Diese Drucksache – und ich bitte Sie wirklich, Kolleginnen und Kollegen von der CDU, gucken Sie sich das Ding gründlich an – zeigt die Fehlentwicklung, die Sie bei der Umsetzung des Gutschein-Systems machen, deutlich auf. Sie sehen nur die Erfüllung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das ist wunderbar, dass das für Berufstätige gut geregelt ist. Das erfordert dieses Gesetz, das wollten wir so. Es ist gut, dass das so geregelt ist. Aber Kinderbetreuung hat auch eine bildungs- und sozialpolitische Aufgabe und die wird mit der Umsetzung dieses Systems in Hamburg nicht geleistet, und zwar für eine bestimmte Kindergruppe. Denken Sie es bitte einmal von den Kindern her: Die permanenten Betreuungswechsel, das Rausfallen aus Krippe und Hort konzentriert sich auf bestimmte Stadtteile und da brauchen wir die Kita als eine soziale und bildungspolitische Instanz und auch als eine, die auf das Kindeswohl achtet. Frau Senatorin, die Kriterien, um aus sozialen und pädagogischen Gründen einen Platz zu bekommen, die sind von Ihrer Seite so gestrickt, dass man das Kind schon aus der Familie herausnehmen müsste, um sie zu erfüllen.
Wer stimmt einer nachträglichen Überweisung dieser Drucksache an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieses Überweisungsbegehren abgelehnt.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf, Drucksache 18/2977, Senatsmitteilung: Stärkung des Medien- und ITStandortes Hamburg.
Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Wirtschaftsausschuss überweisen. Diese Debatte entfällt einvernehmlich. Deshalb kommen wir direkt zur Abstimmung.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 18/2977 an den Wirtschaftsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist damit einstimmig erfolgt.
Ich rufe Punkt 28 der Tagesordnung auf, Drucksache 18/2994, Antrag der CDU-Fraktion: Stärkung der Beobachtungsstufe, Verbesserung der Durchlässigkeit und Reduzierung von Klassenwiederholungen.
[Antrag der Fraktion der CDU: Stärkung der Beobachtungsstufe, Verbesserung der Durchlässigkeit und Reduzierung von Klassenwiederholungen – Drucksache 18/2994 –]
[Antrag der Fraktion der SPD: Durchlässigkeit im Hamburger Schulsystem: Mehr Mythos als Realität – Drucksache 18/3059 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der SPD-Antrag ist sehr spannend überschrieben: "Durchlässigkeit im Hamburger Schulsystem: Mehr Mythos als Realität". Ich bin, Frau Ernst, sehr dankbar für dieses ehrliche Bekenntnis, das Sie heute für das von Ihnen so geschaffene Hamburger Schulsystem abgegeben haben. Es hat in der Tat deutliche Schwächen und es ist unsere Aufgabe, diese abzubauen.
Wenn ich mir das so ansehe, gibt es, glaube ich, einen entscheidenden Unterschied zwischen Ihrer und unserer Bildungspolitik. Wir analysieren sehr genau die Probleme, machen uns sehr differenziert Gedanken über deren Lösung und sind dabei auch bereit, eigene alte Zöpfe abzuschneiden.
Unser vorliegender Antrag beweist das wieder einmal. Glauben Sie nicht, dass wir uns nicht auch über die Zukunft der Hauptschulen sehr genau Gedanken machen. Sie hingegen ziehen immer wieder alte Schubladen auf, holen ein paar alte Flugblätter heraus, packen das zusammen und dann kommt dabei irgendein Sammelsurium heraus, wie es heute dieser doch wieder sehr eilig zusammengestrickte Antrag deutlich macht. Ich zumindest
kann eine stringente SPD-Bildungspolitik schon lange nicht mehr erkennen, aber vielleicht liegt das auch daran, dass Sie sich in Ihrer Fraktion gar nicht so einig sind, wohin die Reise eigentlich gehen soll.
Vielleicht rührt manche Systemkritik aber auch daher, dass man sich in der SPD entweder nicht auskennt oder aber die Schwächen des Hamburger Systems mit dem gegliederten System insgesamt verwechselt. Nun sehe ich Frau Boeddinghaus, die vor kurzem wieder ein wirklich bemerkenswertes Beispiel für die grassierende Ahnungslosigkeit in der SPD geliefert hat. Sie haben eine wunderbare Kleine Anfrage gestellt und den Senat gefragt, wie viele fünfte Hauptschulklassen wir in Hamburg haben. Der Senat hat einfach geantwortet, dass es in Hamburg keine fünften Hauptschulklassen gibt.
Liebe Frau Boeddinghaus, ich glaube, da ist mal wieder eine ganze Ideologie für Sie zusammengebrochen, als Sie plötzlich merkten, dass Hamburg in Klasse 5 gar kein dreigliedriges, sondern ein zweigliedriges Schulsystem hat. Sie haben sich wahrscheinlich in irgendeiner stillen Stunde gefragt, gegen welches System Sie da eigentlich gerade kämpfen wollen.
Ein Beispiel hingegen für die Schwäche des Hamburger Systems zeigte in der Tat die letzte Organisationsrunde. Wenn man sich zum Beispiel einmal die Schule Iserbarg anguckt, hatten wir in Klasse 5 massive Probleme mit den Anmeldezahlen. Und wenn man einmal mit den Eltern vor Ort spricht, dann erkennt man auch sehr schnell, dass sich die Eltern sehr rational verhalten. Wenn sie ihr Kind nämlich in die fünfte Klasse des Gymnasiums einschulen und irgendwann feststellen, dass ihr Kind doch nicht so leistungsfähig ist, dann kann es in Rissen auf die Haupt- und Realschule Iserbarg wechseln. Wenn sie hingegen ihr Kind auf die Haupt- und Realschule Iserbarg in die Beobachtungsstufe einschulen und es stellt sich heraus, dass ihr Kind leistungsfähiger ist, als sie es erwartet haben, dann kann es nicht nebenan auf das Gymnasium Voßhagen gehen, sondern muss nach Altona reisen, um dort das Aufbaugymnasium zu besuchen.
Es muss doch unser Ziel sein, dass Kinder gerade während der Pubertät in den Klassen 6, 7 und 8 an Erfolgserlebnissen wachsen. Wir dürfen also nicht zulassen, dass der Wechsel vom Gymnasium zur Realschule so einfach, der Wechsel von der Realschule zum Gymnasium hingegen so schwierig ist. Durchlässigkeit im integrierten Schulsystem heißt für mich, dass man als Haupt- und Realschüler alle Chancen haben muss, an einem – ich sage es hier in Anführungsstrichen – ganz normalen Gymnasium sein Abitur zu machen und dafür haben wir jetzt einen ganzen Maßnahmenkatalog vorbereitet.
Zum einen wollen wir die Zusammenarbeit von Haupt- und Realschulen mit benachbarten Gymnasien deutlich verbessern, denn nur wenn man einander kennt, wenn man weiß, wie der andere arbeitet, wenn Lehrerkonferenzen gemeinsam tagen, wenn gegenseitig hospitiert wird, kann man auch die Durchlässigkeit optimieren.
Zum Zweiten wollen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Schüler während und nach der Beobachtungsstufe sowie nach Klasse 10 der Realschule auf ein – wiederum in Anführungsstrichen – normales, also achtstufiges Gymnasium wechseln können.
Und zum Dritten wollen wir, dass die Beobachtungsstufe endlich ihrem Namen gerecht wird, das heißt, dass nach der Beobachtungsstufe eine Schule die Verantwortung für
ihre Schüler übernehmen und eine Abschulung nach der Beobachtungsstufe im Regelfall ausgeschlossen sein muss. Es darf nicht sein, wie wir es immer wieder beobachten, dass Schulen Schüler nur deshalb noch ein paar Jahre mitschleppen, weil es zur Erfüllung der jeweiligen Organisationsfrequenzen gerade ganz hilfreich ist und passt. Gerade für einige Gymnasien – das sage ich hier ganz offen – wird das eine größere Umstellung sein.
Auch beim Sitzenbleiben wollen wir nicht das System, aber die Steuerungsmechanismen korrigieren. Hamburgs Schulen bekommen derzeit für Sitzenbleiber Geld, nicht aber für die Vermeidung von Sitzenbleibern – und genau dies müssen wir ändern. Wir wollen daher den Schulen künftig kein Geld mehr für Sitzenbleiber zuweisen, sondern dieses Geld nach neuen Kriterien an die Schulen verteilen. Frau Ernst, ich sage ausdrücklich, wir wollen es nicht nach der Anzahl der Sitzenbleiber in der Vergangenheit verteilen, denn es kann nicht das Ziel sein, gerade die Schulen zu bestrafen, die sich in der Vergangenheit bei der Vermeidung von Wiederholern schon hervorgetan haben; das wäre geradezu absurd. Ich sage ganz offen, dass ich die Idee auch erst einmal hatte, die liegt auch nahe, aber wenn man sich differenzierter mit dem Thema beschäftigt, dann stellt man fest, dass das nicht sinnvoll sein kann, sondern wir andere Kriterien entwickeln müssen, zum Beispiel Sozialindizes und ähnliche Dinge.
Nach unserem Willen werden Schulen künftig eigenständig entscheiden, ob und in welchem Maße Sie diese Gelder entweder für die Beschulung von Wiederholern ausgeben oder gerade für die Vermeidung von Wiederholern, also zu deren Förderung. Wir wollen keine Bevormundung von oben und auch nicht das Sitzenbleiben abschaffen, aber – und das ganz entschieden – dessen finanzielle Bevorzugung. Dann können nämlich die Pädagogen künftig vor Ort entscheiden, welches die richtige Maßnahme für den jeweiligen Schüler ist.
Frau Goetsch, Sie haben in Ihren Anträgen schon mehrfach das Geld ausgegeben, welches Sie durch die Abschaffung des Sitzenbleibens einsparen wollen.
Ich glaube, Sie wissen ganz genau, dass die Abschaffung per Federstrich, so wie es in Ihrem letzten Haushaltsantrag stand, nicht funktioniert – und die Gesamtschulen beweisen uns das ja auch. Wenn wir uns nämlich die Gesamtschulen angucken, die ja eigentlich gar keine Sitzenbleiber kennen, so gibt es sie dort irgendwie real existierend doch – und dann nennt man sie ganz verschämt Wiederholer.
Herr Lein, bevor Sie nachher vielleicht noch aus dem Brief Ihres Leitenden Oberschulrats zitieren: Ich weiß, dass es in der Bildungsbehörde eine Diskussion gibt, ob man die Wiederholerzahl an Gesamtschulen von 2001 mit der von 2003 vergleichen kann oder nicht. Zwei Dinge stehen fest: Erstens gibt es eine erhebliche Anzahl von Wiederholern an Gesamtschulen und zweitens erwarte ich persönlich von einem Leitenden Oberschulrat, dass er die Zahlen kennt, die die Bildungsbehörde über seine Schulform an das Parlament liefert.
Die Datengrundlage für diese Zahlen wird sich künftig noch weiter verbessern durch die Ziel- und Leistungsver
einbarungen und auch durch die Schulinspektion. Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass die Stärkung der Durchlässigkeit und auch die Senkung der Anzahl der Wiederholer genau in diesen Ziel- und Leistungsvereinbarungen abgebildet wird und die Schulinspektoren auch genau auf diese Kriterien achten, denn wir brauchen uns alle nichts vorzumachen: Nur wenn solche Zahlen definiert und publiziert werden, wird man ihnen vor Ort, aber auch hier in der Politik ausreichend Beachtung schenken. Und wenn wir ehrlich sind, ist es auch wichtig und richtig, dass wir keinen Zahlenwust produzieren, denn in einem Zahlenwust ertrinken dann genau solche Zahlen. Leider fordert die SPD genau so einen Zahlenwust. Frau Ernst, Sie fordern sogar, dass künftig Begründungen zur Abschulung und zum Sitzenbleiben zentral erfasst und veröffentlicht werden. Ich glaube, es wäre zumindest datenschutzrechtlich höchst problematisch, wenn man das richtig machen will, und es wäre auch das Gegenteil von dem, was Sie unter Punkt acht Ihres Antrags fordern, nämlich Entbürokratisierung.
Vielleicht zum Schluss noch zwei Bitten. Zum einen eine Bitte an Frau Goetsch, weil ich schon weiß, was gleich wieder kommen wird. Kommen Sie heute nicht mit "9 macht klug". Sie haben eigenständig hier vor wenigen Monaten "9 macht klug" beerdigt, als Sie dem SPDAntrag zugestimmt und gesagt haben, dass Sie schwierige Schüler in Extraschulen aussortieren wollen. Wir wissen seitdem, was "9 macht klug" eigentlich ist: Es ist der Traum frustrierter Gesamtschulpädagogen: Gebt mir die Gymnasiasten und nehmt mir die schwierigen Schüler ab. Da lobe ich mir doch die Gesamtschullehrer, die engagiert sind und den Auftrag der Integration wirklich ernst nehmen und auch die schwierigen Schüler entsprechend integrieren wollen.
Und, Frau Ernst, Sie müssen sich überlegen, mit welcher dialektischen Begründung Sie es schaffen, die Forderung nach der Abschaffung der Restschule mit der Forderung nach einer neuen Restschule zu verbinden. Auch da tun Sie sich ein bisschen schwer. Ihre Chefdialektiker sind ja mittlerweile woanders, aber sicherlich kann man die noch einmal beauftragen, dass die Ihnen da weiterhelfen. Mir ist das gegliederte Schulsystem, das wir in Hamburg von Ihnen übernommen haben, das so in anderen Bundesländern nicht besteht und von daher dort auch durchlässiger ist, wichtig. Helfen Sie uns dabei, es heute gemeinsam zu verbessern. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Heinemann, erst einmal begrüßen wir natürlich, dass die Große Anfrage der SPD-Fraktion Sie zum Nachdenken angeregt hat und Sie auch Schlüsse daraus gezogen haben. Das ist mehr, als man in der Politik häufig erreichen kann, dass man eine andere Fraktion zum Nachdenken bringt.
Ich möchte auch ganz ausdrücklich begrüßen, dass die Hamburger CDU sich auf den Weg macht, das Sitzenbleiben in der Form wie bisher nicht mehr zu akzeptieren. Das finde ich gut, darin unterstützen wir auch Ihren
Ich will aber noch einmal für die Nichtschulleute die Summe nennen, die das Sitzenbleiben jährlich an Kosten verursacht. Auch wenn man es nicht von einem Tag auf den anderen abschaffen kann, ergibt sich aus den Daten, die der Senat uns auf unsere Anfrage mitgeteilt hat, dass jedes Jahr rund 17 Millionen Euro dafür ausgegeben werden, dass Schülerinnen und Schüler in Hamburg ein oder zwei Jahre länger zur Schule gehen. Das ist viel Geld, das im Bildungsbereich sinnvoller auch für individuelle Förderung vergeben werden könnte.
Dann gibt es hier auch immer ideologische Streitereien. Ich habe schon bedauert, dass Sie es in Ihrem Antrag nicht unterlassen haben, diesen Angriff gegen die Gesamtschulen zu fahren. Sie haben, glaube ich, inzwischen erfahren, dass die dargelegten Zahlen einfach falsch sind, was an den unzureichenden Produktinformationen der BBS liegt. Natürlich wird in den Gesamtschulen viel weniger sitzen geblieben als bei anderen Schulformen. Das Problem ist nur, dass die Produktinformationen fehlerhaft sind, weil dort keine Quoten für die Sekundarstufe I benannt werden, sondern für Grundschulen und Sekundarstufe II zusammen. Es ist ein Problem des Senats, wenn dort falsche Zahlen dargestellt werden, aber es zeigt auch, wie schnell Sie gewillt sind, Daten, die Ihre ideologische Grundhaltung unterstützen, zu verwenden. Insofern ist es bedauerlich, dass dies Eingang an so prominenter Stelle gefunden hat.