Protocol of the Session on May 13, 2004

Wir sind jedenfalls auf die nächste Statistik gespannt und wir hoffen, ohne Statistiktricks und Rechenfehler. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Ahlhaus, ich glaube, Sie haben sich hier auf ein etwas gefährliches Terrain begeben. Wann ist denn aus Ihrer Sicht eine Stadt sicherer?

(Inge Ehlers CDU: Wenn es gar keine Strafta- ten gibt!)

Wenn es mehr angezeigte Straftaten gibt oder wenn es weniger angezeigte Straftaten gibt? Nichts anderes als dieses sagt die PKS aus, die Zahl der angezeigten Straftaten und dann noch die Aufklärungsquote. Mitnichten gibt das einen Überblick über die Sicherheitslage in dieser Stadt. Niemand außer Ihnen und Schill vor Ihnen, um es noch einmal deutlich zu sagen, verwendet die PKS noch in diesem Sinne. Niemand in allen unseren Bundesländern, auch Herr Schily nicht, geht überhaupt noch in die Richtung, zu sagen, wir haben hier eine Statistik und die macht deutlich, wie sicher es in dieser Stadt ist. Das ist eine absurde Interpretation der Statistik.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Die PKS ist ein Arbeitsbericht der Polizei, zeigt die Zahl der angezeigten Straftaten und die Aufklärungsquote. Sie zeigt nichts über die verhinderten Straftaten und auch nichts über polizeiliche Strategien. Ich glaube, das ist das, was wir eigentlich im Parlament diskutieren sollten, um ermitteln und uns ausrechnen zu können, wohin die Innenbehörde geht, in der Bekämpfung der Straftaten in der Stadt. Ich finde dieses unwürdige, aber erprobte politische Ritual, nach dem jeweiligen Geschmack die Zahlen zu interpretieren, inzwischen etwas unerträglich. Aber heute machen wir das wieder und so, wie die Zahlen vorgelegt werden, ist die seriöse Befassung tatsächlich auch nicht möglich. Deswegen ist der SPD-Antrag auch eine wichtige Hilfestellung. Wenn, dann muss man sich noch viel mehr ins Detail versteigen.

(Zuruf)

Ja, das können wir gerne im Ausschuss durcharbeiten, wenn Sie das wünschen, aber das Ergebnis wird nicht sein, dass die Stadt nun sicherer oder unsicherer ist, sondern das Ergebnis wird sein, dass die Polizei viel und gut und in der Regel auch erfolgreich in dieser Stadt arbeitet.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der SPD)

Um es einmal ganz deutlich zu sagen: Diese einfache These, mehr Polizisten gleich mehr Kontrollen, gleich mehr Anzeigen und deswegen mehr Sicherheit in dieser Stadt, stimmt einfach nicht. Natürlich haben Kontrolldelikte, zum Beispiel der Umgang mit Rauschgiftkriminalität, ein Plus von 9,3 Prozent in der Statistik. Das ist ein Erfolg. Aber was ist denn gleichzeitig der Rückgang um 9,9 Prozent bei dem aus unserer Sicht sehr viel schwerwiegenderen Teil der Rauschgiftkriminalität, nämlich Handel und Schmuggel mit großen Mengen? Mehr Unsicherheit? Oder war das kein Thema für die Polizei? Das möchte ich gerne diskutieren. Warum haben wir den Rückgang an der Stelle? Welches polizeiliche Konzept hat hier nicht gefasst oder gab es keins? Wo ist das Problem? Das ist das, was interessant an der PKS ist und nicht immer diese platten Aussagen, Hamburg ist sicherer.

(Wolfhard Ploog CDU: Aber es stimmt, dass Hamburg sicherer ist!)

Herr Ploog, Menschenhandel ist im Eingabenausschuss nicht zum ersten Mal Thema gewesen. Hamburg verzeichnet einen Rückgang von 34 Prozent. Die

Stadt ist Drehscheibe von Gütern, alles, was in der Welt wichtig ist, dreht sich um den Hamburger Markt und das soll für den Menschenhandel nicht zutreffen? EU-weit ist die Bekämpfung des Menschenhandels seit eineinhalb Jahren eines der Schwerpunktthemen der polizeilichen Arbeit und da soll Hamburg plötzlich die Insel der Glückseligen sein? Das kann doch nicht sein. Warum also ist die Anzeigequote, die Zahl der angezeigten Straftaten im Menschenhandel so gering in Hamburg? Das ist die entscheidende Frage. Wie würden Sie das denn interpretieren?

Ein weiteres Beispiel, damit es vielleicht ein bisschen klarer wird, worum es eigentlich geht, sind die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Darauf hat die SPD auch schon hingewiesen: 23,2 Prozent mehr angezeigte Vergewaltigungen. Hamburg ist völlig unsicher für Frauen! Frauen geht nicht mehr auf die Straße oder was ist die Folgerung daraus? Dafür möchte ich Erklärungen von der Innenbehörde hören, was das Problem hinter dieser steigenden Zahl von angezeigten Vergewaltigungen ist. Vielleicht ist die Erklärung ganz einfach, meine Damen und Herren. Vielleicht liegt es an dem neuen Gewaltschutzgesetz, vielleicht liegt es an den 855 Wegweisungen aus Wohnungen, die allein im Jahr 2003 in Hamburg erfolgen mussten. Und das hat wiederum ganz viel mit der gesellschaftlichen Situation, in der sich Frauen und Männer hier in dieser Stadt befinden, und mit häuslicher Gewalt zu tun. Über die müssen wir reden und nicht immer wieder darüber, Hamburg sei sicherer, weil die Zahlen so schön sind. Das ist keine seriöse Befassung mit dem Thema.

Als Parlament brauchen wir die PKS zur Unterstützung des Erkennens der gesellschaftlichen Zusammenhänge und vor allem auch zur Unterstützung in der Bewertung der polizeilichen Konzepte und die müssen wir im Innenausschuss diskutieren. Das entspricht im Übrigen auch dem Umgang, den sich die Bundesregierung mit der PKS inzwischen angeeignet hat. Selbst Schily redet die Statistik nicht mehr schön. Zum Beispiel gibt es zum Thema schwere Körperverletzung – das ist hier nicht weiter angesprochen, darüber sollten wir im Ausschuss reden – einen bundesweiten Trend, eine Zunahme von 10 Prozent. Auch dazu hätte ich gerne die Erklärung für Hamburg und würde dazu gerne etwas von der Innenbehörde hören.

Also, meine Damen und Herren, lassen wir diese pauschalen Beglückwünschungen oder Beschimpfungen sein, bei einer Statistik, die sich so oder so auslegen lässt. Reden wir über polizeiliche Konzepte, Bekämpfungsstrategien und das im Ausschuss.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Senator Nagel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorab eine Aussage: Wir reden die Statistik nicht schön! Das ist mir ganz wichtig!

(Beifall bei der CDU)

Ich freue mich sehr, heute von dieser Stelle aus zum ersten Mal zu Ihnen sprechen zu können. Die Bürgerschaft hat den Senat ersucht, ihr jährlich, beginnend mit dem Jahr 2001, über die Polizeiliche Kriminalstatis

A C

B D

tik zu berichten. Ich darf Ihnen nunmehr als zuständiger Fachsenator über die Inhalte der PKS berichten und dabei die Gelegenheit zu einigen grundlegenden Anmerkungen zu nutzen. Dabei geht es nicht darum, Herr Dr. Dressel, hier irgendetwas zu verbergen. Das haben wir gar nicht nötig.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Dann kann es ja auch an den Innenausschuss überwiesen wer- den!)

Ziel des Senates ist es, in der Verbrechensbekämpfung Hamburg noch sicherer, sauberer und damit noch lebenswerter für die Bürger und die vielen Gäste zu machen.

(Beifall bei der CDU)

Ich betone: Noch lebenswerter als unsere wunderschöne Stadt ohnehin schon ist!

Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich in Hamburg sicher und wohl fühlen, ganz einfach gerne hier leben. Auch die Besucher aus Deutschland, Europa und der Welt sollen sich weiterhin ohne Sorge vor Kriminalität in unserer schönen Stadt bewegen können.

Meine Damen und Herren! Die Innere Sicherheit hat deshalb einen hohen Stellenwert für diesen Senat,

(Beifall bei der CDU)

denn diesem Senat ist bewusst, dass Innere Sicherheit und die damit verbundene Lebensqualität nicht zu unterschätzende Standortfaktoren für Hamburg, für die wachsende Stadt Hamburg sind!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufgrund dieser Bedeutung der Inneren Sicherheit für das gesamtgesellschaftliche Leben ist die Transparenz der Entwicklung der Kriminalität dem Senat und damit auch mir sowohl in meiner früheren Funktion als auch in der jetzigen ein besonderes Anliegen. Die Behörde für Inneres hat daher die Kriminalitätsentwicklung 2003 nicht nur in einer Pressekonferenz sehr zeitnah am 23. Januar dieses Jahres vorgestellt; wir haben auch nicht nur die wesentlichen Zahlen, Daten und Fakten bekannt gegeben, sondern wir haben die Zahlen, Daten und Fakten umfangreich und für jeden Bürger nachlesbar in das Internet gestellt, und zwar auf die Homepage der Innenbehörde, ergänzt durch die Informationen auf der Homepage der Polizei, und – wie es Herr Ahlhaus bereits angedeutet hat – ich kann Ihnen gerne ein persönliches Exemplar geben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Habe ich schon, aber ich möchte das im Ausschuss diskutieren!)

Wenn Sie es schon haben, umso besser.

Zusätzlich kommt der Senat dem Ersuchen der Bürgerschaft nach, Sie über die entsprechenden Entwicklungen in einer eigenen Drucksache zu unterrichten. Lassen Sie mich an dieser Stelle betonen: Die PKS ist als kriminalpolitisches Instrument für den Langzeitvergleich wichtig, aber die Zahlen der PKS sind nicht alleiniger Maßstab zur tagespolitischen Beurteilung der Sicherheit in Hamburg und anderswo. Insofern gebe ich Frau Möller Recht.

(Beifall bei der SPD und bei Antje Möller GAL)

Die umfangreichen Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit in Hamburg werden fortgesetzt. Ich darf Ihnen einige Beispiele nennen.

Zum Thema Personalverstärkung der Polizei durch die Berliner Beamten: In wenigen Wochen stoßen die letzten 19 Beamten nach Hamburg. So der aktuelle Stand. Bis 2004 sind damit 500 Beamte aus Berlin in die Hamburger Polizei integriert.

(Beifall bei der CDU)

Die Forderung nach mehr Polizisten erfüllen wir schon seit zwei Jahren, Herr Dr. Dressel. Wir haben seit 2002 mehr als 1000 Mitarbeiter zusätzlich bei der Polizei. Meine Damen und Herren, ich wiederhole diese gute Nachricht gerne: Ja, wir haben mehr als 1000 Mitarbeiter zusätzlich bei der Polizei! Diese Personalverstärkungen werden jetzt und in den kommenden beiden Jahren voll wirksam. Die werden zwar immer schlecht geredet, aber diese Menschen sind tatsächlich da!

(Michael Neumann SPD: Selbst der Bürger- meister sprach von weniger Polizisten!)

Damit steigern wir die Präsenz und gehen noch konzentrierter gegen Kriminalität vor, speziell gegen die Straßenkriminalität. Das ist die Kriminalität, die den Bürger spürbar belastet, und das ist auch eine Schwerpunktsetzung dieses Senats bei der Bekämpfung der Kriminalität.

Des Weiteren wird der Abschluss der organisatorischen Maßnahme in der Polizei Hamburg noch 2004 umgesetzt sein, um die Polizei Hamburgs besser aufzustellen; das heißt, das Projekt Verbrechensbekämpfung wird dieses Jahr noch zu Ende geführt und die Fachleute freuen sich heute schon darauf, dass die Polizei damit noch besser aufgestellt ist. Es wird auch weiterhin gezielte Maßnahmen der Polizei zur Bekämpfung der Jugendkriminalität, besonders der Jugendgewaltkriminalität, geben. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang mittlerweile die sehr gute Arbeit der Cop4U an den Schulen. Wir haben, wie Sie wissen, insgesamt mehr als 230 solche Beamte, die speziell an den Schulen, an über 500 Schulen, tatsächlich eingesetzt werden, und das zwischenzeitlich mit sehr guten Ergebnissen.

Die erfolgreiche Bekämpfung der Drogenkriminalität wird fortgesetzt. Neue Szenebildungen werden nicht zugelassen. Es wird sofort – und das ist mir ganz wichtig – hamburgweit überall schnell und konsequent nachgesetzt. Gegen Dealer wird weiter unter konsequenter Nutzung der zur Verfügung stehenden gesetzlichen Maßnahmen vorgegangen und dieses im Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft Hamburg.

Meine Damen und Herren! Wir stellen Ihnen die polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2003 in ihrer Gesamtheit vor, ohne etwas zu beschönigen, ohne etwas zu vertuschen. Das haben wir gar nicht nötig. Aber natürlich auch, ohne die eindeutig sichtbaren Erfolge klein- oder wegzureden. Auch das haben wir nicht nötig. Die Gesamtzahl der Straftaten 2003 ist im Vergleich zu 2002 fast stabil geblieben. Es gab lediglich einen Anstieg um 0,8 Prozent. Auslöser für diese Zahlen – das wissen Sie auch, Herr Dr. Dressel – waren einmal das Schwarzfahren und zum anderen ein Wirtschaftsstrafverfahren, und zwar in der Größenord

nung von mehr als 8000 Delikten, die die Sicherheit in Hamburg – Stichwort Straßenkriminalität – nicht besonders stark belasten. Mit der Gesamtsteigerung um 0,8 Prozent waren wir aber immer noch unter der Entwicklung im Bundesgebiet mit mehr als 1 Prozent. Das Ziel Hamburgs bleibt natürlich ein weiterer Rückgang der Fallzahlen, aber angesichts des starken Rückgangs im Jahr 2002 um 15,5 Prozent ist auch die Konsolidierung auf diesem niedrigen Niveau ein achtenswertes Ergebnis der erfolgreichen polizeilichen Arbeit, insbesondere in der Betrachtung der Detailzahlen. Wenn seitens der SPD immer gesagt wird, die Zahlen stimmen nicht, dann weiß ich nicht, woher Sie die Zahlen nehmen. Die Innenbehörde hat es nicht nötig, irgendwelche Zahlen zu verfälschen.

(Beifall bei der CDU)

Auch die Aufklärungsquote konnte auf 43,7 Prozent gesteigert werden. Eine Steigerung um knapp 1 Prozent, eine erfreuliche Tendenz, aber wir wollen uns auch hier noch verbessern.