Protocol of the Session on December 7, 2005

Aber lassen Sie mich noch einmal auf das Grundsätzliche eingehen, was diese neue Bauordnung zu der schon eingangs erwähnten Reform macht, nämlich zu einem Baurecht aus einem Guss. Die neue Hamburgische Bauordnung reduziert den Regelungsumfang um ein Drittel, indem sie sich auf das wirklich Notwendige beschränkt und alle wesentlichen Bauvorschriften zusammenfasst nach dem Motto: "Aus Fünf mach Eins".

Auch ein anderes Motto zeugt deutlich von Deregulierung und Bürgerfreundlichkeit: "One Face to the Customer". Zukünftig erhält der Bauherr mit der Einführung des Baugenehmigungsverfahrens mit Konzentrationswirkung die Baugenehmigung aus einer Hand. Darüber hinaus erhält er diese Genehmigung auch nach maximal drei Monaten. Das ist nun wirklich ein serviceorientiertes und bürgerfreundliches Verfahren, wie es einer modernen Verwaltung angemessen ist.

In einer Vielzahl von Fällen wird die Genehmigung gänzlich entfallen, im Gegenzug hierbei aber auf mehr Eigenverantwortlichkeit gesetzt. Auch das ist aus unserer Sicht zeitgemäß, denn der Staat muss nicht alles regeln.

Abschließend möchte ich den Kolleginnen und Kollegen des Rechtsausschusses und des Stadtentwicklungsausschusses danken, dass wir unseren ehrgeizigen Zeitplan einhalten konnten. Hiermit kann die neue Hamburgische

Bauordnung am 1. Januar 2006 in Kraft treten. Die Bauwilligen und die Bauwirtschaft haben uns gegenüber eine hohe Erwartungshaltung, der wir mit diesem neuen Gesetz nachgekommen sind. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Quast.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion begrüßt grundsätzlich Vorhaben, die Verwaltungsverfahren vereinfachen, beschleunigen und bürgerfreundlicher gestalten. Wir begrüßen auch Maßnahmen, die geeignet sind, den in Hamburg seit vier Jahren darniederliegenden Wohnungsbau endlich wieder anzukurbeln und Engpässe am Wohnungsmarkt zu verhindern.

Wir lehnen aber Regelungen ab, die geeignet sind, die Lebensqualität in unserer Stadt und das friedliche Miteinander in den Quartieren zu beeinträchtigen.

(Beifall bei der SPD und bei Jörg Lühmann und Claudius Lieven, beide GAL)

An diesen Punkten messen wir auch die Novelle der Hamburgischen Bauordnung, die der Senat vorgelegt hat.

Daher richtet sich unsere Kritik an der Gesetzesnovelle vor allem auf die Teile, die die Bauqualität in Hamburg gefährden und damit auch die Lebensqualität in dieser Stadt. Lassen Sie mich hierzu einige Punkte herausgreifen.

Wir kritisieren, dass Sie die zulässigen Abstandsflächen zwischen Gebäuden undifferenziert um mehr als die Hälfte reduzieren wollen, unabhängig davon, ob es sich um Mehrfamilienhäuser, Einfamilienhäuser oder Gewerbebauten handelt, und unabhängig davon, ob diese in Kern- oder reinen Wohngebieten stehen. Diese Regelung wird die Wohnqualität in bestimmten Lagen verschlechtern.

Wir haben daher basierend auf dem Vorschlag der Architektenkammer einen Kompromiss vorgeschlagen, der eine differenziertere Betrachtung der Quartiere vorsieht. Sie lehnen das aber ab.

Wir kritisieren, dass Sie die Mindestraumhöhe von Aufenthaltsräumen in Wohnungen auf 2,30 Meter absenken wollen. Sie senken die Raumhöhen diametral zur wachsenden Körpergröße der Menschen ab. Ihr Fraktionsvorsitzender kommt wahrscheinlich bald nicht mehr in gewisse Räume hinein. Auf der Höhe der Zeit sind Sie hiermit jedenfalls nicht.

(Beifall bei der SPD und bei Claudius Lieven GAL)

Warum glauben Sie, dass die Gründerzeitbauten in Harvestehude oder Eppendorf so beliebt sind? Sicherlich nicht wegen der Schlitzbauweise, in der sie errichtet worden sind, sondern aufgrund der Raumhöhen.

(Ekkehart Wersich CDU: Nein, wegen 20-Meter- Abständen!)

Wir kritisieren, dass Sie zukünftig Carports und Garagen von der Baugenehmigungspflicht ausnehmen wollen. Sie haben bereits öffentlich den Eindruck erweckt, dass jeder sein Carport oder seine Garage auf seinem Grundstück bauen kann wie er will. Tatsächlich muss sich aber jeder

Baulaie über sämtliche Bestimmungen und Beschränkungen aus Bebauungsplänen, städtebaulichen Verträgen und Nachbarschaftsrecht informieren, bevor er bauen kann.

In der Praxis wird das aber nicht der Fall sein. In der Praxis wird es zu einer Fülle von Nachbarschaftsstreitigkeiten kommen. Die vermeintlich durch die neue Regelung entlasteten Bauämter werden sich durch beschwerende Nachbarn, durch Kontrollverfügungen mehr belastet sehen, als sie es bisher waren. Repressive Kontrollen aber sind aufwendiger als präventive Kontrollen. So hat es einer der Experten in unserer Anhörung zutreffend formuliert.

(Beifall bei der SPD und bei Claudius Lieven und Jörg Lühmann, beide GAL)

Auch die Gerichte werden zusätzlich erheblich belastet werden, wenn sie diese Streitigkeiten schlichten sollen.

Wir sind der Auffassung – und das ist auch unsere Aufgabe als Parlamentarier –, in einer wachsenden Stadt der Wohnqualität, der Arbeitsstättenqualität, der Baukultur, den ökologischen Belangen und einem friedlichen, nachbarschaftlichen Miteinander einen hohen Stellenwert beizumessen und diese Aspekte nicht einfach beiseite zu schieben, wie Sie es tun.

Das Ergebnis der Novellierung der Hamburgischen Bauordnung darf daher nicht die Verringerung der städtebaulichen und der Lebensqualität sein. In dieser Kritik an der Gesetzesnovelle sind wir uns mit vielen Verbänden einig. Diese Kritik besteht auch fort, weil sie nicht, wie Sie behaupten, Herr Roock, vieles von dem einbeziehen, was die Verbände eingebracht haben. Das haben die Punkte deutlich gemacht, die ich soeben ausgeführt habe.

(Beifall bei der SPD und bei Claudius Lieven und Jörg Lühmann, beide GAL)

Herr Roock, Sie haben erklärt, dass diese neue Hamburgische Bauordnung eine grundsätzliche Reform ist. Das halte ich eher für fraglich. Zum einen – das schreiben Sie selbst oder der Senat hat das geschrieben – ist es im Wesentlichen eine Zusammenfassung bestehender Gesetze in einem Werk. Zum anderen ist aber der vorliegende Gesetzentwurf die Umsetzung der Musterbauordnung 2002 im Hamburger Recht. Er bringt wirklich wenig Eigenständiges ein. Eine Bauordnung aber, die für Klein- Kleckersdorf passt, muss nicht für die hamburgische Metropole richtig sein.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen Hamburg als lebenswerte und grüne Metropole sowie menschliche Metropole, wie Herr Neumann richtig formuliert, erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Hierzu bedarf es nicht unbedingt der Leuchtturmprojekte des Senats, sondern eines Baurechts, dass Wildwuchs verhindert. Wir befürchten aber, dass die Novelle der Hamburgischen Bauordnung dieses in zentralen Punkten nicht leistet, und haben daher versucht, im Stadtentwicklungsausschuss Änderungen zu erreichen. Sie waren nicht bereit, Herr Roock, diese Änderungen zu berücksichtigen. Daher werden wir auch heute dem Gesetzentwurf so nicht zustimmen können.

Das letzte Gesetz, welches wirklich die Genehmigungsverfahren im Wohnungsbau richtig beschleunigt hat, ist

das Hamburgische Wohnungsbauerleichterungsgesetz von 1990. Seinerzeit haben Sozialdemokraten dieses Gesetz für eine tatsächlich wachsende Stadt verabschiedet. Dieses Gesetz, welches den schnellen Bau von 80 000 Wohnungen in den Neunzigerjahren möglich gemacht hat, kassieren Sie jetzt ein, obwohl heute immer noch ein Drittel aller Bauvorhaben danach genehmigt werden. Ob die neue Hamburgische Bauordnung auf diesem Feld mithalten kann, muss sich erst zeigen.

Bausenator Freytag hat die neue Bauordnung als Meilenstein für die wachsende Stadt bezeichnet.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Kieselstein!)

Ich hoffe, Sie wird nicht zum Stolperstein für die wachsende Stadt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Lieven.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Schneller und schlechter bauen in Hamburg! Beschleunigung und Deregulierung um jeden Preis! Das ist die Devise, nach der diese Bauordnung gestrickt ist.

Sie haben sich bei der Novelle von dem Gedanken leiten lassen, dass sich die Bauaufsicht auf die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zurückziehen soll. Das Leitziel einer Schaffung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse wurde gestrichen. Die Abstandsflächen sollen reduziert werden, die Raumhöhe wird gesenkt und die Anforderungen zur Errichtung barrierefreier Wohnungen werden verringert.

Enger und niedriger bauen in Hamburg? Die Menschen werden größer und die Wohnungen kleiner? Soll das die Zukunft des Bauens in Hamburg sein? Nein, das ist ein Irrweg. So, wie es Ihnen vor einiger Zeit darum ging, das schärfste Polizeigesetz der Republik zu verabschieden, geht es Ihnen jetzt darum, die kürzeste Bauordnung der Republik zu verabschieden.

(Beifall bei der GAL und bei Lutz Kretschmann- Johannsen SPD)

Ihr Reformimpetus ist damit zum reinen Selbstzweck verkommen. Hamburg wird post modo bisher für seine Baukultur gelobt, die auf der Basis der bisherigen Regeln entstanden ist. Welche Not treibt den Bausenator, dieses nun zu ändern? Es gibt keine Not, die erreichten Qualitätsstandards abzusenken. Warum legen Sie also die Axt an das bisherige System? Das ist nicht zu verstehen.

Niemand hat sicherlich etwas gegen eine Anpassung der Hamburgischen Bauordnung an die Musterbauordnung. Aber warum demolieren Sie in Ihrem Reformeifer gleich viele akzeptierte Regeln des Hamburger Bauwesens. Ihrer Novelle fehlt das Augenmaß und die Differenziertheit. Sie sind Opfer Ihres eigenen Reformüberschwangs geworden.

(Beifall bei der GAL und bei Lutz Kretschmann- Johannsen und Jan Quast, beide SPD)

Ihr Entwurf erhielt daher auch sehr schlechte Kritiken, sei es von den Fachleuten aus der Wissenschaft oder den betroffenen Verbänden, seien es die Grundeigentümer, die Architektenkammer oder die Denkmalschützer. Die Baurechtler kritisierten den Abbau der präventiven Kon

trolle. Eine präventive Kontrolle ist weniger aufwendig und präziser als eine nachlaufende Kontrolle, die es aber in dieser Novelle nicht geben wird.

Es wurde die Abschaffung des Bauanzeigeverfahrens und die Erweiterung der Baufreistellungsverordnung sowie die Aushöhlung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens und die Festsetzung unrealistisch kurzer Fristen kritisiert. Herr Roock sprach von einer Frist von drei Monaten. Das geht teilweise bis auf einen Monat herunter, indem eine Genehmigungsfiktion eintritt. Selbst die von Ihnen eingeladenen Experten haben das für unrealistisch und undurchführbar gehalten.

(Beifall bei Jörg Lühmann GAL)