Protocol of the Session on April 13, 2005

Wer möchte den Antrag aus der Drucksache 18/2017 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit angenommen.

Dann kommen wir zu dem CDU-Antrag aus der Drucksache 18/2077. Wer möchte diesen beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Wir kommen zu Punkt 37 a, Drucksache 18/2058: Bericht des Schulausschusses über den Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes, Reform der Lernmittelbeschaffung, Rauchverbot, Rechtliche Neuregelungen für die Einschulung der Grundschülerinnen und Grundschüler, die Schulorganisation und die Schulentwicklungsplanung.

[Bericht des Schulausschusses über die Drucksache 18/1706: Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes Reform der Lernmittelbeschaffung Rauchverbot Rechtliche Neuregelungen für die Einschulung der Grundschülerinnen und Grundschüler, die Schulorganisation und die Schulentwicklungsplanung – Drucksache 18/2058 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 18/2081 ein Antrag der GAL-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der GAL: Zigarettenautomaten abbauen! – Drucksache 18/2081 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Heinemann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor uns liegt die fünfte Schulgesetznovelle, mit der wir heute drei Problembereiche angehen, die seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten, in Hamburg ungelöst waren.

Die erste Frage: Wie statten wir unsere Schulen in Hamburg mit ausreichend modernen Lernmitteln aus?

Die zweite Frage: Wie gelingt es uns, Schulorganisation auf der einen Seite und Elternwille auf der anderen Seite möglichst optimal zu verbinden?

Die dritte Frage: Wie schaffen wir es, immer jüngere Kinder vom Einstieg in das Rauchen abzuhalten?

Zum ersten Punkt. Hamburgs Schüler haben – das ist ein lange beklagter Fakt – viel zu oft keine aktuellen Schulbücher zur Verfügung. Das mag viele Jahre kein Problem gewesen sein, weil es in Hamburg ohnehin keine neuen Lehrpläne gab. Aber spätestens seit PISA wissen wir alle, dass wir auch die Unterrichtsinhalte ändern müssen. Hier ist Hamburg – Frau Knipper sei bei dieser Gelegenheit ausdrücklich gedankt – seit 2001 deutlich vorangekommen. Wir haben allein 115 neue Rahmenpläne; parallel dazu hat die KMK daran gearbeitet, in den zentralen Bereichen Bildungsstandards zu erlassen. Alles dies muss nicht nur irgendwo auf dem Papier stehen, sondern muss sich natürlich auch in den Schulbüchern widerspiegeln.

Es gab im Ausschuss eine Anhörung mit Experten, mit Erziehungswissenschaftlern. Herr Professor Dr. Lehberger hat zum Beispiel eindeutig erklärt, dass moderne und aktuelle Schulbücher von hoher Bedeutung für einen guten Unterricht seien. Es hat sogar gesagt – ich zitiere –:

"Ich kann im Detail nachweisen, dass die Kriterien von gutem Unterricht sehr eng gekoppelt sind an das, was wir heute an neuen Schulbüchern haben."

Weder der rotgrüne – so ehrlich sollten Sie sein – noch der heutige Senat hatte oder hat ausreichend Geld zur Verfügung, um auf diesem bildungspolitisch natürlich wünschenswerten Niveau die Schulen mit Schulbüchern auszustatten. Der uns vorliegende Gesetzentwurf sieht nun vor, dass die Schulbücher künftig entweder von den Eltern gekauft oder gegen eine Gebühr ausgeliehen werden.

Dabei wurde versucht, das System auf der einen Seite so gerecht und so sozial abgefedert wie möglich zu gestalten und auf der anderen Seite soll es auch möglichst einfach sein. Jetzt kommt natürlich von beiden Seiten Kritik: Den einen ist das Gesetz noch nicht gerecht genug und den anderen ist es schon jetzt zu kompliziert. Professor Dr. Lehberger hat zum Beispiel im Ausschuss gesagt, ein reines Kaufmodell wäre viel einfacher, viel sinnvoller. Wir haben aber Nein dazu gesagt, weil es die Eltern zu sehr belasten würde.

Dennoch ist die Bildungsbehörde in einem Punkt auf die Wünsche gerade auch der Schulleiter eingegangen und

hat noch nachträglich den Gestaltungsspielraum der Schulen erweitert. Die Eltern einer Schule können jetzt gemeinsam darauf verzichten, bei jedem Buch einzeln zu entscheiden, ob sie es kaufen oder lieber leihen wollen – das zieht natürlich einen entsprechenden Aufwand in den Schulen nach sich –, sondern sie können sich stattdessen für eine Paketlösung entscheiden, wo vorher festgelegt wird, diese Bücher entsprechend gemeinsam auszuleihen.

Natürlich gibt es beim Thema Gerechtigkeit – das sehe auch ich – noch eine Lücke zwischen Hartz IV und den mittleren Einkommensschichten, denn dieser Teil der Geringverdiener wird auch meiner Meinung nach zu stark belastet. Aber ich kann mir auch keine individuelle Einkommensüberprüfung in den Schulen vor Ort vorstellen. Das wäre dort nicht leistbar. Es ist, glaube ich, auch ein Schwellenproblem, das nicht nur an dieser Stelle im Schulbereich besteht, sondern bei vielen anderen Themen auch, wo es Grenzen für eine Förderung gibt. Hier muss es mittelfristig über alle Bereiche hinweg eine grundlegende Lösung geben.

Trotz der sozialen Abfederung, der Regelung für kinderreiche Familien und der Tatsache, dass das Hamburger Modell deutlich besser ausgestattet ist als das vergleichbare in Niedersachsen, kann ich alle Eltern verstehen, die sich gegen die neue Regelung wehren. Es gibt aber auch nicht wenige Eltern, die bereit sind, für die Lernmittel etwas zu bezahlen, weil sie sehen, dass ihre Kinder eben nur so zu neuen Schulbüchern kommen können.

Nicht verstehen kann ich die – aus Oppositionssicht natürlich verständliche – populistische Ablehnung durch SPD und GAL. Zum einen verschweigen Sie, dass bereits während Ihrer Regierungszeit das Wort Lernmittelfreiheit vielfach nur noch auf dem Papier stand. Atlanten, Grammatiken und viele andere Bücher werden schon seit langer Zeit mit mehr oder weniger subtilem Druck von den Eltern eingefordert. Ansonsten bestand die Lernmittelfreiheit doch in Wahrheit darin zu entscheiden, ob man ein völlig veraltetes Buch zum zehnten Mal ausleiht oder gleich zum Kopierer geht.

(Wilfried Buss SPD: Das ist doch ein Märchen!)

Zum anderen, Herr Buss, beurteilen Sie die gleichen Sachverhalte, je nachdem, wo sie stattfinden, völlig anders. Was in Berlin und Rheinland-Pfalz sozialdemokratisch ist, ist in Hamburg erstaunlicherweise unsozial. Sie müssten heute einmal erklären, wie Sie zu dieser Bewertung kommen.

(Beifall bei der CDU)

Zum zweiten Punkt. Die Idee der Anmeldeverbünde entstand während der Diskussionen um die Schulentwicklungsplanung, und zwar ganz besonders am Eimsbüttler Marktplatz – Frau Fiedler wird das kennen. Die Schule Rellinger Straße, die von der Schließung bedroht war, beklagte sich zu Recht, dass sie eigentlich das bessere Profil, aber einen viel zu kleinen Schulbezirk habe, aus dem sich die Schüler dieser Schule rekrutieren. Die Bildungsbehörde hat sich daher entschlossen, drei benachbarte Schulen in einem so genannten Anmeldeverbund zusammenzufassen, damit die Eltern die Chance haben, frei zu entscheiden, welche Schule sie für ihr Kind auswählen möchten und ihnen eben nicht nur die eine zugewiesene Schule zur Verfügung steht. Das Ergebnis ist heute, dass die Schule Rellinger Straße mit ihrer Argumentation offenbar Recht hatte. Nach meinem Kenntnis

stand hat sie in diesem Anmeldeverbund die meisten Anmeldungen bekommen. Offenbar konnte sie die Eltern mit ihrem Konzept überzeugen und offensichtlich haben wir ihnen die Möglichkeit gegeben, diesem Wunsch Ausdruck zu verleihen.

Man muss gute Ideen nun nicht auf eine Region beschränken. Schließlich haben wir in ganz Hamburg das gleiche Problem. Eigentlich durften sich die Schüler bisher nur an der jeweiligen Bezirksgrundschule anmelden. Nur wer sich im ganzen Paragraphendschungel auskannte – das waren natürlich nicht die bildungsbenachteiligten Eltern, die Ihnen angeblich sonst immer so am Herzen liegen –, fand trickreich Mittel und Wege, seine Kinder an anderen Grundschulen anzumelden.

Natürlich passten die Anmeldezahlen in den zum Teil sehr starren Schulbezirksgrenzen nicht immer zu den gewünschten Klassengrößen. Die Schulbehörde hat dann entweder am Grünen Tisch in der Hamburger Straße die Schüler hin und her organisiert oder es wurden in Teilbereichen auch deutlich zu kleine oder woanders deutlich zu große Klassen eingerichtet.

Zu kleine Klassen klingen auf den Beobachter zunächst einmal positiv. Das Problem ist aber, dass Hamburg die Lehrerstellen schon immer nach Schülerzahlen zugewiesen hat. Kleine Klassen heißt also wenig Lehrer. Kleine Klassen sind also kein Problem für die Bildungsbehörde; sie kostet es genauso viel. Zu kleine Klassen waren hingegen schon immer ein Problem für die jeweilige Schule. Diese mussten sich dann irgendwie auf unkonventionellem Wege behelfen.

Sie haben zum Beispiel die Sprachfördermittel oder die Vertretungsmittel dazu benutzt, den Regelunterricht abzudecken. Bei der kleinsten Grippewelle musste dann aber der Unterricht ausfallen, weil alle Vertretungsreserven der Schulen schon fest verplant waren.

Wenn wir also künftig Unterrichtsausfall vermeiden, wenn wir künftig die extra zugewiesenen Lehrerstunden für besondere Bedarfe auch genau dafür einsetzen wollen – wie zum Beispiel für Sprachförderung –, dann müssen wir die Klassen und Schulen besser, möglichst optimal organisieren.

(Beifall bei der CDU)

Das Entscheidende an dem neuen Modell ist aber, dass die jeweiligen Anmelderunden nicht mehr von jemandem am Grünen Tisch organisiert werden, sondern von kenntnisreichen Experten vor Ort, nämlich von den Schulleitungen gemeinsam mit der Schulaufsicht. Jeder von ihnen kennt seine Schule, die Region, die Schulwege, kennt zum Teil auch bereits die Kinder aus der Vorschule, aus den Anmeldungen, kennt die Eltern und kann daher bestmöglich entscheiden, wo welche Kinder – wenn sie denn umverteilt werden müssen – künftig zur Schule gehen. Auch dies ist, glaube ich, ein Schritt zur Selbstverantwortung der Schulen.

Zum letzten Punkt, nämlich zum Rauchverbot in den Schulen. Seit Jahren beklagen wir doch, dass immer jüngere Kinder mit dem Rauchen anfangen; nur wir reagieren nicht. Dabei wissen wir doch ganz genau, dass es für jüngere Schüler natürlich attraktiv ist, zu den älteren Schülern in den Raucherhof zu gehen. Wir wissen natürlich auch, dass man dort dann irgendwann die erste Zigarette schnorrt, weil man zu den Älteren gehören will und weil das cool ist. Wir wissen natürlich auch, dass es den

Biologielehrer nicht glaubhafter macht, wenn er im Unterricht gegen den Tabakkonsum predigt und selbst nach Zigarettenrauch stinkt.

Ich würde mich daher freuen, wenn wir zumindest in diesem einen Punkt über alle Fraktionsgrenzen hinweg zu einer gemeinsamen Position kommen könnten. Ich verstehe es auch nicht ganz, wenn die liebe Kollegin Katja Husen zwar heute wieder die Jeanne d'Arc im Kampf gegen die Zigarettenautomaten spielt, bei dem ich inhaltlich in vielen Punkten bei ihr bin, aber in den Schulen erstaunlicherweise nicht auf ein Rauchverbot setzt. Während manche Grünen immer noch fordern, dass endlich ein Joint durch Deutschland gehen müsse, hat Herr Maaß endlich – leider ist er nicht mehr da – die Zeichen der Zeit erkannt. Es war nur leider beim falschen Thema.

Ich habe vor wenigen Tagen gleich dreimal hinsehen müssen, als ich diesen Satz von ihm las:

"Flugblätter, Appelle und ermahnende Gespräche, das reicht aus Sicht der GAL nicht aus."

Das ist richtig. Und da wir Kinder nicht nur vor Hunden, sondern auch vor Zigaretten schützen wollen, brauchen wir das Rauchverbot an allen Schulen. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Ernst.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Heute entscheidet die Hamburger CDU erneut zulasten von Eltern und Kindern. Die Abschaffung der Lernmittelfreiheit ist nur ein Baustein in der langen Liste von Belastungen, die Hamburgs Eltern künftig tragen müssen: Gebühren für Vorschulen, Erhöhung der KitaGebühren, Gebühren für das Schulschwimmen, höhere Gebühren für den Sport. Gleichzeitig werden Bücherhallen und Schwimmbäder geschlossen.Wir sind alle Zeuginnen und Zeugen eines Doppelspiels der Hamburger Landespolitik. In Regierungserklärungen und Reden wird gern betont, wie wichtig die Familien für Hamburgs Zukunft seien und welche Anstrengungen unternommen werden müssen, um Familien in Hamburg zu halten. Die politische Praxis hat jedoch mit diesen Reden und Erklärungen überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)

Eine Gebühr, eine zusätzliche Belastung folgt der anderen, sodass es uns politisch Eingeweihten schon schwer fällt, den Überblick über die vielen Belastungen zu behalten, die auf die Eltern zukommen.

Die Eltern ärgern sich über die Ignoranz, die man ihnen gegenüber aufbringt. Die Eltern ärgern sich über die Leistungen – für Klassenreisen, für Lernmittel, für Nachhilfe, für den Schulverein –, die sie jetzt schon für ihre Kinder aufbringen. Hier leisten Eltern Erhebliches und ihnen wird vermittelt, dass sie hier bisher zu wenig getan haben und deswegen dafür herangezogen werden müssen.

Hamburgs Eltern ärgern sich vor allem auch über die Maßlosigkeit der Forderungen. Niemand kann ein Ende der steigenden Belastungen absehen. Die Schulsenatorin wollte sogar normale Kurse an Ganztagsschulen gebührenpflichtig machen.

(Robert Heinemann CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Dass es Ihnen gar nicht schnell genug gehen kann, Hamburgs Eltern abzuzocken, zeigt auch, dass Sie heute mit Ihrer parlamentarischen Mehrheit das Schulgesetz auf die Tagesordnung gesetzt haben, obwohl es noch nicht einmal abschließend beraten wurde. Sie haben die Paketlösung nicht in der Verordnung verankert, Sie haben heute selbst einen Beitrag dazu geleistet, wo aus Ihrer Sicht nachgebessert werden muss. Ich kann Ihnen sagen, dass Hamburgs Eltern im Ergebnis auch nicht verstehen, warum mit drei Kindern in der Summe weniger für Schulbücher bezahlt wird als mit zwei Kindern und warum man mit drei schulpflichtigen Kindern mehr Ermäßigung bekommt als mit zwei Kindern und einem nicht schulpflichtigen Kind. Auch das nervt die Eltern, weil in Ihrer Kleinlichkeit auch noch deutlich wird, wie sehr es Ihnen um Abzockerei geht.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch und Christiane Blömeke, beide GAL)