Wo ist denn die Stärkung der Hauptschule, von der Sie reden? Sie haben einen Schulentwicklungsplan vorgelegt, mit dem Sie sich den schwächelnden Schulen vollständig verweigern. Nachdem der Plan zwei Monate alt ist, müssen Sie sechs weitere Standorte aufgeben, weil Ihre Ideologie nicht zu den Realitäten passt. Das ist es doch, was passiert. Und weil Herr Heinemann den Hauch einer Ahnung hat, dass da etwas nicht stimmt, kommt er jetzt mit "Kooperativen Schulen" – immerhin, aber es wird nicht ausreichen.
Wir haben eben in der Fragestunde gehört, wie Sie das Ganztagsschulprogramm in Hamburg umsetzen. Von einer Stärkung der Hauptschule zu reden und die Mittel der Bundesregierung in den ersten Jahren ausschließlich für die Stärkung der Gymnasien zu verwenden, finde ich eine politische Schande, die man hier erleben kann.
Ich möchte rückblickend noch einmal die Debatte der letzten Jahrzehnte bewerten; Herr Freistedt war da sozusagen idealtypisch. Es gibt die einen, die sagen, man schaffe es nicht, soziale Gerechtigkeit durchzusetzen, es ginge zulasten der Leistungsorientierung im Bildungswesen und deshalb wolle man die Kinder aus den sozial schwächeren Familien auch extra beschulen. Und es gibt die anderen, die vielleicht mehr auf der anderen Seite des Hauses stehen und immer gesagt haben, wir wollen soziale Gerechtigkeit, alle sollen ihre Chancen haben und die auch geglaubt haben, dass das vielleicht nicht einhergeht mit der Leistungsorientierung. Wir sind beide eines Besseren belehrt worden durch die PISA-Studie, denn sie hat uns gezeigt, dass diese Länder am erfolgreichsten sind, die auf Leistungsorientierung und soziale Gerechtigkeit setzen. Das sind die erfolgreichen Länder und das sollte unsere gemeinsame Perspektive sein. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir ganz wenige Anmerkungen. Frau Ernst, Sie haben völlig Recht, dass wir bei den Hauptschulen abnehmende Anmeldezahlen verzeichnen; das beobachten wir natürlich auch. Man muss allerdings auch ein bisschen nach den Gründen gucken und ich glaube, dass vieles von dem, was in den letzten Jahren an Veränderungen in den Haupt- und Realschulen geschehen ist und gerade noch geschieht, in der Öffentlichkeit und bei den Eltern, die diese Schule wählen, noch nicht angekommen ist. Das ist natürlich eine Sache, an der wir arbeiten müssen, aber die Hauptschule, die es vor fünf Jahren gegeben hat, gibt es heute eben nicht mehr und das müssen wir viel mehr als bisher deutlich machen.
Sie sprachen zweitens darüber, wer seine Kinder wohin schickt. Es gibt einen Altbürgermeister in Hamburg, der Ihrer Partei angehört, der seine Kinder auch nicht auf die Gesamtschule, sondern auf das Gymnasium geschickt hat.
Drittens die Ganztagsschulmittel. Sie wissen ganz genau, dass in diesem Jahr die Ganztagsschulmittel, was die vollgebundenen Ganztagsschulen anbelangt, ganz massiv in den Bereich der Haupt- und Realschulen, der Förderschulen und der Gesamtschulen gegangen sind, und
zwar ungefähr mit der Hälfte des Gesamtbetrags. Von daher stimmt Ihre Mär nicht, dass alles in den Gymnasialbereich gegangen wäre.
Viertens sollten wir uns bei der ganzen Frage immer überlegen, ob wir wirklich im Schulbereich noch in Patentrezepten denken sollten. Sie haben heute wieder einen Antrag mit Patentrezepten gestellt. Wir haben einen Antrag gestellt, wo wir an Teile in bestimmten Bereichen herangehen, aber eben kein Patentrezept vorstellen. Gucken wir uns doch einmal die integrierten Haupt- und Realschulen im Vergleich zu den normalen Haupt- und Realschulen an. Wir haben doch eine integrierte Haupt- und Realschule in allen Haupt- und Realschulen für die Beobachtungsstufe, das heißt, wir reden in der Regel über die Klassen 7 bis 9. Gucken Sie sich zweitens einmal die Abbruchzahlen und die Anmeldezahlen bei den integrierten Haupt- und Realschulen an. Warum waren diese Schulen denn beim Schulentwicklungsplan so gefährdet, doch nicht, weil die so tolle Anmeldezahlen hatten. Und wenn man sich das Gutachten und die Untersuchungen über die integrierten Haupt- und Realschulen anguckt, dann kann man nicht sagen, das sei der Weg ins Paradies und die Zukunft für Hamburg.
Es gibt eben kein Patentrezept, von daher sollten wir ein bisschen stärker ins Detail gehen und dann Einzellösungen finden.
Was ich besonders spannend fand, weil wir darüber auch schon bei uns in der Partei diskutiert haben und noch nicht zu einer abschließenden Meinung gekommen sind, ist Ihr vierter Punkt. Den finde ich insofern ganz spannend, weil Sie – ich erinnere an unsere Diskussion über die Diagnose- und Förderzentren – sonst genau die hier vorgeschlagene Vorgehensweise immer ablehnen. Eine Schule kann ein Kind nicht optimal fördern, also schickt man das Kind in eine andere Schule und hinterher möglichst wieder zurück; das ist durchaus auch das Prinzip der Diagnose- und Förderzentren. Wir haben auch schon darüber nachgedacht, ob wir das für die Hauptschulen brauchen. Es birgt aber neben dem positiven Gesichtspunkt der individuellen Förderung auch immer die Gefahr, dass man eine weitere Gliederung schafft, die Sie doch eigentlich ablehnen müssten. Ich finde es sehr interessant, dass Sie das hier hineingeschrieben haben, weil Sie den Integrationsgedanken als SPD genau an dieser Stelle aufgeben und sagen, wir können nicht mehr integrieren, wir brauchen wieder eine extra Schule dafür. Das finde ich von Ihrem ideologischen Gesichtspunkt her sehr spannend.
Also: Wir denken darüber nach, sind aber offenbar fast vorsichtiger und integrationsbewusster als die SPD. Von daher haben wir uns noch nicht entschieden. Aber die SPD sollte noch einmal darüber nachdenken und vielleicht auch darüber, welche Konsequenzen das für ihre Position zu den Diagnose- und Förderzentren hat. – Danke.
Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung. Die GAL-Fraktion wünscht, dass über die einzelnen Spiegelstriche separat abgestimmt wird.
Wer dem ersten Spiegelstrich des Antrags aus der Drucksache 18/2185 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer den zweiten Spiegelstrich annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer sich dem dritten Spiegelstrich anschließt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer den vierten Spiegelstrich beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer den fünften Spiegelstrich annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch der ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wer dem sechsten Spiegelstrich zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer den siebten Spiegelstrich annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch der ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wer sich dem achten Spiegelstrich anschließt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch der ist mit Mehrheit abgelehnt.
Dann kommen wir zum Tagesordnungspunkt 11, der Großen Anfrage der GAL-Fraktion: Zahl der Verkehrstoten steigt in Hamburg 2004 gegen den Bundestrend.
[Große Anfrage der Fraktion der GAL: Zahl der Verkehrstoten steigt in Hamburg 2004 gegen den Bundestrend – Drucksache 18/1994 –]
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zahl der Verkehrstoten ist von 34 Menschen im Jahr 2002 über 44 im Jahr 2003 auf 48 im Jahr 2004 gestiegen. Wir – auf dieser Seite des Hauses – finden diese Entwicklung nicht nur bedenklich, sondern sogar erschreckend. Aber der Senat suggeriert in seiner Antwort, dass es eigentlich gar nicht so schlimm sei mit dieser Zahl, denn im bundesweiten Vergleich sei doch das Risiko für die Bewohner der Stadt geringer als im Bundesdurchschnitt.
Tatsächlich sagt aber auch der Herr Senator, sagen auch Vertreter der CDU-Fraktion in Sonntagsreden immer wieder, jeder einzelne Getötete sei einer zu viel. Sobald es mit den Sonntagsreden ein Ende hat, sobald es ums konkrete Handeln geht, wird verharmlost und relativiert. Wenn wir diese Aufgabe, dass mehr Menschen in Hamburg sicher am Straßenverkehr teilnehmen können, wirklich ernst nehmen wollen, dann muss es mit dieser Verharmlosung und Relativierung ein Ende haben, und zwar sofort.
Hauptursache von Unfällen, bei denen Menschen schwer verletzt oder sogar getötet werden, bleibt weiterhin eine zu hohe oder nicht angepasste Geschwindigkeit, immer im Zusammenhang mit ungenügendem Sicherheitsabstand. Vor diesem Hintergrund hat die CDU-Fraktion eine
Bundesratsinitiative vorgestellt, die die Bußgelder für genau diese Vergehen anheben will. Das ist in der Sache richtig, dagegen haben wir auch gar nichts gesagt, deswegen ist das hier auch einstimmig durchgegangen.
Was an der Sache wirklich erfreulich ist, sind zwei Dinge. Erstens: Der Senat erkennt an, dass Raserei kein Kavaliersdelikt ist
und zweitens, Herr Hesse, ist genau das etwas ganz Neues für Ihre Fraktion, weil dann endlich dieses unselige Gerede von der Abzocke im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsüberwachungen vorbei ist, das wir in der letzten Legislaturperiode ewig hören mussten.
Wie Sie jetzt allerdings diese Bundesratsinitiative vor dem Bundesrat vertreten wollen, wenn irgendjemand dort Ihre Antwort auf unsere Große Anfrage liest, dass doch eigentlich hier alles in Ordnung sei und Sie einen Paradigmenwechsel folglich gar nicht einleiten wollen, bleibt uns ein bisschen schleierhaft. Ich schätze, an dieser Stelle müssen Sie noch richtig nacharbeiten.
Das macht deutlich, was Ihr großes Problem bei dem Thema ist, denn Tempo ist für Sie einfach ein Fetisch. Tempo 60 auf Hauptverkehrsstraßen ist und bleibt für Sie ein Dogma der Verkehrspolitik und für dieses Ziel der Beschleunigung des Individualverkehrs, solange er denn motorisiert ist, werden zum Beispiel Ampelschaltungen so verändert, dass es für Fußgänger und Radfahrer immer schwieriger wird, sich einigermaßen flüssig durch die Stadt zu bewegen.
Besonders dramatisch wird das Thema für ältere Menschen. Wir hören immer wieder von älteren Menschen Klagen, zum Beispiel von der Kreuzung Habichtstraße, wo Sie Ihre Form von Telematik ausprobieren, dass sie immer größere Schwierigkeiten haben, innerhalb der Grünphase die Kreuzung zu überqueren. Sie berichten davon, dass sie bedrängt werden, und sie berichten immer wieder übereinstimmend davon, dass das, was die Innenbehörde immer wieder als Slogan ausgibt, die Grünphase allein sei es ja nicht, es gebe ja noch eine Räumphase, die Autofahrer herzlich wenig interessiert. Deswegen leben diese alten Menschen in Angst, und zwar in berechtigter Angst, auf diesen Kreuzungen verletzt oder sogar getötet zu werden. Wir müssen nämlich mittlerweile erkennen, dass die Hälfte aller in Hamburg im Jahr 2004 getöteten Fußgängerinnen und Fußgänger älter als 64 Jahre war; es sind elf Menschen getötet worden. Das Risiko älterer Mitbürger, in Hamburg im Straßenverkehr getötet zu werden, liegt bei 5,2 von hunderttausend Menschen und damit deutlich über jeder anderen Altersgruppe, und zwar ganz besonders bei den Fußgängern. Eine vernünftige Politik müsste doch sofort sagen, da stellen wir um, da nehmen wir den Menschen die Angst, da geben wir Sicherheit. Aber da trägt diese Regierung keine Verantwortung und das macht es wirklich richtig schwierig für die Menschen.
Ein besonders trauriges Kapitel, das wir in jeder Unfallbilanz bis jetzt gefunden haben, bleibt die erschreckend