Protocol of the Session on August 24, 2005

Wenn Sie die Zahlen kennen würden, Herr Heinemann, würden Sie nicht so dumm dazwischenquatschen. Die Zahlen sind nämlich so gewesen, dass innerhalb von vier Jahren in Hamburg die Jugendarbeitslosigkeit halbiert worden ist, von etwas über 13 Prozent auf etwas unter 7 Prozent. Das war ein Erfolg rotgrüner Politik hier in Hamburg. An diesen Erfolg reichen Sie in den bisherigen Jahren bei weitem nicht heran.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Man kann es ja auch sagen: Es hat dabei auch einen hohen Beitrag der Unternehmer gegeben, die Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt haben, die Praktikumsplätze zur Verfügung gestellt haben, weil sie in dieser Stadt eingebunden und angesprochen worden sind, weil die ganze Geschichte Chefsache war, weil es ein Bündnis gab, das sich in allererster Linie genau darum gekümmert hat, nämlich gemeinsam mit der Wirtschaft Ausbildungsplätze zu schaffen, aber nicht nur Ausbildungsplätze, sondern auch Chancen für junge Menschen zu schaffen, die eben noch nicht in der Lage sind, eine Berufsausbildung aufzunehmen. Hamburg war ja modellbildend in der Bundesrepublik mit dem Programm QUAS, Qualifizierung für Schulabgänger und Schulabgängerinnen. Dieses Modell ist ja Vorbild für die Einstiegsqualifizierung für Jugendliche gewesen, die von der Bundesregierung, weil QUAS in Hamburg so erfolgreich war, mit 270 Millionen Euro gefördert wird.

Jetzt kann man sich angucken, wie Hamburg dieses Instrument nutzt, dass eigentlich wir entwickelt haben. Wir nutzen es fast nicht. Wenn man es sich anschaut: In Hamburg gab es 2004 140 solcher Stellen, bundesweit 127 000. 140 Stellen in Hamburg, von denen am Ende 87 unbesetzt geblieben sind. Das heißt, wir hatten im Bundesdurchschnitt deutlich weniger Stellen als andere Bundesländer und sie sind in Hamburg nicht einmal besetzt worden, weil das matching in dieser Stadt nicht geklappt hat. Man kann darüber spekulieren, woran es liegt. Für die Jugendlichen heißt es aber, dass sie weniger Chancen hatten als in anderen Bundesländern, auch als in anderen CDU-regierten Bundesländern. Wir sind trauriges Schlusslicht, egal, wohin man schaut.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Ich will das in Zahlen aufschlüsseln – Große Anfragen bieten dazu ja immer Anlass – und mit unserem nördlichen Nachbarn vergleichen. Ich mache das deswegen, weil dieser in der Anfangszahl der nicht vermittelten Jugendlichen im Oktober 2004 gleichauf mit Hamburg

lag; es waren nämlich jeweils rund 800, 786 in SchleswigHolstein, 798 bei uns in Hamburg. Davon sind in Schleswig-Holstein 177 in Berufsausbildung gekommen, bei uns 112. Da sind wir schlechter. In eine EQJ-Stelle, also eine Einstiegsqualifizierung, sind in Schleswig-Holstein 103 gekommen, in Hamburg 50. Auch da sind wir schlechter. Ich kann Ihnen hinsichtlich der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit nur sagen: Sie können es einfach nicht. Es funktioniert in dieser Stadt an keiner Stelle.

Ich will noch einen anderen Aspekt ansprechen, was auch offenbar überhaupt nicht funktioniert: Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist ja nicht nur ein Thema der Behörde für Wirtschaft und Arbeit, sondern es ist auch ein Thema der anderen Behörden, die sich mit Bildung und mit Jugend auseinandersetzen. Man hat den Eindruck, es sei wirklich ein Ausnahmezustand, dass Sie beide einmal an einem Tisch sitzen. Sie reden ja jetzt auch nicht miteinander. Offenbar tun Sie es ansonsten, wenn es um die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit geht, nie, denn ein gemeinsames Konzept, gar eine gemeinsame Anstrengung zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist nicht zu erkennen. Die Frage, ob vielleicht noch die für Jugend zuständige Behörde dabei sei, will ich gar nicht stellen. Da gibt es am allerwenigsten. Es gibt vielleicht manchmal punktuell eine Zusammenarbeit. Da feiert man dann, dass man einmal mit Schulen zusammen etwas gemacht hat. Aber was wir brauchen, ist ein Konzept, eine Rückkehr zur Chefsache zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und nicht dieses Herumgeeiere und Gerede über Statistik und falsche Zahlen. Gucken Sie es sich an: knapp 20 000 Jugendliche. Was wollen Sie da eigentlich retten, wenn Sie sagen, das sei ein statistischer Effekt? Das ist doch lächerlich.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat jetzt Herr Senator Uldall.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst sagen, dass ich Frau Köncke dankbar bin, dass sie diese Debatte angeregt hat, denn das Engagement für die jungen Menschen bei uns in Hamburg kann gar nicht groß genug sein.

(Doris Mandel SPD: Dann fang' doch mal an!)

Insofern ist es richtig, dass wir hier eine Auseinandersetzung über dieses Thema führen. Ich bin Ihnen auch insofern dankbar, als dass Sie in einer unendlichen Fleißarbeit, Frau Köncke, so viele Fragen zusammengetragen haben, die dann auch alle beantwortet worden sind.

(Christa Goetsch GAL: Das ist doch wohl selbst- verständlich!)

Nun liegt bei Ihnen allen fast so etwas wie ein statistisches Jahrbuch auf dem Tisch. Meine Empfehlung geht dahin, dass man sich nicht mit großer Aufgeregtheit die eine oder andere Zahl herauspickt, sondern dass man sich diese Zahlen in Ruhe und Nüchternheit und immer mit der Zielsetzung ansieht, junge Menschen zu motivieren und nicht Katastrophenszenarien an die Wand zu malen, und sich die großen Linien einmal herausnimmt. Dann ist meine Einschätzung – da komme ich nun zu einem ganz anderen Ergebnis als die beiden Rednerinnen der Opposition –, dass wir zwar eine Bilanz vorzulegen haben, mit der wir nicht zufrieden sein können – wir

A C

B D

können nie zufrieden sein –, aber mit der wir uns im nationalen Vergleich in Deutschland überhaupt nicht zu verstecken haben.

(Beifall bei der CDU – Antje Möller GAL: Das ist doch nicht Ihr Ernst!)

Schauen Sie sich bitte insofern einmal im Vergleich nur die westdeutschen Länder an – einen Vergleich zu den ostdeutschen Ländern will ich gar nicht ziehen –, wie die Jugendarbeitslosigkeit im Bundesgebiet aussieht. Dann stellen Sie fest, es gibt immer zwei, die ganz hinten sind, das sind Bayern und Baden-Württemberg. Prima, sage ich. Ich will das politisch gar nicht bewerten. Da gibt es Landesregierungen seit vielen Jahrezehnten in Reinkultur. Das macht sich bezahlt. Die laufen außen vor.

Dann nehmen wir die norddeutschen Länder. Sie sind alle schlechter als Hamburg, was die Jugendarbeitslosigkeit betrifft. Dann gibt es einen breiten Block von Hessen und Rheinland-Pfalz und Saarland, die sonst ja auch immer in vielen Punkten besser sind als wir. Hier ist Hamburg im guten Mittelfeld. Dieses sollten wir auch einmal herausstellen. Es gilt nicht dieses Katastrophenszenario.

Dann muss man in diesem Zusammenhang auch mit berücksichtigen, dass Hamburg – und da unterscheiden wir uns dann von Hessen oder Rheinland-Pfalz und anderen Ländern – eine Stadt ist, die aufgrund ihrer Metropolfunktion sehr vielen jungen Menschen aus dem Umland Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt. Das ist doch erfreulich. Es ist ein gutes Zeichen für die Wirtschaftskraft unserer Stadt, dass wir eben auch die angrenzenden Gebiete mit Arbeitsplätzen versorgen können.

(Farid Müller GAL: Wenn dabei die Hamburger auf der Strecke bleiben! – Gegenruf von Bernd Reinert CDU: Das liegt an der Bildungspolitik!)

Dies ist sogar mit steigender Tendenz versehen. Im Jahr 2003 waren es – bitte registrieren Sie diese Zahl – 3750 junge Menschen aus dem Umland, die in Hamburg ausgebildet wurden. Diese Zahl stieg sogar noch im letzten Jahr auf über 4000. Wir sind damit also ein Stadtstaat, der durch eine starke Leistungsfähigkeit seiner Wirtschaft Ausbildungsplätze auch für die anderen Länder zur Verfügung stellt. Wir freuen uns darüber und nehmen solche Zwischenrufe, wie sie eben kamen, gar nicht auf. Wir freuen uns deswegen darüber, weil wir nicht mehr in engen Stadtgrenzen denken, sondern immer in den Grenzen einer Wirtschaftsregion und dazu gehört eine gute Entwicklung auch in den Umlandkreisen.

(Beifall bei der CDU)

Nun kann man sagen, bitte vergleicht nicht mit den anderen Bundesländern, sondern schaut euch doch einmal an, wie sich das in Hamburg entwickelt hat. Da hat doch ein schlechter CDU-Senat dafür gesorgt, dass sich die Entwicklung permanent verschlechtert hat. Das könnte ja sein, Frau Köncke. Deshalb habe ich noch einmal schnell in die Zahlen geschaut, nachdem Sie hier so richtig vom Leder gezogen haben – nein, ich will sagen, Sie haben charmant argumentiert, nicht vom Leder gezogen. Mir ist aufgefallen: Im Mai 2003 gab es 8215 jugendliche Arbeitslose unter 25 Jahren. 2004 ging es runter auf 6750. Schöne Entwicklung.

(Bernd Reinert CDU: Genau!)

Darüber freuen wir uns. Aber jetzt werden wir alle denken: Und was kommt 2005? 2005 können Sie jetzt zunächst einmal sagen, Frau Köncke, Sie hätten ja doch Recht gehabt. Da steigt die Zahl von 6750 auf 10 268. Also haben Sie doch Recht, das ist eine ganz schlechte Entwicklung in Hamburg.

Nun wurde eben schon von Herrn von Frankenberg darauf hingewiesen, dass wir ja eine Umstellung in der Statistik gehabt haben. Da muss man sich natürlich fragen, was denn nun eigentlich mit dazugekommen ist. Da habe ich mir berichten lassen, wie viele Jugendliche Ende 2004 Sozialhilfeempfänger waren, denn die werden ja jetzt als jugendliche Arbeitslose mitgezählt, bisher nicht.

(Doris Mandel SPD: Jugendliche waren immer in der Arbeitslosenstatistik!)

Jetzt hat die Bundesregierung die Statistik geändert und jetzt kommen natürlich diese Jugendlichen mit dazu.

Ich bin ja einer der letzten Verfechter von Hartz IV. Ich verteidige den Bundeswirtschaftsminister gegen die Koalitionspartei Grüne und gegen die Koalitionspartei SPD.

(Beifall bei der CDU)

Streiten wir uns jetzt nicht darum, wer die Statistikänderung im Gesetz verankert hat, sondern schauen wir uns einfach einmal an, wie viele junge Menschen Ende Dezember 2004 Sozialhilfe bezogen haben. Dieses waren weit über 17 000.

(Doris Mandel SPD: Aber deswegen waren die doch arbeitslos gemeldet!)

Nun sagen wir ganz richtig, da ist Ihr Zwischenruf ganz hilfreich …

(Glocke)

Ich möchte den Satz gern zu Ende bringen.

– Und dann gestatten Sie eine Zwischenfrage?

– Dann kann gern eine gute Zwischenfrage kommen.

Aber zunächst zu Ihrem wertvollen Hinweis, Frau Kollegin, sie seien nicht alle als arbeitslos einzustufen. Richtig.

(Doris Mandel SPD: Die waren immer arbeitslos gemeldet! – Gegenruf von der CDU: Das waren sie eben nicht!)

Nein. Frau Kollegin, wenn Sie mir eine Sekunde Aufmerksamkeit schenken, werden Sie spüren, dass Sie in diesem Punkt noch etwas dazulernen können.

(Beifall bei der CDU)

Die wurden eben nicht in der Arbeitslosenstatistik erfasst, sondern waren als Sozialhilfeempfänger gelistet. Nun gucken wir uns einmal, sagen wir, 17 000 junge Menschen an. Von diesen 17 000 jungen Menschen – haben jetzt meine Fachleute ausgerechnet –, müsste man 10 000 hinzuzählen als neu in die Statistik übernommene. Wenn wir im Jahr 2004 6700 gehabt haben und jetzt kommen 10 000 dazu, müssten das eigentlich 16 000 sein. Aber da habe ich gesagt, das kann doch gar nicht stimmen. So gut sind wir doch auch nicht. Wir haben jetzt nur 10 000 arbeitslose Jugendliche, also sind nur 4000 dazugekommen.

(Katja Husen GAL: Und wo sind die anderen geblieben?)

Ich will jetzt gar nicht über 100 Arbeitslosenhilfeempfänger sprechen, sondern ich will nur eines sagen: Dieser positive Trend in der Entwicklung der Arbeitslosigkeit bei uns in Hamburg, auch bei den jugendlichen Arbeitslosen, hat sich trotz Statistikveränderung auch 2005 fortgesetzt. Darüber sollten wir uns freuen und hier nicht unnötig herummäkeln, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU – Glocke)

Kann Frau Dräger jetzt ihre Frage stellen?

Herr Senator, vielleicht können Sie uns dann auch erklären, warum in allen anderen Bundesländern die Umstellung der Statistik zu einem wesentlich geringeren Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit geführt hat, weil diese Länder nämlich die Instrumente wie zum Beispiel EQJ und andere in einem sehr viel höheren Ausmaß genutzt haben und es ihnen auch noch viel stärker gelungen ist, Ausbildungsplätze zu schaffen?

Es ist richtig, was Sie sagen. Wir haben aus mehreren Gründen einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen, der über dem Anstieg in anderen Bundesländern liegt. Einen hatte Herr Frankenberg schon erklärt. Das hätten Sie dort hören können. Herr Frankenberg hatte gesagt, dass es eine unterschiedliche Verhaltensweise der Bundesagentur in den einzelnen Bundesländern gab. In Hamburg wurde erst sehr sorgfältig geguckt, was neu hinzukommt. Die anderen Bundesländer haben das alles auf einmal gemacht. Warum ist das so gemacht worden? Weil man sich nämlich einen Trick für die Bundestagswahl überlegt hatte, die sich im Frühjahr dann schon für das Jahr 2006 abzeichnete. Da hatte man sich gesagt, jetzt machen wir einmal ordentlich die Zahlen nach oben und dann geht es – so hatte es ja der von mir geschätzte Clement immer gesagt – ab Mai kontinuierlich runter, sodass wir beim geplanten Wahltermin 2006 ein Optimum erreicht haben. Dies führt dann zu einer solchen Verzerrung, wie Sie es eben beschrieben haben.