Protocol of the Session on April 26, 2006

Sie musste sich verschulden. Sie musste die Zinslasten für insgesamt 620 Millionen Euro tragen. Diese Zinslasten kamen nicht wie vorher, als es noch ein Gesellschafterdarlehen war, der Stadt zugute, sondern sie wurden in die Fremdfinanzierung gesteckt. Diese Kredite – und nichts anderes passiert durch die Drucksache – werden jetzt teilweise aufgelöst. Das sind Ausgaben der Jahre 2004 und 2005. Es ist eine rückwärts gewandte Haushaltspolitik, weil der Senat in diesen Jahren verschleiert hat, wo das Geld herkommt, und heute erst die Kasse macht, um Löcher zu stopfen, die früher entstanden sind. Das ist die

Kreditverteilung à la Herr Peiner, nicht aber die korrekte Anwendung des Haushaltsrechtes. Das ist keine seriöse Haushaltspolitik.

(Beifall bei der SPD)

Da wir gerade bei den Zahlen sind: Die VHG kann und soll – wenn das heute beschlossen wird – von dem Geld, dass sie bekommt, 446 Millionen Euro zur Tilgung dieser 620 Millionen Euro Kredit einsetzen. Das heißt, es bleiben noch 164 Millionen Euro Fremdkredite stehen, für die weiter Zinslasten getragen werden müssen. Dabei nimmt die VHG mit dem heutigen Beschluss mehr Geld ein. Aber statt auch die Kredite, die dort noch stehen, zu tilgen, muss sie an die Beteiligungsgesellschaft 147 Millionen Euro abführen, die dann dort die Defizite senken. Wir wissen, dass die Defizite in der Beteiligungsgesellschaft in der Vergangenheit unter anderem durch die Geldgeschäfte des Senates höher geworden sind. Wenn es reicht, die aufgewachsenen Defizite zu decken, kann die Stadt davon profitieren, aber nur, weil die VHG das Geld nicht dazu verwenden darf, wirklich alle Kredite durch die Einnahmen aus dem heutigen Geschäft zu decken. Die städtische Gesellschaft bleibt also weiterhin auf Krediten sitzen, die sie aufnehmen musste, damit die Stadt 2004/ 2005 Geld ausgeben konnte.

Nun noch einmal zum eigentlichen Geschäft. Wir sind es gewohnt, dass bei jeder Verkaufsmeldung, die die Finanzbehörde absetzt, sich die Behörde selbst dafür lobt, dass es ein ganz besonders gutes Verkaufsergebnis sei, das man erwirtschaftet habe. So ist es natürlich auch hier. Klar, warum sollte ausgerechnet der Finanzsenator in diesem Senat anfangen, sich in Selbstkritik zu üben. Das sind wir auch sonst nicht von den Senatsmitgliedern gewohnt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Begründet wird diese hohe Qualität des Verhandlungsergebnisses mit dem so genannten Multiplikator. Der liegt hoch, keine Frage. Nun ist es so, wenn man relative Größen berechnet, dass die Höhe eines solchen Wertes an zwei Dingen liegen kann: an einem besonders überdurchschnittlichen Kaufpreis oder an einer besonders niedrig angesetzten Miete. Der Senat hat sich – wen überrascht es – entschlossen, eine Miete anzusetzen, die der vereinbarten Miete entspricht, das heißt, einer Miete, die letztlich vom Senat festgesetzt wird, und nicht die ortsübliche Miete, wie sie heute erhoben wird. Dadurch geht der Multiplikator – das kann man sich leicht ausrechnen – nach oben. Deswegen kann sich der Senat hier und heute so wunderbar dafür loben, was für ein tolles Ergebnis er erreicht hat.

Ein weiterer Aspekt, der mir schon in der Sitzung, aber dann auch beim Lesen des Protokolls aufgestoßen ist, ist der Folgende:

(Vizepräsidentin Dr. Verena Lappe übernimmt den Vorsitz.)

Der Senat begründet seine Haltung, das Geschäft sei ein besonders günstiges unter anderem damit, dass die Risiken eines Wertverlustes für Immobilien in der Innenstadt unter anderem wegen der Entwicklung der HafenCity auf einen Privaten übertragen werden. Das finde ich ein interessantes Signal an die Grundeigentümer der hamburgischen City. Bislang argumentiert der Senat, dass es allen in dieser ach so prosperierenden und wachsenden Stadt immer besser gehen wird. Wenn ich als Grundeigentümer

in der City – der ich leider nicht bin – diese Drucksache lesen würde, würde ich feststellen, dass der Senat bei seinen eigenen Immobilien darauf spekuliert, dass dort in Zukunft ein Wertverlust zu erwarten ist. Eine interessante Auslegung der Frage "Wachsende Stadt".

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Fünf Millionen Euro des Verkaufserlöses werden für Beratungstätigkeiten aufgewendet. Nun kann man der Meinung sein, dass gute Beratung für so ein großes Projekt auch gutes Geld kostet. Jetzt komme ich zu der Posse der letzen Woche: Im Haushaltsausschuss vor zwei Wochen mussten die Senatsvertreter am Ende zugeben, dass, wenn sie gewusst hätten, was sich hinter dem Objekt Baumeisterstraße eigentlich verbirgt, sie nicht so gehandelt hätten, wie sie es taten. Wenn bei einem solchen Objekt, das zu einer der großen Kultureinrichtungen der Stadt gehört, ein Beratungsunternehmen – das beim Verkauf beraten und erklären soll, worum es geht, ob die Sachen nutzbar sind, was sie wert sind et cetera pp. – nicht in der Lage ist festzustellen, worum es eigentlich geht, lassen sich Zweifel über die Qualität der Beratung wirklich kaum vermeiden.

(Beifall bei der SPD und bei Christian Maaß GAL)

Dieses Geld ist zumindest an dieser Stelle augenscheinlich nicht gut angelegt worden.

(Michael Neumann SPD: Bei wem ist es denn an- gelegt?)

Ein weiterer Teil des Theaters um das Theater: Vor zwei Wochen haben wir die Beratungen zu diesem Gegenstand einvernehmlich ausgesetzt, weil die CDU nach einem kurzen Wortgefecht hier begriffen hat, dass man nicht so argumentieren kann, wie sie dachte, nämlich der Drucksache einfach zuzustimmen, auch wenn man weiß, dass das alles falsch ist. Die SPD werde ihr den Gefallen tun und die zweite Lesung verweigern, sodass man nicht in die Bredouille komme und das nächste Mal könne man sich als Retter des Schauspielhauses hier hinstellen. Sie haben damals begriffen, dass diese Argumentation doch wirklich ein bisschen zu – mir fehlt der passende parlamentarische Ausdruck –

(Michael Neumann SPD: Schlicht, schlicht!)

schlicht ist, nach dem Motto: Weil die SPD – was Sie sonst ganz schrecklich böse finden –, eben gerade zum Beispiel, die zweite Lesung verweigert, braucht die CDU sich nicht zu bemühen, schnell zu einer vernünftigen Regelung zu kommen. Wir haben das ausgesetzt, weil sich auch der Senat und die Bürgerschaftsfraktion der CDU nicht in der Lage sahen, die angeblich schon in trockenen Tüchern befindliche Regelung schnell auf ein Blatt Papier zu schreiben und hier vorzulegen. Dazu sahen Sie sich nicht in der Lage, obwohl Sie morgens in der Pressekonferenz noch gesagt hatten, alles sei phantastisch und bis ins Detail geklärt. Das konnten Sie nicht, wofür wir auch ein bisschen Verständnis hatten und haben Ihnen dann noch zwei Wochen Zeit gegeben.

Dann passierte erst einmal nichts. Schließlich wurde ein Blatt Papier mit einer Berichtigung der Drucksache vorgelegt, als ob es nur ein Druckfehler gewesen wäre, auf dem stand, dass das Objekt Baumeisterstraße gestrichen wird, ansonsten bleibt alles beim Alten. Keiner hat etwas gemerkt und das Schauspielhaus ist raus.

Dann haben verschiedene Menschen – jedenfalls unserer Fraktion – darüber nachgedacht – bei Ihnen scheint es etwas später eingesetzt zu haben –, dass das nicht alles gewesen sein kann, denn wenn wir die Drucksache heute in der Form beschlossen hätten, wie sie vorliegt, hätten wir die finanziellen Auswirkungen für den Komplettverkauf beschlossen. Nachdem diese Tatsache langsam zur CDU-Fraktion durchgesickert war

(Michael Neumann SPD: Herr Niedmers, das war wohl nichts!)

und man in Ihren Reihen feststellte, dass man kurz davor war, sich genau so lächerlich zu machen, wie man es bereits vor zwei Wochen fast geschafft hätte, kam eine knappe Viertelstunde vor Beginn dieser Debatte die Änderungsdrucksache, in der das steht, was angeblich schon vor zwei Wochen komplett geklärt worden war. Immerhin haben Sie es gemerkt. Dass der Senat nicht in der Lage war, das auf ein Blatt Papier zu bringen, was Sie jetzt auf Papier gebracht haben, sagt eine Menge über den Senat aus.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Handwerklich haben Sie sich nicht mit Ruhm bekleckert, wirtschaftlich ist das Projekt fragwürdig und haushaltstechnisch ein Skandal. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat jetzt Herr Kruse.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, Sie haben den Applaus der Abonnenten verdient. "Abonnenten" sage ich, weil das Ganze – das nehme ich auf – schon etwas von einem Theaterstück hat, vor allen Dingen das "Skandal"-Gerufe.

(Doris Mandel SPD: Bei Ihnen hat es ein Geschmäckle!)

Darauf komme ich gleich zurück.

Ich gebe es gern zu. Wenn man etwas übersehen hat, einen Fehler gemacht hat, dann sind die Lacher auf der anderen Seite. Das ist genau so wie bei Ihnen, wenn Sie Ortwin Runde rückwirkend zum Jahre 1999 zum CDUMitglied machen.

Sie haben kritisiert, dass dort Grundstücke verkauft worden sind, ohne dass man einen Käufer gehabt hätte, und die städtische Gesellschaft das erst einmal bezahlt hat. Das war, so lang Ihnen unsere Regierungszeit auch vorkommen mag, vor unserer Zeit. Da gibt es noch einige Dinge. Ortwin Runde hat das gemacht, was Sie hier gebranntmarkt haben. Also müssen Sie entweder bei der Kritik entweder in diese Richtung schauen oder Sie haben Ortwin Runde eben rückwirkend zum CDU-Mitglied gemacht.

(Beifall bei der CDU – Bernd Reinert CDU: Den hätten wir nicht genommen! – Gegenruf von Michael Neumann SPD: Sie nehmen noch ganz andere!)

Herr Neumann, wir können es ja verstehen, dass sich immer mehr Sozialdemokraten eigentlich bei uns heimischer fühlen. Das ist einfach so.

(Michael Neumann SPD: So wie Herr Kusch!)

Nein. Herr Kusch klopft wahrscheinlich gerade bei Ihnen an. Mein Gott, wir leben in einer bunten Welt. Sie müssen doch froh sein, wenn einer zu Ihnen kommt.

(Zuruf von der SPD: Zum Thema!)

Aber ich glaube, dass Sie Herrn Runde hier Unrecht getan haben. Rückwirkend möchte er dann doch nicht bei uns Mitglied werden. Ansonsten empfehlen wir ihm den üblichen Weg.

Kommen wir zu einem weiteren Theaterstück. Es ist tatsächlich so: Der Titel "Behutsame Sanierung des Hamburger Haushaltes und Sicherung der Zukunftsperspektiven" ist eigentlich der eines Theaterstückes, das nur Abonnenten ins Schauspielhaus zieht. Sie haben sich darüber aufgeregt, dass wir das Schauspielhaus jämmerlich vergessen hätten. Es ist auch einer herumgelaufen, weil das Stück so langweilig war. Sie kennen das: Im Schauspielhaus, wenn fast alle gehen, dann kommt einer, meistens nackig,

(Michael Neumann SPD: Jetzt ja nicht mehr!)

links vom Bühnenrand, läuft los und ruft "Skandal, Skandal!" Und Sie als Publikum sind ganz spontan auch aufgestanden, denn, wenn jemand "Skandal!" ruft, müssen Sie ja mit einstimmen. Das ist Ihr Reflex.

(Zurufe von der SPD)

Fünfzig Jahre Sicherheit für das Hamburger Schauspielhaus – ist das nicht fürsorglich genug gewesen, wenn man einmal ganz ehrlich ist? Schauen Sie sich doch einmal in der Kulturszene um und überlegen Sie einmal,

(Michael Neumann SPD: Warum nehmen Sie es denn zurück, wenn es so toll ist, Sie Lümmel?)

welcher Zuwendungsempfänger in der Kulturszene eine fünfzigjährige Sicherheit hat.

(Beifall bei der CDU – Gesine Dräger SPD: Warum stellen Sie dann den Antrag?)

Wir übernehmen das, weil wir – hier mögen wir uns von Ihnen unterscheiden –

(Michael Neumann SPD: Sie ziehen also die An- träge zurück?)

dann Anregungen, Wünsche und Sorgen nicht stets kraft unserer Mehrheit kaputt stimmen müssen, sondern einfach sagen können: "Gut". Aber die Debatte, die in dieser Stadt losgetreten worden ist, ist doch wirklich ein Theaterstück. 50 Jahre Sicherheit, fast so lange wie die Geschichte des Schauspielhauses nach dem Krieg lang ist, noch einmal 50 Jahre, zwei Generationen, Mietfreiheit, ein jährlicher Vorteil von 80 000 Euro. Erzählen Sie das einmal anderen. Es ist ja nicht so, dass nach 50 Jahren die letzte Vorstellung gewesen wäre. Ob die früher erreicht wird, liegt an den Intendanten. Nach 50 Jahren wäre es so gewesen, dass die Zukunft offen gewesen wäre. Kulturschaffende, die doch eher immer über unsere bürgerliche, etwas verbiesterte Sicherheitsgeschichte lächeln, schreien jetzt nach mehr als 50 Jahren Sicherheit für die Ewigkeit. Aber gut, wir haben das jetzt so gemacht.