkennung für den Entwurf von Auer + Weber.
Sie nannten als Vorbild Bilbao, auch dort habe es viele Diskussionen gegeben, die Menschen seien nicht spontan alle dafür gewesen. Das ist richtig, aber Bilbao ist eine ganz andere Klasse als das, was hier vorgelegt wurde. Bilbao ist damals in der internationalen Architekturwelt eingeschlagen wie eine Granate. Es hat eine
Welle der Begeisterung ausgelöst und wirklich ein großes A und O gegeben. Von dem ist bei Auer + Weber, mit Verlaub, nicht einmal in der Hamburger Presse etwas zu spüren, von der nationalen oder internationalen ganz zu schweigen. Das neue Museum in Bilbao hat allerdings auch 500 Millionen Dollar gekostet. Das war eine Kraftanstrengung, bei der die Stadt sich auf ein Gebäude konzentriert und gesagt hat, damit erschöpfen wir unser Image neu und das hat funktioniert. Im Übrigen hat auch kein Mensch daran gedacht, das Guggenheim-Museum in Bilbao irgendwann einmal als irgendetwas anderes nachzunutzen; das ist völlig absurd.
Moderne Architektur ist häufig schwierig, aber wenn sie gut ist, ist sie überzeugungsfähig, das zeigt auch die Elbphilharmonie; die ist modern und überzeugungsfähig.
Wenn Ihnen wirklich an guter Architektur gelegen ist – meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, auch Sie führen das oft im Munde –, dann schauen Sie sich doch an, was der Senat in der HafenCity tut. Da soll das Science-Center nach einem Entwurf von Rem Kohlhaas, einem internationalen Stararchitekten, gebaut werden und da gibt die Stadt 46 Millionen Euro obendrauf zu den zweistelligen Millionenbeträgen, die der private Investor aufbringt, damit insgesamt 80 Millionen Euro für ein wirklich tolles, strahlkräftiges Gebäude zusammenkommen. So kann es gehen, aber wenn Ihnen der Domplatz das nicht wert ist, wenn Sie ihn verkaufen, durch einen Privaten bebauen und als Bürohaus nachnutzen wollen, dann kann es nichts werden.
Unser Antrag zeigt einen Weg auf, wie man den Domplatz bebauen kann. Unser Wunsch und Ziel ist es, dort die Bibliothek und die Bürgerschaft mit ihren öffentlichen Nutzungen zu haben. Wenn Sie dieses Ziel auch haben, wenn Sie dort nicht nur einfach eine Lackierhalle oder einen Schneewittchensarg hinbauen wollen und hoffen, dass in zehn Jahren niemand mehr davon redet, dann folgen Sie unserem Antrag. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Ich habe zum ersten Thema der Aktuellen Stunde keine Wortmeldungen mehr. Dann kommen wir zum zweiten, von der CDUFraktion angemeldeten Thema:
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Woran orientiert man sich, wenn der Schulausschuss eine Reise mit vielen Pädagogen macht? Natürlich an Goethe. Was lag also näher, als Thüringen und Sachsen zu erkunden, zumal Goethe ja auch gesagt haben soll:
Deshalb fuhren wir also diesmal nicht in die Türkei und auch nicht nach Finnland, wir wollten stattdessen auf Vorschlag unserer Fraktion einmal schauen, wie deutsche PISA-Sieger aussehen. Sachsen und Thüringen haben nicht nur 2003 bei PISA insgesamt sehr gut abgeschnitten, sondern sich – das war uns sehr wichtig – gegenüber 2000 auch noch signifikant verbessert und genau das wollen wir auch in Hamburg erreichen. Sachsen und Thüringen haben zudem beide ein weitgehend zweigliedriges Schulsystem mit kleinen Unterschieden und ein solches System diskutieren wir ja auch in Hamburg, seitdem die Senatorin und ich die Stadtteilschule ins Gespräch gebracht haben.
Quer durch die Fraktionen gab es drei Tage lang – das hat man heute hier fast gar nicht gespürt – eine sehr offene und sachorientierte Atmosphäre und hätte es nicht zuweilen ein paar interne Kabbeleien bei der SPD gegeben, hätte man die Stimmung fast als harmonisch bezeichnen können. Für mich hat die Reise wieder gezeigt, dass wir in Hamburg die historische Chance haben, eine Einigung über die Schulstruktur herzustellen. Die meisten Sozialdemokraten haben inzwischen begriffen, dass man Schulen nicht mehr als Ansatzpunkt für eine wie auch immer geartete Gesellschaftsveränderung missbrauchen darf und einige Sozialdemokraten, lieber Herr Neumann, haben sogar erkannt, dass man schlecht 50 Prozent der Eltern als böse Gymnasialeltern bekämpfen kann, erst recht, wenn der eigene Landesvorsitzende und zahlreiche Abgeordnete dazu zählen. Nur ein Abgeordneter – es war leider der schulpolitische Sprecher der SPD – wollte analog zum Problembären auch seine persönlichen Problemschulen zum Abschuss freigeben, aber der Rest der Fraktion hat das ziemlich schnell verstanden und ihm die rote Karte dafür gezeigt.
Aber nicht nur die SPD hat etwas verstanden, sondern auch die CDU. Wir haben begriffen, dass man schlecht auf Dauer eine Schulform erhalten kann, die von immer weniger Eltern angewählt wird. Wir haben auch begriffen, dass das gegliederte Schulsystem zuweilen daran krankt, dass es Lehrer und Schulen aus der Verantwortung für den Lernerfolg des einzelnen Schülers entlässt und die Homogenität der Lerngruppen, die auch ihre Vorteile hat, zum Teil leider stärker beim sozialen Hintergrund denn bei den Kompetenzen und Potenzialen festzustellen ist. Ich glaube, wir alle haben inzwischen gemerkt, dass zwischen dem gemeinsamen Wunschtraum nach einem modernen, abwechslungsreichen, an den Interessen der Schüler orientierten, diesen individuell fördernden und dennoch Wissen vermittelnden Unterricht und der Machbarkeit, der Umsetzbarkeit auf der anderen Seite große Lücken klaffen, die wir weder mit Bürgerschaftsbeschlüssen noch mit klugen Broschüren wegbekommen. Gerade die Jenaplan-Schule, Frau Goetsch, hat uns gezeigt, dass es selbst bei dieser Musterschule nicht genügend Lehrer gibt, die sich dieses Konzept zutrauen, die es mit umsetzen wollen, sodass dort seit Monaten der Musikunterricht ausfällt. Auch in Hamburg zeigen die Daten und Fakten an den Gesamtschulen, dass auch dort, wo Lehrer sich mit pädagogischem Elan zum Ziel gemacht haben, den Unterricht zu verändern, allzu häufig nicht die Ergebnisse erzielt worden sind, die sie selber erhofft haben.
Lassen Sie mich zum Abschluss den Dresdner Professor Melzer zitieren, der mir schriftlich sehr viel besser gefallen hat als bei seinem mündlichen Vortrag. Er schrieb zum Zwei-Säulen-Modell in Sachsen:
"Bei aller vorgebrachter Kritik überzeugt die Grundkonzeption, die einen historischen Schulkompromiss darstellt, zu dem die alten Länder nicht fähig waren. Für seine Einführung spricht zudem, dass die große Alternative zur Dreigliedrigkeit, die Gesamtschule, die in der Vergangenheit die bildungspolitische Landschaft, auch die Eltern, in zwei unversöhnliche Lager gespalten hatte, selbst bei einem Teil ihrer früheren Befürworter in Misskredit geraten ist."
Er sieht daher bei diesem neuen Schulsystem eine eher akademische und eine eher berufsorientierte Säule vor und stellt dann auch fest:
"Sofern mit dieser Berufsorientierung keine Abwertung des Bildungsabschlusses verbunden ist und weiterführende Bildungsgänge der Sekundarstufe II auf verschiedenen Wegen erreichbar sind, können Einrichtungen wie die Mittelschule an Attraktivität gewinnen, denn sie sprechen neben den heutigen Haupt- und Realschülern auch den stetig wachsenden Teil der Abiturienten an, der nach dem Abschluss nicht mit einem wissenschaftlichen Studium, sondern mit einer Berufsausbildung beginnen will."
Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns gemeinsam, wenn die SPD ihren Parteitag am 2. Dezember überstanden hat, in der Enquete-Kommission nach einer Lösung suchen, die zeigt, dass wir auch in den alten Ländern zu einer solchen Lösung fähig sind. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist gut, dass wir durch die CDU-Anmeldung für die heutige Aktuelle Stunde schon so kurzfristig dem Parlament einen Bericht über unsere Ausschussreise geben können. Diese Debatte, Herr Heinemann, muss sich also um die Frage drehen, was wir für die zukünftige Entwicklung des Hamburger Schulwesens in Sachsen und Thüringen lernen konnten. Ich stelle dazu Folgendes fest.
Erstens: Thüringen erscheint in vielen Gebieten der Bildungspolitik innovativer als Sachsen, kein Wunder nach der Diskussion, die wir dort im Bildungsministerium führen konnten. Eine solche Bereitschaft, Herr Heinemann, neue Erkenntnisse der pädagogischen Diskussion in Beratungen einzubeziehen, würde ich mir von jeder Schulausschussdiskussion wünschen. Davon ist aber Frau Dinges-Dierig Lichtjahre entfernt und eher bei ihrem Kollegen in Sachsen anzusiedeln und mehr Worte lohnen auch nicht über Ihren sächsischen Kollegen, Frau Dinges-Dierig.
Zweitens: Wir haben in Thüringens Jenaplan-Schule hautnah innovative Schularbeit gesehen, Herr Heinemann, eine Antwort für Hamburg, wie man gute Schule machen kann.
Herr Heinemann, auch bei uns fällt laufend Musikunterricht aus und nicht nur, weil es eine besonders anspruchsvolle Schulform oder ein besonders anspruchsvoller Schulunterricht wäre. Das ist nun wirklich an den
Haaren herbeigezogen, wenn Sie jetzt plötzlich sagen, das sei für viele Lehrerinnen und Lehrer zu anspruchsvoll und deswegen fände man dort keinen Ersatz.
Wir haben in Thüringens Jenaplan-Schule hautnah innovative Schularbeit gesehen, Herr Heinemann, darauf sind Sie leider nicht eingegangen: Jahrgangsübergreifender Unterricht, gemeinsame Schule für alle bis zu Klasse 10, Lernen in fächerübergreifenden Projekten und dazu – das fand ich jedenfalls besonders maßgeblich – überdurchschnittliche Ergebnisse bei PISA. So stelle ich mir auch die Zukunft in Hamburgs Schulen vor, Herr Heinemann.
Drittens: Sachsen und Thüringen sind gut bei PISA-E, weil sie in drei Feldern bessere Voraussetzungen als Hamburg haben. In der frühkindlichen Bildung haben sie die DDR-Tradition beibehalten. In der Grundschule, übrigens überall Ganztagsschule, meine Damen und Herren von der CDU, haben sie eine Durchschnittsgröße von 18 Kindern je Klasse; Hamburg ist mittlerweile unter Ihrer CDU bei 27 angekommen. Aus PISA haben wir Sozis gelernt: Auf den Anfang kommt es an und da haben Sie noch eine ganze Menge Wochenplanarbeit vor sich.
Herr Heinemann, Sie dürfen mit Ihrer Fraktion in den nächsten Monaten zeigen, ob Sie fähig sind, diese bildungspolitische Herausforderung der großen Grundschulklassen zu schultern oder ob Sie Hamburgs Grundschuleltern demnächst fassungslos im Regen stehen lassen werden.
Das reiche Hamburg, meine Damen und Herren, leistet sich die bundesweit größten Grundschulklassen, ein Armutszeugnis für Ihre Bildungspolitik.