Protocol of the Session on June 8, 2005

"Meine Entscheidung aufzuhören liegt vorrangig darin begründet, dass unsere Arbeitssituation so extrem geworden ist, dass ich ein verantwortungsvolles Handeln unmöglich sehe. Eine Nichtbesetzung meiner vollen Planstelle ist meines Erachtens unverantwortlich und führt zu Risiken für Bürger und Kollegen."

Ein Einzelfall aus Harburg, sagen Sie? Mitnichten, meine Damen und Herren. In Bergedorf gestaltet sich die Situation noch extremer. Dort gibt es aber gleich eine so genannte kollektive Überlastungsanzeige an den Bürgermeister. Elf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben sich über die Situation des Sozialen Dienstes so geäußert und bestätigt, dass eine Hilfeleistung unter diesen Voraussetzungen kaum noch möglich ist. Ich denke, das geht direkt an die Adresse von Frau Senatorin Schnieber-Jastram. So, verehrte CDU-Fraktion, sieht die Realität Ihrer Familienpolitik in Hamburg aus: Wer Hilfe braucht, kann kaum Hilfe bekommen, weil die zuständigen Behördenstellen völlig überlastet sind.

(Beifall bei der GAL und bei Gesine Dräger SPD)

Daher lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen Ihrer Anfrage, denn es ist wirklich nicht mehr als Familienlyrik, wenn der Senat schreibt, das bestehende Angebot werde an neu entstehende Bedarfe und Schwerpunktsetzungen angepasst.

Ich komme wieder auf Bergedorf zu sprechen, sehr geehrte Senatsvertreter. Bergedorf scheint nicht zu Ihren Schwerpunktgebieten zu gehören, denn dort wurde der Zuzug von 30 000 Menschen in Neu-Allermöhe mit einem Abbau von Stellen im Sozialen Dienst beantwortet.

Was bietet die Familienlyrik Ihrer Großen Anfrage noch? Sie bietet zum Beispiel 26 Erziehungsberatungsstellen und verschweigt dabei die von Ihnen durchgesetzte Schließung der einzigen kommunalen Erziehungsberatungsstelle im sozialen Brennpunkt Billstedt/Horn. Das ist ein Beispiel für Ihre reale Familienpolitik.

Die Große Anfrage offenbart uns einen Hinweis auf die Investitionen des Senats für Spielplätze, Grünanlagen und Radwege. All das wollen Sie tun, um das Umfeld von Familien attraktiv zu gestalten. Das ist wirklich ein Trauerspiel "hoch drei", denn, sehr verehrte Damen und Herren der CDU-Fraktion, Sie haben zugelassen, dass genau diese Gelder massiv reduziert worden sind. Das nur noch einmal zu Ihrer Erinnerung. Während der rotgrüne Senat 2001 noch 4,4 Millionen Euro für den Radverkehr ausgegeben hat, haben Sie diesen Ansatz 2005/2006 bis auf 200 000 Euro reduziert. Das gehört auch zur Familienpolitik, Frau Koop.

Sie, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, haben ebenfalls dafür gesorgt, dass in den Jahren 2001 bis 2005 jährlich 1,1 Millionen Euro für Spielplätze eingespart werden mussten und daher sogar Spielplätze geschlossen wurden. Nun bessern Sie mit den Investitionen nur

das aus, was Sie vorher zerstört haben. Auch das ist Familienpolitik.

Das sind alles Seiten, die in Ihrer Anfrage nicht auftauchen und nach der Sie – mit gutem Grund – auch gar nicht fragen, denn dann müssten Sie sich ernsthaft und nicht nur in Form einer einfachen, lockeren Plauderstunde bei Frau Koop mit den Folgen Ihrer Familienpolitik auseinander setzen. Dann würden Sie feststellen, dass hier ein Lob auf die Familienpolitik der CDU absolut fehl am Platze ist.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Alles in allem ist die Familienpolitik des Senats, die von der CDU-Fraktion unterstützt wird, nur von Lippenbekenntnissen und schönen Worten geprägt. Unter Ihrer Regie verkümmert die Familienpolitik und beschränkt sich auf kosmetische Maßnahmen.

Ich kann wieder mein Lieblingsbeispiel, den Familienpass anführen. Der Familienpass ist Ihnen wichtiger als gebührenfreie Schulbücher. Zur Unterstützung von Familien im Alltag setzen Sie anstelle auf qualifizierte Mitarbeiter auf das Ehrenamt. Ihre Personalpolitik in den Allgemeinen Sozialen Diensten der Bezirksämter ist mehr als verantwortungslos und Sie werden die Folgen für diese fehlgesteuerte Familienpolitik tragen.

Erlauben Sie mir zum Abschluss ein paar Gedanken. Familie ist dort, wo Kinder sind, egal wie alt die Kinder sind und welche Herkunft sie haben, egal ob die Kinder Mutter und Vater haben, ob die Eltern in gleichgeschlechtlicher Ehe leben und die Kinder zwei Mütter oder zwei Väter oder nur ein Elternteil haben. Wenn wir wollen, dass sich mehr Menschen zu Kindern bekennen und den Mut haben, Kinder in diese Welt zu setzen, dann ist es Aufgabe der Politik, Lebensumstände zu schaffen, die dieses Vorhaben erleichtern, und vor allen Dingen Familien zu begleiten und sie nicht vier Wochen nach der Geburt irgendwann ins Trockene laufen zu lassen. Davon ist bei der Familienpolitik der CDU nichts, aber auch gar nichts zu spüren.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt Frau Senatorin Schnieber-Jastram.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist egal, welches Thema zur Diskussion sind, es sind immer die gleichen Rituale. Wie Rumpelstilzchen sitzt die Opposition da, meckert herum, bringt keinen konstruktiven Beitrag, sondern es geschieht ein Niedermachen in den einfachsten Bereichen, in denen man normal miteinander reden könnte.

(Beifall bei der CDU – Christiane Blömeke GAL: Mit Ihnen kann man ja nicht reden!)

Bei uns bestreitet niemand, dass auch für viele von Ihnen Familienpolitik einen hohen Stellenwert hat, dass vermutlich sogar viele von Ihnen mit dem, was an Ankündigungspolitik in Berlin passiert, gar nicht einverstanden sind, dass viele von Ihnen unglücklich sind, dass der Kinderfreibetrag für die allein Erziehenden gestrichen worden ist. Wir müssen uns doch nicht auf diese Art und Weise streiten. Ich glaube nicht, dass das wirklich viel bringt. Es hilft in der Sache überhaupt nicht weiter.

(Beifall bei der CDU)

Wir alle wissen, dass das Wort "Familie" über viele Jahre – ich habe das noch zu Beginn meiner Tätigkeit erlebt – bei vielen ein Unwort gewesen ist. Geben Sie das doch zu, es ist kein Geheimnis. Familie war nicht modern, Familie, so hieß es in den Debatten, sei etwas ganz Altmodisches; welches Familienbild ich denn habe, ob es etwa das alte, klassische sei von Vater, Mutter und Kindern, das sei unmöglich. Heute reden alle miteinander ganz anders. Warum? Weil man weiß, es ist notwendig, dass mehr Kinder geboren werden, Frau Veit. Das ist richtig. Das allerdings kann der Staat nicht bestellen, das muss jeder für sich in eigener Verantwortung entscheiden, so wie jede Familie in eigener Verantwortung für die Kinder sorgen muss und nicht der Staat.

(Beifall bei der CDU)

Eines möchte ich noch einmal deutlich machen: Eingeführt in diesem Bereich haben Sie sozusagen gar nichts. Ich weiß, was ich in der Behörde vorgefunden habe. Das Thema Familie war so etwas wie ein weißer Fleck. Es hat Elternschulen gegeben, das bestreite ich nicht, die gibt es seit vielen, vielen Jahren, es hat auch einige wenige Mütterzentren in den Bezirken gegeben, es hat auch in den Bezirken einige Angebote gegeben, aber es hat in der Behörde in Wirklichkeit keine Stabstelle für Familienpolitik gegeben. Wir haben mit großer Mühe, mit wenig Mitteln eine Menge geleistet. Ich will das hier nicht ausführen, weil es aus der Großen Anfrage sehr deutlich hervorgeht.

(Beifall bei der CDU)

Ich wundere mich über keinen jungen Menschen, der angesichts einer hohen Arbeitslosigkeit Zweifel daran hat, ob es richtig ist, Kinder in die Welt zu setzen. Deswegen sollten wir alles dafür tun – neben den Rahmenbedingungen, die wir auch in Hamburg bestellen, neben der Frage der Kinderbetreuung und vielen Details –, dass die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass möglichst viele Menschen wieder in Arbeit kommen. Dann werden wir auch Optimismus im Land haben und dann werden wir hoffentlich Kinder in größerer Anzahl haben, die "Leben in die Bude" bringen und die natürlich auch dafür sorgen, dass wir ausreichend Arbeitskräfte, ausreichend Konsum und Nachwuchs haben, der ein Stückchen der sozialen Sicherungssysteme finanziert. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, stelle ich fest, dass die Große Anfrage, Drucksache 18/2165, besprochen worden ist.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 26, Antrag der CDU-Fraktion: Aus der Region – für die Region.

[Antrag der Fraktion der CDU: "Aus der Region – für die Region" – Drucksache 18/2297 –]

Wer wünscht das Wort? – Frau Ahrons, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Hamburg ist national und international als Hafen- und Luftfahrt- und Dienstleistungsmetropole weit bekannt. Aber noch nicht einmal innerhalb der Stadt wis

sen alle Menschen, dass Hamburg auch eine bedeutende Metropole für den Anbau von Obst, Gemüse und Zierpflanzen ist.

Rund ein Viertel der Fläche unserer Stadt wird als Kulturland genutzt und von rund 1400 Gartenbau- und Landwirtschaftsbetrieben mit circa 5000 Beschäftigten bewirtschaftet. Südlich der Elbe liegt das größte geschlossene Obstanbaugebiet Nordeuropas. Allein auf Hamburger Stadtgebiet in und um Neuenfelde, Francop und Finkenwerder produzieren 140 hoch spezialisierte Obstbaubetriebe auf circa 1400 Hektar Obstanbaufläche – weitestgehend im umweltschonenden integrierten Anbau – diverse Obstsorten.

Im Bezirk Bergedorf – genauer gesagt: in den Vier- und Marschlanden – befindet sich eines der größten deutschen Unter-Glas-Anbau-Gebiete für Gemüse, Blumen und Zierpflanzen. Auf circa 1100 Hektar Freiland und unter 180 Hektar Glasfläche erzeugen in dieser Region rund 800 Betriebe Gemüse, Schnitt- und Topfblumen, Beet-, Balkonpflanzen, Rosen, Kräuter und Stauden.

Eine wichtige Handelsplattform für die gärtnerischen und landwirtschaftlichen Erzeugnisse ist der Hamburger Großmarkt mit über 500 Erzeugern und Großhändlern, mit 2500 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 2 Milliarden Euro.

Insgesamt versorgt der Großmarkt rund 4700 Einzelhändler in und um Hamburg, die wiederum 15 Millionen Verbraucher erreichen. Nicht zu vergessen sind unsere 80 Hamburger Wochenmärkte, auf denen diese regionalen landwirtschaftlichen Erzeugnisse vertrieben werden.

Auch die Ernährungswirtschaft ist weit verzweigt, Lebensmittel- und Feinkosthersteller, Fischverarbeitung, und hinzu kommt unser Handwerk mit mehr als 200 Betrieben aus dem Fleischer-, Bäcker- und Konditorenhandwerk.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Frau Ahrons, ich würde gern versuchen, für Sie etwas mehr Ruhe im Haus herzustellen. Wir haben noch drei Debatten vor uns und Sie wissen, das braucht alle Kraft. Deshalb sollten Sie die jetzt nicht in Gesprächen vergeuden. – Frau Ahrons, Sie haben das Wort.

Regionale Produkte aber haben es immer schwerer, sich trotz ihrer exzellenten Qualität auf dem Markt durchzusetzen. Der Lebensmittelhandel wird immer stärker von größeren Konzernen dominiert, die über ihre zentralen Einkaufssysteme Lebensmittel oftmals aus weit entfernten Regionen in den Handel bringen und zudem auch noch den regionalen Einzelhandel verdrängen.

Erschwerend kommt auch ein verändertes Verbraucherverhalten hinzu: Verunsicherung durch die Lebensmittelskandale und eine allgemeine konjunkturelle Konsumzurückhaltung haben hier zu erheblichen Absatzschwierigkeiten geführt.

Spargel und Erdbeeren aus heimischer Produktion sind derzeit der Renner, ein Beispiel dafür, wie heimische Produkte mit Erfolg vermarktet werden können, oder der Elbstint, einst verkannt und jetzt dank geschickter Vermarktung von Fischer Grube in aller Munde. Das Hamburger Bäckerhandwerk hat jüngst eine Qualitäts- und

Marketingoffensive gestartet und die Fleischer stehen ebenfalls schon in den Startlöchern.

Die Nachfrage auf Verbraucherseite ist vom Grundsatz her da, wie die genannten Beispiele gezeigt haben. Daher sind wir überzeugt, dass eine Kampagne "Aus der Region – für die Region" erfolgreich sein wird. Ziel des Antrags ist es, die Aktivitäten zu bündeln und gemeinsam mit den Landkreisen der Metropolregion eine Kampagne zu starten. Wir sichern dadurch nicht nur die Absatzkanäle und die Existenz von Betrieben und Arbeitsplätzen in mehreren Branchen, sondern tragen auch zum Erhalt wichtiger und über viele Jahrzehnte, teilweise sogar über Jahrhunderte, gewachsener Kulturlandschaften bei. Wichtig ist aus unserer Sicht bei der Konzeption der Kampagne, dass die Kenntnisse der Kammern, Verbände, Innungen und der Verbraucherzentrale mit einbezogen werden. Die genannten Institutionen verfügen bereits über Erfahrungen und können hier ihr Know-how einbringen.

Wir sind optimistisch, die Landkreise der Metropolregion als Partner für das Projekt zu gewinnen; bereits in der Vergangenheit gab es mehrere Ansätze. Die südlich angrenzenden Landkreise dürften vor dem Hintergrund der Landesgartenschau in Winsen/Luhe im nächsten Jahr sicherlich ein großes Interesse an einer Kooperation haben, da das Thema Regionalvermarktung auch Thema der Landesgartenschau sein wird.

Stimmen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, unserem Antrag zu, stimmen Sie für Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft und Einzelhandel.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Rosenfeldt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das ist jetzt tatsächlich einer der Höhepunkte unserer diesjährigen Parlamentswoche. Was Frau Ahrons eben sauber vorgelesen hat, stimmt völlig. Wunderbar dabei ist, dass auch die CDU inzwischen gemerkt hat, dass die Verbraucherzentrale, die so etwas schon tut, fehlte. Das wird nachgetragen, das begrüße ich ausdrücklich.