Wer möchte den CDU-Antrag aus der Drucksache 18/3539 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit so beschlossen.
Frau Präsidentin! Herr Lieven hatte gerade beantragt, den Antrag nachträglich an den Stadtentwicklungsausschuss zu überweisen. Dem werden wir natürlich auch zustimmen. – Danke.
Meine Damen und Herren, dann stimmen wir darüber ab. Wer ist dafür, dass wir den Antrag nachträglich an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 46. Drucksache 18/3541, Antrag der CDU-Fraktion: Maßnahmen zur Steigerung der Organspenden in Hamburg.
[Antrag der Fraktion der CDU: Maßnahmen zur Steigerung der Organspenden in Hamburg – Drucksache 18/3541 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gerade gestern hat die Deutsche Stiftung Organtransplantation ihre Statistik für das Jahr 2005 vorgelegt, nach der wir in Deutschland erstmals 1220 Organspender gehabt haben. Das ist eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr. Wir haben mit den 1220 Organspendern …
Diese 1220 Organspender konnten mehr als 3900 Menschen nicht nur helfen, sondern konnten ihnen vermutlich das Leben retten. Trotzdem haben wir in Deutschland rund 12 000 Patienten, die für ein Organ auf der Warteliste stehen, was für diese Menschen eine Wartezeit von etwa fünf Jahren bedeutet. Diese Wartezeit verbringen diese schwerstkranken Patienten einerseits zwischen dem Bangen, dass ihnen nicht rechtzeitig geholfen wird, dass keine Hilfe mehr möglich ist, und auf der anderen Seite dem Hoffen, noch rechtzeitig ein Organ zu finden. Insofern kann ein kleiner Organspenderausweis, auf den ich gleich noch einmal zurückkomme, Leben retten.
Bei allen Umfragen in der Bevölkerung in Deutschland gibt es eine sehr große Bereitschaft zur Organspende, aber tatsächlich hat nur etwa jeder achte Bürger einen Organspenderausweis bei sich. Das bedeutet konkret, dass Ärzte die Angehörigen in einer seelisch sehr stark belasteten Situation – unmittelbar nachdem ein sehr nahe stehender Angehöriger verstorben ist – fragen müssen, ob eine Organentnahme möglich sei. Für die Angehörigen bedeutet es in dieser sehr angespannten Situation nicht nur, eine Entscheidung zu treffen, sondern einer Organentnahme möglichst auch zuzustimmen.
Aus Krankenhäusern wissen wir, dass nur etwa bei 20 Prozent der Organspender vorher die Haltung zur Organspende bekannt war, entweder weil es einen Ausweis gibt oder weil das Thema im Familienkreis thematisiert worden ist. 70 bis 75 Prozent aller Organspenden erfolgen, weil die Angehörigen interpretieren, was der Wille des Verstorbenen gewesen sein könnte, und nur ein kleiner Teil geschieht nach den Wertvorstellungen der Angehörigen selbst.
Vier von fünf infrage kommenden Organspendern sind Menschen, bei denen nach einem schweren Unfall der Hirntod festgestellt wurde, es sind also Traumaopfer. Auf diese Situationen konnte man sich nicht vorbereiten, sie kommen für die Angehörigen ganz plötzlich aus heiterem Himmel und sind deshalb besonders schwierig.
Die Hauptgruppe der Spender ist 16 bis 54 Jahre, gleichwohl wir bei über 20 Prozent der Organspender von Menschen ausgehen, die 65 Jahre und älter sind. Das heißt, Organspende ist definitiv keine Frage des Alters und der Umstände. Jeder kann helfen, Leben zu retten.
Diese schwere Entscheidung, von der ich eben gesprochen habe, muss sehr schnell getroffen werden. Ich weise noch einmal auf die äußerst belastende Situation hin, in der sich Angehörige befinden, denn 80 Prozent aller Organentnahmen müssen bereits zwölf bis 18 Stunden nach dem festgestellten Hirntod abgeschlossen sein. Da die Entnahmen häufig sehr aufwändige Operationen sind, können Sie sich vorstellen, wie kurz das Zeitfenster ist, in der Ärzte fragen und entsprechend tätig werden können, und wie wenig Zeit Angehörige haben, darüber nachzudenken, um dann ihre Entscheidung zu treffen.
Wichtigste Organe für Transplantationen sind nach wie vor Nieren, Herz und Leber, aber mittlerweile auch Lunge, Pankreas – die Bauchspeicheldrüse – und der Dünndarm. Wir haben in Deutschland im vergangenen Jahr rund 2500 Nierentransplantationen gehabt, aber, um es
konkreter zu machen, 10 000 Menschen stehen auf der Warteliste. Also auch hier gibt es eine Leidenszeit von vier, fünf Jahren nicht nur für die Patienten, sondern natürlich für die Angehörigen, die mitbangen, die mithoffen, gefüllt mit Dialyse, mit Angst vor Nierenversagen, mit Angst vor weiteren Komplikationen.
Hamburg – das kann man auch anhand der Statistik aus 2005 feststellen – ist hier sehr engagiert. Ich weise gern einmal auf die Senatsantwort vom März 2005 hin. Es handelt sich um die Drucksache 18/1983, eine Anfrage von mir zur Situation der Organspende in Hamburg. Die Zahlen, die dort genannt worden sind, werden nun durch die Deutsche Stiftung Organtransplantation noch einmal bestätigt. Im Bundesdurchschnitt geht man von etwa 15 Organspenden auf 1 Million Einwohner aus. Hamburg liegt mit 23,6 Organspenden pro 1 Million Einwohner nach Mecklenburg-Vorpommern und Bremen an der dritten Stelle. Das zeigt eine große Bereitschaft der Hamburger Bevölkerung, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen, das zeigt eine sehr aktive Unterstützung der Hamburger Krankenhäuser, Organe zu melden. Sie wissen sicherlich, dass das kein Hamburger Phänomen ist, sondern mittlerweile auf internationaler Zusammenarbeit passiert. Eurotransplant ist eine Stelle, die mittlerweile über Europa hinaus Organspenden koordiniert und das richtige Organ zum richtigen Empfänger bringt. Aber auch diese Hamburger Zahlen erreichen erst das Niveau von Staaten wie Spanien, Österreich oder Belgien, wo nämlich seit Jahren 25 oder 30 Organspenden pro 1 Million Einwohner möglich sind.
Deshalb ist unser Antrag ein Appell, sich noch stärker für Organspende einzusetzen. Dachverbände, Organisationen und Kammern könnten für die Verbreitung sorgen, Ausweise an Mitarbeiter ausgeben und Mitarbeiter informieren. Das Gleiche gilt für die Initiative, diese kleinen Broschüren in Bürgerämtern auszulegen. Die Verteilung an über 70 000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Hamburg kann und soll ein Beispiel sein, das hoffentlich viele Nachahmer in dieser Stadt findet.
Es gibt auch im norddeutschen Umland sehr erfolgreiche Beispiele für Initiativen. Bremen hat im vergangenen Jahr – mit großem Erfolg – einen Schülerwettbewerb für Schüler der Sekundarstufe II sowie Schülerinnen und Schüler von Pflegeschulen durchgeführt, wie man das Thema Organspenden in der Öffentlichkeit präsentieren kann. Zum einen hat es dazu geführt, dass man natürlich junge Menschen für dieses Thema interessiert und anspricht, und zum anderen hat es dazu geführt, dass es in einer sehr zeitgerechten, sehr modernen Form geschehen ist.
Niedersachsen hat im vorletzten Jahr eine Aktion gehabt, in der viele Betriebskrankenkassen und auch andere Krankenkassen sehr massiv und sehr deutlich Informationen in ihren Geschäftsstellen ausgelegt haben, um dadurch eine höhere Erreichbarkeit zu erzielen. Wer weiß, vielleicht gibt es auch in Hamburg einmal Gelegenheit, solche Broschüren nicht nur in Bürgerämtern auszulegen, sondern beispielsweise auch in Krankenhäusern, die ein besonderes Interesse haben.
Zurück zu Hamburg: 260 Nierenpatienten warten dringend auf eine neue Niere. Wir haben aber im vergangenen Jahr nur 55 Nierentransplantationen möglich gemacht, unter denen sogar noch ein paar Lebendspenden sind, also von nahen Angehörigen. In Hamburg warten 140 Menschen auf eine Leber, wir haben aber nur 115
Spenden gehabt. Nur im Bereich Herz-Herz, Herz-Lunge gibt es ein ungefähr ausgewogenes Verhältnis mit zehn beziehungsweise zwölf Entnahmen.
Hamburger Patienten sind also auf Spenden aus anderen Bundesländern sowie aus anderen Länder der Europäischen Union angewiesen. Vor diesem Hintergrund steht mein Appell, zu unterstützen.
Mein Vorschlag ist, dass möglichst jeder diesen kleinen Spenderausweis bei sich hat. Er nimmt damit den Angehörigen eine schwere Last ab, ermöglicht eine schnelle Hilfe. Wie gesagt, dieser kleine Ausweis kann tatsächlich Leben retten.
Frau Präsidentin, wenn Sie einverstanden sind, würde ich gern nachher links und rechts auf den Tischen, auf denen die Unterschriftslisten liegen, ein paar Organspenderausweise auslegen. Wer mag, kann sich dann gern einen mitnehmen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Krüger, um das Ergebnis vorwegzunehmen: Ihr Antrag ist eine gute Sache und wir werden dem mit Sicherheit gern zustimmen. Er greift die Informationskampagne "Organspende schenkt Leben" der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf. Wie Sie sagten, sind es ungefähr 70 Prozent der Bundesbürger, die im Prinzip zum Organspenden bereit sind, aber nur ein ganz geringer Teil hat sich tatsächlich zum Thema Organspende geäußert oder trägt diesen Ausweis sogar mit sich. Wenn es dann zum Ernstfall kommt, sind es die Angehörigen, die anstelle und im Sinne des Verstorbenen die Entscheidung zu treffen haben. Ich denke, das machen sich viele nicht leicht, können sich viele nicht leicht machen und kann natürlich zu einer ernsten Belastungsprobe für diese Menschen werden.
Umso wichtiger ist es natürlich, selbst zu Lebzeiten zu einer Entscheidung zu kommen und diese auch entsprechend zu dokumentieren. Aber ich glaube, dass gerade darin auch das Problem liegt, denn dass wir alle einmal sterben werden, ist jedem hier ziemlich klar. Aber sich im Sinne von Organspenden konkret mit seinem eigenen Tod – mit der Verteilung der Organe, die dann vielleicht von einem übrig bleiben – auseinander zu setzen, erfordert noch einen Schritt, der ein bisschen weiter geht als die Erkenntnis allein, dass alles Leben endlich ist. Das ist das Problem. Darüber muss man hinwegkommen, da muss man auch ein bisschen über seinen Schatten springen, den Ausweis nehmen und ihn ausfüllen.
Mir sei an dieser Stelle ein Hinweis gestattet: Die Organspenderausweise sind auch dazu da zu dokumentieren, wenn man gegebenenfalls nicht mit einer Entnahme einverstanden ist. Es ist also keine Einbahnstraße, es ist auch keine Entscheidung für die Ewigkeit, sie ist reversibel und man kann sie in eigenem Sinne auch treffen. Letztendlich muss sich natürlich jeder vor Augen halten, wie glücklich er wäre, wenn er selbst in der Situation wäre, aufgrund von beispielsweise Nierenversagen oder eines Herzfehlers auf ein Spenderorgan angewiesen zu sein. Ich glaube, dann wirft man schnell alle Bedenken über Bord und sagt natürlich, ja, ich wäre froh, wenn ich
dieses lebensrettende Organ bekäme. Das sollte Grund genug sein für uns, unsere Entscheidung zu überdenken und überhaupt eine Entscheidung zu treffen.
Wir stimmen Ihrem Antrag deswegen natürlich sehr gern zu und ich bin zufrieden zu hören, dass Sie hier ein paar Organspenderausweise hinlegen werden. Ich dachte eigentlich, ich komme heute in den Plenarsaal und wir haben alle schon ein kleines Paket auf dem Tisch liegen. Das war nun nicht so, aber ich habe gemerkt, sie werden das nachbessern und das ist auch prima.
Ein weiterer Hinweis sei mir noch an dieser Stelle erlaubt: Jede Kampagne ist natürlich nur so gut, wie sie transportiert wird. Dazu brauchen wir natürlich auch unsere Medien. Nun bin ich gespannt, wie morgen diese Debatte, die in den Medien vielleicht aufgefangen wurde, wiedergegeben und an die Bevölkerung appelliert wird, um sich dieses Themas anzunehmen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich war mir nicht ganz sicher, ob Herr Krüger ein paar oder genug Ausweise mitbringen würde. Deshalb liefert die GAL-Fraktion mindestens 120 Exemplare – man kann sie auch weitergeben – zur Dokumentation des Willens. Wer keinen Willen hat, der oder die, kann ich nur auffordern, mit einer der vielfältigen Vertreterinnen oder einem Vertreter von Betroffenenverbänden beispielweise zu diskutieren. Anders als man das im ersten Moment vermuten könnte, sind die nämlich weit davon entfernt, Menschen die Pistole auf die Brust zu setzen. Sie sind sehr, sehr kompetente Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, wenn es um die Entscheidung geht, wie diskutiere ich auch im Freundes-, Bekannten- oder Familienkreis – Frau Bestmann hatte es eben angesprochen – die eigene Sterblichkeit, die Sterblichkeit von Menschen, die einem sehr nahe stehen, und die Frage, was man hinterher macht.
Da eigentlich schon alles zu dem Thema gesagt ist, erlauben Sie mir zum Schluss eine Bemerkung. Der Titel "Maßnahmen zur Steigerung der Organspenden in Hamburg" hat mich zuallererst vermuten lassen, Herr Hesse hätte einen Antrag zur Aufhebung des allgemeinen Tempolimits in Hamburg eingebracht. Ich habe mich sehr gefreut, dass das nicht der Fall war.
Ich würde die Bitte, die Herr Krüger schon ausgesprochen hat, aufgreifen und erklären, da ich das Material sowohl auf der Senatsbank als auch auf den Besucherrängen nicht verteilen darf, die Ausweise an entsprechenden Stellen hinzulegen.