Protocol of the Session on May 31, 2006

Schauen Sie sich einmal die Kollegen der GAL an. Wer draußen einmal guckt, wird lange suchen. Es gibt in Hamburg kein einziges Wahlkreisbüro eines GAL-Abgeordneten. Alle Abgeordneten der GAL sitzen, qua Fraktionssatzung verordnet, in einem Gebäude am Speersort, Ihrem Politikturm.

(Christian Maaß GAL: Freiwillig!)

Wenn ein Kollege herausgehen möchte, dann bekommt er Ärger. Dass Sie es weiter so wollen, haben Sie gerade wieder deutlich gesagt.

(Dr. Willfried Maier GAL: Wir stehen darauf!)

Sie bestehen darauf, dass alle Abgeordneten der GAL an einem Ort zusammen sind.

Herr Maier, ich will Ihnen gerne noch einmal etwas zur Verdeutlichung vorlesen

(Zuruf von Dr. Willfried Maier GAL)

aus der Drucksache zur Überbauung des Domplatzes, die gerade vom Präsidenten veröffentlicht worden ist. Ich

will Ihnen etwas zum Verhältnis von GAL und Demokratie und wohlverstandenem Eigeninteresse erzählen; das müssen Sie sich schon anhören.

(Michael Neumann SPD: Diese verliebte Eitelkeit da vorne, das ist unerträglich!)

In der Drucksache des Präsidenten zur Frage der Domplatzbebauung geht es auch um die künftige Nutzung des Domplatzes. Da steht ein sehr schöner Satz, den man gar nicht häufig genug zitieren kann.

"Die GAL-Fraktion beabsichtige auch weiterhin, sämtliche Abgeordnetenbüros und Büros von Fraktionsmitarbeitern und Fraktionsmitarbeiterinnen an einem einzigen Standort zusammenzufassen."

Da ist nichts mit Wahlkreisen, nichts mit rausgehen. Sie sind die allerletzten, die sich vor Ort blicken lassen. Sie reden von Wahlkreisen, verstehen aber davon eigentlich sehr wenig, liebe Kolleginnen und Kollegen der GAL.

(Beifall bei der CDU)

Reden wir einmal über das Wahlverfahren. Wir haben jetzt in den Wahlkreisen ein Wahlverfahren, das in Deutschland einmalig ist. Wir haben nicht etwa Wahlkreise wie in den 15 anderen Bundesländern, wo gewählt wird und am Ende vertritt der Kandidat den Wahlkreis, der die meisten Stimmen hat, wir haben ein Wahlkreislistensystem, das einmalig in Deutschland ist. Warum haben wir das eigentlich und warum ist gerade die GALFraktion diejenige, die sich mit Vehemenz daran klammert?

(Zurufe von der GAL)

Das ist ganz einfach, lieber Kollege Kerstan. Wenn wir in Hamburg nach dem üblichen Mehrheitswahlrecht wählen würden – in 15 Bundesländern in Deutschland ist das üblich –, dann gäbe es wahrscheinlich von den 71 zu wählenden Wahlkreisabgeordneten etwa 69 bis 70, die aus den Fraktionen von CDU und SPD kämen. Aus Ihrer Fraktion kämen vielleicht einer oder auch zwei. Das gefällt Ihnen nicht, das verstehe ich, ehrlich gesagt, nur ist das allein Ihr Interesse. Daraus zu machen, Sie seien die Verteidiger der großen Demokratie, ist schlichtweg scheinheilig und nichts anderes.

(Beifall bei der CDU)

Lieber Herr Kollege Kerstan, Sie sind diejenigen, die sich hier als die wahren Verteidiger der Demokratie aufspielen, und wer das tut, der muss sich wenigstens einmal fragen lassen, ob er das aus wohlverstandenem Eigeninteresse oder der Sache wegen tut. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Sie tun es, weil Sie Ihre eigenen Interessen in dieser Frage berücksichtigt wissen wollen, Sie tun es nicht für die Demokratie in dieser Stadt.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden in den nächsten Wochen im Verfassungsausschuss dieses Wahlrecht lang, ausgiebig und breit diskutieren. Wir werden darüber streiten, das wird so sein. Wir werden gemeinsam – das hoffe und das wünsche ich mir – um ein gutes und richtiges Wahlrecht streiten.

(Vizepräsidentin Bettina Bliebenich übernimmt den Vorsitz.)

Aber lassen Sie mich, an die Opposition gerichtet, auch eines sagen. Unterlassen Sie es, dem politischen Gegner, in diesem Fall uns, von vornherein per se Anschläge

auf die Demokratie zu unterstellen. Wir wollen genau wie Sie ein gutes Wahlrecht und dazu gehört auch eine gute Streitkultur. Zeigen Sie, dass Sie dazu in der Lage und bereit sind und hören Sie auf, Andersdenkende als Demokratiefeinde von vornherein zu verunglimpfen.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Nicht wir sind das! Das sind die Bürger, an die müssen Sie denken!)

Wenn Sie das schaffen werden, Herr Petersen, dann wird es auch irgendwann einmal mit Ihrer Glaubwürdigkeit klappen, noch sind Sie von der Glaubwürdigkeit weit entfernt. Herr Petersen, Ihnen und Ihrer Partei glaubt in Hamburg kein Mensch mehr.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Dressel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Voet van Vormizeele, direkt an Sie gerichtet, weil Sie auch innerparteiliche Sachen bei uns angesprochen haben: Kümmern Sie sich einmal um Ihre eigenen Abweichler bei dem Thema, da haben Sie wahrlich genug zu tun.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Für uns als SPD-Fraktion stelle ich noch einmal klar, dass wir an dieser Stelle den Volksentscheid verteidigen, nicht das neue Wahlrecht. Das war unsere Position, dabei bleibt es. Deshalb werden wir an Ihrer Demontage nicht mitmachen, darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Trotzdem möchte ich mit dem Positiven beginnen, denn immerhin hat die CDU ein bisschen Einsicht gezeigt. Sie haben gestern im Verfassungsausschuss die Notbremse gezogen bei Ihrem Versuch, im Schweinsgalopp Gesetze durch die Bürgerschaft zu peitschen. Das ist immerhin ein erster Schritt, aber wir sagen auch ganz deutlich, bei so einem umstrittenen und hoch sensiblen Thema, das wirklich die Grundfesten unserer Demokratie in Hamburg berührt, ist es schlicht unanständig, mit fragwürdigen Geschäftsordnungstricks, mit einer Unterdrucksetzung von Opposition und Parlament zu arbeiten, um so etwas durch die Bürgerschaft zu bringen. Das war schlicht unparlamentarisch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Und es war ein weiterer Beweis, dass das, was Sie eben Streit- und demokratische Kultur genannt haben, bei diesem Thema bei Ihnen Null Komma Null vorhanden ist. Sie haben sich bei dem Thema inhaltlich an Berlusconi orientiert und bisher auch beim Verfahren.

(Lachen bei der CDU)

Die Art und Weise, mit der Sie das durch die Bürgerschaft bringen wollten, war ein Skandal. Sie haben zum Glück noch die Kurve gekriegt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wie man aber heute der Zeitung entnehmen konnte, war dies jedoch nicht der großen, inneren Überzeugung geschuldet, sondern schlicht der Not, nicht schon wieder ein verfassungswidriges Gesetz zu produzieren. Wirkliche Einsicht sieht anders aus.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Leider muss ich jetzt ins Präsens wechseln, weil wir uns jetzt nicht mehr damit beschäftigen, dass Sie beim Verfahren eingelenkt haben. Jetzt geht es um die Inhalte dieses Gesetzes und diese spotten weiterhin jeder Beschreibung. Nehmen wir zum Beispiel die Begründung des Gesetzes, die immer leicht verrät, was die Partei im Schilde führt. Aus Seite fünf heißt es nämlich, der Gesetzentwurf sei

"von dem Bemühen getragen, das durch Volksentscheid eingeführte Wahlrecht nur so weit zu ändern, wie dies zum Erhalt eines handlungsfähigen Parlaments unerlässlich erscheint."

Diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Das ist der blanke Hohn, was Sie da aufgeschrieben haben, nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich mache Ihnen einen Änderungsvorschlag für diesen Satz. Der Satz auf Seite fünf müsste nämlich lauten: Der Gesetzentwurf ist von dem Bemühen getragen, das durch Volksentscheid eingeführte Wahlrecht soweit zu ändern, wie dies zum Erhalt der parteiinternen Kungelstrukturen in der CDU unerlässlich erscheint. So müsste der Satz lauten.

(Beifall bei der SPD und bei Christian Maaß GAL – Zuruf von der CDU)

Schwafeln Sie hier also nicht von Verantwortung für diese Stadt und von einem handlungsfähigen Parlament, wenn es nur um Ihren Machterhalt und um ihre Machtstrukturen innerhalb der CDU geht. Tun Sie auch nicht so, als seien das alles nur kleine Modifikationen und ein Feintuning des Wahlrechtes. So haben Sie es her dargestellt.

Schauen Sie Ihren Gesetzentwurf noch einmal an: An etwa 25 mehr oder minder fundamentalen Stellen dieses Gesetzes mauscheln Sie herum. Da kann man doch nicht behaupten, dass dies nur eine kleine Modifikation sei.

Noch klarer: Vor Ihrem Entwurf hatten die Wählerinnen und Wähler zehn Stimmen. Nach Ihrem Entwurf haben sie sechs Stimmen. Ich finde, zumindest schon daran kann man schon sehr deutlich erkennen, dass Sie hier wirklich in die Kernbereiche des Wahlrechts eingegriffen haben.