Protocol of the Session on February 20, 2002

Der Skandal begann in Bayern vor drei Wochen damit, dass private Labore BSE-Tests falsch ausführten, sodass die Ergebnisse nicht aussagekräftig waren. Die bayerischen Behörden verschlampten die Aufsicht, verzögerten die Meldung der Vorkommnisse und klärten die Öffentlichkeit lange nicht auf. Auch in anderen Bundesländern wurden auf Druck der Bundesregierung verschärfte Kontrollen durchgeführt. Im Ergebnis können bis zu 10000 Tonnen Rindfleisch von Rückrufaktionen betroffen sein. Auch in Hamburg wurde schon falsch getestetes Rindfleisch entdeckt.

Ergebnisse siehe Seiten 345 B, 375 und 376.

Im Zuge des Skandals hat es eine erhebliche Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher und eine große Medienberichterstattung gegeben. Die Fragen lauteten: Wohin ist das Fleisch gelangt? Welche Maßnahmen haben die Behörden eingeleitet, um das Fleisch zu finden und letztendlich zu beschlagnahmen? Sind die Tests auch in den Labors anderer Bundesländer unsicher? Ist falsch getestetes Fleisch möglicherweise auch in unserem Bundesland in den Handel gelangt? Müssen sich die Verbraucher Sorgen machen?

In den Hamburger Zeitungen konnte man beinahe täglich Verlautbarungen von Bundes- und Landesministern lesen, was getan wird und inwieweit Anlass zur Sorge besteht oder was noch zu tun ist. Sogar McDonald’s hat reagiert und durch aktive Öffentlichkeitsarbeit und Beschlagnahme von Fleisch zur Aufklärung und Krisenintervention beigetragen. Nur eines habe ich vermisst: Aus Hamburg habe ich bis auf wenige Verlautbarungen von einigen Fachbeamten vor wenigen Tagen noch nichts gehört.

Ich habe den Eindruck, dass von diesem Senat eine Grundregel des Verbraucherschutzes nicht hinreichend beherzigt wird, dass nämlich Verbraucherschutz auch bedeutet, das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher durch offene Kommunikation zu gewinnen. Denn nur wer die Verbraucher über Gefahren warnt und auch rechtzeitig entwarnt, kann das Vertrauen der Verbraucher in die Lebensmittelsicherheit aufbauen. Kommunikation ist genau das, was ich von Senator Rehaag in Sachen Verbraucherschutz vermisse, denn wenn sogar McDonald’s bessere Informationsarbeit leistet als der Senat, dann stimmt nach meiner Meinung etwas nicht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ein Weiteres ist in diesem Zusammenhang auffällig. Falsche BSE-Tests hat es in den Ländern Bayern, BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz gegeben.

(Rolf Kruse CDU: Und in Nordrhein-Westfalen!)

Nein, nicht in Nordrhein-Westfalen, in Schleswig-Holstein und auch nicht in Hamburg.

Mir fällt auf, dass den Ländern, in denen geschlampt wurde, Landwirtschaftsminister von der CDU oder der FDP vorstehen. In den rotgrünen beziehungsweise bis vor kurzem rotgrün geführten Ländern klappt es mit der Aufsicht ganz offenbar besser. Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich Zufall ist.

(Beifall bei Farid Müller und Dr. Verena Lappe, beide GAL)

Ich möchte auch mit Zahlen belegen, dass der Senat der Lebensmittelsicherheit keine Priorität einräumt.

In Hamburg haben wir die vernünftige Situation, dass zumindest die verpflichtenden BSE-Tests im Hygiene-Institut – also in einer öffentlich-rechtlichen Institution – durchgeführt werden. Hier gibt es nicht den verhängnisvollen Druck, die Tests möglichst schnell und billig durchzuführen, weil sie deswegen nicht genau sein können. Nur die so genannten freiwilligen BSE-Tests werden in Hamburg in privaten Labors durchgeführt und das – wie mir der Senat in seiner Antwort auf meine Kleine Anfrage vorgestern mitgeteilt hat – glücklicherweise auch ohne Beanstandung.

Man kann nur hoffen, dass dieser gute Zustand auch so bleibt. Denn während die anderen Bundesländer überlegen, gerade diese öffentlichen Testinstitutionen und Labore zu stärken und ihnen neue Aufgaben von den Privat

(Vizepräsident Berndt Röder)

laboren zu übertragen, kürzt der Hamburger Senat den Etat des Hygiene-Instituts um 100000 Euro, das die Tests ordnungsgemäß durchgeführt hat. Diese Geringschätzung der Lebensmittelsicherheit durch den Senat teilen wir nicht. Wir kritisieren sie, denn sie ist ein Spiel mit der Gesundheit der Verbraucher.

Auch abseits der BSE-Diskussion haben wir deutliche Kritik an der Landwirtschafts- und Verbraucherpolitik dieses Senats. Der Senat hat bereits am Anfang die Weichen falsch gestellt, indem er die Zuständigkeit für die ökologische Landwirtschaft von der Umwelt- zur Wirtschaftsbehörde verlagert hat, die bis dato ihre Rolle eher als Bremserin verstanden hat.

Hier hat der Senat meines Erachtens eine weitere Lehre aus den letzten BSE-Skandalen nicht verstanden: Der gesundheitliche Verbraucherschutz beginnt nicht erst beim Endverbraucher, sondern wir brauchen – das sind die Worte des Bundeskanzlers – eine Kontrolle, die bereits im Stall und auf der Wiese beginnt und sich bis zur Ladentheke fortsetzt. Auf Bundesebene hat man die richtigen Konsequenzen gezogen und ein Verbraucherschutzministerium eingeführt, wo diese Kontrolle eben vom Stall bis zur Ladentheke gewährleistet werden soll. Hier ist die Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher entscheidend und nicht die der Landwirte.

In Hamburg wurde diese Situation nicht herbeigeführt, denn für den Stall ist die Wirtschaftsbehörde zuständig und die Kompetenz von Herrn Rehaag von der so genannten Verbraucherschutzbehörde beginnt erst an der Ladentheke. Das ist aus meiner Sicht ein gravierender Fehler. Der Senat sollte den Mut aufbringen, diesen Fehler zu korrigieren. Aber der Senat ist an diesem Thema anscheinend vollkommen desinteressiert.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die alte Bauernlobbypolitik, die der Senat hier fortsetzen will, zeigt sich auch bei seinem Verhalten im Bundesrat unter anderem darin, dass – zum Glück erfolglos – versucht wurde, das Bundesnaturschutzgesetz, in dem Kriterien für eine umweltgerechte Landwirtschaft aufgestellt werden, und das Modulationsgesetz, in dem es darum geht, dass die Milliarden an Agrarsubventionen endlich an Umweltkriterien gebunden werden, zu blockieren. Sie zeigt sich auch in Hamburg, denn ansonsten hätte der Senat längst das Geld für die Öko-Tage bereitgestellt, die eigentlich jedes Jahr durchgeführt werden. Aber diese scheinen in diesem Jahr in Gefahr zu sein.

Alles dies zusammen zeigt, dass dem neuen Senat eine umweltgerechte Verbraucherpolitik egal ist; er vollzieht die dringend erforderliche Agrarwende als Rolle rückwärts.

Ich bitte Sie, orientieren Sie sich nicht nur an den Interessen der Landwirte und der Lebensmittelindustrie, sondern machen Sie endlich auch eine Politik für die Verbraucherinnen und Verbraucher. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Rosenfeldt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gerade die neuen Vorfälle im BSE-Bereich haben uns gezeigt, dass nicht alles, was aus den Schlagzeilen verschwand, auch wirklich aus der Welt geschafft ist.

Nachdem einige Monate überall hektische Betriebsamkeit herrschte und sich alle darin überschlugen, die Agrarwirtschaft und die Produkte sicherer zu gestalten, ist eine Weile kaum etwas passiert. Alle haben sich daran beteiligt.

Aber jetzt sehen wir – hier möchte ich das von Herrn Maaß Gesagte auch noch einmal betonen –, dass gerade das Land Bayern, das immer betonte, wie gut seine Landwirtschaft organisiert sei, mittlerweile Spitzenreiter bei den von BSE betroffenen Rindern ist. Dort loderte das Strohfeuer, bei der Agrarwende mitzumachen, nur so lange, wie die Öffentlichkeit darauf geschaut hat. Das Stoiber-Land ist damit absolute Spitze und hat auch bei der Vertuschung der Skandale Spitzenmäßiges geleistet.

Dort galt nämlich – als dieser Skandal öffentlich wurde –, was die Fraktion der CSU beschlossen hat. Der Schlusssatz galt – das muss man sich einmal ins Bewusstsein führen – nicht der Sorge der Verbraucher, die möglicherweise BSE-verseuchtes Fleisch zu essen bekommen haben, sondern der Aufrechterhaltung des Fleischpreises.

Gute Vorsorge muss wirklich da ansetzen, wo die Produkte erzeugt werden, um diese lückenlos weiter verfolgen zu können. Es kann allerdings nicht darum gehen, dass man hinter jeden Kontrolleur einen weiteren stellt, auch wenn diese Kontrolle notwendig ist.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir in Hamburg ein gutes Institut haben, das bisher zuverlässig, mit großer Sicherheit und viel Vertrauen gearbeitet hat. Wir haben jedoch am 22. Januar im Gesundheitsausschuss vom Gesundheitssenator erfahren, dass der Verbraucherschutz zwar ein Schwerpunkt dieser Regierung sei, er aber eingestehen müsse, dass sich dieses nicht so recht im Haushalt abzeichne, da zunächst einmal das Sparen im Vordergrund stünde.

Ich kann das gut verstehen, denn es hat sich wirklich nicht abgezeichnet, vielmehr wurde es bagatellisiert. Es wurde gesagt, dass das Hygiene-Institut die 100 000 Euro bei den Untersuchungen zur Qualitätskontrolle ohne Einschränkungen gut wegstecken könne.

(Dietrich Wersich CDU: Die brauchen das Geld nicht!)

Lesen Sie das Protokoll, Herr Wersich.

Wenn allein ein Drittel bei der Bauunterhaltung eingespart wird, dann wissen wir, dass uns dies ganz schnell wieder einholen wird. Es sei denn, der Senat plant an dieser Stelle gleich das nächste Sonderinvestitionsprogramm für aufgestaute Bauunterhaltungen.

Wir werden in nächster Zeit noch mehr Aufgaben im Bereich der Kontrolle für das Hygiene-Institut bekommen. Sie haben es vielleicht verfolgt, dass Paprika aus Spanien eine hohe Pestizidverseuchung aufweist. Wir werden die Probleme bekommen, die aus dem Garnelenskandal folgen. Die EU-Verordnung schreibt vor, dass alle weiteren Transporte, die noch auf dem Weg sind, untersucht werden, bevor die Einfuhr endgültig verboten ist. Ob das Hygiene-Institut das noch weiter leisten kann oder ob dies durch Umschichtung zulasten anderer wichtiger Bereiche geschieht, wird man dann sehen. Ich glaube, dass dies nicht möglich sein wird, zumal allen bekannt ist, die sich damit befasst haben, dass sich eine Pestizidverseuchung oder Ähnliches nicht allein auf Garnelen – die nur die Spitze des Eisberges waren –, sondern auf sehr viele Produkte wie Honig und Kaninchen bezieht, die insbesondere aus China kommen und bei uns in den Supermärkten landen.

(Christian Maaß GAL)

Wenn Sie jetzt einwenden, dass wir die Untersuchungen eben an seriöse private Institute vergeben müssen – die gibt es mit Sicherheit auch; ich möchte sie nicht alle in den Skandal mit einbeziehen –, dann möchte ich nur eines zu bedenken geben: Wir sitzen in Hamburg nicht auf einer Insel. Auch unsere Privat-Institute und -labore arbeiten mit dem gleichen Kostendruck und Profitinteresse, wie das auch in anderen Ländern der Fall ist.

Wenn es hier zum Beispiel nachgewiesenermaßen bei der Untersuchung iranischer Pistazien durch das HygieneInstitut eine Beanstandungsquote von 70 Prozent gibt, bei den von den Privaten untersuchten aber nur eine von 10 Prozent, dann muss es uns zu denken geben, ob wir eine solche Verantwortung übernehmen können, diese Untersuchung an Private zu geben und nicht beim HygieneInstitut kontrollieren zu lassen.

Herr Rehaag – er ist leider nicht da –, es muss darauf geachtet werden, dass das Hygiene-Institut fit bleibt für die Zukunft und nach und nach durch Einsparungen nicht dazu gezwungen wird, diese Untersuchungen an Private zu vergeben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Vertrauen in Lebensmittel setzt Vertrauen in die untersuchenden Institute und in den Staat voraus, der darauf achtet, dass diese Untersuchungen sorgfältig vorgenommen werden und keinen kurzfristigen Profitinteressen unterliegen, die legitim sein müssen, wo es um den Markt geht.

Aber Markt und Wettbewerb mögen ja belebend sein für das Geschäft,

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Ist belebend!)

aber sie sind dies nicht unbedingt im Lebensmittelbereich für den Verbraucher, Herr Müller-Sönksen, denn hier kann es genau das Gegenteil bedeuten.

Hier muss mit Sorgfalt herangegangen, Sicherheit eingebaut und darf nicht an der falschen Stelle gekürzt werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Uwe Grund SPD: Richtig! – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das braucht kein Widerspruch zu sein!)

Noch einen Hinweis auf den Auskunftsanspruch für den Verbraucher. Hier brauchen wir dringend das Verbraucherinformationsgesetz; es darf keine Blockaden mehr geben.

Es geht nicht einfach darum, möglichst viel zu erfahren und Daten zu sammeln, sondern es geht um das existenzielle Interesse von Kindern, Allergikern, Diabetikern und auch von Alkoholikern. Es muss genau in Erfahrung gebracht werden können, was in den Produkten enthalten ist. Das muss von vornherein und nicht erst auf Nachfrage geschehen. Es muss klar sein, an welcher Stelle man diese Informationen abfragen kann. Dieses Gesetz brauchen wir wirklich dringend, denn Gesundheit wiegt schwerer als Datenschutz aus Profitgründen.