Wir kommen zum Punkt 31 der heutigen Tagesordnung, dem Antrag der GAL-Fraktion: 25 Jahre ChristopherStreet-Day in Hamburg: Bürgerrechte und Akzeptanz für Lesben und Schwulen – nichts geht mehr mit der CDU.
[Antrag der Fraktion der GAL: 25 Jahre Christopher-Street-Day in Hamburg: Bürgerrechte und Akzeptanz für Lesben und Schwule – nichts geht mehr mit der CDU – Drucksache 18/2317 –]
[Antrag der Fraktion der SPD: Gleichstellung von Lebenspartnerschaften: Diskriminierung wirksam verhindern – Drucksache 18/2378 –]
Diesen Antrag möchte die GAL-Fraktion an den Rechtsausschuss überweisen. Wer begehrt das Wort? – Herr Müller bekommt es.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Heute ist der Tag, um an 25 Jahre Kampf für Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen zu erinnern. Noch 1980 trauten sich nur wenige Lesben und Schwule offen auf die Straße, denn dort erwarteten sie Häme, Bespitzelung durch die Polizei und auf der Demonstration sogar die Chemokeule. Heute leben wir in einer anderen Zeit. Unser Land, unsere Stadt sind weiter. Es können vielmehr Schwule und Lesben freier und offener leben. Weit über 60 Prozent der Menschen befürworten die Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule.
Das ist der Erfolg von 25 Jahren Christopher-Street-Day. Es ist aber auch ein Erfolg einer aktiven und konsequenten Gleichstellungspolitik. Deswegen gilt mein Dank nicht nur den Aktiven auf den Christopher-Street-Day-Paraden, er gilt auch den Politikerinnen und Politikern, die sich dem Anliegen von Lesben und Schwulen verpflichtet haben, ohne es selbst zu sein. Ich danke in diesem Zusammenhang ganz herzlich Krista Sager und Ortwin Runde.
Mit dieser Gleichstellungspolitik ist es im Hamburger Rathaus vorbei, seitdem die CDU regiert. Deswegen ist der heutige Tag nicht nur ein Tag des Erinnerns, sondern er ist auch ein Tag des Zorns. Denn Sie, meine Damen und Herren von der Union, sind dabei eine historische Gelegenheit ungenutzt verstreichen zu lassen. Sie haben es in der Hand, Ihre Partei, Ihre Stammwähler in die Mitte der Gesellschaft zu führen und damit einen Beitrag zur Modernisierung unseres Landes zu leisten. Aber Sie verspielen diese Gelegenheit. Obwohl eine Mehrheit in dieser Stadt eine aktive Gleichstellungspolitik will und obwohl wir nach dem brutalen Outing durch Ronald Schill alle spüren konnten, dass es vollkommen egal ist, ob man lesbisch, schwul oder hetero ist, hat diese CDU, hat dieser Senat nicht die Kraft aufgebracht, die Gleichstellungspolitik, von der übrigens auch Mitglieder dieses Senats profitiert haben, fortzusetzen. Warum? Was ist der Grund dafür, dass der Senat und Bürgermeister von Beust in dieser Frage derart versagen? Selbst wenn man von Gleichberechtigung nichts hält, selbst wenn man parteipolitisch meint, das habe bei uns nichts zu suchen, selbst wenn man die Freiheit des Individuums nicht für einen Wert an sich hält, so wäre diese Politik doch für eine Stadt wie Hamburg nicht purer Luxus. Im Gegenteil. Gleichstellungspolitik hat auch eine wirtschaftspolitische Seite, denn Städte, die anziehen wollen, Städte, die sich im Wettbewerb mit anderen Metropolen behaupten möchten, Städte, die einfach hipp sein wollen, kommen heute ohne das Etikett "modern" nicht mehr aus. Für Modernität ist ein offener Umgang mit Minderheiten ganz entscheidend.
Das Gleiche gilt übrigens für Familienfreundlichkeit, mit der Sie auch nichts am Hut haben. Diese Dinge machen
unser Image aus. Sie sind doch sonst – gerade Sie vom Senat und auch einige in der Fraktion – so markenversessen. Warum sind Sie hier eigentlich so blind? Unsere Marke heißt doch nicht "Posemuckel", unsere Marke heißt "Weltoffenheit und Toleranz".
Diese Marke pflegt man nicht, indem man versucht, Abschiebeweltmeister zu werden. Das passt vielleicht nach Bayern, Herr Nagel. Man pflegt sie auch nicht, indem man das Senatsamt für die Gleichstellung auflöst, und man pflegt sie schon gar nicht, wenn man die Hamburger Ehe abschafft.
Unser Image können wir nur pflegen, wenn wir uns aktiv für Gleichstellung einsetzen, wenn wir dagegen kämpfen, dass Lesben und Schwule diskriminiert werden, und nicht dafür, dass sie diskriminiert werden dürfen, wie durch Herrn Dr. Kusch.
Ihre Bundesratsinitiative gegen das Antidiskriminierungsgesetz schadet deswegen Hamburg. Sie behaupten, das Antidiskriminierungsgesetz gefährde Arbeitsplätze. Ich sage Ihnen und der CDU, Diskriminierung schafft jedenfalls keine Jobs. Ob es Ihnen gefällt oder nicht, Herr Dr. Kusch, Sie, Herr von Beust, und dieser Senat stehen für die Verhinderung von Gleichberechtigung. Sie haben nicht nur alle Anträge zur Verbesserung von Rechten von Lesben und Schwulen abgeschmettert, Sie haben auch keinerlei Initiativen gestartet, um das Landesrecht endlich anzupassen. Nur ein einziges Mal – sozusagen für einen lichten Moment – haben Sie sich zu einem ganz kleinen Schrittchen einer verschwindend geringen Verbesserung unter Auflagen durchringen können. Sie haben vorgeschlagen, dass Lebenspartner unter anderem im Erbschaftsteuerrecht gleichgestellt werden sollen. Aber selbst diese Regelung sollte erst nach fünf Jahren als eine Art Partnerschaftstest für Lesben und Schwule in Kraft treten.
Man fragt sich, welches Selbstbild Sie im Senat haben. Aber Ihre Initiative, diese Minireform, war so dilettantisch vorbereitet, dass Ihre eigenen Parteifreunde im Bundesrat sie zu Fall gebracht haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch haben Sie die Gelegenheit, Ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Erklären Sie Ihren Stammwählern, warum dieses Land nicht weniger, sondern mehr Gleichberechtigung braucht. Verspielen Sie diese Chance nicht und selbst wenn Sie in der Gesellschaftspolitik lieber die alte provinzielle CDU bleiben wollen, dann geben Sie sich doch wenigstens aus Standortgründen einen Ruck. Spielen Sie nicht weiter den Reformverweigerer. Die Mehrheit der Menschen in dieser Stadt würde es begrüßen. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ihre intime Kenntnis der Union, Herr Müller, hat mich in den letzten Tagen mehrfach verwundert, wenn nicht sogar massiv irritiert. Was insbesondere ich mir in den letzten Tagen an Ratschlägen anhören durfte: Was man doch alles in der Union bewegen solle, wie man das machen müsse, wie man das am allerschnellsten bewegen könne und warum überhaupt und was denn noch nicht passiert sei. Das hat ein bisschen die Anmutung, als ob Sie konvertieren wollten und ich Ihnen das Feld vorbereiten sollte.
Einen entscheidenden Punkt übersehen Sie: Mehrheit für Akzeptanz in der Bevölkerung und Mehrheit gegen Antidiskriminierung gerade in einer Stadt wie Hamburg bedeuten nicht unbedingt eine Mehrheit für die politischen Vorschläge von Rotgrün. Ich würde Sie bitten, diese Trennung zukünftig vorzunehmen. Wir nehmen sie vor.
Auch wenn Ihnen die Trennung schwer fällt und obwohl Sie zu Ihrem eigenen Antrag in der Begründung hier nicht sehr viel gesagt haben, werde ich mir die Mühe machen, darauf einzugehen, weil ich nicht glaube, dass es mit dem Getöse, das Sie dort anzetteln, abgetan ist. Ich glaube auch nicht, dass es der Sache gerecht wird.
Sie fahren große Geschütze auf: Stillstand seit 2001, Hamburgs Initiative zur Stärkung der Rechtstellung von Lebenspartnerschaften wird als Gegenoffensive bezeichnet. Ich zitiere:
Viel Tamtam rechtzeitig zum CSD und dem einsetzenden Bundestagswahlkampf. Mehr bleibt nicht übrig. Das Timing stimmt, die Inhalte sind leider schlecht recherchiert und es mangelt an der notwendigen Tiefe. Schauen wir also in die Substanz.
Punkt eins: Sie sagen, wir müssen das Landesrecht dringend an das anpassen, was in Berlin passiert ist. Sie haben Recht, das räumt auch die CDU-Fraktion ein, es besteht spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Bedarf, auch landesgesetzgeberisch tätig zu werden. Dennoch – genau da folgen wir Ihnen nicht – sind wir gut in der Zeit. Unsere Maxime ist an der Stelle nicht, mediengerecht und rechtzeitig zu Events mit dem CSD mit einer Initiative hinauszugehen, die hinterher an handwerklichen Mängeln nur so krankt, sondern unser Ziel ist Rechtssicherheit für die Betroffenen und kein Aktionismus zum CSD. Von Rechtssicherheit, das wissen Sie selber genauso gut wie wir, sollte man immer erst dann reden, wenn der Gesetzgebungsprozess auf Bundesebene abgeschlossen ist. Herr Müller, das ist er nicht. Ihre eigene Fraktion weiß noch nicht einmal, ob sie mit der Initiative zum Lebenspartnerschaftsgesetz vielleicht noch einmal in den Bundesrat gehen möchte. Die SPD weiß nicht, ob sie mitziehen soll, man muss jetzt schnell auf Abstand kommen, man will Wahlen gewinnen. Alles in allem ist das, was in Berlin passiert, derzeit keine Rechtssicherheit.
Ich sage Ihnen persönlich eines und dafür lasse ich mich innerhalb der CDU-Fraktion auch gerne in die Pflicht nehmen: Wir werden uns nach den Wahlen, wenn klar ist, was die Bestandsaufnahme ergeben hat, wenn klar ist, wo wir alleine oder mit unserem Koalitionspartner FDP nachbessern werden, um die Umsetzung des Landesrechts kümmern. Ich bin sicher, wir werden zu einem guten Ergebnis kommen, was auch die Betroffenen, die Schwulen und die Lesben in dieser Stadt für sich als Ergebnis verbuchen können. An Ihrer Hektik rechtzeitig zum CSD werden wir uns nicht beteiligen.
Punkt zwei: Unser Wirken im Bundesrat, Herr Müller – da wird es abenteuerlich. Der Senat hat gehandelt und hat mit seiner Initiative unter anderem die bundesweite Zuständigkeit der Standesämter und die Anpassung des Beamtenrechts gefordert. Er hat eine Angleichung beim Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz initiieren wollen und Sie, genauso wie Teile der Union – da gebe ich Ihnen Recht –, sind nicht mitgezogen. Wenn Sie es ernst meinten, würden Sie dieses Verhalten Hamburgs nicht als Gegenoffensive bezeichnen, sondern Sie würden hier ehrlich und offen sagen, es war ein guter Vorstoß – vielleicht mit Mängeln – und wir bedauern, dass die restlichen Bundesländer unter CDU-Regierung nicht mitgezogen haben. Das wäre ehrlich, das wäre auch meine Einschätzung und das ist auch die Einschätzung der CDU hier im Hause. Sonst hätte der Senat diese Initiative nicht gestartet. Auch hier springen Sie also auf Kosten des Populismus oder – zugespitzt – zugunsten des Populismus etwas zu kurz. Die Initiative war sicherlich nicht so schlecht, wie Sie sie hier machen. Ich persönlich bedauere es, dass die anderen Unionsländer nicht mitgezogen haben.
Drittens: Unsere Initiative gegen das Antidiskriminierungsgesetz ist der nächste Punkt, den Sie anführen. Herr Müller – da muss ich auch den Kollegen der SPD zu ihrem Antrag widersprechen –, wir glauben, dass die Initiative gegen das Antidiskriminierungsgesetz richtig ist, weil das beste Antidiskriminierungsgesetz nichts hilft, wenn damit Beschäftigung verhindert wird. Das habe ich mir nicht ausgedacht, sondern das ist ein Zitat von Herrn Schartau und Herr Schartau ist sicherlich kein Rechter in der SPD, der gegen gesellschaftspolitische Veränderungen steht. Ja, wir brauchen einen wirkungsvollen Schutz vor Antidiskriminierung, ja, wir stehen zu dem, was die EU von Deutschland abfordert. Nein, wir stehen nicht zu der Regelungswut, die Sie mit Ihrem Antidiskriminierungsgesetz auslösen und womit Sie Deutschland überziehen wollen. Da muss nachgebessert werden.
Jetzt kommen wir zu dem vierten Punkt und da waren Sie wieder etwas kurzsichtig bei der Lektüre Ihrer Unterlagen. Kürzungen für Coming-out-Projekte, lese ich da. Die müssen Sie mir zeigen. Worüber wir sicherlich hart diskutiert haben, ist über die Kürzung im Bereich der Gesundheitsprävention. Richtig, das betrifft auch Aids-Projekte. Daraus kann man ableiten, dass das auch Träger betrifft, die im Bereich Bewusstseinsbildung und Stärkung von Schwulen und Lesben in ihrer Entwicklung aktiv sind. Aber Kürzungen bei Coming-out-Projekten kann ich an der Stelle beim besten Willen nicht herauslesen. Ich sage Ihnen, der Kernbereich der Aids-Prävention bleibt erhal
ten. Wir diskutieren im Moment mit den Trägern, wie wir die Kürzungen umsetzen, aber wir sind in dieser Frage aus Sicht der Fraktion am Limit und sicherlich nicht glücklich, dass wir an dieser Stelle kürzen müssen und werden auch nicht weiter kürzen. Da ist der Widerstand inzwischen groß genug, aber machen Sie bitte nicht aus Kürzungen bei Gesundheitspräventionsprojekten Kürzungen in Coming-out-Projekten. Das ist ein bisschen zu einfach gesprungen, Herr Müller, und das wissen Sie auch selbst.
Spannend wird es, wenn wir in Ihre Deckungsvorschläge gucken. Neulich haben Sie lapidar gesagt, da kürzt die CDU und ich hätte sofort in einer halben Stunde die Deckung gebracht, um dort nicht zu kürzen. Ich habe mir Ihren Deckungsvorschlag angesehen und ich bin ein bisschen irritiert. Wenn man nämlich in die Drucksache 18/1370 schaut, stellt man fest, dass darin nicht viel zu einem konstruktiven Deckungsvorschlag zu finden ist und schon gar nicht zu Deckungsvorschlägen, die Gelder für Coming-out-Projekte betreffen. Sie wollen nämlich in einen Titel absenken, der in der Behörde auch für Informationsmaterial zur Aids-Prävention ausgegeben wird. Bei aller Liebe, hier spielen Sie ein Doppelspiel. Sie müssen aufpassen, was Sie in Ihre Anträge schreiben. Ihre Drucksachen geben das auf jeden Fall nicht her.