Protocol of the Session on June 8, 2005

Kinderbetreuung bei gleichzeitiger Absenkung der Standards. Sie nehmen damit bewusst in Kauf, viele Menschen

(Marcus Weinberg CDU: Ihr Niveau, Frau Dräger!)

und auch zukünftige Generationen von der Teilhabe auszuschließen. Sie reden davon, wie wichtig Bildung für den Sozialstaat sei. Sie reden das als Standortfaktor hoch und was machen Sie gleichzeitig? Sie machen die Vorschule kostenpflichtig und den Schulbesuch und das Studium teuer. Das ist Ihre Realität: Sie reden von Einsparen, von Gürtel-enger-Schnallen, aber das nur bei den sozial Schwachen. Wir sind froh, dass wir allen sagen können, wie es in Hamburg läuft, damit wir es in Berlin verhindern können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Koop.

(Ingo Egloff SPD: Jetzt wird es philosophisch!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Dräger, wir haben einen anderen Blick auf die Sozialpolitik als Sie, das ist richtig.

(Uwe Grund SPD: Das merken wir jeden Tag!)

Wir sehen ganz klar eine Verzahnung zwischen der Wirtschaftspolitik und der Sozialpolitik, die bei Ihnen irgendwo verloren geht. Sie haben doch Wirtschaftspolitiker unter Ihnen und die müssen Ihnen doch klar machen, dass man das Geld, das man ausgeben will, erst einmal erwirtschaften muss.

(Beifall bei der CDU – Zuruf)

Das ist das Bedauerliche, wenn Sie sich dann dahin stellen.

Wir wollen wenig Staat und Sie wollen viel Staat. Das ist eine ganz klare, unterschiedliche Einstellung. Wir wollen große Eigenverantwortung und Sie wollen den Leuten möglichst viel Eigenverantwortung abnehmen. Sie wollen, dass sie sich selber in Ihren Institutionen verwirklichen und schaffen vielleicht da Arbeitsplätze. Aber für uns ist das sozial, was Arbeit schafft, und die Arbeit schafft nun einmal nicht der Staat.

(Beifall bei der CDU)

Das hat Ihr großer Vorsitzender hier gestern im Interview ganz klar dargelegt. Die Rahmenbedingungen können wir setzen, aber wir müssen natürlich dafür sorgen, dass in diese Stadt auch etwas hinein kommt.

Und wenn Sie von den Leuchttürmen sprechen: Hamburg steht in der globalen Entwicklung in Konkurrenz zu vielen, vielen anderen Städten. Wenn wir wollen, dass sich hier ein grundsolides Wirtschaftswachstum entwickelt, dann müssen wir auch attraktiv sein und etwas bieten können.

(Dr. Monika Schaal SPD: Ihre Fraktion ist schon gegangen!)

Sie sehen – das habe ich beim letzten Mal hier schon gesagt – in erster Linie die Risiken, die sich für einen Menschen ergeben. Sie sehen die Defizite, die ein Mensch entwickelt. Aber wir sehen die Chancen, die er hat, und wir sehen die Möglichkeiten, seine Potenziale.

Und wenn ich jemanden habe, der seine Ausbildung nicht in ausreichendem Maße hat,

(Gesine Dräger SPD: Schulgeld, Studiengebüh- ren!)

dann muss ich ihn nicht alimentieren, sondern ihn dazu bringen, dass er seinen Lebensunterhalt wieder selber verdienen kann und das haben wir in unser Programm geschrieben.

(Beifall bei der CDU – Gesine Dräger SPD: Vor- schulgebühren!)

Ich finde es sehr bedauerlich, dass wir diese Debatte im Stakkato der Aktuellen Stunde abhalten. Wir sollten darüber diskutieren, was wirklich sozial ist, und sozial ist schlicht und ergreifend – das haben wir gestern auf dem Parteitag festgelegt –, was Arbeit schafft; das ist doch wunderbar.

(Lachen und Ah-Rufe bei der SPD)

Finden Sie es sozial, dass die Versicherungsbeiträge hochgehen? Finden Sie das alles sozial oder sollten wir uns nicht darauf konzentrieren, bei uns in Deutschland …

(Unruhe im Hause – Glocke)

Sie haben nur noch Redezeit, aber ich will die Munterkeit wieder ein wenig dämpfen, damit Sie mit Ihrer Stimme auch zum Durchbruch kommen.

Eine verantwortungsbewusste Sozialpolitik blickt eben nicht nur auf die augenblickliche Generation, sondern auch dahin, was der nächsten Generation an Lasten aufgebürdet wird.

(Michael Neumann SPD: Deswegen Einstieg in die Atomenergie!)

Ach, Herr Neumann, lesen Sie sich einmal Ihr Interview von gestern im "Hamburger Abendblatt" durch. Da kann man doch nur sagen: Der Bebel für Hanseaten hat gesprochen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, unseren Kindern nicht noch zusätzliche Kosten zu denen, die wir heute schon haben, aufzubürden. Und wenn Sie das mit der Haushaltskonsolidierung hier so lächerlich machen, so ist das ein Grund, warum wir uns auch mit den Bevölkerungsschichten anlegen.

(Petra Brinkmann SPD: Sie geben doch mehr aus!)

Das muss sein, wir können es nicht ändern. Wenn es nach Ihnen beiden gegangen wäre, dann hätten Sie es doch laufen lassen.

(Zurufe von der SPD – Michael Neumann SPD: Deswegen geben Sie jedes Jahr mehr aus!)

Wir sind der Meinung, dass man in Zukunft sehen muss, dass demjenigen gegeben wird, der es braucht. Aber demjenigen, der es nicht braucht, muss man schrittweise – vielleicht nicht unbedingt

(Michael Neumann SPD: Herr Präsident, helfen Sie ihr!)

mit allzu großem Druck – die Möglichkeit geben, sich selber seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Unsere Sozialpolitik ist eben auf Nachhaltigkeit ausgerichtet und nicht auf die augenblickliche Situation und das ist der richtige Weg.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Gregersen.

Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sehr interessant, dass die CDU wieder nicht da ist, wenn es um Sozialpolitik geht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Aber noch interessanter finde ich, dass wir jetzt wissen, dass der CDU-Parteitag Sozialpolitik festlegt. Eigentlich steht so etwas im Grundgesetz und da braucht die CDU nicht zu beschließen, was sozial ist.

Frau Schnieber-Jastram, Sie haben stets davon gesprochen und wir haben es eben auch wieder gehört, dass diejenigen Menschen, die unsere Hilfe brauchen, diese auch bekommen. Diese Aussage ist für mich eine bloße Hülle, denn das, was sie bedeutete, war seit Jahren ein Standard an Abbau in Hamburg: Abschaffung des Sozialtickets, Kürzung des Blindengelds, Schließung von sozialen Einrichtungen oder Kürzungen bei den Bücherhallen, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Sparvorgaben des Senats grenzen Hilfsbedürftige systematisch aus, ohne ihnen eine Perspektive zu geben, und auch Sie, Frau Koop, haben eben keine Perspektive gegeben.

Dennoch transportierte die Aussage als solche zumindest eine gemeinsame Grundüberzeugung aller demokratischen Parteien, dass wir nämlich eine solidarische Gesellschaft sind. Aber Herr von Beust hat mit seiner Bemerkung, wir könnten uns soziale Dinge erst wieder leisten, wenn es uns besser gehe, nun sämtliche rhetorischen Hüllen fallen gelassen. Er zeigt sein wahres Gesicht und hat mit seiner Äußerung endgültig den Boden gemeinsam geteilter Grundüberzeugungen verlassen. Er diffamiert Sozialpolitik, er kündigt Solidarität auf. Sozialpolitik, Herr von Beust, ist kein Luxus, den man sich mal eben in guten Zeiten gönnen möchte. Sozialpolitik ist vielmehr die notwendige Absicherung gesellschaftlicher Lebensrisiken. Sie ist notwendiger Ausgleich von gesellschaftlichen Benachteiligungen. Jede und jeder von uns kann betroffen sein. Sozialpolitik leitet sich unmittelbar vom Grundgesetz ab, Sozialpolitik zielt auf gesellschaftliche Integration anstatt auf Ausgrenzung und sie hat in der Vergangenheit enorm zur Legitimation und Stabilität unserer Wirtschaft, aber auch unserer Gesellschaftsordnung, beigetragen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wer dieses nun aufkündigt, stellt den Zusammenhalt unserer Gesellschaft total infrage.

Aber auch aus einem anderen Grund, Herr von Beust, ist Ihre Aussage falsch und gefährlich. Gerade in der Krise sind soziale Ausgaben sehr erforderlich. Wenn es uns gut geht, müssen wir nicht so viele und so hohe Sozialleistungen finanzieren. Wenn der allgemeine Wohlstand wächst, können Menschen mehr eigenes Geld beispielsweise für Bildung ausgeben. Aber wenn er sinkt, muss

der Staat korrigieren und Geld für Bücherhallen oder Volkshochschulen bereitstellen.

(Dr. Diethelm Stehr CDU: Und woher?)