Protocol of the Session on October 26, 2005

Wie kommen Sie dazu, diese Arbeit als Abzocke zur Durchsetzung von Verkehrsschikanen zu diffamieren? Das geht doch gar nicht mehr.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Hab' ich gar nicht ge- sagt!)

Das ganze Thema Gesundheitsvorsorge, die Einhaltung von EU-Richtlinien ist der CDU leider immer wieder komplett wurscht. Wir haben EU-Richtlinien einzuhalten und wir hätten ein veritables Eigeninteresse daran, das Leben in dieser Stadt lebenswerter zu machen. Nehmen Sie zum Beispiel die Feinstaubbelastung. Es gibt den Präsidenten des Umweltbundesamtes, Herrn Professor Dr. Andreas Tröge.

(Christian Maaß GAL: CDU!)

Der sagt, wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, Tempo 30 zu fordern, weil nämlich die Alternative Streckensperrungen sind. Deswegen müsste es eigentlich viel besser in Ihr Bild passen, denn, wie eben schon gesagt wurde, ist Herr Dr. Andreas Tröge Mitglied der CDU. Das ist kein "Verkehrshasser", sondern jemand, der die Probleme klar beim Namen nennt und einen konkreten Lösungsvorschlag macht.

(Beifall bei der GAL)

Sie wissen, dass Tempo 60 die Lautstärke enorm erhöht. Sie wissen genau, dass 114 000 Menschen in dieser Stadt einem Straßenverkehrslärm ausgesetzt sind, der gesundheitsgefährdende Ausmaße angenommen hat. Mit Tempo 60 werden Sie niemanden von dieser Last befreien. Im Gegenteil. Sie werden diese Last erhöhen und Sie werden noch mehr Menschen einem solchen Lärm aussetzen. Das hat überhaupt nichts mit zukunftsgerichteter Politik für die Stadt zu tun.

(Beifall bei Christian Maaß GAL und Wilfried Buss SPD)

Die Liste von noch 27 Straßenzügen haben Sie der Antwort des Senats auf eine Anfrage unserer Fraktion, speziell von mir, entnommen. Seit über 30 Monaten prüft die Innenbehörde, denn die Antwort ist vom 11. März 2003. Diese lange Prüfungsdauer lässt nur einen Schluss zu, nämlich dass in der Sache, bei korrekter Betrachtung der Inhalte, viel mehr gegen Tempo 60 spricht als dafür. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte den CDU-Antrag aus der Drucksache 18/2996 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 7, Drucksache 18/2903, Große Anfrage der SPD-Fraktion: Neue Aufgaben der Integrationszentren – was passiert mit der Beratung.

[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Neue Aufgaben der Integrationszentren – was passiert mit der Beratung? – Drucksache 18/2903 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Sozialausschuss überweisen. Eine Debatte dazu entfällt einvernehmlich.

Wir kommen zur Abstimmung.

Zunächst stelle ich fest, dass die Große Anfrage, Drucksache 18/2903, ohne Besprechung zur Kenntnis genommen wurde. Wer stimmt einer nachträglichen Überweisung dieser Drucksache an den Sozialausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 34, Drucksache 18/3033, Interfraktioneller Antrag: Kinderlärm in Wohngebieten ist erwünscht! – Erlass einer Rechtsverordnung gemäß Paragraph 23 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Paragraph 23 Absatz 2 Satz 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz.

[Interfraktioneller Antrag: Kinderlärm in Wohngebieten ist erwünscht! – Erlass einer Rechtsverordnung gemäß § 23 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. § 23 Absatz 2 Satz 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz – Drucksache 18/3033 –]

Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion federführend an den Umweltausschuss und mitberatend an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss sowie den Stadtentwicklungsausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Herr Maaß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn Sie heute das "Abendblatt" gelesen haben, haben Sie vielleicht einen Bericht wahrgenommen, in dem über ein Internetforum der Sozialbehörde zur familienfreundlichen Stadt geschrieben wird. Das erstaunliche Ergebnis war, dass in diesem Bericht stand, die Internetuser hätten gesagt, Hamburg sei eine seniorenfreundliche, aber leider keine kinderfreundliche Stadt.

(Petra Brinkmann SPD: So ist es!)

Seniorenfreundlichkeit ist natürlich richtig, gerade wegen des demografischen Wandels, und wir arbeiten zum Beispiel auch dafür im Bereich "Mehr Barrierefreiheit". Aber dieser demografische Wandel und die demografischen Probleme, vor denen dann die vielleicht doch irgendwann wieder wachsende Stadt Hamburg steht, machen es mindestens so wichtig, dass wir den Fokus auf die Kinderfreundlichkeit unserer Stadt legen. Genau hier haben wir einen Mangel festzustellen.

(Olaf Ohlsen CDU: Fangen Sie mal an, Herr Maaß!)

Wir sollten gemeinsam dafür sorgen, dass sich das ändert und Hamburg zur kinderfreundlichsten Großstadt in Deutschland wird.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Wir haben in der jüngeren Vergangenheit ein Urteil des Landgerichts zum Kindergarten "Marienkäfer" gehabt, das sicherlich ein Symbol für diese attestierte Kinderunfreundlichkeit ist, die in unserer Gesellschaft leider teilweise noch vorherrscht. Im Ergebnis besagte dieses Urteil, dass Kindergartenlärm – zumindest im reinen Wohngebiet – unzulässig ist, sofern er aus einem Kindergarten in einer normalen Größe stammt. Das Urteil beruft sich auf eine entsprechende Anwendung der so genannten Technischen Anleitung Lärm. Es ist vielleicht sinnvoll, wenn wir uns in Erinnerung rufen, was in dieser TA Lärm steht und was die Ratio dieser Technischen Anleitung Lärm ist.

(Unruhe)

Gerade weil es um Lärm geht, muss ich feststellen, dass wir hier eine enorme Lärmkulisse haben. Ich würde mich freuen, wenn wir hier mit dem Lärmschutz anfangen könnten.

(Beifall bei der GAL)

Ich war gerade bei der Ratio der TA Lärm. Sie geht davon aus, dass es besonders schützenswerte, empfindliche Gebiete gibt und andererseits Lärmquellen. Diese Lärmquellen müssen nun räumlich möglichst weit weg von den empfindlichen Gebieten angesiedelt werden. Es gilt also das Trennungsprinzip und man ist versucht, Lärmquellen von Wohngebieten zu trennen.

(Unruhe – Glocke)

Ich darf Sie einmal kurz unterbrechen. Ich gebe Ihnen Recht, es ist hier sehr laut. Ich bitte die Abgeordneten, die dort hinten stehen, vor die Tür zu gehen. – Vielen Dank.

Danke, Frau Präsidentin.

Ich war gerade dabei zu erklären, dass die Ratio der Trennung von Lärmquellen und schützenswerten Gebieten gerade beim Kindergartenlärm nicht funktionieren kann und dass es deswegen ein vollkommen verfehlter Ansatz ist, so zu denken. Wir brauchen gerade bei den Kindergärten nicht die räumliche Trennung der Kindergärten von den Wohngebieten, sondern wir wollen die wohnortnahe Versorgung der Familien mit Kindergärten. Wir wollen nicht, dass die Kindergärten ins Gewerbegebiet oder ins Industriegebiet gehen, sondern dass sie in den Wohngebieten sind, wo sie hingehören, nahe bei ihren Familien.

(Beifall bei der GAL)

Nun kann man aufgrund dieses Gedankens auch rechtliche Zweifel am Urteil des Landgerichts haben. Mir steht es jetzt nicht zu, über dieses Urteil zu richten. Man kann jedenfalls feststellen, dass es zumindest in der ordentlichen Gerichtsbarkeit eine gewisse Unsicherheit gibt, was die Rechtsanwendung von Lärmschutz und Lärmquellen wie Kindergärten angeht. Ich glaube, dass dieses

Urteil für uns alle Anlass sein sollte, endlich Rechtsklarheit zu schaffen. Es muss uns darum gehen, die Kindergärten zu schützen und sie nicht zu vergraulen.

Die Rechtsunklarheit können wir auch auf Landesebene beseitigen. Darum geht es mir. Es kann nicht angehen, dass jetzt, wie im Bundestagswahlkampf geschehen, mit dem Finger auf den Bundesumweltminister gezeigt wird. Da wurde gesagt, die TA Lärm ist anscheinend gar nicht anwendbar; Herr Trittin, schreiten Sie ein. Wohl wissend, dass in der TA Lärm wörtlich steht, dass sie für soziale Einrichtungen überhaupt nicht anwendbar ist und dass Herr Trittin deswegen auch überhaupt nicht zuständig ist, etwas zu ändern. Wir in Hamburg sind gefordert. Es kann deswegen nicht angehen, dass sich die Hamburger Politik darauf beschränkt, billige Wahlkampfpolemik zu machen, sondern wir müssen hier endlich dieses Problem angehen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Deswegen bin ich froh, dass die CDU-Fraktion nunmehr auch den Blick auf die Landesebene lenkt und unsere Initiative unterstützt, die wir heute eingebracht haben und debattieren.

Das Ziel unserer Initiative ist, den Kindergartenlärm anders zu behandeln als Lärm von Gewerbebetrieben oder aus Industriegebieten. Wir wollen, dass diese Lärmquellen – wenn man sie denn so nennen will – privilegiert werden. Hier kann und muss das Land tätig werden.

Es wird den Senat und insbesondere Senator Nagel, der auch hier ist, freuen, wenn ich einmal wieder das Land Bayern als Kronzeugen hierfür anführen möchte, dass das Land durchaus im Lärmschutz tätig werden kann, wenn es der Ansicht ist, es gibt bestimmte Lärmquellen, die wir privilegieren wollen. Bayern schützt bekanntlich sein Brauchtum "mia san mia". Die schützen dort nicht die Kindergärten, aber eine andere Sorte von Gärten, nämlich die Biergärten.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD – Michael Neumann SPD: Richtig!)

Es liegt schon einige Jahre zurück, dass die Bayern eine Initiative ergriffen haben, um ihre Biergärten vor Klägern zu schützen, deren Grundstücke an Biergärten angrenzen und die sich über Lärm beschwert haben. In Bayern hat man gesagt, Biergartenlärm muss gehen, das muss auch nachts gehen, mit Blaskapelle und mit Rumtata. Dort hat man eine Verordnung erlassen, in der es im Wesentlichen heißt: Biergartenlärm ist okay, egal, wie laut.

Das hat dann das Bundesverwaltungsgericht kassiert. Ein solcher Ansatz kann natürlich nicht richtig sein. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Urteil, in dem es die erste bayerische Biergartenverordnung kassiert hat, Anforderungen aufgestellt, was der Landesgesetzgeber beachten muss, wenn er bestimmte Lärmarten privilegieren will. Genau dieses Urteil haben wir uns näher angeguckt und untersucht und diese Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts hoffentlich auch so, wie wir meinen, umgesetzt.

Die zweite Biergartenverordnung, die das Land Bayern erlassen hat, nachdem das Bundesverwaltungsgericht die erste Verordnung kassiert hatte, ist genau die Verordnung, an der wir uns orientieren.

Sie sehen, meine Damen und Herren, Bayern unternimmt erhebliche Anstrengungen zum Schutz seiner Biergärten. Wir glauben, dass wir in Hamburg diese Anstrengung unternehmen sollten zum Schutz unserer Kindergärten.