Protocol of the Session on January 28, 2004

(Heike Opitz GAL: Das steht in der Antwort auf meine Kleine Anfrage!)

Wir haben heute den 28. Januar. Da müssen Sie schon die Zahlen nehmen, die heute gelten, und heute gelten 20 Minuten.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Lachen bei der GAL)

Und Sie, Herr Klooß, haben hier mehrfach den Eindruck zu erwecken versucht, wir hätten für irgendwelche Vollzugsziele Personalabbau in Haus 2 im ehemaligen Santa Fu betrieben.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

– Nein.

Wir hatten am 1. November 2001 207 Mitarbeiter des mittleren Dienstes in der Anstalt Santa Fu. Wir werden nach einer Personalaufstockung um neun Neuzugänge am 1. Februar 2004 wiederum 207 Angehörige des mittleren Dienstes haben. Das heißt: Auf die Zahl genau haben wir den Personalstand gehalten. Und Sie sprechen von Personalabbau? Sie müssen schon die Fakten zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Ich will, meine Damen und Herren, das, was Frau Spethmann schon angedeutet hat, ein ganz klein wenig darum ergänzen, was wir eigentlich vorgefunden haben, als wir am 1. November die Regierungsverantwortung übernommen haben. Der Alltag in Santa Fu sah so aus: Durch Aufschluss, das heißt, durch das Öffnen von Zellen, Fluren und Flügeln waren pro Woche über 50 Stunden 400 Gefangene, die zu der schlimmsten Kriminalitätskategorie zählen, sich selbst überlassen. Das heißt, der Vollzug in Santa Fu war so organisiert, dass die Gefangenen 50 Stunden lang miteinander machen und kommunizieren konnten, wie sie wollten. Während dieser 50 Stunden konnten die Gefangenen ohne Einschränkung, ohne Begrenzung, ohne Kontrolle telefonieren. Dieser Situation gegenüber standen in ungünstigen Zeiten, insbesondere am Wochenende während der Besuchszeiten, gelegentlich nur fünf Beamte, die dieses Treiben beaufsichtigen sollten, wobei das Wort „beaufsichtigen“ eigentlich nur noch eine Karikatur ist. Wir hatten in Santa Fu eine Art Gefangenenselbstverwaltung von Leuten, die schwerste Straftaten begangen haben.

Das Strafvollzugsgesetz gebietet uns, dass wir dafür sorgen, dass wir die Menschen, die Allgemeinheit vor neuen Straftaten bewahren. Mit der Art, wie Santa Fu organisiert war, war das völlig undenkbar. Santa Fu war ein einziges Sicherheitsrisiko für diese Stadt.

(Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaat- licher Offensive)

Wegen der Schwierigkeiten, die bei der Klientel zu erwarten waren, hatten wir uns vorgenommen, im Jahr 2004 diese Dinge zu ändern. Durch die Unmutsäußerungen vom Dezember ist seit dem 18. Dezember nun Schluss mit dieser Art von Vollzug und diese Art von Vollzug wird es auch in Santa Fu nicht mehr geben. Wir werden Santa Fu künftig durch Baumaßnahmen und organisatorische Änderungen genau so organisieren, wie andere Vollzugsanstalten mit dieser Klientel, mit Lebenslänglichen, mit Vertretern der organisierten Kriminalität in Deutschland organisiert sind. Der einzige Umstand, der im Dezember dazukam, war, dass uns diese Unmutsäußerungen veranlasst haben, unser Programm etwas schneller zu verwirklichen, als wir es ursprünglich vorhatten. Meine Damen und Herren, ich glaube, einen wichtigeren Beitrag zur Sicherheit Hamburgs konnte der Senat nicht leisten, als dass er den Mut hatte, in Santa Fu endlich wieder Recht und Gesetz walten zu lassen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Schill.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich fürchte, die GAL ist etwas missverstanden worden, wenn hier interpretiert wird, ihr ginge es um Sicherheit. Ihr geht es nicht um die Sicherheit, sondern es ist eine willkommene Gelegenheit für sie, hier einmal mehr unter Beweis zu stellen, dass sie ein Herz für Verbrecher hat, in diesem Falle für Schwerverbrecher,

(Dr. Willfried Maier GAL: Wir bilden sie aus!)

und zwar, wie eben schon richtigerweise ausgeführt wurde, für Menschen, die anderen Menschen, die unseren Bürgern schwerstes Unrecht zugefügt haben, schwersten Schaden, schwerstes Leid, Leid, unter dem Opfer teilweise Jahre oder ihr ganzes Leben wirklich zu leiden haben, Opfer, die jetzt miterleben müssen, dass hier im Parlament über Unmutsäußerungen von Strafgefangenen in diesem Knast diskutiert wird. Das müssen diese Menschen, die Opfer von diesen Straftätern geworden sind, von Mördern und sonstigen Leuten, jetzt miterleben, dass wegen Unmutsäußerungen sich dieses Parlament mittlerweile schon eine Stunde damit beschäftigt, ob diesen Schwerverbrechern nicht Unrecht zugefügt wird dadurch, dass man ihre Möglichkeit zu telefonieren auf zehn Minuten pro Tag eingeschränkt hat. Was für eine unglaubliche Ungerechtigkeit. Was für eine unglaubliche Einschränkung.

Ich sage hier eines in aller Deutlichkeit: Dass diese Leute überhaupt die Möglichkeit haben zu telefonieren und das für sage und schreibe nach wie vor 100 Euro pro Monat, ist der größte Skandal überhaupt.

(Beifall bei der Ronald-Schill-Fraktion und bei Karl- Heinz Winkler Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das, meine Damen und Herren, erklären Sie einmal den Menschen, den Opfern einerseits und den anderen, die wenig Geld haben, andererseits, dass diese Schwerverbrecher, die anderen schwerstes Leid zugefügt haben, die Möglichkeit haben, auch noch für 100 Euro monatlich teilweise auf Staatskosten mit Sozialhilfe zu telefonieren.

(Antje Möller GAL: Was wollen Sie ihnen denn noch alles wegnehmen?)

Das ist ungeheuerlich und Sie haben immer noch nicht begriffen, dass der Gedanke der Resozialisierung an der Lebenswirklichkeit vorbeigeht. Es macht überhaupt keinen Unterschied, ob ein Knast wie in Weiterstadt mit einem olympiareifen Schwimmbad ausgerüstet ist oder in Santa Fu eben nicht, resozialisieren lassen sich solche Leute nicht, sondern solche Leute lassen sich allenfalls abschrecken, in Zukunft weitere Straftaten zu begehen, und zwar erstens durch Spezialprävention, diese speziellen Täter, und zweitens durch Generalprävention. Deswegen, hatte ich ja angenommen, sei unser Justizsenator vor gut einem Jahr in Arizona gewesen und hat sich dort den Knast von Sheriff Joe Arpaio angeschaut, der nämlich sagt: Dieser Knast ist so ausgestaltet, dass die Gefangenen sagen, wenn sie rausgelassen werden, hier will ich nie wieder hin. Das ist das Abschreckungsmotto, was wirkt. Aber der Justizsenator – und insofern ist er wirklich ein Sicherheitsrisiko – hat diese positiven Erfahrungen letztendlich nicht in die Strafvollzugspolitik hier in Hamburg einfließen lassen, jedenfalls nicht ausreichend, denn

A C

B D

ich sage noch einmal: Erstens können diese Leute telefonieren und ihre konspirativen, kriminellen Geschäfte am Telefon weiter abwickeln, das ist zwar etwas erschwert worden, aber nicht ausgeschlossen, und zweitens wird immer noch gegen das ohnehin viel zu liberale Strafvollzugsgesetz von 1976 dadurch verstoßen, dass die Herrschaften in ihren Zellen fernsehen können. Auch das sieht selbst das liberale Strafvollzugsgesetz von 1976 nicht vor.

(Heike Opitz GAL: Reden Sie einmal mit den Be- diensteten!)

Und deswegen muss die Botschaft lauten: Wir brauchen, um die Sicherheit zu gewährleisten, nicht einen weicheren Strafvollzug, nicht einen liberaleren Strafvollzug, sondern wir brauchen unbedingt einen härteren Strafvollzug in Hamburg wie auch bereits in anderen Bundesländern. Dafür treten wir ein und ich sehe es mit großer Sorge, dass wir es hier diskutieren, denn wenn wir bereits die leisesten Unmutsäußerungen dieser Schwerverbrecher zum Anlass für eine Parlamentsdebatte nehmen, dann ist es geradezu eine Einladung, in Zukunft eine Revolte vonstatten gehen zu lassen. Das ist die Saat, die aufgehen wird, meine Damen und Herren, denn diese Leute fühlen sich jetzt viel zu wichtig genommen bei all dem, was sie anderen Menschen angetan haben.

(Beifall bei der Ronald-Schill-Fraktion und verein- zelt bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Maaß.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Schill, noch einmal zum Herz für die Verbrecher, um das noch einmal für diejenigen, die nicht so sehr in unserer Politik drinstecken, klarzustellen: Uns geht es darum, neue Opfer von Kriminalität zu vermeiden, indem nämlich Täter wieder in diese Gesellschaft eingegliedert werden und indem Rückfälligkeit von Tätern, wie sie bisher noch viel zu häufig ist, vermieden wird. Darum geht es uns.

(Beifall bei der GAL)

Der Erste Bürgermeister hat ja am vergangenen Wochenende die Feststellung getroffen, dass es in Hamburg einige Parteien gibt, die ideologisch verbohrter seien als in anderen Bundesländern. Da sind die letzten beiden Redebeiträge ja durchaus Zeugnis dafür, dass er damit Recht hat.

(Beifall bei der GAL)

Es trifft ja nicht nur die Schill-Partei, sondern ich habe auch den Eindruck, dass die Hamburger CDU mit einem Senator Kusch in der Justiz- und Strafvollzugspolitik allein auf weiter Flur irgendwo weit rechts der CSU steht. Das ist die Realität hier in Hamburg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL – Dr. Michael Freytag CDU: Ihre Verblendung ist das!)

Betrachtet man die Strafvollzugspolitik der letzten zwei Jahre, dann hat diese Politik nichts mehr mit einer christlich-liberalen Großstadtpartei zu tun, als die sich die CDU derzeit versucht zu präsentieren.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bauer?

– Nein, danke.

Das Ergebnis ist eine Unzufriedenheit bei den Bediensteten im Strafvollzug, es sind Aufstände der Gefangenen. Es gilt zu betonen: Die hat es unter Rotgrün so nicht gegeben.

(Bodo Theodor Adolphi Ronald-Schill-Fraktion: Oh doch, Herr Maaß!)

Das ist das Resultat Ihrer Politik und Ihre politische Verantwortung.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das kommt dabei heraus, wenn ein Bürgermeister einem Freund ohne ernsthafte Politikerfahrung das Amt eines Justizsenators anvertraut. Und das kommt dabei heraus, wenn dieses verantwortungsvolle Amt in die Hände eines Mannes gelegt wird – wir haben es gehört –, der als Anregung für den Hamburgischen Strafvollzug als erstes in die Arbeitslager eines extremistischen Sheriffs nach Arizona reist, wo die Gefangenen in rosa Unterwäsche in Zelten in der Wüste gehalten werden.

Zu Herrn Schill: Diese These der Abschreckung lässt sich doch gerade an diesem Beispiel widerlegen, denn die Rückfallquote in genau diesem Knast in Arizona ist höher als in anderen Gefängnissen und als hier in Deutschland. Deswegen ist Ihre These verkehrt.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Ergebnis der Strafvollzugspolitik hier in Hamburg ist eine außer Kontrolle geratene Politik. Eine Strafvollzugspolitik, die nicht nur die Gefängnisse in Hamburg zu einem unsicheren Ort gemacht hat, sondern auch die Stadt zu einem Sicherheitsrisiko gemacht hat, denn wir haben doch auch die weiteren Skandale – das lässt sich doch belegen: die Drogenfunde im Knast, die es in dieser Form vorher nicht gegeben hatte.

(Ho-ho-Rufe bei der CDU – Katrin Freund Ronald-Schill-Fraktion: Wenn Sie gesucht hätten, hätten Sie was gefunden!)

Lesen Sie noch einmal die Zeitung, lesen Sie noch einmal die Berichte.

Es fing doch auch damit an, dass Herr Kusch deutlich gemacht hat, dass er seine Behörde und den Strafvollzug überhaupt nicht unter Kontrolle hat. Das fing an beim Umbau der JVA Billwerder. Ich bitte Sie – da wurde bei der Planung vergessen, dass man beim Umbau von einer offenen zu einer geschlossenen Anstalt auch Türen einbauen muss, die Sicherheitsschlösser haben. Da sind 12 Millionen Euro mal so eben aus dem Haushalt genommen worden. Herr Kusch hat überhaupt nichts unter Kontrolle hier.