Es geht hier also um das Kindeswohl. Und die Sorge um das Kindeswohl gehört nicht auf eine Warteliste, egal wie alt das Kind ist.
Machen Sie sich alle bitte einmal klar: Jeder Fall auf einer solchen Warteliste kann ein potenzieller Fall von Kindesvernachlässigung sein, den man vielleicht auf den ersten Blick nur nicht erkannt hat. Daher kann ich nicht begreifen, Frau Senatorin Schnieber-Jastram, dass Sie kategorisch und immer wieder behaupten, dass der ASD ausreichend mit Personal ausgestattet sei.
Von den rund 260 Stellen in Hamburg sind 20 Stellen nicht besetzt. In einigen Bezirken passt sogar die Anzahl der so genannten Soll-Stellen, also der vorgesehenen Stellen, absolut nicht mehr, wie beispielsweise in Bergedorf. Bergedorf ist in den letzten Jahren um 30 000 Einwohner gewachsen. Daraus resultiert, dass für 10 000 Bürger jetzt nur noch ein Sozialpädagoge zur Verfügung steht.
Hinzukommt, dass sich die Gesellschaft verändert hat. Wir haben einfach mehr Fälle von Kinderarmut. Die psychischen Erkrankungen bei den Kindern nehmen zu. Wir haben auch mehr Eltern, die aus vielerlei Gründen überfordert sind, ihre Kinder allein und selbständig zu erziehen. Hierfür benötigen sie Hilfe. Daher, Frau Senatorin, zeugt auch Ihre Aussage, dass der ASD heute personell besser aufgestellt ist, als vor zehn Jahren, von einem völligen Desinteresse an diesem Thema. Eine Gesellschaft in Bewegung – und eine solche haben wir – braucht auch eine politische Beweglichkeit, die Sie nicht zeigen.
Das Schöne ist – und das will ich Ihnen sagen –, dass ich weiß, die Senatorin kann, wenn sie denn will.
Nehmen wir doch mal das FIT. Im Januar 2004 hat die Senatorin festgestellt, dass sich die Zahl der Meldungen von Juni bis September deutlich erhöht hat. Es haben sich Rückstände gebildet. Wörtlich heißt es in der Pressemitteilung der Behörde, ich zitiere:
"Dies führte dazu, dass der Überhang trotz der personellen Verstärkung im Sommer nicht abgebaut werden konnte. Die BSF hat deshalb im Oktober und November beim FIT noch einmal deutlich um weitere 17 Mitarbeiter aufgestockt."
17 Mitarbeiter, das wäre für den ASD der Traum. Jetzt erklären Sie mir doch einmal, warum sind die Rückstände, die sich beim FIT gebildet haben, so viel wertvoller, als die Rückstände, die beim Allgemeinen Sozialen Dienst vorhanden sind. Hierfür finde ich keine Erklärung.
Und Sie, meine Damen und Herren von der CDUFraktion. Sie kommen jetzt auch noch an die Reihe, vor allen Dingen Sie aus den kinderreichen Bezirken.
Ich meine beispielsweise Herrn Kausch oder Herrn von Frankenberg. Das sind alles alte Wandsbeker Kollegen von mir und hier frage ich Sie: Ist Ihnen eigentlich klar, dass es in Wandsbek auch Rückstände gibt? – Gut, Sie nicken halbwegs, das freut mich schon. Gestern haben Sie selbst davon gesprochen, dass die Anzahl der Fälle in Wandsbek um 27 Prozent zugenommen hat. Recht haben Sie, ich stimme Ihnen zu. Sie haben auch Recht, wenn Sie mir jetzt erwidern, dass Sie aus dem Grund in Wandsbek beim ASD aufgestockt haben. – Super!
Aber wissen Sie denn auch, dass gleichzeitig vier Mitarbeiter des ASD infolge natürlicher Fluktuation sozusagen gekündigt haben und weggegangen sind? Der Kommentar des Dezernenten aus Wandsbek war: "Das war nix, das war eine Nullrunde". Genauso sieht es in anderen Bezirken auch aus. Es sind Nullrunden, weil die natürliche Fluktuation bei der geflickten Aufstockung, die wir beim ASD beobachten, nicht berücksichtigt wird. Zum Glück haben Sie Ihre Kollegen vor Ort und die haben das Problem erkannt.
In Wandsbek beispielsweise wurde ein gemeinsamer, ein einstimmiger Antrag auf Initiative der GAL beschlossen, der die umgehende Besetzung aller vakanten Stellen vorsieht. Es wäre schön, wenn Sie hier Ihren Wandsbeker Kollegen nachahmen würden.
Dann haben wir noch Herrn Müller-Kallweit. Ich rede hier jetzt auch wirklich in klaren deutschen Worten, damit er auch alles genau so versteht, wie ich es sage.
Sie sind Harburger und zusätzlich im Jugendausschuss der Bürgerschaft. Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie auch Informationen aus Harburg erhalten. Kennen Sie eigentlich den Vortrag, den ASD-Mitarbeiter vor dem Jugendhilfeausschuss in Harburg bereits im Mai – das muss man sich einmal vorstellen – gehalten haben? Es gibt davon eine schriftliche Dokumentation, die jedem zugänglich ist. Hierin wird detailliert über die unzureichende Personalausstattung und die daraus resultierenden Wartelisten gesprochen. Im Mai waren immerhin 272 Fälle auf der Warteliste für ganz Harburg.
Oder Sie, Frau Fischer, auch Mitglied im Jugendausschuss hier in der Bürgerschaft und Ihr Mann glücklicherweise Vorsitzender der CDU-Fraktion in Harburg,
mit der GAL, zum Glück. Wir wollen jetzt den Mann von Frau Fischer gar nicht so intensiv ansprechen, denn hier sitzt Frau Fischer und ich bin immer für die Gleichberechtigung.
(Wolfhard Ploog CDU: Das ist unglaublich! – Frank-Thorsten Schira CDU: Konkurrenz belebt das Geschäft!)
Frau Fischer, können Sie denn einfach so ignorieren, dass im März 2005 der Regionalleiter an den Dezernenten schreibt, und zwar mit folgenden Worten, ich zitiere wiederum:
"Die Personalsituation ist im Augenblick derartig eng, dass der ASD befürchtet, der Situation nicht mehr lange gewachsen zu sein. Jede In-Obhutnahme, jede Krise wird zu einem Seiltanz, den wir so gerade eben noch bewältigen. Würden jetzt mehrere problematische Fälle eingehen, besteht die Gefahr, darauf nicht mehr angemessen reagieren zu können."
Um noch einmal darauf zurückzukommen: In Harburg gibt es einen interfraktionellen Antrag, der ebenfalls fordert, alle Stellen zu besetzen. Ich finde, das schreit geradezu danach, dass auch wir alle aktiv werden.
Aber ganz erstaunlich hieran ist die Reaktion des Senats. Ole von Beust hat schon 2004 einen Brief – ich möchte sagen – fast ignoriert, den alle Mitarbeiter des ASD aus Bergedorf an ihn gesandt haben. Sie haben darin in Form einer kollektiven Überlastungsanzeige zum Ausdruck gebracht, dass sie so nicht mehr arbeiten können. Ole von Beust hat nicht selbst geantwortet, sondern der damalige Staatsrat der Justizbehörde, Herr Horstmann. Aus der Antwort von Herrn Horstmann an alle Mitarbeiter aus Bergedorf möchte ich Ihnen auch mal zwei Sätze vorlesen:
"Ich hoffe, dass Sie Ihr deutlich wahrgenommenes Engagement trotz der schwierigen personellen Situation und der starken Arbeitsbelastung in diesem Arbeitsbereich fortsetzen. Hierfür möchte ich mich schon jetzt bei Ihnen bedanken."
"Seien Sie sicher, dass ich Ihre Interessen bei anstehenden Entscheidungen nachhaltig vertreten werde, um die personelle Situation in Bergedorf zu verbessern."