Protocol of the Session on May 26, 2005

Dann hat die Deputation auch noch geäußert, dass sie die Akten sehen will. Dann wissen sie ja noch mehr. Sie wissen jetzt schon mehr über diese ganzen Beschlussvorlagen als ich. Das halte ich nicht mehr aus.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Kann man nicht endlich etwas dagegen tun? Ein allgemeines Nicken im Senat. Das hat höchste Priorität und kommt schnellstens in die Bürgerschaft. Dort merkt vielleicht keiner, dass wir wieder ein Stückchen Demokratie und Transparenz abschaffen wollen.

Schon ist die Akteneinsicht eingeschränkt. Ein paar demokratisch gewählte Deputierte werden per Gesetz hinausgeworfen. Und das alles nur, weil Sie solche Angst vor informierten Bürgerinnen und Bürgern haben, die Ihnen vielleicht auf die Schliche kommen könnten. Das ist wirklich beschämend.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Diese Drucksache – wie ich schon erwähnt habe – ist inhaltlich völlig inakzeptabel. Wir haben hier gemeinsam als Bürgerschaft, aber jede Fraktion für sich, im Beschluss Menschen ausgewählt, die wir für geeignet halten, den Senat und seine Behörden zu kontrollieren. Das sind über die Parteigrenzen hinweg sehr engagierte, gut informierte, interessierte und informationshungrige ehrenamtliche Menschen, die diese Arbeit durchführen, weil sie Spaß an dieser Aufgabe haben. Und was ist der Dank? Sie haben das Gefühl, dass sie Ihnen auf die Nerven gehen. Sie können sie gar nicht schnell genug loswerden. So schnell, dass Sie wieder einmal meinen, dass Sie die Spielregeln im laufenden Verfahren ändern müssten. So dringend ist das Bedürfnis, dass Sie nicht einmal Zeit haben, die laufende Amtsperiode abzuwarten, sondern weg, weg, weg damit, denn das ärgert Sie.

Frau Spethmann, Sie haben gerade einen sehr defensiven Beitrag gehalten und ich frage mich wirklich, warum Sie dieses Thema nicht nur als Fraktion mittragen, sondern das auch noch zur Debatte anmelden und hier ganz öffentlich verteidigen. Ich finde, das ist wirklich schwach.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie haben als Fraktion Menschen ausgesucht, die Sie in der Deputation haben wollten. Sie haben sie per Fraktionsbeschluss der Bürgerschaft vorgeschlagen. Sie haben sie hier gewählt und nun sagen Sie, dass Sie sich von ihnen trennen müssen, weil irgendein Senator oder eine Senatorin beleidigt ist. Das ist wirklich das Allerletzte.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Was bringen denn diese Menschen mit, wovor Sie so viel Angst haben? Sie bringen Wissen mit, ganz einfach Wissen. Natürlich kann ein informierter Deputierter besser nachfragen und davor haben Sie Angst. Das merken wir in diesem Hause immer wieder, wenn wir Akteneinsicht beantragen. Jedes Mal erhalten wir einen langen Brief, in welchem genau dargelegt wird, warum man ablehnen muss. Demnächst erwarte ich eigentlich, dass Sie ein Senatsamt zur Verhinderung der Aufklärung einrichten, das die ganzen Briefe übernehmen könnte. Vielleicht

ernennt der Bürgermeister zu diesem Zweck auch einen Staatsrat. Das wäre auch sehr hilfreich.

Der informierte Bürger ist das Schreckgespenst dieser Regierung, egal, ob er ein Parlamentarier, Deputierter, Personalvertreter – hierzu kommen wir ja auch demnächst – oder ein so genannter einfacher Bürger ist. Es ist Ihnen unerträglich, dass dort vielleicht Menschen sitzen, die vielleicht mehr wissen als Sie

(Dr. Willfried Maier GAL: Was ja wirklich schwer ist!)

und die sich durch ein umfassenderes Akteneinsichtsrecht auch noch weiter informieren können. Das ist unerträglich. Das zeigt die ganze Mutlosigkeit und fehlende Souveränität Ihrer Senatorinnen und Senatoren.

(Beifall bei der GAL)

Hierfür ist die Drucksache ein Beleg.

Es steckt aber ein Denkfehler hinter Ihren Bemühungen, die Informations- und Mitwirkungsrechte von Bürgerinnen und Bürgern, ob nun in der Deputation, der Personalvertretung, in der Bürgerschaft, in der Volksgesetzgebung oder sonst wo, immer mehr zu beschneiden. Sie meinen nämlich, dass Sie sich durch solche Maßnahmen eine Freiheit im Handeln verschaffen und auf diese Weise schneller oder konsequenter Ihre politischen Vorstellungen in der Bevölkerung durchsetzen könnten. Das kann kurzfristig schon manchmal stimmen, aber mittelfristig oder gar langfristig geht das nicht, weil Sie darauf verzichten, Menschen zu überzeugen und Menschen im politischen Prozess mitzunehmen. Das ist ein ganz klarer Denkfehler.

Sozialdemokraten, nein eigentlich inzwischen alle Demokraten zitieren gern den Slogan von Willy Brandt "Mehr Demokratie wagen". Das will ich heute auch tun, aber nicht, weil ich meine, dass diese Drucksache jetzt ein Anschlag auf die Demokratie sei. Das wäre zu hoch gehängt. Aber es steckt doch einiges darin, denn dieser Leitsatz ist in zweierlei Hinsicht sehr spannend.

Willy Brandt hat damals nicht davon gesprochen, dass man mehr Demokratie herstellen, schaffen oder durchsetzen müsste, sondern er hat von "wagen" gesprochen. Zum Wagnis gehört Mut. Zum Wagnis gehört, dass man am Anfang nicht immer weiß, wie die Entscheidungen am Ende aussehen. Das Vertrauen in die Einsichts- und Vernunftsfähigkeit der anderen Seite und in die Überzeugungskraft der eigenen Argumente gehören dazu. Willy Brandt hat damals diese Forderung auch nicht als Kampfansage an den politischen Gegner gerichtet, sondern als Auftrag an alle Demokraten, weil er wusste, dass uns in allen Parteien und allen Institutionen – und er hat damals die Sozialdemokraten ausdrücklich mit eingeschlossen – dieser Mut ab und an verlässt und wir ihn immer wieder beweisen müssen. Sie sind überhaupt nicht allein, wenn Sie in solchen Fragen manchmal genervt und mutlos sind. Aber Sie sind allein und Sie sind die Ersten in dieser Stadt, die diese Mutlosigkeit auch noch zum Programm machen. Das ist der Fehler und dabei können wir Sie auch nicht unterstützen.

(Vizepräsidentin Dr. Verena Lappe übernimmt den Vorsitz.)

Allein genommen ist diese Drucksache nur ein Versuch, sich die eine oder andere lästige Debatte zu ersparen, den einen oder anderen lästigen Nachfrager. Zusam

mengenommen mit all dem anderen ergibt sich eine fatale politische Kultur, die nicht mehr vom Vertrauen, sondern vom allergrößten Misstrauen geprägt ist. Diese Misstrauenskultur ist – da greife ich auf, was Frau Stapelfeldt gestern gesagt hat – nicht auf der Höhe der Zeit und sie trägt nicht dazu bei, Menschen für Politik zu begeistern. Im Gegenteil.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat jetzt Herr Maaß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Spethmann, ich will Ihnen für Ihre eher inhaltsleere und argumentationsfreie Rede zugute halten, dass das dem Ansinnen geschuldet war, dem Senat die kleinste, möglichst noch gerichtswahrende Unterstützung zu gewähren. So hat sich Ihre Rede für mich angehört.

Ich will mich an Ihrer präzisen Argumentation aufhängen und die drei Punkte, die in diesem Gesetz enthalten sind, nacheinander durchgehen.

(Gesine Dräger SPD: Lieber nicht!)

Das sind erstens die Einschränkung der Wählbarkeit von Deputierten, zweitens das Akteneinsichtsrecht, das beschränkt werden soll, und drittens die Leitung der Deputation durch einen Staatsrat, die ermöglicht werden soll.

Zunächst zur Einschränkung der Wählbarkeit von Deputierten. Es war auch bisher der Fall, dass Bedienstete einer Behörde nicht der Deputation dieser Behörde angehören dürfen. Das ist auch sinnvoll, denn man kann nicht gleichzeitig Kontrolleur und Kontrollierter sein. Der Senat will jetzt aber mit der Erweiterung der Unvereinbarkeit auch ehemalige Bedienstete einer Behörde für einen Zeitraum von fünf Jahren von der Deputation ausschließen. Angeblich geht es dem Senat dabei, wie er in der Drucksache schreibt, um die demokratische Kultur. Das Argument, das vorgebracht wurde, hat erst einmal eine gewisse Plausibilität. Es könne nicht angehen, dass gerade ausgeschiedene leitende Mitarbeiter ihre Nachfolger kontrollieren oder die Kontrolle ihrer eigenen Arbeit, die noch gar nicht lange zurück liegt, behindern, indem sie selbst kontrollieren.

(Dr. Willfried Maier GAL: Bei Aufsichtsräten ist das regelmäßig so!)

Ja, darauf komme ich gleich.

Der Senat verweist in der Drucksache auf die Grundsätze der Corporate Governments, Herr Maier, wonach es unziemlich ist, wenn ausgeschiedene Vorstandsmitglieder in Aufsichtsräten eben dieses Unternehmens im Anschluss tätig sind. Meine Fraktion wäre wirklich die letzte, die etwas dagegen hätte, wenn deutsche Großunternehmen sich tatsächlich mehr an solche Kodizes halten würden.

(Dr. Willfried Maier GAL: Dann können wir die Republik auflösen!)

Selbstverständlich fänden wir es auch etwas sonderbar, wenn ehemalige Senatoren oder Staatsräte oder auch leitende Beamte einer Behörde nahtlos in die Deputationen überwechseln würden. Es ist einleuchtend, dass das nicht richtig sein kann.

Aber – da liegt jetzt der Fehler in Ihrer Drucksache –, was mir wirklich nicht einleuchtet, ist, warum ein pensionierter, einfacher Vollzugspolizist – um es platt zu sagen –, nicht Herrn Nagel auf die Nägel schauen soll. Oder: Warum soll eine einfache, pensionierte Lehrerin ihre in vielen Jahrzehnten erworbene Kompetenz in Fragen der Bildungspolitik nicht in die Deputation einbringen dürfen? Das trägt doch zur Qualität von Kontrolle bei, das trägt zur Qualität der Arbeit der Deputationen bei. Aber vielleicht geht es Ihnen gerade darum, nämlich die Qualität der Arbeit der Deputationen zu schwächen. Das ist es, glaube ich, was dieses Gesetz herbeiführen wird.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Uwe Grund SPD: Herr Maaß, Sachverstand stört nur!)

Es besteht überhaupt kein Interessenkonflikt, wie es bei Vorständen und Aufsichtsräten oder bei leitenden Mitarbeitern der Fall wäre. Dazu würde ich gern noch ein paar Worte hören.

Zum zweiten Punkt, zur Beschränkung des Akteneinsichtsrechts. Das ist auch interessant. Bisher war es den Deputierten möglich, in alle Behördenakten Einsicht zu nehmen. Zukünftig soll das nur noch für Akten der Fall sein, die Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung berühren. Aber wer entscheidet, welche Akten sind von grundsätzlicher Bedeutung?

Ich will ein paar Beispiele anführen, die nicht ganz zufällig ausgewählt sind. Wie ist es beispielsweise mit der Akte zum Genehmigungsverfahren für die Einleitung von Abwasser an einer Baustelle? Man würde zuerst einmal sagen, das ist ziemlich einzelfallorientiert, also kein Akteneinsichtsrecht. Wenn sich dann aber in diesem Verfahren herausstellt, dass mehrere Millionen Liter Abwasser unrechtmäßig in die Elbe geleitet werden dürfen, dann kann man wiederum sagen, das hat grundsätzlich Bedeutung. Und so etwas ist in dieser Stadt passiert.

Aber solche skandalösen Einzelfälle, die das öffentliche Interesse erregt haben, wären gar nicht erst aufzuklären. Ich muss doch erst einmal die Möglichkeit haben, auch im Einzelfall erkennen zu können, ob diese Akte grundsätzliche Bedeutung hat. Genau das wird nicht mehr möglich sein. Das Ziel ist, der Senat will weitermauscheln, ohne dass ihm dabei jemand in die Karten schauen kann. Das geht nicht an.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Oder nehmen Sie das Beispiel Personalentscheidungen. Da ist der Senat in gewisser Weise ein gebranntes Kind. Was die Kontrollrechte angeht, haben wir in der Vergangenheit ganze Arbeit geleistet.

Wir hatten in der vergangenen Legislaturperiode einen Untersuchungsausschuss zum Thema "Schwarzer Filz". Um das kurz zu rekapitulieren, war es ein mehrheitlich von CDU, FDP – und wie hieß die dritte Partei noch? Ich habe es vergessen – dominierter Arbeitsstab, der sagte, dass der Justizsenator mit seiner Personalpolitik das geltende Recht gebrochen hat. Der CDU-Senat hat sich – so war und ist unsere Einschätzung – mit seiner Personalpolitik in Sachen Filz Dinge herausgenommen, die sich die SPD in 44 Jahren zuvor nicht getraut hätte herauszunehmen.

(Glocke)

Lassen Sie eine Frage zu, Herr Maaß?

Herr Hamann, ja, bitte.

Ihr Engagement in allen Ehren, aber wofür kämpfen Sie eigentlich? Gibt es nicht einen Parteitagsbeschluss der Grünen, die Deputationen ganz abzuschaffen?

(Beifall bei der CDU – Viviane Spethmann CDU: Genau!)