Protocol of the Session on February 2, 2006

Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion will personelle und finanzielle Ressourcen der bezirklichen Lebensmittelkontrolle bei der Fachbehörde zusammenfassen. Verbraucherschutz braucht in Hamburg mehr Durchschlagskraft. So, wie es jetzt ist, Herr Senator, geht es nicht weiter. Das sehen Sie offensichtlich selbst so, denn sonst hätten Sie keine Defizitanalyse über den bezirklichen Verbraucherschutz in Auftrag gegeben.

Man muss sich einmal vor Augen führen, dass die Kühlhäuser nur ein- bis zweimal im Jahr kontrolliert werden. Ein Lebensmittelbetrieb muss noch nicht einmal damit rechnen, dass zweimal im Jahr der Kontrolleur kommt.

Ein Kontrolleur läuft, je nach Bezirk, 250 bis 600 Betriebe ab. Am Fleischgroßmarkt mit 200 Betrieben und über 3000 Mitarbeitern in der Produktion und Verarbeitung von Fleisch, Geflügel, Wild und Fisch arbeiten nur drei Amtsveterinäre. Man muss sich das einmal vor Augen halten. Dort wird auch mit Schlachtabfällen gehandelt wie Därmen, Innereien, Knochen, Häuten und Hufen und was alles dazu gehört.

Ich frage mich, wie eigentlich solche Kontrollen aussehen, wenn ein EU-Betrieb täglich, die anderen wöchentlich kontrolliert werden sollen. Die zusätzlichen Kontrollen der letzten drei Monate haben doch nicht mit zusätzlichem Personal stattgefunden, es gab auch keine Hilfe von anderen Stellen. Was dann passiert, kann man sich ausrechnen. Die Routine bleibt liegen und gibt Anlass für neue Skandale. Der Senat prüft jetzt, ob mehr Personal nötig ist. Ich bin gespannt auf das Ergebnis.

Aber mehr Personal alleine reicht nicht. Die Kontrollen brauchen mehr Durchschlagskraft, sie müssen gezielt, geballt und durchgreifend sein, unangemeldet kommen und auf Themen konzentriert sein, so wie jetzt zum Beispiel bei der Jagd auf Hasenkeulen. Bei den bezirklichen Kontrolleuren gibt es ohnehin schon Rotation und für Schwerpunktaktionen werden die Kollegen und Kolleginnen in den Bezirken sowieso zusammengezogen. Aber wenn das so weiter geht, dann werden sie nur zu Schwerpunktaktionen zusammengezogen. Aber dann habe ich es lieber gleich zentral und gut organisiert als anlassbezogen und improvisiert.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Zahl der Untersuchungsaufträge an das Institut für Hygiene und Umwelt sind nach der Amtsübernahme von Herrn Senator Dräger 2004 gegenüber 2003 um 20 Prozent zurückgegangen. Bei Einzelproben beträgt der Rückgang 17 Prozent. Das ist kein Zufall, Herr Senator, denn Sie sind mit dem Credo "mehr Kooperation statt Kontrolle" angetreten. Eigenkontrollen der Betriebe ersetzen die staatlichen Kontrollen nicht, sonst hätten wir nämlich jetzt keine Fleischskandale.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir Sozialdemokraten fordern eine Schwerpunktermittlungsbehörde, höhere Bußgelder, eine Anlaufstelle für Informanten und zentrale Probenpläne. Daran sollte auch die Verbraucher-Zentrale mitwirken und sie sollte auch über die Ergebnisse informiert werden. Die Behörde schützt eher die Anbieter als die Verbraucher und nennt nur zögerlich und mit großem Widerstand oder gar nicht die schwarzen Schafe. Das kann aber nach der gegenwärtigen Rechtslage die Verbraucher-Zentrale machen.

Hamburg braucht endlich ein eigenes Informationsfreiheitsgesetz. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht zu erfahren, wie ihre Lebensmittel hergestellt sind und sie müssen sich darauf verlassen können, dass sie einwandfrei sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Frau Gienow hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, ich kann davon ausgehen – ich sage das einmal apostrophiert –, dass es uns allen so ziemlich "zum Halse heraushängt", täglich in der Zeitung

immer wieder die nicht enden wollenden Überschriften lesen zu müssen:

(Barbara Duden SPD: Das kommt, weil keiner was tut!)

"Fleischskandal", "Ein Drittel der Proben verdorben", "Verbraucher werden verdummt", "Noch mehr Gammelfleisch" oder "Erneut verdorbenes Fleisch im Handel".

Frau Dr. Schaal, auf Ihren Vortrag und Ihren Antrag gehe ich gleich ein und auch auf die umfassende Anfrage von Herrn Maaß möchte ich im Anschluss antworten.

Gestatten Sie mir, vorweg einige allgemeine Bemerkungen zum Verbraucherschutz und speziell zum gesundheitlichen Verbraucherschutz zu machen. Verbraucherpolitik ist eine Querschnittsaufgabe. Im Wesentlichen gehört nicht nur die Lebensmittelüberwachung dazu, sondern sie tangiert so ziemlich alle Bereiche der politischen Agenda; das allerdings ist hier nicht unser Thema. Unser Thema heißt gesundheitlicher Verbraucherschutz und da brauchen wir nur einmal nach Brüssel zu gucken. Wenn wir uns die Anzahl der Gesetze und Verordnungen ansehen, dann betreffen über 50 Prozent den Verbraucherschutz und davon wiederum gut die Hälfte den gesundheitlichen Verbraucherschutz. Das zeigt schon einmal die Wichtigkeit dieses Themas.

Lebensmittelsicherheit und vor allen Dingen Lebensmittelkontrollen sind eines der entscheidenden Instrumente eines effizienten Verbraucherschutzes. Sie sind die wichtigste Voraussetzung für das tägliche Vertrauen und dieses tägliche Vertrauen ist ungeheuer wichtig, damit der Verbraucher weiß, dass seine Lebensmittel gesund und einwandfrei sind oder – ich müsste im Moment sagen – sein sollten. Gesundheitliche Unbedenklichkeit aller Lebensmittel muss immer oberste Priorität haben. Den Wünschen der Verbraucher nach hochwertigen und gesunden Nahrungsmitteln muss in jedem Fall Rechnung getragen werden.

Eines möchte ich allerdings noch anmerken und das sei mir gestattet. Es ist nur ein kurzer Satz, um die Relationen einmal klarzustellen. Die Fälle, über die wir hier sprechen, sind angesichts der jährlichen Produktion von bundesweit 7 Millionen Tonnen Fleisch tatsächlich nur eine verschwindend geringe Menge, aber jeder Fall ist ein Fall zuviel. So gesehen spiegeln diese Skandale nicht unbedingt die Wirklichkeit in der Lebensmittelsicherheit wider.

Ich habe mich einmal "auf die Socken" gemacht und verschiedene Lebensmittelkontrolleure aufgesucht, habe mit Veterinären gesprochen, war im Institut für Hygiene und Umwelt und habe den einzigen Zerlege- und Schlachtbetrieb mit EU-Zulassung auf Hamburger Boden besucht. Ich habe dort die täglich anwesende Veterinärin gesprochen und mich darüber informieren lassen, wie das mit den Gesetzen und Vorschriften aussieht. Ich bin weggegangen und habe eigentlich kein Problem mit der heutigen Lebensmittelsicherheit. Ich habe dort an der ladeneigenen Theke eingekauft und das Fleisch mit großem Appetit gegessen; das möchte ich hier auch einmal unterstreichen.

Man erzählte mir, in den letzten 20 Jahren seien die gesetzlichen Vorschriften in diesen Betrieben derartig explodiert, dass es schon schwer werde, ihnen nachzukommen und es auch mit ein Grund sei, warum manche diese nicht mehr erfüllen könnten und schließen müssten, zum Beispiel Schlachtbetriebe. Aber warum, dachte ich

dann, sind vor 20 Jahren, als es die vielen Vorschriften noch nicht gab, unsere Vorfahren nicht alle irgendwie an Lebensmittelvergiftungen gestorben. Sie haben das alle überlebt. Ich glaube schon, dass wir eigentlich ganz gut und sicher bewacht werden.

Und wenn es zu diesen Skandalen kommt, dann muss man auch bedenken, dass wir immer vom mündigen Bürger reden, der eigenverantwortlich entscheiden soll, was er kaufen möchte.

(Christiane Blömeke GAL: Wir sollen also selber aufpassen, dass wir kein Gammelfleisch essen!)

Dazu ist es natürlich notwendig, dem mündigen Bürger einerseits alle Informationen mitzuteilen, auf der anderen Seite wird es aber, solange es eine Billigmentalität beim Einkaufen gibt, solange die Geiz-ist-geil-Methode – das ist allmählich wieder out – die Einkaufspraxis bestimmt, solange es möglich ist, Lebensmittel zu Dumpingpreisen zu verkaufen, immer wieder skrupellosen Geschäftemachern möglich sein, minderwertiges Fleisch anzubieten und verkaufen zu können.

Mein Resümee – das ist inzwischen auch die Maxime bei meinem Einkaufen –: Auffallend günstige Produkte sollten mich und den Verbraucher nicht auffordern, diese zu kaufen, sondern sollten fast schon eine Warnung sein. Es ist einfach nicht möglich, ein Sieben-Cent-Ei zu produzieren und dann zu glauben, dass das von einem glücklichen Huhn auf der grünen Wiese kommt; darüber muss sich jeder Verbraucher im Klaren sein.

Zum Antrag von Frau Dr. Schaal: Beim ersten Lesen dachte ich, das kennst du irgendwie. Beim zweiten Lesen habe ich gedacht, schon wieder sitzt da so eine Klasse, die gerne abschreibt, denn das ist komplett das Thesenpapier der Verbraucher-Zentrale. Herr Dr. Hörmann hat es mir vor ungefähr zehn Tagen in die Hand gegeben und alle acht Punkte finden wir genau in dem Antrag. Sie sind ein kleines bisschen, aber nicht mit großer Mühe, umformuliert, es wurde ein wenig hinzugefügt, ein bisschen von Frau Höhn aus dem Internet genommen und auch – Sie zitierten schon das Zehn-Punkte-Programm von Herrn Seehofer – daraus ein bisschen dazu gemixt und das ist genau der Antrag von Frau Schaal.

(Dr. Monika Schaal SPD: Ja und, haben Sie was anderes!)

Tut mir Leid, dass ich das heute noch einmal strapaziere. Hätte mir das ein Schüler abgeliefert, hätte ich gesagt, zu wenig eigene Gedanken darin, zu viel bei Susi abgekupfert, Sechs, setzen.

(Beifall bei der CDU – Katja Husen GAL: Können Sie noch was Inhaltliches sagen?)

Der Antrag von Frau Schaal ist in einigen Passagen und Punkten überflüssig, weil die Forderungen zum Teil schon erfüllt sind. Ich will Frau Dr. Schaal zugute halten, dass sie eine Sache nicht wissen konnte. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat gestern oder vorgestern die Telefone freigeschaltet und eine Internetseite für anonyme Hinweise eingerichtet, damit Personen dort anrufen können, die von einer Lebensmittelumetikettierung oder von irgendeiner anderen "Schweinerei" wissen und befürchten, sich outen zu müssen und vielleicht dadurch ihren Arbeitsplatz verlieren könnten. Aber, Frau Dr. Schaal, mir wurde mitgeteilt, dass das in Hamburg schon längst gängige Praxis sei.

Anonyme Hinweise sind in Hamburg schon immer gegeben worden, das weiß ich von den Verbraucherschützern und den Veterinären, das musste nicht gefordert werden.

Zweiter Punkt: Im Original steht akkurat das gleiche wie in Punkt acht. Dort heißt es, die Verbraucher-Zentrale möchte an den Probenplänen beteiligt werden. Dazu muss ich leider sagen, dass die Verbraucher-Zentrale keine Lebensmittelüberwachungsbehörde ist und insofern auch nicht daran beteiligt werden kann.

Wenn ich es jetzt ganz hoch hänge, dann rüttelt Frau Schaal an den Grundfesten der Demokratie. Sie schreibt nämlich, die erste und die zweite Gewalt, die Legislative und die Judikative …

(Zurufe von der SPD: Das stimmt nicht!)

Rufen Sie nicht, das stimme nicht, ich sage Ihnen gleich, wo es steht.

Sie möchte gerne, dass der Senat aufgefordert wird, sich dafür einzusetzen, dass bei Verurteilungen der Strafrahmen konsequent ausgeschöpft wird. Bis dato habe ich immer gedacht, dass die Judikative frei sei in ihren Entscheidungen und die Legislative oder die Exekutive da nicht hineinregieren könne.

(Ingo Egloff SPD: Das sieht Herr Kusch doch auch anders!)

Das sind so einzelne Punkte, Frau Dr. Schaal, weshalb wir diesen Antrag ablehnen möchten.

(Beifall bei der CDU)

Zur Großen Anfrage von Herrn Maaß. Das ist eine sehr umfangreiche Arbeit, eine wirkliche Fleißarbeit.

(Zuruf von Antje Möller GAL)

Frau Möller, ist ja gut. Es kommt hier akustisch gar nicht richtig an und ich möchte es im Moment auch gar nicht hören.

(Beifall bei der CDU)

Herr Maaß hat eine wirklich Große Anfrage abgeliefert mit 91 Punkten. In diesem Zusammenhang danke ich auch dem Senat, der diese Große Anfrage auf 22 Seiten beantwortet hat. Das Thema ist uns so wichtig, dass wir diese Große Anfrage an den Ausschuss überweisen möchten, denn wir sehen es als sehr wichtig an, über dieses Thema noch einmal zu diskutieren.

Ich werde mir jetzt ersparen, Herr Maaß, auf einzelne Punkte einzugehen. Die Bewertung unsererseits bei der Auslegung Ihrer Zahlen sehen wir ein bisschen anders. Das können wir aber im Ausschuss dann sehr wohl erörtern. Allerdings eine Aussage habe ich der Zeitung entnommen. Sie sagten, nur jeder siebte Verstoß gegen Lebensmittelsicherheit werde mit einer Anzeige oder einem Bußgeld geahndet und das sei Ihnen zu wenig.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das könnte man ja mei- nen!)

Dann verweise ich einmal darauf – das ist auch EUWunsch –, dass die Lebensmittelkontrolleure gehalten sind, auch Beratungsfunktionen auszuüben und nicht immer gleich zu strafen. Ich könnte diese Zahlen, die bei Ihnen zu einem logischen Schluss führen, noch weiter auseinander nehmen. In 2000 haben wir zum Beispiel 1418 Lebensmittelkontrolluntersuchungen gehabt, in