Protocol of the Session on January 28, 2004

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Also, es handelt sich nicht um Straf-, sondern um Sicherheitsmaßnahmen. Gleichzeitig war nach Aussagen dieses Senates die Sicherheit in Santa Fu nie gefährdet. Das ist ein klarer Widerspruch, der sich nur schwer auflösen lässt. Wenn es doch ein Sicherheitsrisiko gab, dann hat Senator Kusch die Öffentlichkeit bewusst nicht informiert und getäuscht. Gab es kein Sicherheitsrisiko, was ist dann die Rechtfertigung für den unbegrenzt stattfindenden Dauereinschluss?

(Beifall bei der GAL und bei Britta Ernst SPD)

Die gesamte Situation in Santa Fu ist aber kein Zufall, sondern entspringt einer kühlen Logik. Schon seit langem wurden kontinuierlich die Haftbedingungen verschärft. Durch den Personalabbau fand eine weitere Verschlechterung der Bedingungen in den Haftanstalten statt. Die Stimmung wurde immer gereizter. Es war seit langem abzusehen, dass es Unmutsäußerungen der Gefangenen geben würde. Diese Proteste sind von Senator Kusch bewusst in Kauf genommen worden. Er nutzt nun die Proteste, um unter dem Stichwort „Sicherheitsmaßnahmen“ weitere Verschärfungen vorzunehmen. So wird das ursprüngliche Konzept des nach innen offenen Gefängnisses abgebaut und ein weiterer Schritt zum Verwahrvollzug vollzogen. An Santa Fu lässt sich so das generelle Problem Ihrer Strafvollzugspolitik ablesen. Jetzt dürfen Sie sich gleich wieder aufregen.

Die Strafvollzugspolitik in Hamburg hat sich seit zwei Jahren von der Ratio verabschiedet. Der Strafvollzug wird stets mit dem Verweis auf Sicherheitsaspekte, die freilich nie belegt werden, ohne Rücksicht auf Verluste in einen Verwahrvollzug umstrukturiert. Das gesetzlich vorgeschriebene Ziel der Resozialisierung wird missachtet. Da komme ich zu einem großen Vorbild von Ihnen, Herr Senator Kusch, das uns schon vor längerem beschäftigt hat, den USA.

Die USA haben, nicht nur in Arizona, eine erschreckend hohe Kriminalitätsrate, eine erschreckend hohe Rate von Gefängnisinsassen, wie mein Kollege Maaß gerade auch schön gesagt hat, und eine erschreckend hohe Rückfallquote. Das ist vor allem das Besorgniserregende. Auch in

den USA wird deshalb langsam erkannt, dass selbst harter Strafvollzug nichts nützt, wenn die Insassen ohne Vorbereitungsmaßnahmen entlassen werden. Irgendwann, und das ist das „Iron Law of Imprisonment“, werden die Insassen aus den Gefängnissen meistens wieder entlassen. Dann stellt sich das Problem einer fehlenden Resozialisierung. Auch in Hamburg trägt die Beschränkung der Hilfeangebote für die Gefangenen, die Beschränkung der schrittweisen Gewöhnung an ein Leben in Freiheit und die Beschränkung der Möglichkeiten des offenen Vollzugs zu einer höheren Rückfallquote bei.

(Beifall bei der GAL)

Wenn Sie, Herr Senator, diese Erkenntnis aus den USA mitgebracht hätten, dann wäre uns allen geholfen.

(Beifall bei der GAL und bei Michael Neumann SPD)

Das ist aber, wie wir wissen, nicht der Fall. Sie betreiben seit zwei Jahren eine ideologische und populistische Strafvollzugspolitik. Eine rationale Strafvollzugspolitik, die sich mit dem Sinn und Zweck auseinander setzt, findet nicht statt. Dieses hat unverantwortliche Folgen und jetzt können auch die beiden Schill-Parteien einmal zuhören. Für die Strafgefangenen, die keine Chancen mehr erhalten, für die Bediensteten, deren Arbeitsbedingungen sich massiv verschlechtert haben und mittlerweile gefährdet sind, und langfristig für die gesamte Gesellschaft, wie das Beispiel Amerika und die hohen Rückfallquoten dort eindrucksvoll belegen, führen die fehlende Resozialisierung und die reine Verwahrung von Straffälligen nicht zu weniger, sondern zu mehr Kriminalität.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Die Proteste in Santa Fu sind Ausdruck einer gescheiterten Strafvollzugspolitik und es ist schwer zu hoffen, dass dieses am 29. Februar ein Ende finden wird.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Herr Klooß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Vorfälle in der Vollzugsanstalt 2 in Fuhlsbüttel, auch Santa Fu genannt, die in den Medien berichtet worden sind und über die uns Frau Opitz auch gerade Mitteilung gemacht hat, geben zunächst Veranlassung, einige Vorbemerkungen über die Vollzugspolitik des Senats zu machen.

Der Justizsenator hatte zu Beginn seiner Amtszeit klar gemacht, dass der Strafvollzug in Hamburg eines seiner zentralen Themen sein würde.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das ist ganz normal für einen Justizsenator!)

Nach gut zwei Jahren kann man nun eine Bilanz ziehen und diese fällt vernichtend aus. Die Politik, die Senator Dr. Kusch verfolgt, entstammt einer veralteten und überholten Philosophie. Bemühungen, Haft zu vermeiden, wo es vertretbar ist, finden nicht mehr statt. Es ist die Politik dieses Senats, möglichst viel ein- und wegzusperren. Ein angebliches Maß an mehr Sicherheit wird dabei durch ein Weniger an Sicherheit in den Anstalten und eine Verschlechterung der ohnehin schon schwierigen Arbeitssituation für die Strafvollzugsbediensteten erkauft.

Sichtbar wird die neue Philosophie des Justizsenators in seiner Abkehr vom Konzept des offenen beziehungsweise halboffenen Vollzugs hin zu einem reinen Verwahrvollzug. Am deutlichsten wird dies am Beispiel der neuen Haftanstalt Billwerder, die nur als geschlossene Anstalt und mit wesentlich mehr Haftplätzen gebaut wird. Dadurch entstandene Kosten müssen anderweitig eingespart werden. Die Bemühungen, Kosten einzusparen, werden am verheerendsten bei der Zahl der Bediensteten in den Justizvollzugsanstalten deutlich. Aus meiner eigenen Erfahrung als Anstaltsbeirat in der ehemaligen Anstalt 1 in Fuhlsbüttel weiß ich um die psychischen und physischen Härten, die der Job in einer Justizvollzugsanstalt mit sich bringt. Der Strafvollzug litt schon immer, auch vor der Zeit dieses Senats, unter einem strukturellen Personalmangel. Das will ich nicht verschweigen. Dieser Mangel wird aber durch den weiteren Personalabbau noch verstärkt und ins Unerträgliche gesteigert. Ich habe ernsthafte Bedenken, dass die Bediensteten ihren Aufgaben unter diesen Voraussetzungen noch in einem vertretbaren Maße nachkommen können. Diese Worte, meine Damen und Herren, habe ich auf der Landesvertreterversammlung der Gewerkschaft Strafvollzug am 25. November 2003 gesprochen. Ich habe nicht gedacht, dass die Wirklichkeit meine Prognose so schnell bestätigen würde.

Es kommt nun nicht darauf an, ob man die Ereignisse in Fuhlsbüttel als Unruhe, Aufruhr oder Meuterei bezeichnet. Entscheidend ist, dass die Häftlinge unnötige Verschärfungen der Haftbedingungen mit Verhaltensweisen und Handlungen beantwortet haben, die wiederum – und auch berechtigterweise – aufseiten der Vollzugsbediensteten Angst und Gefühle der Bedrohung hervorgerufen haben. Eigentliche Ursache ist aber, wie gesagt, der Personalabbau. Dieser Abbau ist zum einen Folge der Sparverpflichtung in Höhe von 5 Millionen Euro, die der Senator eingegangen ist, aber auch Ausdruck einer bewussten Entscheidung gegen den Gedanken der Resozialisierung.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall bei der GAL)

Der Personalabbau trifft gleichwohl die anderen Anstalten härter als sein Flaggschiff Billwerder. Während Billwerder als Prestigeobjekt gefördert, gehegt und gepflegt wird, werden die anderen Anstalten vernachlässigt. Dies gilt vor allem für Fuhlsbüttel. Die Zusammenlegung der Fuhlsbütteler Anstalten wird die Situation nicht für die Gefangenen, vor allem aber nicht für die Bediensteten verbessern. Der Wegfall von zwei Anstaltsleitern wird niemanden entlasten außer die Kasse der Justizbehörde und dies wiederum zulasten aller Bediensteten.

Die Maßnahmen, die die Justizbehörde jetzt unter dem Druck der Ereignisse überhastet angekündigt hat, sind nicht geeignet, das Problem nachhaltig zu beseitigen. Die baulichen Maßnahmen sind unzulänglich und führen zu weiteren Einengungen der Bewegungsmöglichkeiten der Gefangenen. Ein Konzept für die Beilegung des Personalproblems gibt es nicht: Lesen Sie die Antwort des Senats auf meine Anfrage, Drucksache 17/4042. Ich prophezeie: Neue Unruhen sind programmiert. Es wird deshalb Zeit, dass dieser Senat, dieser Justizsenator und diese Justizpolitik abgewählt werden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat jetzt Frau Spethmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das größte Sicherheitsrisiko für den Hamburger Strafvollzug war und wäre ein rotgrüner Senat.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Ho-ho-Rufe bei der SPD)

Sie haben dafür gesorgt, dass Santa Fu so berüchtigt wurde, wie es war. Sie haben dafür gesorgt, dass innerhalb der Anstalt kriminelle Machtstrukturen herrschten.

(Dr. Willfried Maier GAL: Aber nicht im Senat!)

Und Sie haben dafür gesorgt, dass dominante ethnische Gruppierungen einen Großteil der schwachen Gefangenen terrorisierten.

(Erster Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Das sind die Punkte, die wir 2001 vorgefunden haben. Es gab eine ungehinderte Bewegungsfreiheit. Ich habe als Referendarin meine ersten Erlebnisse in Santa Fu gehabt, indem ich gesehen habe, dass sich über alle vier Stockwerke die schwerstgefährlichen Gefangenen, die wir in Hamburg haben, frei bewegen konnten. Sie konnten sich ohne weitere Kontrolle über Stunden hinweg in jede Zelle bewegen. Sie konnten in die Krafträume rein, sie konnten in die Duschen gehen. Das Personal konnte schon damals nicht überprüfen, was dort im Einzelnen geschah. Das ist für uns nicht hinnehmbar.

Genauso ist es für uns nicht hinnehmbar gewesen, dass ungehindert und unbegrenzt telefoniert werden konnte. In jedem Stockwerk gab es eine frei zugängliche Telefonzelle. Jeder Bürger, dem ich das in öffentlichen Veranstaltungen erzählt habe, konnte das nicht glauben. Wer es aber glauben musste, waren die Opfer, die aus der Haft heraus belästigt und terrorisiert worden sind. Auch hier sind wir eingeschritten.

Aber was viel schlimmer war: Es konnten die Straftaten mit den Kumpanen und Mittätern teilweise fortgesetzt werden. Es gab aktive Drogenringe, die aus der Haftanstalt heraus betrieben wurden.

(Farid Müller GAL: Wer?)

Das wollen wir verhindern.

Wir stellen fest: Die Anstalt hat seit einigen Jahren ein Höchstmaß an äußerer Sicherheit. Die interne Sicherheit gewährleisteten aber interne, konkurrierende ethnische Gruppierungen, nicht mehr der Staat.

Und worüber beschweren sich die Gefangenen aktuell? Dass das Freizeitangebot reduziert wird. Es finden ihnen zu viele Zellenrazzien statt. Der Einschluss wird um eine Stunde vorgezogen und das Telefonieren wird eingeschränkt. Solche Forderungen verhöhnen aber die Opfer und unsere Mitbürger. Was stellen sich denn die Insassen vor, wo sie dort sind? Das ist eine der freizügigsten Anstalten intern gewesen. Das Konzept des offenen inneren Vollzuges. Dazu stehen manche noch. Das haben wir eben gehört.

Aber warum finden denn Zellenrazzien statt? Doch nicht ohne Grund: Um Waffen und Drogen zu finden und sie werden auch gefunden. Deswegen finden sie statt. Und

so etwas wollen Sie in Zukunft nicht mehr stattfinden lassen?

Warum wird das Telefonieren begrenzt? Um Straftaten zu verhindern und Opfer zu schützen. Die Familienkontakte sind weiter gewährleistet, und zwar ungehindert.

(Christa Goetsch GAL: Das stimmt doch nicht! Nicht einmal an Wochenenden durften die hinein- gehen!)

Die dürfen telefonieren.

Der Vorfall vom 18. Dezember war keine Revolte. Es waren Unmutsäußerungen einzelner dominanter Gruppen. Hier ist kein Vergleich zu den Revolten Anfang der Siebzigerjahre und 1990 zu ziehen. Dieser Vorfall zeigt vielmehr, dass die Anstaltsleitung besonnen und konsequent gehandelt hat. Sie ist sofort eingeschritten. Die Situation ist nicht eskaliert, scheinbar mit ausreichendem Personal, Herr Klooß. Ansonsten wäre es ja zu anderen Ergebnissen gekommen. Konsequenterweise werden nun in der Anstalt die baulichen Veränderungen vorgezogen, die einzelnen Bereiche voneinander getrennt und somit ein zügelloser Kontakt der Gefangenen untereinander unterbunden. Wir schützen somit die schwachen Gefangenen und nicht die großen Gruppierungen, die die Anstalt dominieren.

Ich stelle für die CDU fest: Die Hausordnung muss gewahrt werden und Verstöße dagegen werden geahndet. Dazu stehen wir auch. Wir bedanken uns insbesondere auch bei den beteiligten Beamten, die in diesem Einsatz so schnell tätig geworden sind.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Die Öffentlichkeit ist bereits am 18. Dezember informiert worden. Auch hier gab es also keinerlei Vertuschung.

Wir müssen die Stadt davor schützen, dass Rotgrün die Sicherheit im Strafvollzug weiter gefährdet. – Vielen Dank.