Protocol of the Session on May 11, 2006

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte als Hochschulpolitikerin einige Anmerkungen zu dieser Debatte machen.

Die Bundesrepublik braucht laut OECD, also der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Sitz in Paris, mehr Akademikerinnen und Akademiker, mehr Studienanfängerinnen und Studienanfänger. Deshalb kommt den Oberstufen der Gymnasien und Gesamtschulen eine große Bedeutung zu. Ihre für die Wissenschaft bedeutende Funktion erfordert es, vertiefende Formen des Lernens und – darauf wurde schon von meinen Vorrednern hingewiesen – auch eine Methodenkompetenz zu entwickeln.

Die Große Anfrage der GAL hat ans Tageslicht gebracht, dass in dieser Hinsicht noch einiges getan werden muss. Das liegt zum einen – das hat Frau Goetsch bereits ausgeführt – an den schwierigen Bedingungen zur Organisation der Oberstufenkurse. Obwohl fast 95 Prozent der Schulen im Angebot von Leistungskursen – das hat Ihre Anfrage ans Tageslicht gebracht – miteinander kooperieren, können insbesondere Schülerinnen und Schüler von zweizügigen Oberstufen nicht immer die Leistungskurse wählen, die sie gerne wählen möchten. Deshalb hat mich gewundert, dass nur die Hälfte der Schulen eine Kooperation von Grund- und Leistungskursen innerhalb der eigenen Schule anbietet. Hier könnte noch einiges verändert werden. Ihr Beispiel mit dem Physikleistungskurs, Frau Goetsch, könnte man ja hinbekommen, indem man den Physikleistungskurs mit dem Grundkurs kombiniert. Das machen sehr viele Schulen, aber leider zu wenige.

(Christa Goetsch GAL: Darunter leidet aber der Leistungskurs!)

Da haben manche Pädagogen andere Erfahrungen gemacht.

Auch ist es nicht akzeptabel, dass die neuen Formen des Lernens, wie Kompetenzkurse, Facharbeiten und besondere Lernleistungen, die auf ein Studium an den Hochschulen vorbereiten sollen, in den letzten Jahren eher ab- als zugenommen haben. Hier können in den geplanten Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den Schulen künftig auch Schwerpunkte gesetzt werden.

Die geplante Reform der Oberstufe bringt aus der Sicht der SPD-Fraktion keine Lösung der Frage, wie künftig mit zweizügigen Oberstufen umgegangen werden soll.

(Beifall bei der SPD)

Der Rückzug – auch das hat Frau Goetsch schon gesagt, ich möchte es aber auch noch einmal für uns hervorheben – auf die vierstündigen Basiskompetenzfächer Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache schränkt die Wahlfreiheit der Schülerinnen und Schüler ein. Die Kultusministerkonferenz hat diese Kurse nicht vierstündig vorgeschrieben. Ich habe auch von Herrn Heinemann nicht gehört, warum Sie das nun extra machen, wenn doch eine dreistündige Organisation dieser Kurse ausgereicht hätte. Ich muss auch Frau Goetsch zustimmen, dass die Allgemeinbildung für mich mit der zehnten Klasse abgeschlossen scheint. In der Oberstufe soll eine vertiefende Beschäftigung mit bestimmten Problemen im Hinblick auf ein Studium stattfinden und da sehe ich nicht ein, dass Sie da zu dieser Allgemeinbildung zurück wollen. Herr Heinemann, den Zopf der Siebzigerjahre müssen Sie sich dann vielleicht selber dranheften.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GAL)

Wir hätten uns gewünscht, dass Sie mehr Wert auf die neuen Formen des Lernens und Forschens legen. Wenn

Sie diese Kurse wirklich vierstündig machen, dann bleibt dafür wenig Zeit. Darüber sollten wir aber noch einmal reden. Auch wenn eine schleswig-holsteinische Bildungsministerin von der SPD das mitträgt, dann heißt das noch nicht, dass wir das nicht kritisieren dürfen.

Wir begrüßen natürlich auch die geplante Profilbildung an den Oberstufen, das heißt, dass jeder Schüler, jede Schülerin zusätzlich zu den leider vorgeschriebenen Kernfächern ein vierstündiges Profil und ein zweistündiges Vertiefungsseminar wählen kann. Aber auch hier haben natürlich die großen Schulen den Vorteil, dass sie mehr Profile anbieten können als Schulen mit einem zweizügigen Profil. Deshalb werden die Gymnasien und Gesamtschulen natürlich auch künftig in der Organisation der Oberstufen kooperieren müssen, um möglichst viele Profile anbieten zu können.

Aus unserer Sicht ist es deshalb wichtig, dass benachbarte Schulen als Lernverbünde in Zukunft ihre Oberstufenprofile und die dazu erforderlichen Curricular gemeinsam planen. Ich würde Wert darauf legen, dass benachbarte Schulen diese Profile gemeinsam planen, entwerfen und auch organisatorisch umsetzen müssen. Ich denke, Frau Goetsch, das muss nicht in einem Oberstufenzentrum sein, die räumliche Nähe macht es nicht. Für uns ist es wichtig, dass man so etwas gemeinsam plant und nicht einfach nur kooperiert, sondern auch plant, was man machen will. Insofern sehe ich nicht, dass man das an Miniuniversitäten zwischen Gymnasien und den Universitäten machen soll. Ich denke, da gibt es eine Vielfältigkeit von Möglichkeiten und dass man das den Schulen auch selber überlassen muss, wie sie das machen wollen.

Die Neugestaltung der Oberstufe wird nur funktionieren – ich will das zum Schluss noch einmal wiederholen –, wenn es eine Vielzahl an Profilen gibt sowie vertiefendes Lernen auch im Hinblick auf ein Universitätsstudium ermöglicht wird. Herr Dräger ist heute nicht hier, aber der betont ja immer die Exzellenz an den Hochschulen. Warum Sie jetzt die Exzellenz an den Oberstufen der Gymnasien und Gesamtschulen zusammenstutzen wollen, indem Sie – ich wiederhole das noch einmal – diese drei vierstündigen Kernfächer vorschreiben, das müssten Sie noch einmal plausibel darstellen. Dafür haben Sie keine überzeugende Begründung gegeben.

Wir finden, dass die Gefahr einer Rückkehr zur Oberstufe besteht wie sie vor der Reform von 1972 existierte, das heißt Deutsch, Mathe, Fremdsprache und dann noch ein bisschen drum herum. Das lehnen wir ganz entschieden ab. Wir finden, dass es modernere Formen des Lernens geben muss. Insofern finden wir die Zurechtstutzung der Leistungskurse auf das eine zu wählende Profil falsch und hoffen, dass wir Sie da noch überzeugen können, das zu ändern.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt Senatorin Dinges-Dierig.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Brückenkurs im Fach Mathematik an der Universität Hamburg für Erstsemester findet jeweils montags von 14 bis 16 Uhr statt. Das Seminar zur Einführung in Präsentationstechniken findet jeweils donnerstags von 18 bis 20 Uhr statt.

A C

B D

Meine Damen und Herren! Solche oder ähnliche Bekanntmachungen finden Sie an vielen Universitäten, nicht nur in Hamburg. Ein Angebot an Studenten im ersten Semester für unsere Abiturienten, die doch eigentlich rechnen und präsentieren können sollten, zumindest wie Sie es eben von der Opposition unterstellt haben. Frau Goetsch, Sie sprachen von einer gelungenen Reform der Siebzigerjahre. Bei diesen Folgen? Das stelle ich doch stark infrage.

Meine Damen und Herren! Diesem Zustand muss ein Ende gemacht werden.

(Beifall bei der CDU)

Frau Dr. Brüning, ich glaube, wir brauchen nicht nur mehr Abiturienten und Studienanfänger, wir brauchen auch mehr Studienabsolventen und vor allem Absolventen in etwas kürzerer Zeit. Das sind beides Ziele, die wir haben müssen und die Studienabbrecherzahlen und die Studienverlaufszeiten zeigen uns, dass hier Handlungsbedarf besteht und das hat auch sehr viel mit Kompetenzen zu tun.

(Beifall bei der CDU – Dr. Diethelm Stehr CDU: Sehr richtig!)

Es kommt noch etwas anderes dazu. Das Hamburger Hochschulgesetz, aber nicht nur das, sondern auch die Hochschulgesetze in den anderen Ländern haben sich verändert. Sie sehen heute eine Auswahl unter Studienbewerbern vor mit Ausnahme der Studienfächer, die noch der ZVS unterliegen. Die Punktzahl in der Gesamtqualifikation, die früher das allein ausschlaggebende Argument war, überhaupt einen Studienplatz zu bekommen, also wer 800 Punkte hatte, konnte sich eigentlich alles aussuchen, ist heute nicht mehr das alleinige Kriterium. Ganz im Gegenteil, es wird nach und nach immer weiter nach hinten verdrängt. Die Universitäten bewerten ihre Bewerber nach ihrem überzeugenden Auftreten bezüglich der Wahl ihres Studienfaches und dabei schauen die Universitäten auch in das Abiturzeugnis. Im optimalen Fall sollte man im Abiturzeugnis schon das Interesse des zukünftigen Studenten erahnen können.

(Christiane Blömeke GAL: Deswegen brauchen wir ja gerade die Leistungskurse!)

Deshalb ist es wichtig, dass unsere Schülerinnen und Schüler früher anfangen, sich darüber Gedanken zu machen, in welche Richtung sie studienmäßig gehen wollen.

Ein weiterer Punkt, bei dem ich im Gegensatz zu dem stehe, was Sie eben gesagt haben. Ich denke, eine freie Auswahl von Kursen nach dem Motto: das, was ich mir selber auswähle, da bin ich dann besonders gut drin, greift vielleicht etwas kurz, denn neben dem Kompetenzgewinn, den die Schülerinnen und Schüler mit dem Abitur mitnehmen müssen und auch sollen, reicht es im Studium und Arbeitsleben nicht aus, nur in den Bereichen Leistung zu zeigen, in denen das Interesse liegt. Mit dieser Haltung kommen junge Menschen weder im Studium noch in der Arbeitswelt weiter und das müssen wir ihnen vermitteln.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir diese Herausforderungen sehen, dann heißt das für eine Reform der gymnasialen Oberstufe – das heißt eine Reform der Reform –, dass wir die Basiskompetenzen stärken müssen, und zwar nicht in dem Sinn wie Sie es interpretiert haben – grundlegende Kompetenz

am Ende der Klasse 4 –, sondern hier geht es um Basiskompetenzen im Hinblick auf ein Studium. Das ist etwas anderes. Wir müssen eine vertiefte Allgemeinbildung sichern – das ist das Prinzip des deutschen Abiturs und dazu stehe ich – und interdisziplinäre Lern- und Angebotsformen fördern oder, kurz gesagt, die Qualität unseres Abiturs muss besser werden und unsere Abiturienten müssen studierfähiger werden.

(Beifall bei der CDU)

Was ist passiert in den letzten Monaten? Auf der Ebene der Kultusministerkonferenz wird seit längerem über die neue Grundlage im Bereich der gymnasialen Oberstufe beraten. Ich gehe davon aus, dass wir die Vereinbarung im Sommer beschließen. In dieser Vereinbarung tauchen die Begriffe Grund- und Leistungskurse nicht mehr auf, aber es wird sehr wohl zwischen zwei unterschiedlichen Anforderungsniveaus differenziert, zwischen dem grundlegenden und dem erhöhten Anforderungsniveau, sodass also unterschiedlicher Kompetenzzuwachs in unterschiedlichen Bereichen auch später so sein wird wie in der Vergangenheit auch.

Was ist in den letzten Monaten in Hamburg passiert? Wir haben nicht nur in großen Gruppen und Runden, sondern auch in vielen kleinen Arbeitsgruppen Gespräche mit Schulleitern, Oberstufenberatern, Elternvertretern und Experten geführt. Wir hatten eine parlamentarische Expertenanhörung und eine außerparlamentarische Expertenanhörung mit Universitätsvertretern und Vertretern der Wirtschaft. Wir haben die Zwischenentwürfe mit den Kammern besprochen. Eines weiß ich seit gestern Abend: Der breite Prozess der Beteiligung hat sich gelohnt. Viele Anregungen aus den Kreisen der Eltern, Schulleiter und Oberstufenberater wurden aufgenommen und die Veranstaltung gestern Abend mit allen Eltervertretern der Gymnasien und gymnasialen Oberstufen der Gesamtschulen hat gezeigt, dass wir auf dem richtig Weg sind. Es wurde eindeutig bestätigt, dass das jetzt vorliegende Konzept genau das ist – ein Kompromiss, niemandem kann man komplett alles recht machen –, was sich Eltern auch wünschen und vorstellen, gerade auch bezüglich des Profilbereiches, wo es darum geht, verschiedene Fächer zusammenzubinden, fächerverbindendes, interdisziplinäres Arbeiten zu lernen und dieses wirklich zwei Jahre lang und nicht nur drei Monate. Wir sind mit dem Konzept eindeutig auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU)

Mit Schleswig-Holstein haben wir im vergangenen Jahr einen Letter of Intend unterschrieben, das heißt wir haben zunächst einmal festgestellt, dass wir die gleiche zeitliche Schiene einhalten wollen, zum Schuljahr 2008/2009 beginnen, das heißt Studienstufe 09/10. Wir haben die wichtigsten Eckpunkte, nämlich die Stärkung der Basiskompetenzen, die wir für jedes Studium brauchen, Deutsch, Mathematik und Fremdsprache auch verbindlich zu machen, vereinbart. Wir wollen auch dazu übergehen, dass wir zentrale Abiturprüfungsaufgaben gemeinsam entwickeln wollen. Wir wollen eine Konzentration auf die vertiefte Allgemeinbildung ebenfalls gemeinsam weiterentwickeln. Insbesondere im Bereich der Naturwissenschaften wollen wir zusammen mit dem IPN Kiel ein neues Curriculum entwickeln lassen. Wir wollen vor allem, wie ich es eben schon betont habe, dass wissenschaftspropedeutische und interdisziplinäre Arbeiten in der Oberstufe ganz weit nach vorne stellen. Es handelt sich um erwachsene Menschen, die auch erwachsenengerecht die Arbeitsfor

men lernen müssen, die dort notwendig sind und nachher auch für Studenten, aber auch, wenn sie direkt in die Wirtschaft, in die Ausbildung gehen. Dazu dienen die neuen Profilbereiche, die hier eine sehr, sehr wichtige Rolle spielen werden.

Auf Wunsch der Schulen, aber auch der Eltern, werden diese Profilbereiche schulspezifisch sein, sodass auch die Kompetenzen, die an den Schulen vorhanden sind, einfließen können, was ich für ganz wichtig halte, wenn wir von Qualität sprechen.

Eines möchte ich an der Stelle ganz klar sagen, Frau Goetsch. Ich stehe dazu, wenn sich in der Vergangenheit etwas bewährt hat, dann ist es klug, dieses bei einer Reform in fortgeschriebener Form zu berücksichtigen.

Vielleicht noch etwas, Herr Buss, was ich gelesen habe. Ich gehe davon aus, dass Zitate immer der Wahrheit entsprechen. Sie wollen – ich zitiere – "eine wirklich grundlegend strukturelle Reform". Herr Buss, ich fordere Sie auf – wir sind noch im Entwurfsstadium – und würde mich freuen, von Ihnen Anregungen zu bekommen. Die Arbeitsgruppe, die aus Schulleitern, Oberstufenberatern und Vertretern der Behörde besteht, nimmt diese gerne entgegen.

Meine Damen und Herren! In die Reformüberlegungen sind natürlich, was Hamburg angeht, auch standortspezifische Bedingungen eingegangen. Wir haben hier Möglichkeiten, die in einem Flächenstaat nicht bestehen. Es geht zum Beispiel um die Entwicklung der Profilbereiche, die schulspezifisch möglich sind. Das ist in einem Flächenstaat nicht so einfach möglich. Aber wir haben natürlich auch die Universitäten und eine breite Palette von großen Unternehmen der Wirtschaft vor Ort, sodass sich hier eine Kooperation anbietet.

Was bedeutet das alles für die Abiturprüfungen? Wir werden fünf Abiturprüfungsfächer haben, wobei es ganz wichtig ist, dass wir neben den zentralen Abiturprüfungen in Deutsch, Mathematik und Fremdsprache die Abiturprüfung im Profilbereich ganz besonders auch mit neuen erwachsenengerechten Prüfungsformen ausrichten, ebenso wie die fünfte mündliche Prüfung. Es geht hier darum, Präsentationen und im Rahmen eines Kolloquiums eine Prüfung abzulegen.

Wichtig ist vielleicht noch eines, das bei den drei und vier Stunden Mathematikkurs übersehen wurde, Frau Dr. Brüning. Ich glaube, dass die Differenzierung der Anforderungsniveaus im Fach Mathematik notwendig ist. Dahinter stehe ich voll und ganz. Das haben auch in den letzten Jahren die Expertenanhörungen der Länder, die etwas anderes haben, gezeigt. Ich glaube, es wäre aber der falsche Schluss zu sagen, bei grundlegenden Anforderungen die Stundenanzahl zu kürzen. Ich halte es für wichtig, dass diejenigen, die den Mathematikkurs auf grundlegendem Anforderungsniveau belegen, genauso vier Stunden haben wie diejenigen, die es auf erhöhtem Anforderungsniveau belegen, denn gerade die Grundkompetenz hat dringend Nachhilfeunterricht notwendig und das können wir mit der Stundenausweitung im grundlegenden Bereich gut abfedern.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Ich bin fest davon überzeugt, dass sich Hamburg mit dieser Reform auf dem Weg an die Bildungsspitze der Bundesländer setzen wird. Wir wollen und werden erreichen, dass ein Hamburger Abitur

zukünftig mindestens so viel Wert ist wie ein bayerisches oder baden-württembergisches Abitur. Ich denke, wir sind es unseren Schülerinnen und Schülern und unseren Eltern auch schuldig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Buss.

(Olaf Ohlsen CDU: Mach es kurz! – Gegenruf von Dr. Mathias Petersen SPD: Aber nicht schmerz- los!)