Protocol of the Session on August 24, 2005

Gehen wir einfach mal in die Hamburger Situation. Das konkrete Problem in Hamburg ist, dass die Quote der ausbildungsberechtigten Betriebe und die Quote der Betriebe, die tatsächlich ausbilden, die geringsten in der ganzen Bundesrepublik sind. Es sind gerade die kleinen Betriebe, die sich nicht dazu entscheiden können, auszubilden.

Das konkrete Problem in Hamburg ist weiterhin, dass es zu wenige zukunftsorientierte Perspektiven für Jugendliche gibt. Circa 30 Prozent der Sechzehn- bis Zwanzigjährigen parken in einem so genannten Berufsvorbereitungsjahr mit ausgewiesener mangelhafter Anschlussperspektive. Nur 9 Prozent dieser Jugendlichen kommen danach in Arbeit oder Ausbildung. Rückgängig und gestrichen sind genau die Angebote, die eine Zukunft versprechen. Die außerbetrieblichen Ausbildungsangebote wurden um 143 Plätze zurückgefahren.

Das konkrete Problem in Hamburg ist, dass dieser Senat kein Konzept hat, um die Ausbildungssituation für Jugendliche effektiv zu verbessern.

(Lydia Fischer CDU: Ja, wenn die Wirtschaftslage besser wäre!)

Sie gefallen sich in großen Gesten bei medienwirksamen Veranstaltungen und an gegenseitigem Schulterklopfen mit den Vertretern der Wirtschaft und den Unternehmensverbänden. Dirigistisch und über die eigentlichen Verhältnisse hinweg wird hier eine Ausbildungspolitik inszeniert, die den Namen nicht verdient.

(Beifall bei der GAL)

Hören Sie auf, Arbeit und Ausbildungspolitik als Mildtätigkeit und Almosen zu verstehen. Hierin liegt die Zukunft dieser Stadt, nicht in Ihrer Ereignispolitik.

Was braucht diese Stadt konkret? Konkret muss es heißen: Natürlich muss man die Ausbildungsquote erhöhen. Die Ausbildungsumlagen, von Ihnen als Ausbildungsabgabe und Bürokratismus diffamiert, wären eine Möglichkeit gewesen, gerade kleine Betriebe zu unterstützen. Das funktioniert im Übrigen in anderen Ländern sehr gut. Durch ideologisches Scheuklappendenken – ein pragmatischer Vorschlag wurde hier nur instrumentalisiert – ist diese Chance heute vertan. Ich glaube auch, dass heute dieser Vorschlag verbrannt ist. Stattdessen schlagen Sie vor, die Ausbildungsvergütungen zu senken. Das steht im Übrigen auch im CDU-Wahlprogramm der Bundespartei.

Genau solche ausgeklügelten Ideen sind dann eine direkte Wahlkampfhilfe für die PDS und die WASG. Das ist eine Klientelpolitik und keine Lösungsstrategie.

Für die Betriebe muss deutlich werden, warum es sich lohnt, auszubilden. Ausbildungsberatungen und mehr gezielte Zuschüsse für Ausbildungsverbände wären hier eine Alternative.

Trotzdem zeichnet sich ab, dass das heutige Ausbildungsangebot der Wirtschaft nicht ausreicht, um die Nachfrage zu decken. Was ist eigentlich die Konsequenz daraus? Man sollte versuchen, sich diese Konsequenz wirklich einmal zu Gemüte zu führen. Das duale System hat sich in seiner Qualität, aber nicht in seiner Quantität bewährt. Davon sind wir, glaube ich, alle überzeugt. Daher sind hier außerbetriebliche Ausbildungsangebote gefragt, weil das Hochlohnland Deutschland qualifizierte Fachkräfte und keine Geringverdiener benötigt.

Das gerade reformierte Berufsbildungsgesetz bietet auch bei ganz unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen eine Vielzahl von Möglichkeiten. Die Vorschläge sind gemacht und liegen vor, beispielsweise zertifizierte Teilqualifikationen, Qualifizierungsbausteine sowie Stufenausbildung. Fehlende Visionen des Senates begründen hier die Perspektivlosigkeit der Jugendlichen.

Der Mangel an Möglichkeiten, eine anerkannte Ausbildung zu erreichen, macht Jugendliche hilfebedürftig und damit schließlich zu Kunden der ARGE. Aber auch hier setzt sich – so muss man das sagen – die kurzsichtige Politik des Senates durch. Statt zu qualifizieren, setzt die ARGE nach Maßgabe des Senates – und dieser ist dafür verantwortlich – auch bei Jugendlichen fast ausschließlich auf Arbeitsgelegenheiten und kurze Trainingsmaßnahmen, nach der Devise: Alle einmal anfassen und dann wieder fallen lassen. Verbindlichkeit, Förderung der Potenziale, Zielorientierung, was die sechzehn-, siebzehnjährigen Jugendlichen brauchen, bleiben hierbei unberücksichtigt. Unter diesen Voraussetzungen könnte Hartz IV tatsächlich zum Scheitern verurteilt sein.

Anstatt die flächendeckenden 1 Euro-Jobs einzusetzen, fordern wir ein, mit jedem Jugendlichen innerhalb von 100 Tagen eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, die Schritt für Schritt, aber konsequent, unter fachlicher Begleitung entsprechend ausgebildeter Fallmanager eine individuelle Entwicklung und eine Chance auf Arbeit ermöglicht. So bleibt für uns die Aufforderung, sich dem Problem der Jugendarbeitslosigkeit zu stellen und ein Konzept vorzulegen, um Fachkräftemangel vorzubeugen, den Jugendlichen Vertrauen in die Zukunft zu geben und der zunehmenden finanziellen und gesellschaftlichen Verschuldung entgegenzuwirken. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Herr von Frankenberg.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst habe ich eine Enttäuschung für Sie parat. Einen Hinweis auf die Bundesregierung habe ich mir erspart. Ich glaube, das hat mittlerweile jeder begriffen, dass die rotgrüne Bundesregierung wirtschaftspolitisch recht unerfolgreich war.

(Beifall bei der CDU)

Insofern werde ich auf das Desaster, was Sie dort angerichtet haben, auch nicht weiter eingehen. Die Quittung dafür werden Sie auch am 18.09. erhalten. Hier bin ich mir ganz sicher.

(Beifall bei der CDU)

Frau Köncke, Sie haben hier noch einmal die GALPressemitteilung vom Montag erläutert und verlesen. Hierfür schönen Dank.

(Lachen und vereinzelter Beifall bei der CDU)

An den dramatischen Zahlen von der GAL am Montag und an den heutigen Pressemitteilungen – das will ich einmal so bewerten – ist nichts dran.

(Luisa Fiedler SPD: Die Zahlen bleiben trotzdem!)

Allgemein möchte ich noch einmal ausführen, dass es ganz wichtig ist, festzustellen, dass jeder jugendliche Arbeitslose einer zu viel ist. Hierüber sind sich im Hause, glaube ich, alle einig und dass das für die Betroffenen ein persönliches Drama sein kann, steht völlig außer Frage.

Was sind die Gründe für den Anstieg, den wir jetzt zu verzeichnen haben? Zum einen ist es bedingt durch Hartz IV, dass die Arbeitsmarktstatistik Jugendliche, die vorher Sozialhilfe bezogen haben, erfasst hat und dadurch der Anstieg auch begründet ist. Der scheinbar überdurchschnittliche Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit in Hamburg ist auf einen statistischen Sondereffekt zurückzuführen.

(Jens Kerstan GAL: Ist es in Berlin anders?)

Generell haben die meisten Bundesländer alle erwerbstätigen Sozialhilfeempfänger Anfang des Jahres in die Arbeitslosenstatistik eingearbeitet, so auch die jugendlichen Arbeitslosen.

In Hamburg hat man das allerdings erst nach einer genauen Prüfung der Erwerbsfähigkeit getan, sodass viele Arbeitslose erst Monate später in die offizielle Statistik gewandert sind. Daher war hier der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit in den ersten drei Monaten auf dem Papier geringer, als in den meisten Bundesländern, und danach höher. Das ist ein ganz einfacher Effekt. Somit lassen sich die dortigen Zahlen auch leicht erklären. Aber wie gesagt, es ist nichts an dem, was Sie dort bisher prophezeit oder verkündet haben.

Ich will noch einmal einen anderen Aspekt herausgreifen. Sie monieren, dass Hamburger Betriebe zu wenig ausbilden, und zwar sind das nach Ihren Angaben nur 16 Prozent, während der Bundesdurchschnitt 25 Prozent beträgt. Sie verschweigen aber dabei, dass die Zahlen überhaupt nicht zueinander passen. Hamburg ist eine Dienstleistungsmetropole und wir haben hier rund 50 000 Klein- und Kleinstunternehmen, die überwiegend überhaupt nicht in der Lage sind auszubilden und das auch nicht tun. Insofern passen die Zahlen und vieles andere von dem, was Sie verkündet haben, auch nicht wirklich.

Daher ist es ganz wichtig, dass wir die Anfrage noch einmal in den Wirtschaftsausschuss überweisen, weil ich das Gefühl habe, dass es erforderlich ist, vielleicht dort das eine oder andere nochmals zu erklären.

(Jens Kerstan GAL: Vielleicht auch zu verstehen!)

Vielleicht auch zu verstehen, das wäre schön. Sie sind danach dann sicherlich schlauer.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch auf einen ganz wichtigen Effekt hinweisen, der bei der Auswertung der Zahlen klar hervortritt. Je höher der Ausbildungsabschluss ist, desto geringer wird das Risiko, in die Arbeitslosigkeit zu fallen. Das ist klar erkennbar. Wichtig ist, dass überhaupt ein Abschluss

erreicht wird. Wir haben das Thema erkannt und arbeiten daran, nämlich die Reform der Hauptschule zu mehr Praxisorientierung hinzuführen. Das sind beispielsweise auch Dinge aus der Schulpolitik, die dringend angefasst werden müssen. Hierfür hatten Sie eine lange Zeit und haben nichts gemacht. Jetzt beschweren Sie sich, dass zuviel auf einmal durchzuführen ist.

Um dann auch noch einmal nicht ganz die Bundespolitik auszublenden, da Sie sonst allzu sehr enttäuscht sind, möchte ich abschließend sagen, dass das beste Mittel für Ausbildungsplätze ein solides Wirtschaftswachstum ist, was mehr Arbeitsplätze, mehr Ausbildungsplätze und weniger Arbeitslosigkeit, also auch weniger Jugendarbeitslosigkeit, bedeutet. Hier ist die Bundesregierung sicherlich ein ganz wichtiger Faktor. Dieser Faktor wird sich nach dem 18.09. ändern. Welche Möglichkeiten habe ich, etwas gegen Jugendarbeitslosigkeit zu tun? – Am 18.09. CDU wählen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat jetzt Frau Dräger.

Das ist wirklich ein interessanter Vorschlag, Herr von Frankenberg. Ich möchte doch mal ein bisschen in die Anfrage einsteigen, um zu zeigen, welche Bilanz Sie denn hier in Hamburg haben. Es gibt hier ganz viele Zahlen und eine davon, die immer sehr betrachtet worden ist und auf die Hamburg auch zu Recht stolz war, war die Zahl der Berufsausbildungsstellen je Bewerber in Hamburg. Das ist eine Zahl, die nicht ganz einfach ist, weil sie noch nicht viel aussagt, ob das wirklich zueinander passt, was wir an Ausbildungsstellen und an Jugendlichen haben und ob wirklich das Matching, wie das dann immer so schön heißt, klappt.

(Vizepräsidentin Dr. Verena Lappe übernimmt den Vorsitz)

Deswegen sagt eine Zahl über eins noch nicht, dass man auch praktisch wirklich jeden Jugendlichen mit einem Ausbildungsplatz versorgen kann, aber sie ist zumindest ein Indiz dafür, dass es theoretisch klappen würde. Wir hatten 2001 diese Zahl, 1,2 je Bewerber. Wir hatten ein Jahr später dann, CDU-regiert, 1,1. 0,9 haben wir jetzt. Das heißt, es ist in Hamburg nicht einmal mehr theoretisch möglich, dass jeder Jugendliche einen Ausbildungsplatz in dieser Stadt bekommt. Und das sehen Sie als Wahlempfehlung für Berlin? Da muss irgendetwas in Ihrem Kopf verrückt geworden sein.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Diese Zahl ist das eine. Das andere ist, welche Chance denn noch für die Jugendlichen bleibt, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben. Auch dazu gibt es eine Zahl, nämlich die Zahl, wie viele unbesetzte Stellen es je unvermitteltem Bewerber in Hamburg gibt. 2001 immerhin noch 0,4, also zu wenig, denn das heißt, dass sich zweieinhalb Jugendliche einen Platz teilen müssten. Inzwischen waren wir 2003 bei 0,1 und immerhin jetzt wieder bei 0,2. Jetzt sind es fünf, die sich einen teilen müssten. Das ist auch eine tolle Wahlempfehlung im Bereich der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Sie schaffen es jedenfalls hier in Hamburg nicht.

Was in der Großen Anfrage und vor allen Dingen auch im Arbeitsmarktbericht für den Monat Juli noch einmal ganz

klar wird: Es ist ein einsamer Rekord in der Bundesrepublik, einen Anstieg von 44,5 Prozent Jugendarbeitslosigkeit zu haben. Das ist ein trauriger Rekord. Und wenn Sie von Statistik reden, ist das gegenüber den Jugendlichen, denen damit die Zukunftsperspektive verbaut ist, wirklich eine Katastrophe und es ist der reine Zynismus, zu sagen, in der Wirtschaftsbehörde sind wir irgendwie ratlos, wahrscheinlich ist es die Statistik, aber genau wissen wir es auch nicht. Das ist wirklich eine extreme Schieflage in der Wirtschaftsbehörde.

Hamburg war in den Neunzigerjahren höchst erfolgreich in der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Jugendarbeitslosigkeit ist ja leider kein ganz neues Phänomen in Deutschland. Aber auch in Hamburg ist etwas dagegen getan worden.

(Zurufe von Robert Heinemann CDU)

Wenn Sie die Zahlen kennen würden, Herr Heinemann, würden Sie nicht so dumm dazwischenquatschen. Die Zahlen sind nämlich so gewesen, dass innerhalb von vier Jahren in Hamburg die Jugendarbeitslosigkeit halbiert worden ist, von etwas über 13 Prozent auf etwas unter 7 Prozent. Das war ein Erfolg rotgrüner Politik hier in Hamburg. An diesen Erfolg reichen Sie in den bisherigen Jahren bei weitem nicht heran.