Protocol of the Session on May 31, 2006

Wer meint, dass dies ein Beweis dafür sei, dass wir ein einfaches, gut durchschaubares Wahlrecht haben, der irrt ganz gewaltig. Dieses Wahlrecht ist in vielen Bereichen zu kompliziert, zu aufwendig und deshalb müssen wir in einigen wenigen Bereichen die Verantwortung wahrnehmen und einiges ändern. Aber, das will ich deutlich sagen, wir ändern nur einige wenige Punkte. Wir gehen nicht an den Kernbereich dieses Gesetzes heran.

Wir werden zunächst einmal – das hatten wir bereits vor zwei Wochen in der Aktuellen Stunde – die gebundene Landesliste wieder einführen. Warum tun wir das?

(Jens Kerstan GAL: Ja, warum tun Sie das!)

Ich will es Ihnen ganz offen sagen. Die Landesliste – Herr Kerstan, auch für Sie – ist der Ausdruck dafür, dass der Wähler nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, eine klare politische Richtungsentscheidung zu treffen. Man kann auf einer Landesliste, die das Ergebnis dieses Parlaments festlegt, nicht sagen, ich will ein bisschen CDU, einen kleinen Tick SPD und ein Häubchen GAL obendrauf. Die Richtungsentscheidung für die Politik dieser Stadt wird auf einer Landesliste getroffen und eine solche Landesliste eignet sich nicht für ein Gemeindewahlrecht mit Panaschieren und Kumulieren.

(Beifall bei der CDU)

Wir erhalten Wahlkreise, auch wenn wir sagen müssen, in ihrer durchaus fragwürdigen Struktur, denn mir hat bisher niemand ernsthaft klar machen können, was an 17 Wahlkreisen in Hamburg tatsächlich eine demokratische Struktur ist. Wir erhalten diese Wahlkreise aus Respekt vor dem Ergebnis der Volksabstimmung

(Dr. Andreas Dressel SPD: Toller Respekt, den Sie da haben!)

und wir erhalten in den Wahlkreisen die Möglichkeit zum Kumulieren und Panaschieren, weil es Sinn macht, es dort durchzuführen.

Wir werden in den Wahlkreisen aber auch eine Relevanzschwelle einführen – auch das haben wir bereits vor zwei Wochen in der Debatte hier deutlich gemacht –, weil auch Wahlrecht nicht dazu geeignet sein darf und kann, mal eben zwischen Tür und Angel einer Spaßpartei oder jemandem, der gerne seine Werbezwecke damit verfolgt, wie wir es bei den letzten Malen erleben konnten,

(Dr. Monika Schaal SPD: Meinen Sie Herrn Schill?)

durch wenige Stimmen den Einzug in ein Landesparlament zu ermöglichen. In diesem Parlament werden wichtige Entscheidungen für diese Stadt getroffen. In diesem Parlament haben wir als Abgeordnete die Aufgabe, jedes Jahr über einen Etat von 10 Milliarden Euro zu entschei

den. Es kann nicht angehen, dass mal eben im Vorbeigehen Abgeordnete hier hereinkommen, weil sie es für ihre Werbezwecke brauchen. Deshalb brauchen wir eine klare und deutliche Relevanzschwelle.

Wir führen bindend Wahlkreise für die Bezirksversammlung ein; auch das halten wir für eine wichtige und richtige Maßnahme. Bisher hat es der Volksgesetzgeber den Bezirksversammlungen freigestellt, ob sie sich als Nichtgesetzgeber entscheiden, als Bezirksversammlung Wahlkreise einzuführen oder nicht; das ist ihnen freigestellt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt überhaupt nicht! – Gegenruf von Frank-Thorsten Schira CDU: Das stimmt! – Dr. Andreas Dressel SPD: Sie haben nicht mal das Gesetz gelesen, das Sie ver- abschieden wollen!)

Liebe Kollegen! Wir sind der Auffassung, dass es nicht Aufgabe einer Bezirksversammlung ist, die immer noch – das mögen wir zwar bedauern – ein Verwaltungsausschuss ist, über das Wahlrecht und seine Ausprägung zu entscheiden. Dies ist Aufgabe des Landesgesetzgebers, diese Aufgabe haben wir hier zu führen und deshalb werden wir es mit dem neuen Gesetz einführen.

(Beifall bei der CDU)

Wir sorgen für klare Bezirksversammlungswahlkreise. Es kann nicht sein, dass eine Bezirksversammlung im Vorbeigehen mit einfacher Mehrheit im Verwaltungsausschuss festlegt, wo sie selbst meint, Wahlkreise einführen zu müssen. Wir müssen als Landesgesetzgeber auch dafür sorgen, dass Wahlkreise eingerichtet werden, die dazu führen, dass der Wähler die klare Chance hat, sich mit der Ebene, die er bereits über die Bürgerschaft kennt, in der Bezirksversammlung zu identifizieren und klar zu sehen, welche lokalen Einheiten als Wahlkreis notwendig sind.

Wir legen vor allem den Termin der Bezirksversammlungswahlen mit dem Termin der Bürgerschaftswahl zusammen. Ich weiß bis zum heutigen Tag nicht, was den Volksgesetzgeber geritten hat, einen Sinnzusammenhang zwischen Europawahl und Bezirksversammlungswahl zu sehen und es hat mir auch keiner erklären können. Was soll denn passieren, wenn zum Beispiel das Europaparlament in eine Krise kommt und mal eben aufgelöst wird? Dann lösen sich in Hamburg sieben Kommunalparlamente auf, weil ja der Sinnzusammenhang so nahe liegend ist. Das ist absoluter Blödsinn, liebe Kollegen. Die Bürgerschaftswahl gehört zusammen mit den Bezirksversammlungswahlen – das wollen wir so – und so werden wir es wieder einrichten.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden auch dafür stehen, die Fünf-Prozent-Klausel bei den Bezirksversammlungswahlen wieder einzuführen. Diese hat sich bewährt und sie hat zu einer klaren und deutlichen Entscheidungsstruktur in den Bezirken beigetragen.

Ich will einmal ein Wort zu all den Kollegen sagen, die hier so gerne herumlaufen und sagen, eine Fünf-ProzentKlausel bei Bezirksversammlungswahlen sei verfassungswidrig. Wer das behauptet, der sollte sich in Hamburg einmal die Rechtsprechung anschauen. Das haben mehrere Parteien vor Hamburger Gerichten versucht und sie sind alle samt und sonders gescheitert. Die FünfProzent-Klausel ist politisch adäquat und ein verfas

sungsrechtlich gebotenes Mittel für die Hamburger Kommunalparlamente.

Wir haben einige notwendige Änderungen vorgenommen und uns für diese Änderungen entschieden. Wir haben es uns damit nicht leicht gemacht, aber wir bekennen uns zu diesen Änderungen und zu ihrer Notwendigkeit, weil wir die Verantwortung für diese Stadt als unabdingbar notwendig erachten. Verantwortung trifft aber, liebe Kollegen, nicht nur die Regierungsmehrheit, sondern das gesamte Parlament und damit auch die Kollegen aus der Opposition. Und vielleicht sollten wir uns einmal anschauen, wie die Kollegen der Opposition von SPD und GAL sich in den letzten Wochen und Monaten verhalten haben.

Schauen wir einmal auf die SPD. Mehrheitlich kam das große Getöse, alles sei undemokratisch, das wollen und machen wir nicht. Hinter vorgehaltener Hand erleben wir nahezu tagtäglich Kollegen der SPD, die uns sagen, eigentlich habt ihr Recht, nur wir dürfen nicht.

(Gesine Dräger SPD: Wir wollen nicht!)

Ich will es gerne noch einmal zitieren, weil Herr Kerstan darauf hingewiesen hat. Sie haben zumindest einen Kreisvorsitzenden, der den Mut hat, auch einmal das zu sagen, was andere nicht sagen. Ich will Herrn Kahrs,

(Frank-Thorsten Schira CDU: Guter Mann!)

Kreisvorsitzender der SPD Mitte und Bundestagsabgeordneter, also direkt gewählter Abgeordneter aus dem Wahlkreis Mitte,

(Dr. Mathias Petersen SPD: Mit einem tollen Er- gebnis gewählt, der Mann!)

gerne einmal zitieren. Herr Kahrs hat vor einiger Zeit im "Hamburger Abendblatt" gesagt:

"Was die CDU will, ist eine maßvolle Korrektur, berührt aber nicht den Kern des Volksentscheids."

Ich zitiere weiter aus der Zeitung:

"Was die CDU vorschlägt, sind notwendige Klarstellungen für die Wähler. Das Wahlrecht muss auch verstanden werden, sagte der SPD-Politiker Kahrs, der davor warnt, eine Kontroverse 'künstlich hochzuziehen', weil der Volksentscheid im Kern nicht missachtet werde. 'Ich bin dafür, die Kirche im Dorf zu lassen'."

Weise gesprochen, liebe Kollegen und Kolleginnen von der SPD, lesen Sie das.

(Beifall bei der CDU)

Aber leider ist Herr Kahrs offensichtlich nicht derjenige, der allein sich äußert. Schaut man sich den vermeintlichen Spitzenkandidaten, Herrn Petersen, an, dann läuft er rum wie Robin Hood der Enterbten, surfend von einer populistischen Welle zur nächsten und kann sich gar nicht wieder einkriegen bei der öffentlichen Kritik. Liebe Kollegen, man kann gerne kritisieren und auch Vorschläge machen, wenn man aber ernst genommen werden will, dann sollte man draußen das erklären, was man intern auch meint. Das tun Sie nicht und wer sich so verhält, der verliert an Glaubwürdigkeit. Herr Petersen, Sie sind mit Ihrer Art und Weise der Begründung zutiefst unglaubwürdig geworden, Ihnen nimmt Ihre Haltung als Hamburger SPD keiner mehr ab.

(Beifall bei der CDU – Dr. Mathias Petersen SPD: Fragen Sie mal die Wähler!)

Herr Petersen, Sie können gerne versuchen, bei den verschiedenen Flügeln der SPD in der Frage zu moderieren. Ich habe gelesen, dass Sie neuerdings ganz gerne in Ihrer eigenen Fraktion moderieren.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Thema!)

Gerne, Herr Dressel. Ich wollte Herrn Petersen Gelegenheit geben, sich einmal zu äußern. Er kann gerne einmal dafür Sorge tragen, dass die SPD sich mit einer Stimme äußert. Herr Kahrs hat es offensichtlich für die SPD Mitte anders gemacht.

Kommen wir zu den Kollegen der GAL, den nimmermüden Streitern für die Minderheiten und die eigenen Interessen. Wer sich die Wortwahl der GAL in den letzten Wochen hier angehört hat, der kann manchmal daran zweifeln, dass die so wohl gerühmte pazifistische Grundhaltung bei der GAL noch vorhanden ist; das haben Sie mehrfach hier deutlich gezeigt. Dass Sie auch Probleme mit Geschichtsverständnissen haben, wissen wir spätestens nach den Entgleisungen des Kollegen Maaß vor zwei Wochen zu diesem Punkt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Sind Sie eigentlich diejenigen, die aus dem hehren Vertreten der Interessen der Demokratie handeln oder geht es Ihnen nicht doch viel mehr um eigene Interessen?

Ein wesentlicher, wenn nicht sogar der wichtigste Punkt dieses neuen Wahlrechts, ist die Einführung von Wahlkreisen. Das heißt, Abgeordnete sollen aus diesem Plenarsaal heraus und in die Wahlkreise, sollen vor Ort für die Bürger anfassbar sein. Das haben viele Kollegen der beiden großen Fraktionen in diesem Hause schon seit langer Zeit erkannt und sie finden eine ganze Reihe, die längst draußen ihre Wahlkreisbüros haben.

(Michael Neumann SPD: Politikschmiede!)

Herr Neumann sagt, davon können Sie lernen, sehen Sie mal.

(Zuruf von Michael Neumann SPD)

Aber Sie können davon lernen.

Schauen Sie sich einmal die Kollegen der GAL an. Wer draußen einmal guckt, wird lange suchen. Es gibt in Hamburg kein einziges Wahlkreisbüro eines GAL-Abgeordneten. Alle Abgeordneten der GAL sitzen, qua Fraktionssatzung verordnet, in einem Gebäude am Speersort, Ihrem Politikturm.