Protocol of the Session on March 29, 2006

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erkennen.)

Das tut er. Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Den sehe ich nicht. Wer will den soeben in erster Lesung gefassten Beschluss auch in zweiter Lesung fassen, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenprobe? – Enthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit in zweiter Lesung und damit endgültig beschlossen.

Wer stimmt einer nachträglichen Überweisung der Drucksache 18/3924 an den Innenausschuss zu, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch diese Überweisung ist mehrheitlich genehmigt worden.

Wir kommen zum Punkt 83 der heutigen Tagesordnung, Drucksache 18/3914, Antrag der SPD-Fraktion: Nach der beschämenden Rüge des Europarats für Hamburg: Abschiebehaftvollzug in der Untersuchungshaft beenden

Keine rechtsfreien Räume bei der Abschiebehaft in Hamburg.

[Antrag der Fraktion der SPD: Nach der beschämenden Rüge des Europarats für Hamburg: Abschiebehaftvollzug in der Untersuchungshaft beenden – Keine rechtsfreien Räume bei der Abschiebehaft in Hamburg – Drucksache 18/3914 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Dr. Dressel und Sie bekommen es auch.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ungewollt wird nun dieser vorliegende Antrag zum ersten Testfall für den neuen Justizsenator. Die Frage an dieser Stelle an Sie, Herr Lüdemann, ist: Setzen Sie die zweifelhafte Haftpolitik Ihres Vorgängers fort oder erweisen Sie sich als lernfähig? Insofern ist das auch der erste Testfall heute für Sie, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Sind Sie in der Lage, hier aus einem für Hamburg wirklich besorgniserregenden Bericht des Europarats, genauer gesagt – und das muss man sich immer wieder auf der Zunge zergehen lassen – des Antifolterkomitees, Konsequenzen zu ziehen?

Die Rüge des Europarats ist für Hamburg beschämend und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Es ist beschämend, wenn der Europarat die Bedingungen der Abschiebehaft in der Untersuchungshaftanstalt als völlig inakzeptabel einstuft. Es ist beschämend, wenn der Europarat in diesem Bereich eine systematische PostZensur rügt. Es ist auch beschämend, wenn der Europarat Einschränkungen bei Besuchen und Freigängen als unvertretbar darstellt.

Wohlgemerkt, wir sind hier nicht in Moldawien oder in irgendeinem Land, das jetzt überhaupt erst einmal lernen muss, rechtsstaatliche Standards einzuführen und man berücksichtigen kann, dass dort ein gewisser Nachholbedarf besteht, sondern wir sind in Hamburg. Das ist peinlich für Hamburg, dass wir an dieser Stelle eine Nachhilfestunde erhalten müssen.

Peinlich ist auch, dass sich die CDU-Fraktion an dieser Stelle mit diesen Vorwürfen nicht weiter beschäftigen möchte. Sie haben wirklich mit nicht besonders nachvollziehbaren Gründen versucht, die Rechtsausschusssitzung platzen zu lassen, ohne sich mit solchen Vorwürfen auseinander zu setzen. Das können Sie hier gleich noch einmal erläutern. Sie wollen das unter den Teppich kehren, aber das wird Ihnen nicht gelingen, weil Sie sich hierfür an dieser Stelle rechtfertigen müssen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Es kann uns als Parlament, wenn wir unsere Kontrollaufgabe hier ernst nehmen wollen, nicht darum gehen, dass wir uns irgendwann einmal mit den Missständen beschäftigen oder dann in einem Jahr uns berichten lassen, ob der Senat vielleicht gedenkt, sich mit diesen Missständen einmal beschäftigen zu wollen. Nein, es muss hier darum gehen, frühzeitiger Konsequenzen einzufordern und frühzeitig dafür zu sorgen, dass diese Missstände abgestellt werden. Und hier ist auch die Frage an Herrn Lüdemann

gerichtet, denn zu einem maßgeblichen Teil tragen Sie auch eine Mitverantwortung, weil Sie zu der Zeit Staatsrat in der Justizbehörde waren.

Seit Dezember 2003 gab es die Überlegung, dass die Abschiebehäftlinge aus der Untersuchungshaftanstalt nach Fuhlsbüttel verlegt werden sollen. Das war die Ansage. Bis heute ist nichts passiert. Jetzt, wo die Vorwürfe laut werden, erklären Sie sich bereit, im April oder Mai die Angelegenheit in Angriff zu nehmen. Wir glauben Ihnen erst, dass Sie diese Sache wirklich ernst nehmen, wenn der letzte Abschiebehäftling aus der Untersuchungshaftanstalt nach Fuhlsbüttel in zumutbare Bedingungen verlegt wird. Aus diesem Grunde haben wir dieses hier nochmals eingefordert.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Es ist wirklich ein kapitales Organisationsversagen der Behörde, dass sie es vom Herbst 2003 bis heute nicht hinbekommen hat, diesen Zustand im Bereich der Untersuchungshaftanstalt zu beenden und nach Fuhlsbüttel zu verlegen. Hierfür tragen auch Sie, Herr Lüdemann, die Verantwortung und aus dieser kommen Sie nicht raus.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL – Ingo Egloff SPD: Ja, Herr Lüdemann, erklären Sie uns das mal!)

Das müssen Sie unverzüglich beenden. Insofern werden wir gespannt lauschen, ob Sie hierzu zu dem weiteren Verlauf noch etwas sagen werden.

Die nächste Frage betrifft die rechtliche Seite. Hier hat der Senat in einer Großen Anfrage der GAL-Fraktion im letzten Jahr selbst eingeräumt, dass es in Hamburg für die Durchführung der Abschiebehaft kein Landesgesetz und keine Erlasse gibt, sozusagen nichts, was den Vollzug von Abschiebehaft in Hamburg mehr regelt. Das ist im Grunde genommen nach der Rüge, die wir jetzt aus Straßburg erhalten haben, kein Zustand mehr. Man muss jetzt nicht unbedingt zwingend sagen, dass das ein rechtsfreier Raum ist, denn es gilt das Strafvollzugsgesetz. Das will ich überhaupt nicht bestreiten, aber die Frage, wie der Vollzug konkret ausgestaltet ist, ist offen.

Wir haben es hier nicht mit Strafhäftlingen zu tun. Das wissen Sie ganz genau, Frau Spethmann. Abschiebehäftlinge sind anders zu behandeln als Strafhäftlinge. Hier kann es nur darum gehen, sicherzustellen, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann und andere Zwecke sind in der Abschiebehaft nicht zulässig. Sie dürfen nur solche Einschränkungen verhängen, die wirklich der Zweck der Abschiebehaft erfordert. Hiervon haben Sie sich entfernt.

(Viviane Spethmann CDU: Nein!)

Daher ist unsere Forderung ganz klar. Wir brauchen Richtlinien und Regeln, die dieses für Hamburg mehr ausgestalten. Hier sollten wir uns ein Beispiel an Schleswig-Holstein nehmen. Sie haben eine eigene Richtlinie, die die Regelung der Abschiebehaft näher ausgestaltet. Es gibt auch einige Bundesländer, beispielsweise Berlin und Brandenburg, die hier eigene gesetzliche Regelungen haben. Hier muss also nachgebessert werden, damit erst gar nicht der Eindruck entsteht, dass Abschiebehaft hier in irgendeiner Form in rechtsfreien Räumen vollzogen wird.

Eines will ich für die SPD-Fraktion nochmals klar zum Ausdruck bringen und mir ist sehr wohl bewusst, dass

man hier nicht sehr viel Applaus bei der GAL-Fraktion erhält: Abschiebehaft muss sein, wenn es darum geht, tatsächlich auch die Abschiebung zu vollziehen.

(Beifall bei Farid Müller GAL)

Das heißt, es muss ein Ultima Ratio Instrument an der Stelle sein, aber bitte – das ist unser Punkt – streng nach Recht und Gesetz und auf den Zweck begrenzt, der wirklich mit der Abschiebehaft vermacht ist. Hierauf kommt es uns in unserer Initiative an und das sind eigentlich Forderungen, die bei vernünftigem Hinsehen die CDU-Fraktion mittragen müsste und könnte, wenn sie es ernst meint und aus dem Kusch-Desaster, jedenfalls im Strafvollzug, auch etwas gelernt hat. Insofern sind Sie jetzt am Zug, zu zeigen, ob die Entlassung von Herrn Kusch tatsächlich auch in der Vollzugspolitik für diese Stadt und für den Strafvollzug etwas bewegt. Insofern sind wir sehr gespannt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Frau Spethmann.

(Werner Dobritz SPD: Alles gut!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In einer Sache werde ich Sie aber schon sehr enttäuschen, Herr Dr. Dressel. Inhaltlich wird es im Strafvollzug so weitergehen wie bisher, denn die Politik war inhaltlich richtig. Seien Sie nicht in irgendeiner Hoffnung, dass sich hier irgendetwas ändern wird. Die CDU-Fraktion trägt inhaltlich die Strafvollzugspolitik, damit Sie sich nicht falsche Illusionen und Hoffnungen machen. Seien Sie gewiss, es geht so weiter.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ist das gut, dass wir das hier klarstellen. Also, Kusch-light!)

Aber das, was Sie hier zum Thema Abschiebehaft gebracht haben, Herr Dr. Dressel, war eine reine Luftnummer, denn die Abschiebehaft wird in Hamburg nach Recht und Gesetz durchgeführt.

Es gibt hier eine Rüge oder irgendetwas von diesem Folterkomitee, nur Sie haben bis heute nicht den Beweis erbracht, was das Folterkomitee genau bemängeln sollte.

(Gesine Dräger SPD: Antifolterkomitee! – Michael Neumann SPD: Das Folterkomitee gab's in Bag- dad!)

Es liegt uns kein Bericht vor, sondern nur Presseberichte. Dort steht etwas drin, aber wir kennen die Herkunft nicht. Es gibt eine Homepage, auf die Sie verweisen. Diese Homepage sagt lediglich aus, dass in Hamburg die Haftanstalten besucht worden sind, aber nicht mehr. Das ist natürlich keine Beratungsgrundlage. Ich bin der Meinung, das geht zulasten des Strafvollzuges und zulasten der Mitarbeiter. So scheint dem Abendblatt ein Bericht vorzuliegen, dessen Inhalt uns nicht bekannt ist.

Der Ausschussvorsitzende, Herr Klooß, hat seinen Ausschuss eingeladen und angekündigt, dass er dieses Papier aushändigen würde. Einige Tage später ruft er kleinlaut bei mir an und teilt mit, dass er flüchtig darauf geschaut hat, aber es täte ihm Leid, er könne dieses leider nicht weitergeben. Und darüber sollten wir im Ausschuss beraten, ja worüber denn? Über zehn Zeilen des Abendblattes, mehr nicht. Alle anderen Zeitungen haben

daraus zitiert. Aus rein formalen Gründen waren wir also nicht in der Lage, hierüber inhaltlich zu beraten.

Das soll aber nicht heißen, dass wir uns nicht ernsthaft mit dieser Angelegenheit beschäftigen, wenn der Ausschuss dieses Papier irgendwann im Sommer vorgelegt bekommt und dieses Folterkomitee seine Beratungen ordnungsgemäß abgeschlossen hat. Wir sind genau wie Sie daran interessiert, dass diese Abschiebehaft nach Recht und Gesetz durchgeführt wird und den normalen Vorschriften entspricht. Wir wollen hier nichts vertuschen. Uns geht es nur darum, dass wir Luftnummern, die in der Zeitung stehen, nicht beraten wollen.

(Michael Neumann SPD: Sie haben heute doch auch die ganze Zeit über Böwer geredet. Stand auch in der Zeitung!)

So verfahren Sie im Bundestag doch genauso, Herr Neumann. Irgendwelche New York Times-Berichte sind auch keine ausreichende Grundlage für die SPD-Bundestagsfraktion, Untersuchungsausschüsse einzusetzen.

(Michael Neumann SPD: Wollten wir auch nicht!)

Genau nach diesem Maßstab handeln wir auch. Wir schauen uns im Sommer die ganzen Berichte an, werten sie aus und dann werden wir weitersehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Möller.