Protocol of the Session on February 23, 2005

Ein Schulentwicklungsplan hat gerade sozial schwächere Stadtteile nach vorne zu entwickeln; deswegen heißt er nämlich auch so. Ich muss also über Maßnahmen nachdenken, wie ich gerade dort mehr Kinder zu höheren Bildungsabschlüssen führen kann. Wenn bisher nur 25 Prozent der Schüler das Gymnasium besuchen statt hamburgweit 40 Prozent, dann muss ich mir, Frau Senatorin, doch Gedanken machen, wie ich das ändere. Sie aber schreiben einfach die bisherigen Anmeldungsquoten fort. In Barmbek werden zum Beispiel 3000 zusätzliche Wohnungen 300 Grundschüler mehr ergeben. Am Gymnasium kommen laut Ihrem Entwicklungsmodell aber nur 30 mehr an, also eine Übergangsquote von gerade einmal 10 Prozent.

In der Region A 4 – Blankenese, Rissen und Nienstedten – werden zum Beispiel 236 Grundschüler zusätzlich erwartet, in den Gymnasien kommen aber 80 Schüler mehr an. Das ist eine Übergangsquote von 30 Prozent. Sie entwickeln also keine neue Strategie, um diese Ungleichheit in den Stadtteilen zu bekämpfen, sondern Sie schreiben die alte einfach fort. Die Zukunft der Kinder in den benachteiligten Stadtteilen ist Ihnen völlig egal.

(Beifall bei der SPD)

Ein Schulentwicklungsplan hat sich den Problemen der Schulstrukturen zu stellen. Sie halten sich nicht einmal an die eigenen Vorgaben Ihrer Erstanalyse, wonach Gymnasien mindestens 90 bis 100 Schüler pro Jahrgang haben sollten, damit genügend Schüler für eine qualitative und attraktive Oberstufe generiert werden können. Sie trauen sich an diese Frage gar nicht heran. Sie lassen die viel zu kleinen Gymnasien weiter wursteln, weil Sie nämlich Angst vor deren Klientel haben.

Gleich werden Sie sagen, dass Sie zwei Gymnasien schließen würden. Aber wo, Herr Heinemann? – Natürlich in den benachteiligten Stadtteilen Billstedt und in Barmbek. So wird es gemacht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL – Klaus-Peter Hesse CDU: Ja, ja!)

Ja, ja, Herr Hesse.

Sie sagen selbst, dass über die Frage der Schließungen erst nach der diesjährigen Anmelderunde Anfang März und dann im Juni von der Deputation entschieden werden soll. In Ihrer eigenen Broschüre "Den richtigen Weg wählen" schreiben Sie dezidiert hinein, dass an diesen Standorten, den der Schulentwicklungsplan aufzeigt, keine Eingangsklassen der Jahrgangsstufe fünf eingerichtet werden sollen. Wie gehen Sie in dieser Frage mit

dem Elternwillen um? Frau Senatorin, erklären Sie hier und heute, was für die Eltern gelten soll. Das eine oder das andere?

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GAL)

Es bleibt festzuhalten, dass das vorgelegte Senatspapier nicht im Entferntesten ein Entwicklungs-, sondern ein Schließungsplan ist. Herr Senator Peiner, er folgt allein finanziellen Beweggründen, um auch bei der Bildung einzusparen. Das steht – das kann man hier ganz deutlich darstellen –

(Zuruf von Robert Heinemann CDU)

voll im Widerspruch zu dem, was Sie hier vorher gesagt haben. Selbst Einsparungen erreichen Sie durch diese 13 Schließungen nicht.

(Zuruf von Robert Heinemann CDU)

Vor allen Dingen dann nicht, Herr Heinemann, wenn man dagegenrechnet, dass in die zu schließenden Schulen in den letzten fünf Jahren 8,5 Millionen Euro investiert wurden. Die Senatorin ist also selbst bei ihrem eigentlichen Hauptziel – dem Sparen –, Herr Heinemann,

(Zuruf von Robert Heinemann CDU)

vollkommen gescheitert. Das ist der Punkt, Herr Heinemann.

Meine Damen und Herren von der CDU! Folgen Sie unserem Antrag, ziehen Sie das Senatspapier zurück

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das wäre ja etwas ganz Neues! Wir ziehen den Senatsantrag zurück!)

und machen Sie einen neuen, echten Entwicklungsplan, der die Bildung in Hamburg voranbringt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Heinemann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lieber Herr Buss! Selten ist so deutlich geworden wie heute, dass die SPD leider überhaupt keinen Plan hat, was sie eigentlich in der Schulpolitik will.

(Beifall bei der CDU)

Das ist auch kein Wunder, wenn die beiden großen Vorsitzenden – der eine sitzt dort – in der Schulpolitik gern mal danebenlangen. Herr Neumann hat von diesem Pult behauptet, dass 75 Prozent aller Hauptschüler keinen Abschluss schaffen würden.

(Michael Neumann SPD: Das stimmt doch gar nicht! Das ist doch Quatsch!)

Ich habe etwas mitgebracht, weil Sie immer behaupten, dass ich nur Unsinn erzählen würde. Es steht hier schwarz auf weiß – lesen Sie es nach –, dass es in Wahrheit nur 20 Prozent sind.

Herr Petersen hat gerade in der letzten Woche in einer Pressemitteilung munter förderbedürftige mit behinderten Schülerinnen und Schülern verwechselt. Ich habe gedacht, dass er als Arzt den Unterschied kennt. Es wundert mich von daher auch nur ein wenig, dass die SPD beim Thema Schulentwicklungsplanung die Devise verfolgt: Wir brauchen keine Linie, wir sind eine Volkspartei.

(Zuruf von Luisa Fiedler SPD)

Herr Weinberg hat auch schon deutlich gemacht, was in der letzten Sitzung des Schulausschusses abgelaufen ist. Dort wurde deutlich, dass die SPD in Teilen im Prinzip – wie bei Radio Eriwan – für das Elternwahlrecht ist, das sagt zumindest der Teil um Herrn Buss, der andere Teil will dies aber nur, wenn die Eltern das wählen, was er will – also wenn die Eltern in ihren Stadtteilen bleiben –

(Luisa Fiedler SPD: Das ist Quatsch, was Sie sagen!)

und wenn die Schulform gewählt wird – aber ja nicht die Hauptschule –, die der SPD gefällt.

Einig sind Sie sich bei den sonstigen Kriterien für die Schulentwicklungsplanung. Die entscheidenden Kriterien für die SPD sind die Qualität einer Schule, daneben die kurzen Wege und eine ausgeglichene Versorgung der Stadtteile. Das Erstaunliche ist, dass Sie sich sogar mit der Bildungsbehörde und der CDU einig sind, denn wenn Sie einmal in den Schulentwicklungsplan hineinschauen würden, dann könnten Sie feststellen, dass dort die gleichen Kriterien stehen. Es gibt nur einen kleinen Unterschied zwischen der Bildungsbehörde und der CDU auf der einen und der SPD auf der anderen Seite: Für Sie darf eine Schule nicht geschlossen werden, wenn Sie entweder qualitativ gut ist oder gute Anmeldezahlen hat, kurze Wege sicherstellt, vor kurzem erst renoviert wurde, an einem tollen Projekt teilnimmt, in den Stadtteil integriert ist oder aus irgendeinem anderen Grunde etwas Besonderes ist.

Das Schöne in Hamburg ist, dass jede Schule besondere Qualitätsmerkmale hat. Man könnte sagen, dass die SPD die eigentlich konservative Partei in dieser Stadt ist, weil alles so bleiben soll, wie es ist. Die Bildungsbehörde hat hingegen abgewogen, welche Kriterien wo und wie zu gewichten sind und wie gleichzeitig die Zahl der Schulen an die veränderten Prognosen angepasst werden kann. Das haben Sie leider nicht gesagt, Herr Buss.

1994 ging der damalige SPD-Senat davon aus, dass es heute 175 000 Schüler in Hamburg geben würde, de facto sind es aber nur 150 000. Das sind also 25 000 Schüler weniger, davon allein 10 000 Grundschüler. Die Planung muss natürlich dementsprechend angepasst werden. Die SPD legt leider für diese Problematik überhaupt keinen Lösungsansatz vor.

Meine geschätzte Kollegin Frau Mandel – ich sehe sie gerade nicht – hat in der letzten Debatte zur Schulentwicklungsplanung hier ganz ehrlich gesagt:

"Irgendetwas müsst ihr auch alleine machen."

Das ist der konstruktive Oppositionsansatz der SPD. Dieses Mal ist es auch genauso.

Statt konkreter Vorschläge erhielten wir gestern ein mit heißer Nadel gestricktes Sammelsurium von aktuellen schulpolitischen Themen. Ihr Antrag hat mit dem, was zum Thema Schulentwicklungsplanung im Gesetz steht, überhaupt nichts zu tun. Tun Sie nicht so, als ob Sie nicht gewusst hätten, worüber Sie damals hinsichtlich unseres Antrages abgestimmt haben. Die Überschrift dieses Antrags lautete: Zweistufige Schulstandortplanung. Dem haben Sie zugestimmt, das war unsere gemeinsame, von uns gewollte Schulentwicklungsplanung, wie sie im Gesetz steht, nichts anderes. Und nichts anderes haben Sie damals gefordert.

(Beifall bei der CDU)

Leider ist Ihr Antrag auch inhaltlich völlig unsinnig. Sie fordern unter anderem ein Netz von Ganztagsschulen; exakt das hat die Senatorin gerade vorgestellt.

(Wilfried Buss SPD: Nein!)

Zum 1. August werden wir die Zahl der Ganztagsschulen in Hamburg verdoppeln.

(Gerhard Lein SPD: Das ist doch Quatsch!)

Sie behaupten, dass der Senat nichts tun würde. Ich weiß nicht, woher Sie diese Behauptung nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Sie fordern auch eine Lösung für die Gymnasien. Auch hierin ist sich die SPD wieder einmal nicht einig. Welche Lösung wollen Sie eigentlich? Wollen Sie – wie die GAL – Oberstufenzentren oder wollen Sie – wie die CDU – einen verbindlicheren Fächerkanon und Lernverbände? Sie beantragen hier einfach eine bessere Kooperation der Oberstufen. Ich glaube, das ist ein Schlag ins Gesicht aller Oberstufenkoordinatoren von Hamburgs Gymnasien, die seit Jahren versuchen, kreative Lösungen auf die Beine zu stellen. Was verstehen Sie unter einer besseren Kooperation der Oberstufen? Das sollten Sie hier wirklich einmal erläutern.

Mit einem einzigen lapidaren Satz fordern Sie dann noch die Kooperation von Schulen und Einrichtungen der Jugendhilfe. Das ist inhaltlich richtig, aber ein Satz ist natürlich zu wenig. Ebenso lapidar fordern Sie den Ausbau der integrativen Regelklassen, ohne die notwendigen Ressourcen auch nur ansatzweise zu benennen.

(Wilfried Buss SPD: Das haben wir in unseren vorherigen Anträgen aufgezeigt!)