Protocol of the Session on February 3, 2005

Politisch tragen wir Sozialdemokraten die Verantwortung dafür, dass Brechmittel in unserer Stadt zum Einsatz kommen. Zu dieser Verantwortung bekennen wir uns auch heute ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Diethelm Stehr CDU)

Denn es war unser Innensenator Olaf Scholz, der im Sommer 2001 im Rahmen eines Gesamtkonzepts aus präventiven und repressiven Maßnahmen den Einsatz von Brechmitteln eingeleitet hat. Eine gemeinsame Verfügung von Polizei und Staatsanwaltschaft regelte damals den abgestuften Einsatz dieser Maßnahmen – entsprechend Paragraph 81 a Strafprozessordnung – unter strengster Beachtung der Verhältnismäßigkeit und unter qualifizierter ärztlicher Begleitung. Dieses strenge Verfahren sollte es ermöglichen, ein Höchstmaß an Sicherheit zu gewährleisten, um alle denkbaren Risiken auszuschalten und trotzdem die notwendigen Beweise zu sichern und eine effektive Strafverfolgung der Dealer zu gewährleisten.

Dazu gehören immer auch ärztliche Untersuchungen im Vorfeld und eine entsprechende notärztliche Begleitung während des Einsatzes, um im Notfall unmittelbar Rettungsmaßnahmen ergreifen zu können. Dies ist für uns auch heute noch der Maßstab. Es darf nicht billigend in Kauf genommen werden, dass Menschen dabei zu Schaden kommen. Das verlangen wir, das verlangt das Gesetz.

(Beifall bei der SPD, der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Dieses bei jedem einzelnen Einsatz zu gewährleisten, liegt im Moment in Ihrer Verantwortung und in der Verantwortung des Senats. Zu dieser Verantwortung gehört es auch, das Verfahren in rechtlicher, medizinischer und organisatorischer Hinsicht ständig zu überprüfen und weiterzuentwickeln.

Das Ziel der Maßnahme ist und bleibt die Beweissicherung. Wir wollen und wir müssen Dealer überführen, auch wenn sie die Drogen in dieser Situation hinunterschlucken. Darum geht es. Das ist der Sinn dieses Brechmitteleinsatzes, der keinen Selbstzweck und schon gar keinen vorgezogenen Strafzweck hat. Das sollten Sie sich immer wieder vor Augen führen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Dazu gehört auch, sich auch die Alternativen, die denselben Zweck erreichen, näher anzuschauen, zum Beispiel die Injektion von Apomorphin als Alternative zum herkömmlichen Brechmitteleinsatz. Inwieweit kann gegen den Täter wegen Verdunkelungsgefahr eine Untersuchungshaft verhängt werden, in deren Rahmen es dann zu einer natürlichen Ausscheidung der Drogenpäckchen

kommt? Hierüber sollten wir im Rahmen einer Überweisung dieses Antrages an die zuständigen Ausschüsse beraten.

Für uns Sozialdemokraten ist aber klar, dass hier im Moment die Ultima Ratio der Beweismittelsicherung an dieser Stelle der Brechmitteleinsatz sein muss. Genau deswegen können wir hier und heute nicht einfach mal eben den Stopp dieser Maßnahme beschließen. Das zentrale Ziel, das uns alle eint, nämlich eine wirksame Bekämpfung der Drogenkriminalität in dieser Stadt, müssen wir erreichen und das muss hier entsprechende Beachtung finden.

Noch ein Wort zum Thema Drogenszene. Dazu hat es heute eine entsprechende Mitteilung des Senats gegeben. Wie wir heute gelesen haben, gibt es sie angeblich gar nicht mehr. Die Realität sieht in Wahrheit aber ganz anders aus. Wir sehen es an vielen Stellen in verschiedenen Stadtteilen von Hamburg. Es kann jeder vor Ort beobachten, dass die Realität anders aussieht. Die Drogenszene ist weiter vorhanden, teils offen, teils verdeckt, und damit auch die Notwendigkeit, dass wir hier mit Härte und Konsequenz vorgehen müssen. Es gibt deshalb keine Entwarnung in Sachen Drogenszene. Deshalb können wir auf die Form der Beweissicherung an dieser Stelle nicht einfach verzichten.

Trotzdem – das zeigen die regelmäßigen GAL-Anfragen zu diesem Thema – sind die Fälle der zwangsweisen Verabreichung der Brechmittel zurückgegangen. Das ist auch ein Zeichen, dass der Weg, den Olaf Scholz im Sommer 2001 eingeschlagen hat, richtig war.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb sagen wir Sozialdemokraten: Wir sind für Härte und Konsequenz gegen die Täter, aber niemand darf den Tod eines Straftäters in Kauf nehmen. Ich appelliere an Sie: Behalten Sie die Alternativen im Auge und tun Sie alles medizinisch Mögliche dafür, dass sich ein Fall wie in Bremen oder der Fall in Hamburg im Dezember 2001 nicht wiederholen wird. Da sind Sie in der Pflicht.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich Frau Husen das Wort gebe, erteile ich Herrn Dr. Steffen für seine Äußerungen gegen Herrn Ahlhaus einen Ordnungsruf. Frau Husen hat jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Ahlhaus! Es macht Sinn, dass Sie in Ihrer Rede nicht so wirklich zwischen der Brechmittelvergabe und der zwangsweisen Brechmittelvergabe unterscheiden wollten, weil Sie sonst zugeben müssten, dass die GAL sehr wohl ein Interesse daran hat, eine effektive Beweismittelsicherung in Hamburg durchführen zu lassen.

Der Vorwurf an Ihren CDU-Kollegen in Bremen, dass er das Ziel der effektiven Beweismittelsicherung offensichtlich aufgegeben habe, weil er sich so entschieden hat, wie wir es uns mit unserem Antrag für Hamburg erhoffen, ist ziemlich bemerkenswert, da es sich um einen Parteifreund von Ihnen handelt.

(Beifall bei der GAL)

Ich möchte noch eine weitere Sache ansprechen. Die natürliche Ausscheidung muss nicht unbedingt mit Ab

führmitteln herbeigeführt werden. Das ist wahrscheinlich so ähnlich, wie die natürliche Ausscheidung vieler Mitglieder dieser Fraktionen in diesem Hause, die nicht mit Abführmitteln herbeigeführt werden muss.

Zeit ist dabei ein Faktor. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob Zeit ein Faktor ist,

(Christoph Ahlhaus CDU: Dann müssen Sie sie länger festhalten und dafür gibt es keine Rechts- grundlage!)

dem sie das gleiche tödliche Risiko zuschreiben wie der zwangsweisen Vergabe von Brechmitteln. Das wäre nämlich zu entscheiden, wenn man die Frage der Verhältnismäßigkeit korrekt beantworten will. Nein, die zwangsweise Vergabe von Brechmitteln ist definitiv gefährlicher, als jemanden vier Tage in U-Haft mit einem gläsernen Klo zu stecken.

(Beifall bei der GAL)

Diese Antwort hat die CDU in Bremen korrekt beantwortet; die CDU in Hamburg kann das leider nicht.

Zweitens möchte ich dazu sagen – weil hier immer ganz unterschiedliche Zahlen miteinander vermengt werden –:

Wenn wir uns die Zahlen für eine zwangsweise Brechmittelvergabe anschauen, dann ist ein Todesfall bei 20 Verabreichungen immerhin eine fünfprozentige Chance, dass dabei jemand zu Tode kommt. Ich finde nicht, dass dies dafür spricht, dass es sich dabei um ein adäquates verhältnismäßiges Mittel der Beweismittelsicherung handelt.

(Beifall bei der GAL – Zurufe von der CDU)

Ich weiß, dass Sie der GAL immer unterstellen, von Drogenpolitik keine Ahnung zu haben.

(Oh-Rufe bei der CDU)

Aber zu behaupten, dass die Zerschlagung der offenen Drogenszene in den letzten zwei Jahren als direkte Folge einen Rückgang der Drogentoten hatte, ist dermaßen abstrus, dass man nur noch an Ihrer Qualifikation hinsichtlich der Drogenpolitik zweifeln kann.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte den Senat insofern unterstützen, als dass er zwei richtige Gründe angeführt hat.

(Zuruf von Olaf Böttger CDU)

Herr Böttcher, Sie fallen mir auch immer gern im Gesundheitsausschuss ins Wort; vielleicht können Sie jetzt einmal zuhören. Sie haben nämlich auch nicht immer Recht.

(Bernd Reinert CDU: Aber meistens!)

Eher selten, aber Danke für den Zwischenruf.

Die Zerschlagung der Drogenszene wird sich vielleicht frühestens in drei Jahren auf den tatsächlichen Rückgang der Erstkonsumenten auswirken. Bisher können Sie überhaupt keine Beweise dafür liefern, dass diese Zerschlagung – außer die öffentliche Zerschlagung – stattgefunden hat. Sie mögen sich nicht mehr so gerne zu der Frage offene oder verdeckte Drogenszene äußern; das kann ich verstehen.

Die offene Drogenszene ist nämlich unter Umständen tatsächlich zurückgegangen, bei der verdeckten Drogenszene sieht es vielleicht ganz anders aus.

(Christoph Ahlhaus CDU: Woher wissen Sie das denn, wenn sie verdeckt ist?)

Harburger Kollegen Ihrer Partei können das vielleicht bestätigen.

Entscheidend ist doch aber, dass Sie – wenn man sich den Preis der Drogen in Hamburg ansieht – nicht nachweisen können, dass es zu einer Angebotsreduktion gekommen ist. Am Preis müsste es sich nämlich zuerst festmachen lassen können, dass das Angebot zurückgegangen ist.

(Zuruf von Christoph Ahlhaus CDU)

Herr Ahlhaus, Sie haben mit dieser allgemeinen drogenpolitischen Bewertung angefangen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf das Ziel der Beweissicherung hinweisen. Das hat Herr Kollege Dressel von der SPD angesprochen und es wird auch von keiner Fraktion infrage gestellt. Aber die Verhältnismäßigkeit, um dieses Ziel zu erreichen, muss neu beantwortet werden. Es ist wirklich äußerst bedauerlich, dass Sie Ihren Kollegen von der CDU in Bremen an dieser Stelle nicht folgen können, zu erkennen, dass bei einer zwangsweise Vergabe von Brechmitteln im geringfügigen zweistelligen Bereich ein Todesfall beziehungsweise jetzt zwei Todesfälle zwei Todesfälle zu viel sind und man hier zu einem Umdenken kommen muss.

Ich kann nur noch einmal an Sie appellieren, sich im Gesundheitsausschuss vielleicht davon überzeugen zu lassen. Aber ich fürchte, bei Ihnen ist Hopfen und Malz verloren.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der GAL)