Neben der Protokollaffäre, die uns gestern ausgiebig beschäftigt hat, sollten wir nicht vergessen, worum es in dem PUA Feuerbergstraße eigentlich geht, nämlich um die Aufklärung der Missstände in diesem geschlossenen Heim.
Einer der gravierendsten Missstände in dieser Jugendhilfeeinrichtung ist meiner Ansicht nach der Einsatz von Mitarbeitern einer privaten Wachfirma. Einmalig für ganz Deutschland kann dieser Einsatz als Hamburgensie der schlechtesten Art unter der Verantwortung von Senatorin Schnieber-Jastram bezeichnet werden.
In keinem anderen Bundesland gibt es in auch nur annähernd vergleichbaren Jugendhilfeeinrichtungen den Einsatz von Wachleuten. Dort wird die Arbeit vollständig von Pädagogen geleistet. In Telefonaten mit Leitern dieser Einrichtungen konnte ich die Erkenntnis gewinnen, dass es hier nichts außer einem völligen Unverständnis über den Einsatz von Wachleuten in einer Jugendhilfeeinrichtung gibt, so wie es hier in Hamburg geschieht.
Offiziell war und ist im Übrigen dieser Wachdienst im Konzept der Feuerbergstraße auch nicht vorgesehen. Der ehemalige Geschäftsführer des Landesbetriebes, der als Träger für die Feuerbergstraße fungiert, begründete diesen Verzicht damit, dass die Feuerbergstraße eine Jugendhilfeeinrichtung ist und in dieser Wachpersonal ungewöhnlich und nicht angemessen ist. Recht hatte der Mann. Nur leider passten der Behörde seine kritischen
Weitere Ausbrüche von Jugendlichen – wenn wir uns an die damalige von vielen Ausbrüchen aus der Feuerbergstraße geprägte Zeit erinnern – setzen nicht nur die Behörde, die nämlich eine ausbruchssichere Einrichtung versprochen hatte, sondern auch die pädagogischen Mitarbeiter der Feuerbergstraße immer weiter unter Druck.
Pädagogik konnte kaum noch stattfinden. Sicherheitsmaßnahmen traten in den Vordergrund des Alltags. Das Resultat war: Der ehemalige Staatsrat Meister verkündete einen Tag nach der Entlassung des damaligen Geschäftsführers, Herrn Lerche, am 29. April 2003, dass von nun an ein Wachdienst für Ausbruchssicherheit sorgen soll und das vorerst nachts.
Am 1. Juli wurde ein Vertrag mit der Firma Securitas abgeschlossen. Kern der Aufgaben waren Objektschutz und Nachtbewachung. Zusätzlich wurde eine Option für den Tagesdienst hinsichtlich Unterstützung in Konfliktsituationen mit den Pädagogen oder begleitete Ausgänge in den Vertrag eingebaut.
Frau Blömeke, entschuldigen Sie die Unterbrechung, aber vielleicht könnte man die Nachberatung der Debatte in den hinteren Reihen nach draußen verlegen. – Frau Blömeke, Sie bekommen das Wort.
Danke schön. – Mehr als kurios ist meiner Ansicht nach, wie es hierbei überhaupt zu der Auswahl der Firma Securitas gekommen ist. Hier wollen wir einmal einen kleinen Blick zurückwerfen. Eine Ausschreibung gab es nicht, da man diese für überflüssig hielt. Anstelle einer üblichen Markterkundung reichte der Behörde – und das hört sich fast schon wie ein Witz an, ist aber wahr – ein Blick in das Branchenbuch, um festzustellen, dass andere Sicherheitsfirmen nicht das passende Angebot hatten.
Vielmehr beruhte die Auswahl von Securitas nach unserer Kenntnis auf Empfehlung und auf der Tatsache, dass die Behörde von Senatorin Schnieber-Jastram insbesondere U-Bahn-Wachen für geeignet hielt, die Aufgaben in der Jugendhilfeeinrichtung durchzuführen. Um sich davon zu überzeugen, besuchten zu diesem Zweck auch der Geschäftsführer des Landesbetriebes und führende Behördenmitarbeiter extra eine U-Bahn-Wache.
Das ist doch wirklich kaum zu glauben. Hier ist die Beschäftigung einer privaten Sicherheitsfirma in der Jugendhilfe bundesweit einmalig und als Qualifikationsnachweis scheint augenscheinlich ein Blick in das Branchenbuch und ein Gang zur U-Bahn zu genügen. Das ist peinlich.
Gut oder vielmehr nicht gut, die U-Bahn-Wachen waren also nun in der Einrichtung Feuerbergstraße. Was durften Sie dort alles machen? Sie durften und sollten das Objekt Feuerbergstraße bewachen. Sie sollten Sicherheitsmängel erkennen. Sie durften zum persönlichen Schutz – man höre und staune – Reizgas und Klettbänder mit sich führen. Wir reden hier immer noch über eine Jugendhilfeeinrichtung.
Was durften die Securitas-Mitarbeiter nicht durchführen? Sie durften keine Aufgaben von Pädagogen übernehmen und die Jugendlichen nicht betreuen. Sie durften Jugendliche nicht allein bei ihren Ausgängen begleiten. Sie durften auch Jugendliche bei Fluchtversuchen nicht körperlich festhalten und aus diesem Grunde durften sie Jugendliche auch nie fesseln. Und damit sind wir jetzt in der Realität angekommen und die sieht für die verantwortliche Senatorin mehr als düster aus.
Frau Senatorin, unter Ihrer Regie haben die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma ihr eigentliches Aufgabengebiet weit überschritten. Von Tag zu Tag, von Monat zu Monat sind die Einsätze des Sicherheitsdienstes weiter gewachsen. Heute können wir von einem Bewachungswahnsinn sprechen, der sich besonders bei den Einzelbewachungen von Jugendlichen zeigt.
15 Stunden täglich und das über Wochen sind Jugendliche zum Teil isoliert durch Wachleute bewacht worden. Dort, wo Jugendliche intensive psychologische und pädagogische Betreuung benötigen, wurde diese durch einen Mitarbeiter aus dem Pool der U-Bahn-Wachen ergänzt. Im Extremfall – und so ist das vorgekommen – bedeutet das: Ein dreizehnjähriger Junge allein in einem Raum, in dem sich nur eine Matratze befindet und vor der Tür ein kräftiger Wachmann, der den Jugendlichen unter ständiger Beobachtung hat, und das 15 Stunden täglich mehrere Wochen lang. Wollen wir das für eine Jugendhilfeeinrichtung? So sieht die Jugendhilfepolitik der Senatorin Schnieber-Jastram aus, die wir nicht teilen.
(Klaus-Peter Hesse CDU: Wie sieht denn Ihre Politik aus? Wollen Sie den Jugendlichen in den Arm nehmen? – Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)
Es steht aber nicht nur die Einzelbewachung im Fokus. Die Grenzen zwischen den Aufgaben der Pädagogen und denen des Sicherheitsdienstes haben sich in vielen Bereichen vermischt. So haben Wachleute die Betreuung von ganzen Gruppen übernommen, wenn der Pädagoge gerade mal nicht anwesend war. Jugendliche ohne die erkennbare Anwesenheit von Pädagogen wurden zu Boden geworfen und mit Klettbändern gefesselt. Es wurden Medikamente und Psychopharmaka verabreicht und den Jugendlichen bei Konflikten Vergünstigungen gestrichen.
Das alles sind originäre Aufgaben von Pädagogen, wenn sie überhaupt vorkommen. Ich weigere mich fast immer
an dieser Stelle, darüber zu diskutieren, wer hier überhaupt und wie die Klettbänder anlegen darf und bei wem es erlaubt ist. Ich denke, allein bei den Zuständen in der Feuerbergstraße ist es schon fast egal, wer die Verabreichung von Psychopharmaka oder das Fesseln der Jugendlichen durchgeführt hat. Für mich gehört das einfach nicht in eine Jugendhilfeeinrichtung.
Ich will Ihnen hierfür mal ein Beispiel nennen. Ich wäre auch froh, wenn wir mehr Geld in der Jugendhilfe hätten, Herr Hesse, aber nicht für den Wachdienst.
insgesamt 4008 Arbeitsstunden der Sicherheitsmitarbeiter allein durch die Einzelbewachung geleistet. Bei einem Stundenlohn – hier kommt ordentlich etwas zusammen – von 17 Euro, die immerhin verteilt werden, sind das durchschnittlich für diese genannte Zeit 70 000 Euro. Das ist eine ganze Menge Geld. Auch jetzt noch sind das pro Monat durchschnittlich 300 bis 400 Stunden, die Securitas-Mitarbeiter allein für Einzelbewachung verbrauchen. Damit entstehen monatliche Kosten von rund 6000 Euro. Hierbei habe ich nicht das Geld erwähnt, was für die regulären Nachtwachen durch die Securitas-Mitarbeiter oder für die begleiteten Ausgänge ausgegeben wird. Das nenne ich eine fehlgeleitete Jugendhilfe-Politik, denn für das Geld, verehrte Senatorin Schnieber-Jastram, hätte man mindestens zwei Sozialpädagogen in Vollzeit einstellen können,
die mit den Jugendlichen intensiv arbeiten, anstatt U-Bahn-Wachen vor den Zimmertüren dieser Jugendlichen zu postieren.
(Niels Böttcher CDU: Auf welchem Stern leben Sie eigentlich? – Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)
Hier wurde drei Jahre lang auf Kosten der Jugendlichen schlampig gearbeitet. Das zeigt sich unter anderem auch daran, dass die Behörde erst im letzten Jahr nach massiver öffentlicher Kritik sich bemüßigt fühlte, eine Rechtsprüfung durchzuführen, und hierbei feststellte, dass die Wachleute keinesfalls das Recht haben, Jugendliche mit Klettbändern zu fesseln, ohne dass ein Pädagoge anwesend ist. Munter wurde in der Zeit davor, Monate und Jahre, dieses Verfahren aber so exerziert.
Ich behaupte, dass hier drei Jahre lang auf Kosten der Jugendlichen schlampig gearbeitet und das Kindeswohl zugunsten von Sicherheitsmaßnahmen vernachlässigt wurde.
Ich möchte auch betonen, dass sich mein Vorwurf hierbei ausschließlich an die Sozialsenatorin und nicht an die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma richtet.
Die Mitarbeiter haben auf ausdrückliche Anweisung des Auftraggebers gehandelt. So hat es mir auch der Geschäftsführer der Firma Securitas persönlich in einem Brief vom 16. Februar dieses Jahres mitgeteilt.
Auftraggeber ist der behördeneigene Landesbetrieb, der unter der Verantwortung von Senatorin SchnieberJastram steht. Sie allein, Frau Senatorin, müssen sich für Freiheitsberaubung und Verletzung der Sorgfalts- und Aufsichtspflicht verantworten.