und ob Jugendliche mit Diagnosen wie Persönlichkeitsstörung in der Feuerbergstraße überhaupt richtig untergebracht sind. Genau das sind viele Fragen, auf die wir bislang gar keine Antwort erhalten haben.
Sie merken, es geht der GAL längst nicht mehr nur um die Frage, warum bis jetzt 20 Jugendliche aus dieser geschlossenen Einrichtung fliehen konnten und ob die Behörde hier etwas verschwiegen hat.
Diese Entweichungen sind letztendlich nur die verzweifelte Reaktion der Jugendlichen auf ein pädagogisches Konzept, das die Gewaltspirale immer höher schraubt und eine Beziehungsarbeit – das, was Jugendpolitiker wirklich unter Beziehungsarbeit verstehen – zwischen Betreuern und Jugendlichen nahezu unmöglich macht. Nein, die Zeit ist überreif, der Realität dieser gescheiterten Einrichtung Gehör zu verschaffen.
Für die GAL wird es ebenso wichtig sein, Untersuchungen der Rechtmäßigkeit von geschlossenen Einrichtungen einzufordern und nachzuweisen, dass dauerhaft geschlossene Einrichtungen nicht in den Maßnahmenkatalog von Jugendhilfe gehören. Wir haben immer schon an diesem Thema gearbeitet. Vorhin wurde die EnqueteKommission angesprochen. Es ist für die GAL selbstverständlich, die Alternativkonzepte immer wieder zur Sprache zu bringen. Noch im letzten Haushaltsantrag haben wir uns deutlich zu diesem Thema geäußert. Dort, wo ein pädagogisches Konzept "geordnetes Zu-Boden-Bringenund-Fixieren", wie es im Fachjargon heißt, sowie das Fesseln von Jugendlichen zulässt – da können selbst Adjektive in Ihrer Großen Anfrage wie "schöne", "breite", "weiche" Klettbänder nichts beschönigen – und im gleichen Atemzug als einen Schwerpunkt das Anti-GewaltTraining mit den Jugendlichen nennt, kann nicht von einer klaren Erziehungslinie gesprochen werden. Dort, wo eine Jugendhilfeeinrichtung gesichert ist, wie ein Jugendknast, sodass jeder Bürger nur das Wort "Jugendknast" benutzt, wo vergitterte und bruchsichere Fenster, Videoüberwachungsanlagen und ein Sicherheitsdienst das Alltagsbild bestimmen, kann nicht mehr von einer Hilfe zur Erziehung gesprochen werden. Dort, wo eine Dienstvorschrift vorsieht, dass alle Übergriffe der Jugendlichen, sei es Beleidigung, Sachbeschädigung oder auch körperliche Attacken, die sie im Rahmen ihrer so genannten Erziehung vor Ort in der geschlossenen Einrichtung begehen, zur Anzeige gebracht werden müssen, wird den Jugendlichen immer weniger Zukunftsperspektive gegeben.
Die Hauptfragen aber, um die es gehen wird, sind die Fragen, die Herr Böwer auch schon ausführte, ob Senatorin Schnieber-Jastram ihrer Verantwortung zum Schutz der Jugendlichen gerecht wird, warum sie nicht rechtzeitig reagiert hat, warum sie immer noch nicht reagiert und warum die Aufsichtskommission erst so spät eingesetzt wurde – und das vor allen Dingen erst auf massiven Druck der Opposition –
und warum sie ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern nicht nachgekommen ist. Solche Fragen, Herr Weinberg, sprengen einfach den Rahmen eines Fachausschusses. Hierfür benötigen wir einen PUA, um auch die Mitarbeiter und die Ärzte, die Sie, Herr Hesse, angesprochen haben, einzuladen.
Dabei, sehr verehrte Kollegen von der CDU-Fraktion, können wir nicht verhindern, dass Sie mit Ihrer Mehrheit eine Erweiterung des PUA-Antrages beschließen. Wir werden aber eine Verwässerung des ursprünglichen PUA-Antrages zu verhindern wissen, denn eines ist sicher: Zentral ist die Frage und das Thema, die Fakten der Feuerbergstraße. Diese gehören auf den Tisch und nichts anderes.
Ich hatte gehofft, der Kollege Hesse würde sich zuerst melden, denn das, was der Kollege Weinberg – den ich ja ansonsten schätze – hier zu diesem Thema vorgebracht hat, war äußerst dürftig.
Herr Weinberg, es geht nicht darum festzustellen, dass es in der geschlossenen Unterbringung besonders kriminelle oder besonders schwierige Jugendliche gibt. Das wissen wir alle. Danke dennoch an die Kolleginnen und Kollegen der CDU für die Große Anfrage. Das spart Sortierarbeit. Aber die Anfrage ist mittlerweile beantwortet. Ich weiß nicht, warum Sie die jetzt noch einmal als Zusatzantrag für den PUA stellen. Ich weiß auch nicht, warum Sie unter Punkt 1 noch eine Historikerkommission aufmachen wollen.
Wir haben den Enquete-Bericht aus der 16. Wahlperiode, wir haben die Evaluation der intensiv betreuten Wohngruppen mit einem 200-Seiten-Gutachten von Villmow. Darin steht das Schlechte und das Gute. Das ist alles berichtet und dokumentiert. Es geht auch nicht darum, festzustellen, dass es diese Jugendlichen bereits vor der Einrichtung in der Feuerbergstraße gab. Auch das ist bekannt. Und es ist bekannt, Kolleginnen und Kollegen aus der CDU, dass wir daraus die Konsequenzen gezogen haben.
Auch das stimmt, Herr Hesse. Auch das war ein Grund für die Wahlentscheidung der Bürgerinnen und Bürger und ist somit dokumentiert. Darüber brauchen wir gar nicht zu streiten.
Wir haben die Konsequenzen daraus gezogen. Die Tatsache aber, dass wir geschlossene Einrichtungen akzeptieren – das können Sie nachlesen – führt nicht dazu,
Herr Weinberg, Sie haben darauf hingewiesen, dass dies eine Jugendhilfeeinrichtung sei. Zu Recht. Als Jugendhilfeeinrichtung hat die Feuerbergstraße ein doppeltes Versprechen zu erfüllen: Wenn sie a) eine Jugendhilfeeinrichtung ist, für eine kleine Gruppe von Jugendlichen, muss sie diesen helfen. Und wenn sie dieses nicht tut, kann sie b) nicht dazu beitragen, dass das Gefährdungspotenzial der Jugendlichen für sich selbst und für andere Menschen sinkt. Wenn a) nicht funktioniert, kann b) nicht funktionieren. Ob diese Einrichtung ihr doppeltes Versprechen erfüllen kann: Dafür liegt – und darauf weisen wir zu Recht hin – die fachliche und politische Verantwortung beim derzeitigen Senat und das sind Sie, Frau Schnieber-Jastram.
Dass dieser Senat diese Verantwortung nicht wahrnimmt – der Kollege Böwer hat dies ausführlich dargestellt –, wird bereits aus den Akten deutlich und wird durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss noch deutlicher hervortreten. Frau Blömeke wies darauf hin. Der PUA gibt uns zum Beispiel Zugriff auf weitere Akten. Ich habe den Eindruck, dass diese immer noch nicht vollständig sind. Und er gibt uns die Möglichkeit, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, derzeitige und die vielen ehemaligen, als Zeugen zu hören. Ich verfolge zum Beispiel derzeit mit Interesse den Bericht von Dr. Martin Herz im ersten Quartalsheft des Forums für Kinder- und Jugendarbeit, einem Kurzzeitmitarbeiter in der geschlossenen Unterbringung. Seine Eindrücke, dort nachzulesen
tut das mal –, kann man, wenn man höflich ist, "bizarr" nennen. Sie, Frau Senatorin Schnieber-Jastram, lassen die Jugendlichen alleine, Sie lassen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alleine und weil dies so ist, kann diese Einrichtung weder das Jugendhilfe- noch das Sicherheitsversprechen einlösen.
Dass die Jungs so schwierig sind, Herr Weinberg, Herr Hesse, ist keine Begründung dafür, dass die Einrichtung in Ihrer Verantwortung so schlecht geführt wird.
Und, Herr Weinberg, ich sage das durchaus auch selbstkritisch und mit einem Blick auf die Vergangenheit: Wenn man anfängt, die Fakten umzudefinieren, dann hat man schon verloren. Sie aber versuchen, sich auf diese billige Art und Weise aus der Verantwortung herauszudrehen. Damit sollten Sie nicht beginnen. Insofern lassen Sie uns in diesem PUA zur gemeinsam Aufklärung, was diese Einrichtung angeht, beitragen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihr politisches Feuerwerk, liebe Kolleginnen von der SPD und der GAL, geht an der Realität vorbei.
Ich bin gern bereit, dies auch zu erläutern, so, wie ich es schon zu anderen Zeitpunkten und an anderen Orten getan habe. Ich möchte vorwegnehmen, Frau Kollegin Dr. Hilgers, dass wir und auch die CDU-Fraktion, sehr gern die politische Verantwortung für diese Einrichtung übernehmen, denn sie war dringend notwendig und die CDU-Fraktion war es, die sie eingeführt hat. Darauf bin ich stolz und darüber freue ich mich.
Ich möchte hier auch gar nicht, wie der Kollege Weinberg es angedeutet hat – und er hat Recht –, etwas zu den Kosten eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses sagen. Und wenn jetzt der Bund der Steuerzahler meint, das sei sehr teuer und würde allein wahrscheinlich wieder 800 000 Euro Personalkosten bedeuten und so weiter – dann mag die Öffentlichkeit, das mögen die Journalisten bewerten, ob es angemessen ist, ob das Parlament so etwas machen sollte.
Ich möchte Ihre heutigen Vorwürfe hier abarbeiten und möchte gern noch einmal klarstellen, wer Ihre Zeugen sind, denn das, was Sie hier heute vorgetragen haben, haben Sie entweder von irgendwelchen Jugendlichen, die etwas behauptet haben, von Mitarbeitern, die kurze Zeit in der Einrichtung waren – wie ich es eben gehört habe, Frau Dr. Hilgers – oder Sie haben in irgendeiner Form versucht, Dinge zu dramatisieren, zu skandalisieren, die aus der Akteneinsicht hervorgingen, die aber gar nicht skandalisierbar sind.
Es hat – und das hat der Kollege Weinberg sehr deutlich gemacht, Herr Neumann – an Informationen zu dieser Einrichtung und zur Arbeit in dieser Einrichtung nie ein Defizit gegeben. Es sind diverse Anfragen gestellt worden und alle sind beantwortet worden.
Ausführlich sind sie behandelt worden. Wir haben, Frau Dr. Hilgers, diverse Selbstbefassungsangelegenheiten im Ausschuss gehabt und immer hat die Behörde ausführlich geantwortet und dargestellt, was in dieser Einrichtung passiert. Und wir haben in den letzten Wochen auch noch Akteneinsicht gehabt und alles dargelegt, alles dargestellt,
und jetzt noch die Große Anfrage gestellt, die einwandfrei beantwortet wurde. Was wollen Sie eigentlich in diesem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss noch recherchieren? Ich weiß es nicht. Deswegen glaube ich, sind auch die Fragen, die wir gestellt haben – da haben Sie ja völlig Recht, Frau Dr. Hilgers – natürlich schon beantwortet, genauso wie Ihre Fragen auch. Ich könnte sie Stück für Stück herunterdeklinieren und beantworten. Wir werden nichts, absolut gar nichts mit diesem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ans Tageslicht bringen. Er wird lediglich dazu führen, dass Personalressourcen gebunden werden, es wird den Steuerzahler Geld kosten, aber inhaltlich werden wir feststellen – davon bin ich überzeugt –, dass diese geschlossene Einrichtung dringend notwendig war und hier in der Stadt eine gute Arbeit macht.
(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Wenn Sie bis dahin noch genug Abgeordnete ha- ben, um abzustimmen!)
Besondere Vorgänge, Herr Neumann, sind angesprochen worden. Natürlich haben wir besondere Vorkommnisse in dieser Einrichtung gehabt. Wen wundert das aber auch? Wenn Sie denn schon meine Große Anfrage nehmen und die Antwort hier zitieren, dann doch bitte so, dass man darstellt, um wen es sich in dieser Einrichtung handelt. Das sind 25 Minderjährige, denen nicht weniger als 571 Straftaten zur Last gelegt werden. 571, das mag man sich einmal vorstellen.