Protocol of the Session on October 26, 2005

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Dr. Hilgers.

Verehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Antworten des Senats auf unsere Große Anfrage zur Kinderbetreuung in Hamburg bestätigen die Ergebnisse aus unserer Frühjahrsbefragung und machen zwei große Dilemmata im Hamburger KitaSystem deutlich.

Im Jahre 2005 werden voraussichtlich 55 642 Kinder im Gutscheinsystem betreut. Das sind absolut 3877 und prozentual 8 Prozent Kinder mehr in der Betreuung als in 2004.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Entschuldigung, Frau Abgeordnete, ich muss Sie einmal unterbrechen. Es ist so laut, dass wir hier oben kein Wort verstehen.

– Ich glaube, die, die hinaus wollen, sind jetzt auch alle hinausgegangen.

Für die Betreuung dieser Kinder sind aber in 2005 94 Erzieherinnen weniger als in 2004 vorgesehen und das, Frau Senatorin, für 8 Prozent betreute Kinder mehr. Für diese 8 Prozent mehr Kinder fehlen aber auch 8 Prozent pädagogisches Personal, also noch einmal etwa 400 Vollzeitstellen. So spart sich der Senat summa summarum etwa 500 Erzieherinnen für die Kinderbetreuung in diesem Jahr.

Festzuhalten bleibt: In diesem Jahr werden 8 Prozent mehr Kinder mit etwa 10 Prozent weniger Erzieherinnen als in 2004 betreut. Dieser Sparkurs, Frau Senatorin, durchgesetzt mit einem Knebelvertrag gegenüber den Trägern und Verbänden, geht zulasten der Kinder und zulasten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und hat bereits jetzt erhebliche Qualitätseinbußen in der Kindertagesbetreuung zur Folge.

Das zweite große Dilemma, das diese Drucksache ausführlich dokumentiert, ist die mangelnde Kindeswohlorientierung in der Umsetzung des Gutscheinsystems. Die zu starke Orientierung an der Lebenslage der Eltern führt dazu, dass insbesondere in den benachteiligten Quartieren dieser Stadt viele Effekte zum Nachteil der Kinder kumulieren. Obwohl Sie selbst dazu keine Zahlen liefern können oder wollen, Kinder fallen aus Krippen- und Hortbetreuung ganz heraus, wenn ein Elternteil wegen Arbeitslosigkeit oder Elternzeit zu Hause ist, da es bei Krippe und Hort, anders als bei Elementarplätzen, keine Mindestgarantiezeit gibt. Unserer Schätzung nach betrifft das etwa 1000 Kinder in 2004 und bis zu 2000 Kinder in 2005.

Zudem wird der Betreuungsumfang der Kinder in diesen Quartieren permanent hin und her verändert, insbesondere wenn die Eltern in prekären Arbeitsverhältnissen sind und nur mit Unterbrechungen befristete Arbeitsverhältnisse haben. Mehrfacher Wechsel des Betreuungsumfangs in einem Jahr – ja, selbst in einem Monat mehrfacher Wechsel – ist keine Seltenheit.

Seit Einführung des Gutscheinsystems sind davon laut Ihren Antworten 4700 Kinder dieser Stadt betroffen. Viele Kinder im Elementarbereich haben seit Beginn des Gutscheinsystems ihren Ganztagsplatz verloren – auch wieder in diesen Gebieten –, 3700 in 2004 und bis August dieses Jahres schon allein 2200 Kinder.

(Vizepräsidentin Dr. Verena Lappe übernimmt den Vorsitz.)

Seitdem die Vorschule gebührenpflichtig ist, hat es zudem eine zwanzigprozentige Abnahme von Kindern mit nicht deutscher Erstsprache in der Vorschule gegeben. Für Kita hat der Senat vergleichbare Zahlen angeblich nicht.

Die Balance, Frau Senatorin, zwischen gewollter Flexibilität des Systems und Qualität von Bildung, Erziehung und Betreuung ist erheblich gestört.

Das haben Sie zu verantworten, insbesondere in den Quartieren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie können das akribisch nachvollziehen in den Anlagen dieser Drucksache.

Auf dem Dulsberg, in Wilhelmsburg, auf der Veddel, in Hamm können Erzieherinnen keine kontinuierliche Bildungsarbeit machen, keine Beziehung zu den Kindern, die es brauchen, aufbauen, nicht frühzeitig erkennen, ob das Kindeswohl gefährdet ist. Hier wird diesen Kindern, Frau Senatorin, nicht geholfen.

Diese beiden Dilemmata, die in der Großen Anfrage nachhaltig dokumentiert sind, sind, Frau Senatorin, der aktuelle Rahmen für die Arbeit mit den kürzlich vorgelegten Bildungsempfehlungen des Senats. Diese Bildungsempfehlungen sind – das habe ich in der letzten Rede in der Bürgerschaft deutlich gemacht – grundsätzlich zu begrüßen. Doch unter den derzeitigen Rahmenbedingungen bleiben sie lediglich ein Haufen geduldigen Papiers, denn das Personal zur Umsetzung fehlt beziehungsweise ist noch nicht ausreichend qualifiziert und die Kinder, die insbesondere davon profitieren sollen, sind nicht mehr oder nur noch teilweise in der Betreuung.

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion …

(Glocke)

Ich bitte darum, die Gesprächsrunden aufzulösen. Es wäre sehr schön für den Geräuschpegel und dann können wir Frau Hilgers auch gut verstehen. Bitte, Frau Hilgers.

Danke, Frau Präsidentin! Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, Herr Hesse, Frau Strasburger, wäre es wunderbar und auch notwendig, wenn diese Große Anfrage in den Fachausschuss überwiesen wird, der im November eine Anhörung zu den Bildungsempfehlungen macht. Die ist eine gute Grundlage dafür.

(Hans-Detlef Roock CDU: Das gehört nicht zu- sammen!)

Der Senat sollte das, was er hier selber aufgeschrieben hat, seine eigenen Zahlen, ernst nehmen, sonst produzieren Sie die PISA-Verlierer der nächsten Jahre.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat jetzt Frau Strasburger.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Die SPD versucht wieder einmal, eine falsche Weichenstellung im Bereich der Kita-Politik zu unterstellen und wieder wird dieser Versuch scheitern, Frau Dr. Hilgers.

(Beifall bei der CDU)

Ich werde Ihnen nachweisen, dass wir die dringend notwendigen Schritte zur Verbesserung der Kindertagesbetreuung und der vorschulischen Bildung unternommen haben, nicht nur, weil wir anstelle von 300 Millionen Euro jetzt 340 Millionen Euro in den Kita-Bereich fließen lassen.

Vergleichen wir also die Ergebnisse Ihrer Politik mit den Ergebnissen von vier Jahren einer CDU-Regierung. Während der SPD-Regierungszeit wurden die Kita-Plätze nach einem zentralen Plan vergeben, bei dem der Bezirk den Eltern ohne eine nachweisliche Bedarfsanalyse einen Platz zuteilte. Waren die Ressourcen dann aufgebraucht, gab es eben keine Plätze mehr,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Dann gab es Nachforde- rungen!)

egal, ob eine Mutter berufstätig war oder nicht. Spätestens da wurde auch von der SPD, Frau Dr. Hilgers, der Ruf nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf laut.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ist schon ein biss- chen älter bei uns!)

Frau Dr. Hilgers, hören Sie einfach zu.

(Petra Brinkmann SPD: Das kann man nicht, wenn es so verkehrt ist!)

Sie, die SPD, haben nämlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht geschafft und wir haben es geschafft.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben es mit dem Kita-Gutschein-System geschafft, dass Betreuungsplätze nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern nach dem tatsächlichen Bedarf verteilt werden.

(Beifall bei der CDU)

Dies bedeutet Flexibilität und damit auch Freiraum für Familien.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Haben Sie mir zugehört, Frau Strasburger?)

Ich habe Ihnen auch zugehört.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das merkt man nicht, Frau Strasburger!)

Alle Berufstätigen oder in der Ausbildung befindlichen Eltern haben einen Anspruch auf eine Kinderbetreuung für ihre Kinder von null bis 14 Jahren. Das ist geschaffen worden.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das Gesetz haben wir geschrieben!)

Ja, dann hören Sie doch weiter zu.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das fällt schwer!)

Das große Ziel der Vereinbarung von Familie und Beruf ist uns nämlich damit in Hamburg gelungen.