Protocol of the Session on February 25, 2004

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 50 auf, Drucksache 17/4264, Antrag der GAL-Fraktion: Vermeidung von Interessenkollisionen – über Unternehmensbeteiligungen sowie ehrenamtliche und berufliche Tätigkeiten.

[Antrag der Fraktion der GAL: Vermeidung von Interessenkollisionen – über Unternehmensbeteiligungen sowie ehrenamtliche und berufliche Tätigkeiten – Drucksache 17/4264 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 17/4304 ein Änderungsantrag der FDP-Fraktion und als Drucksache 17/4306 ein Antrag der CDU-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der FDP: Vermeidung von Interessenkollisionen – über Unternehmensbeteiligungen sowie ehrenamtliche und berufliche Tätigkeiten – Drucksache 17/4304 –]

[Antrag der Fraktion der CDU: Vermeidung von Interessenkollisionen – über Unternehmensbeteiligungen sowie ehrenamtliche und berufliche Tätigkeiten – Drucksache 17/4306 –]

Alle drei Drucksachen möchte die FDP-Fraktion an den Verfassungsausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Der Abgeordnete Kerstan wünscht es und soll es auch erhalten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind als Abgeordnete alle in diesem Parlament verpflichtet, dem Gemeinwohl zu dienen. Und damit dieses auch ohne Zweifel und ohne Interessenkollisionen stattfinden kann, sind alle Abgeordneten verpflichtet, gegenüber der Bürgerschaftskanzlei anzugeben, inwieweit sie Mandate ausüben – ehrenamtliche Mandate, Aufsichtsratsmandate – und Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften halten. Das ist eine notwendige und sinnvolle Regelung, um nicht nur in diesem Parlament, sondern auch gegenüber den Bürgern eine Transparenz herzustellen. Transparenz, inwieweit manches Handeln in diesem Saale und im gesetzgeberischen Verfahren interessengeleitet ist oder auch nicht. Wenn man dieses aber ernst meint, dann ist es sinnvoll, dass diese Regelung nicht nur für Abgeordnete gilt, sondern auch für Mitglieder des Senats, also für die Präsiden der Behörden.

(Beifall bei der GAL)

Letztendlich ist es doch so, dass gerade die Mitglieder des Senats als Einzelpersonen in wesentlich größerem Maße Einfluss auf die Geschäfte des Senats, auf einzelne Entscheidungen nehmen können, als das einzelne Abgeordnete in diesem Hause tun können.

Deshalb haben wir den Antrag vorgelegt, dass sich auch Mitglieder des Senats dieser freiwilligen Selbstverpflichtung unterwerfen. Ich weiß nicht, ob Ihnen das bewusst ist, aber mit diesem Antrag schreiben wir Rechtsgeschichte nicht nur in Hamburg, sondern in ganz Deutschland. Diese sinnvolle Regelung, dass nicht nur Abgeordnete, sondern auch Mitglieder der Regierung ihre Interessenkonflikte offen legen, gibt es weder in Hamburg noch in irgendeinem anderen Bundesland. Und wenn wir es wirklich ernst meinen mit dieser Verpflichtung, dann sollten wir Hamburger heute hier vorangehen und den ersten Schritt tun und eine freiwillige Selbstverpflichtung für die Mitglieder des Senats beschließen.

(Beifall bei der GAL)

Wir wollen insbesondere, dass die Mitglieder des Senats auch darüber Auskunft geben, was sie beruflich vor ihrer Tätigkeit als Senatoren getan haben, denn wir alle wissen, dass Interessenkonflikte nicht nur durch aktuelle Tätigkeiten entstehen können, sondern auch durch enge Verbindungen, die durch vorherige Tätigkeiten begründet sind. Gerade in dieser Legislaturperiode hat es kritische Fragen aus dem Parlament an Senator Rehaag gegeben. Ob die nun begründet sind oder nicht, kann keiner von uns wirklich sagen, weil der Senat sich mit der einfachen Antwort begnügte, über Tätigkeiten von Senatsmitgliedern vor ihrer Senatstätigkeit gebe er keine Auskunft. Diesen Punkt sollten wir auf jeden Fall aufnehmen und vor allem sollten wir die Beteiligung an Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften aufnehmen, gerade auch für Senatsmitglieder.

Wir gehen mit diesem Antrag aber auch über die Regelungen für Abgeordnete hinaus, weil wir glauben, dass der im Abgeordnetengesetz festgelegte Schwellenwert – 25 Prozent der Anteile müssen von einem Abgeordneten gehalten werden, damit es gemeldet werden muss – bei Senatsmitgliedern nicht ausreichend ist. Aufgrund der großen Kompetenz und der großen Einflussmöglichkeiten von Senatoren muss ihre Unabhängigkeit über jeden Zweifel erhaben sein und dafür ist dieser Schwellenwert eindeutig zu hoch.

Ich möchte das an einem ganz einfachen Beispiel deutlich machen. Wir hatten vor einigen Monaten den Fall, dass sich die Hansestadt Hamburg mit 10 Prozent an Beiersdorf beteiligt hat, im Alleingang des Finanzsenators. Wie wir aus einer Kleinen Anfrage erfahren haben, hat sich der Senat als Ganzes damit gar nicht befasst. Ob der Bürgermeister beteiligt war, geht aus der Anfrage auch nicht hervor.

(Thomas Böwer SPD: Das entspricht nicht seinem Stil!)

Wenn man sich jetzt aber ansieht, was diese Beteiligung wert ist, dann hat die Hansestadt Hamburg bei diesem Großkonzern 10 Prozent der Anteile gekauft, die 1,1 Milliarden Euro wert sind. Wenn man nun diesen Schwellenwert von 25 Prozent zugrunde legen würde, müsste ein Senator, der eine Beteiligung von 1,1 Milliarden Euro an

einem Hamburger Unternehmen hat, gar nichts offen legen.

(Dr. Michael Freytag CDU: Der würde doch gar nicht Senator werden! – Ekkehard Rumpf FDP: Der wäre ja bescheuert!)

Schon daran wird deutlich, dass dieser Schwellenwert grundsätzlich unsinnig ist, denn auch bei einer noch nicht einmal im Prozentsatz messbaren Beteiligung an Beiersdorf gäbe es erhebliche finanzielle Vorteile bei einer Entscheidung für oder gegen eine Beteiligung Hamburgs oder bei der Gewährung von Beihilfen, Bürgschaften und Ähnlichem. Deshalb ist es sehr wichtig, diesen Passus unseres Antrags beizubehalten. Gerade darauf beziehen sich explizit die Zusatzanträge der FDP und auch der CDU, die versuchen, diesen Passus abzuschwächen oder ganz herauszunehmen. Das ist nicht sinnvoll. Wenn man diese Transparenz ernst meint, wenn man wirklich Interessenkollisionen ausschließen will, dann ist es notwendig, für Senatoren schärfere Regeln anzulegen als für uns Abgeordnete.

Von daher bitte ich Sie, unseren Antrag anzunehmen und die Zusatzanträge abzulehnen, denn letztendlich können wir nur so eine unzweifelhafte Integrität und das Vertrauen in die Unparteilichkeit unserer Senatoren, unserer gesamten Regierung sicherstellen. – Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Schaal.

(Ekkehard Rumpf FDP: Das ist aber ein unge- wöhnliches Thema für Sie, Frau Doktor!)

– Herr Rumpf, ich weiß nicht, ob das so ungewöhnlich ist.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! 2003 würde ich aus Sicht der Bürgerschaft zum Jahr der Nebentätigkeiten erklären. Wir haben in diesem Zusammenhang Namen besprochen wie Schlegel, Wellinghausen, Rehaag und Dr. Peiner – auch Dr. Peiner. Er ist so nebenbei noch im Stiftungsrat der Kühne-Stiftung mit Sitz in Schindellegi in der Schweiz. Zweck der Stiftung ist es, die Logistik voranzubringen sowie Medizintechnik, karitative, kulturelle und kirchliche Angelegenheiten.

(Dr. Michael Freytag CDU: Das ist ja furchtbar! – Dr. Andreas Mattner CDU: Das ist ja eine echte Schweinerei!)

Das sind ganz umfangreiche Aufgaben und en passant fällt mir dabei ein, dass Kuehne & Nagel im letzten Jahr ein Grundstück von der Liegenschaft bekommen hat. Die mangelnde Transparenz löst da manchen ungewollten Aha-Effekt aus.

Die Hamburger Verfassung spricht eine klare Sprache und verbietet Senatoren jedes besoldete Amt und jegliche andere Berufstätigkeit. Dabei steht die Bezahlung nicht im Vordergrund. Es geht vor allem darum, Interessenkollisionen zwischen privater Berufstätigkeit und dem Amt zu vermeiden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Was soll man denn davon halten, wenn ein Umweltsenator zugleich Aufsichtsratsmitglied und Gesellschafter einer Immobilienfirma ist oder Verwaltungsrat einer Pa

tentverwertungsgesellschaft in Liechtenstein, einer Gesellschaft, die als Holding eines norddeutschen Ingenieurbüros fungiert, das auf Hafen- und Nassbaggerarbeiten in Hamburg spezialisiert ist?

Dem Geist der Verfassung muss zum Durchbruch verholfen werden und dazu muss Transparenz für das berufliche Umfeld von Senatoren hergestellt werden. Die GAL hat in diesem Sinne einen Antrag vorgelegt. Die CDU will die Umsetzung von Verfassungsgrundsätzen mit einer Selbstverpflichtung erledigen; das ist zu wenig. Wir als SPD wollen, dass die Verfassungsgrundsätze verbindlich gemacht werden.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Dr. Michael Freytag CDU: Das fällt der SPD ja früh ein! – Dr. Andreas Mattner CDU: Nach 46 Jahren eine gute Erkenntnis für die SPD!)

Überraschend kam dann auch noch der Antrag der FDP auf den Tisch, der den Antrag der GAL in wesentlichen Teilen entschärft. Ich persönlich halte eine Schwelle von 25 Prozent für eine Publizitätspflicht für Anteile, die Senatoren an Unternehmen halten, für unrealistisch hoch. Die gesetzlich vorgesehene Schweigepflicht von Anwälten oder die fehlende Publizitätspflicht, gerade wie sie im Bereich des Liechtensteiner Unternehmensrechts festgelegt ist, war doch gerade in den Fällen, über die wir diskutiert haben, das Problem. Die Senatskanzlei hat im letzten Jahr die Geheimhaltung von Nebentätigkeiten einzelner Senatsmitglieder geradezu perfektioniert.

(Doris Mandel SPD: Hört, hört!)

Hier müsste man für eine generelle Regelung wohl abwägen. Es ist in der Tat richtig, dass es Gesetze gibt, die besondere Schutzrechte für Mandanten und Unternehmen formulieren. Aber es kann doch nicht sein, dass die Öffentlichkeit gar nicht mehr erfahren darf, in wessen Interesse wir hier eigentlich regiert werden. Erinnern wir uns doch einmal. Ex-Staatsrat Walter Wellinghausen musste wegen unerlaubter Nebentätigkeiten gehen. Es ging um Geschäfte im Medizin- und Klinikbereich. Aufgedeckt wurden die Nebengeschäfte des Ex-Staatsrats übrigens durch Intensiv-Recherchen des Kollegen Neumann. Die Senatskanzlei hat Mauern des Schweigens hochgezogen, bis alles nicht mehr abzustreiten war.

Im Herbst ging es dann um Schills Umweltsenator Peter Rehaag, auch wegen Nebentätigkeiten, teilweise noch ein Jahr nach Amtsantritt. In die Enge getrieben, hat er dann selbst eine genehmigte und vier weitere Nebentätigkeiten zugegeben. Bei der weiteren Aufklärung blockte die Senatskanzlei wiederum total. Immerhin hat der Senat, als offensichtlich bereits feststand, dass finito ist, zugegeben, dass er in Sachen Rehaag mindestens einmal die Unwahrheit gesagt hat.

(Michael Neumann SPD: Was?)

Es hat sich nämlich herausgestellt, dass Herr Rehaag als Verwaltungsrat einer Patentverwertungsgesellschaft in Vaduz nach Liechtensteiner Recht nicht befugt war, einen Nachfolger zu bestellen. Gerade das wurde uns aber in allen Fällen seiner Nebentätigkeit als Erklärung angeboten.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Hört, hört!)

Liechtensteiner Recht sichert Unternehmen und Unternehmern höchste Diskretion zu, anders als nach hiesigem Unternehmensrecht. Darum ist Liechtenstein auch

so beliebt, meine Damen und Herren, und darum hätte nur der Senator selbst oder Kommissar Zufall oder grobe Indiskretionen öffentlich machen können, was er noch nach Amtsantritt für eine Patentverwertungsgesellschaft in Vaduz zu tun hatte.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Das ist ja ein Ding!)

Staatsrat Heller verweigerte den Namen dieser Gesellschaft in einer Fragestunde mit Verweis auf das Geschäftsgeheimnis. Bevor unsere Forderung nach Akteneinsicht gestellt war, hatte der Büroleiter des Ersten Bürgermeisters schon im NDR verkündet, nichts zu sagen.

(Dr. Michael Freytag CDU: Man wird von Liech- tenstein regiert!)

Genau. Man hat fast den Eindruck, als ob der Hamburger Souverän in Vaduz sitzt, Herr Freytag, da haben Sie völlig Recht.

(Beifall bei der SPD)

Es kommt noch etwas hinzu. Ein Senator sollte seine ganze Arbeitskraft dem Amt widmen und es muss der Anschein einer Vermischung von öffentlichem und privatem Interesse vermieden werden. Die vorhandenen parlamentarischen Instrumente haben sich als zu stumpf erwiesen, diesem Gedanken zum Durchbruch zu verhelfen. (Dr. Michael Freytag CDU: Wie haben wir bloß 44 Jahre SPD überstanden!)