Protocol of the Session on December 8, 2005

Zunächst zum Spreehafen und der Hafenquerspange: Wir freuen uns natürlich, dass der Zollzaun geöffnet werden soll, zumal vor kurzem die CDU-Fraktion mit Ihnen, Herr Finck, an der Spitze die Öffnung noch abgelehnt hat, als wir hierfür einen Antrag gestellt haben. Sie haben sich seinerzeit im Stadtentwicklungsausschuss ganz weit aus dem Fenster gegen unseren Antrag gelehnt. Insofern freuen wir uns, dass der Senat nun etwas mehr Begeisterung gezeigt hat und diese Idee verwirklicht wird.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich frage mich allerdings, warum das erst 2007 und nicht schon früher passiert? Warum müssen die Wilhelmsburger und die Veddeler noch so lange warten? Alle diese guten Ideen zum Spreehafen, ob Freizeitnutzung, Naherholungsgebiet oder Hausboote, sind gefährdet, wenn dort die Hafenquerspange geführt wird?

(Henning Finck CDU: Sind Sie gegen die Hafen- querspange?)

Hören Sie zu, Herr Finck.

Mir ist nicht klar, wie dieses wirklich wichtige Infrastrukturprojekt in die Gesamtkonzeption für den Spreehafen verträglich einbezogen werden kann, wie das so schön in der Broschüre der Stadtentwicklungsbehörde zum Sprung über die Elbe heißt. Insofern bleibt es spannend, wie die Gesamtkonzeption dort entwickelt wird, zumal der Wirtschafts- und der Stadtentwicklungssenator ihre gegensätzlichen Positionen sogar bis in die Drucksache hinübergerettet haben.

Während der Wirtschaftssenator die Position bezieht, den Spreehafen für die Verlagerung des Travehafens zu nutzen – das ist das, was Sie unterstützen, Herr Finck, möchte der Stadtentwicklungssenator die Südseite des Spreehafens für die Öffentlichkeit öffnen. Und das unterstützen wir, Herr Finck.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Herr Senator, Sie haben uns heute wirklich an Ihrer Seite.

Zur Wilhelmsburger Mitte: Wir begrüßen die Aufwertung der Wilhelmsburger Mitte durch einen zentralen Park im Rahmen der Internationalen Gartenschau. Das wäre wirklich schön für den Stadtteil. Aber wir fragen uns, ob dort unbedingt ein künstlicher See angelegt werden muss? Das sollte man schon hinterfragen. Sehr fantasievoll ist es nun nicht unbedingt, wenn man auf der Elbinsel, an der es an Wasser wenig mangelt, zuerst an einen See denkt.

(Inge Ehlers CDU: Da ist doch schon ein Wasser- loch!)

Woher die hierfür notwendigen 20 bis 40 Millionen Euro kommen, das weiß auch noch keiner. Wir meinen, dieses Geld könnte man möglicherweise auch sinnvoller einsetzen, beispielsweise beim Veddeler Wasserkreuz. Dort benötigt man nur 10 Millionen Euro, um die Niederfelder Durchfahrt nicht schließen zu müssen. Was das heißt, Herr Finck, das werden auch Sie wissen. Wenn man die Niederfelder Durchfahrt schließt – und diese Drucksache haben wir in Kürze auch hier in der Bürgerschaft –, dann bedeutet das, dass man beispielsweise die 50er Schuppen im Rahmen einer Barkassenfahrt von Landesbrücken zur Ballinstadt nicht mehr anfahren kann, sondern dass diese links liegen bleiben. Insofern sehen wir mit Span

nung dem entgegen, was uns zur Wilhelmsburger Mitte in der Ausstellung der IGS im Januar dann präsentiert wird.

Einen weiteren Punkt, den wir mit Sorge betrachten, ist die Entwicklung beim Sprung über die Süderelbe. Natürlich geht es im Bereich Harburg und Wilhelmsburg bei der Stadtentwicklung auch immer um einen vernünftigen Ausgleich mit den hafenpolitischen Interessen. Das ist klar. Aber die Hafenbahntrasse darf die Entwicklungsperspektiven der Schlossinsel und des Binnenhafens nicht konterkarieren. Gerade bei der Hafenbahntrasse haben wir aber den Eindruck, dass die stadtentwicklungspolitischen Interessen von Harburg und die Harburger Binnenentwicklung erneut zurückstecken müssen. Wenn aber der Sprung über die Elbe in Harburgs Mitte ankommen und den Harburger Interessen auch nützen soll, dann müssen wir einen Weg finden, um die Bahntrassen, die Harburg zerschneiden, zu reduzieren, aber nicht das Ganze noch stärker durch einen Brückenbauwerk neben der Schlossinsel verkomplizieren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

In der Drucksache heißt es, ich zitiere:

"Die IBA 2013 thematisiert erstmals und facettenreich das Zukunftsbild der Metropole."

Und weiter heißt es:

"Im Zentrum steht die Frage, welche Angebote eine Großstadt für ihre Einwohner, Unternehmen und Besucher für ein Leben im 21. Jahrhundert formulieren muss, damit Leistungsfähigkeit und Lebensqualität zu den herausragenden Standortfaktoren Hamburgs werden."

Wir meinen, dass dafür die in der Drucksache bezeichneten Leuchtturmprojekte etwas wenig sind, um diese Zielsetzung zu erreichen. Das ist zu wenig für Wilhelmsburg und Harburg und zu wenig für die Fortentwicklung dieser Stadtteile.

Wichtig wären auch gute Schulen, ein Engagement in der Jugendarbeit und die Fortsetzung der sozialen Stadtteilentwicklung. Wir wünschen uns, dass auch diese Themen bei Ihnen Platz und Raum finden, damit diese beiden Stadtteile, Wilhelmsburg und Harburg, wieder in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken und nicht im Rahmen der IBA mit Leuchtturmprojekten überstrahlt werden. Das ist unser Wunsch an Sie.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Lieven, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir debattieren jetzt das Startsignal für das neben der HafenCity größte stadtentwicklungspolitische Projekt Hamburgs der nächsten 20 Jahre. Es ist natürlich schade, diese Debatte jetzt am Ende des zweiten Bürgerschaftstages zu führen, wo wir alle ein bisschen erschöpft sind, aber ich hoffe dennoch, dass Sie für ein paar Minuten Zeit und Aufmerksamkeit haben.

Hamburg will mit der Internationalen Bauausstellung den Sprung über die Elbe und die städtebauliche Entwicklungslinie von der Innenstadt bis zur Harburger Schlossinsel vorantreiben. Das finden wir richtig. In diesem Konzept stecken zentral die Themen der Innenentwicklung der Stadt und des Flächenrecyclings. Dagegen ist nichts

zu sagen. Aber diese Idee ist nicht sehr originell. Das hat auch der Bürgermeister festgestellt. In der Tat, das ist heute state of the art. Das liegt im Mainstream stadtentwicklungspolitischer Strategien.

Der Sprung über die Elbe wiederholt insofern das Thema der letzten Internationalen Bauausstellung, der IBA Emscher Park, die sich auch mit Nachnutzung von Industrieflächen beschäftigt hat. Das ist keineswegs falsch, aber es ist auch nicht sehr innovativ. Daher glauben wir, dass an dieser Themenstellung noch gearbeitet werden muss. Hierzu komme ich aber später.

Es reicht aus unserer Sicht nicht aus, zu sagen: "Wir wollen eine wachsende Stadt und hierfür haben wir den größten Spielraum in Wilhelmsburg. Der größte Hebel, um das durchzusetzen, ist eine Internationale Bauausstellung." Das ist für eine IBA zu wenig.

(Beifall bei Manuel Sarrazin GAL)

Das ist zu sehr auf Hamburg bezogen, als dass man damit eine Internationale Bauausstellung begründen könnte. Das ist zu wenig innovativ, als dass es ein Vorbild für andere Städte und Regionen sein könnte.

(Beifall bei der GAL und bei Jan Quast SPD)

Im Memorandum zur IBA steht – ich zitiere:

"In der Mitte der Stadt besteht die Chance, das angestrebte Wachstum qualitativ zu bündeln. Ein Stadttraum, der bisher die Lasten des städtischen Geschehens tragen musste, kann schrittweise aufgewertet werden."

Das klingt als Absicht erst einmal sehr gut, aber leider steckt wenig dahinter.

Die Leitprojekte jedenfalls, die in dieser Drucksache enthalten sind, konterkarieren diese Ziele zum Teil erheblich. Das ist bei näherem Hinsehen auch gar kein Wunder. Sie wollen, so steht es hier, Wohnen und Freizeit, aber auch Gewerbe und Industrie am Wasser und relativ nah am Zentrum entwickeln. Diese Ziele sind teilweise in sich widersprüchlich. Das Wachstum des Hafens und das Wachstum der Stadt harmonieren nicht so ohne weiteres miteinander. Wenn dieses Spannungsverhältnis zwischen Hafen und Stadtentwicklung im Rahmen der IBA nicht sorgfältig bearbeitet wird, dann degeneriert die IBA zu einem Mittel, um umstrittene Projekte, wie die Hafenquerspange und die Bebauung von landwirtschaftlichen Flächen und Kleingärten, in Wilhelmsburg durchzudrücken.

Wenn man den Oberbaudirektor und Herrn Dücker von der Behörde für Wirtschaft und Arbeit sich gegenüber sitzen sieht, spürt man förmlich in der Luft, welche verhärteten Fronten und Spannungen dort zwischen der Behörde für Wirtschaft und Arbeit und der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt vorhanden sind. Hier regiert teilweise das alte Denken. Hier gilt, was gut für den Hafen ist, ist auch gut für die Stadt. Lokale Befindlichkeiten, lägen sie nun in Altenwerder, Moorburg oder Wilhelmsburg, zählen hierbei wenig. So ist das auch bei der Hafenbahn und der Hafenquerspange. Vogel, friss' oder stirb'. So kann man keine IBA durchführen. Was sollen denn andere Städte davon lernen, beispielsweise wie man umstrittene Infrastrukturprojekte gegen den Willen der Bevölkerung durchdrückt?

(Beifall bei der GAL und bei Jan Quast SPD)

Das Kalkül wird nicht aufgehen, denn Sie müssen die Menschen in Wilhelmsburg auch mitnehmen. Hierfür müssen Sie Lösungen für das Spannungsverhältnis zwischen Stadt und Hafen suchen. Aber bisher sehe ich bei der Lösungssuche viel zu wenig Kreativität und zu wenig Innovationslust.

Nehmen wir beispielsweise die HPA, die Port Authority, die schon einmal anfangen will, Grundstücke, auf denen heute bewohnte Häuser stehen, für die Hafenbahntrasse am Harburger Binnenhafen aufzukaufen. Diese Trasse berührt unmittelbar die Entwicklungschancen des Harburger Binnenhafens und dieser ist doch – denke ich – Chefsache hier im Senat.

(Inge Ehlers CDU: Ist er auch!)

Aber selbst ein Machtwort des Bürgermeisters scheint die HPA nicht zu interessieren. Sie planen munter weiter, als wäre nichts gewesen, und versuchen, solche Ankäufe zu realisieren, die dann kurzfristigst gestoppt werden müssen, um nicht Fakten zu schaffen. Das lässt beim Sprung über die Elbe leider Übles für die weitere Zusammenarbeit der verschiedenen städtischen Dienststellen erahnen.

(Beifall bei Manuel Sarrazin GAL)

Oder nehmen wir die Hafenquerspange. Hier hat die Bürgerschaft im letzten Januar einstimmig beschlossen, dass Alternativen zur vorliegenden Trassenführung geprüft werden sollen. Wurde dieser einstimmige Beschluss der Bürgerschaft umgesetzt? Keinesfalls, denn das könnte zu Verzögerungen führen, haben wir vernommen, und das will man um jeden Preis verhindern. Das gleiche Argument sehen wir jetzt auch beim Überseequartier.

Als Oppositionsfraktion kann man dieses Gefühl der Machtlosigkeit noch halbwegs rationalisieren, aber als Regierungsfraktion muss man sich doch in einem solchen Moment nur noch als Staffage vorkommen. Von der ersten Gewalt ist jedenfalls bei Ihnen wenig zu spüren.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Nun möchte ich noch zu weiteren Projekten kommen. Ich denke, dass wir bei einigen der Leitprojekte hier im Hause einen breiten Konsens haben. Das sind die 50er Schuppen, die Ballinstadt und auch die Harburger Schlossinsel, die Herr Finck angesprochen hat. Diese Projekte wurden im Übrigen unter Rotgrün gestartet. Die skizzierten Ziele für die Entwicklung am Reiherstieg und auch des östlichen Kleinen Grasbrook sind uns allerdings zu zaghaft. Hier könnte mehr gehen, wenn sich die Behörde für Wirtschaft und Arbeit nicht so hartnäckig verweigern würde.

Was den See in der Mitte Wilhelmsburgs angeht, habe ich in Wilhelmsburg noch niemanden gesehen oder gehört, der hierfür viel Begeisterung aufbringt. Aber der Entwurf des zweiten Preisträgers, der IGS, ist nicht schlecht. Das wird allerdings Extrakosten verursachen, die im bisherigen Budget für die IBA nicht enthalten sind. Wir werden uns zu gegebener Zeit die Vorlage anschauen und sehen, ob die Qualität diese Kosten rechtfertigen kann.

In diesen Punkten sind jedenfalls Konsense möglich. Bei anderen Leitprojekten ist das nicht zu sehen. Die Hafenquerspange und die Hafenbahnbrücke in Harburg hatte ich angesprochen. Ich zweifle auch, dass der Sprung über die Norderelbe mit der "Living Bridge" in der von

Bothe, Richter und Teherani vorgeschlagenen Form eine Bereicherung für das Hamburger Stadtbild sein wird. Ich halte das eher für eine potenzielle Bausünde. Ich spreche nicht gegen eine Brücke an dieser Stelle, auch nicht gegen eine genutzte Brücke. Aber diesen Riegel quer über die Elbe sollte man nicht bauen.