Wie verdrossen müssen die Menschen denn noch von uns Parteien werden, wie viele Menschen müssen noch Protest wählen, bis wir endlich begreifen, dass Mitsprache und Teilhabe die Zeichen der Zeit sind. Diesem Anspruch auf Mitsprache werden Sie mit Ihrem Entwurf nicht gerecht, wenn Sie lediglich Wahlkreise einführen. Es ist
übrigens auch falsch zu behaupten, Ihr Vorschlag orientiere sich am Bundestagswahlrecht. Dieser Entwurf ist schlechter, denn es wird – anders als im Bundestag – nicht einmal die Hälfte der Abgeordneten direkt gewählt, sondern höchstens 41 Prozent.
Das Hauptübel ist aber, meine Damen und Herren, dass die Menschen bei der Wahlkreisentscheidung nur scheinbar eine Wahl haben, denn es ist doch eine Tatsache, dass die Wahlkreiskandidaten fast immer auch über die Liste abgesichert sind. Jetzt frage ich Sie: Was soll das für eine Wahl sein? Mit der Wahlkreisstimme entscheide ich mich für einen Kandidaten und gegen seinen Mitbewerber und trotzdem werden beide Abgeordnete.
Nach dem Modell der Initiative „Ein faires Wahlrecht“ gibt es eine echte Entscheidung, denn denjenigen, den ich schon im Wahlkreis nicht wähle, den werde ich dann wahrscheinlich auch auf der Liste nicht ankreuzen. Das ist Demokratie.
Auch die Behauptung, mit nur 50 Wahlkreisen sei die Betreuung der ganzen Stadt gesichert, ist irreführend. Entscheidend ist doch nicht die Größe der Wahlkreise, sondern ob ich als Abgeordneter mit anderen Abgeordneten konkurriere. Es ist der demokratische Wettbewerb, der Qualität sichert.
Das ist es, wofür der Entwurf der Initiative „Für ein faires Wahlrecht“ steht, für Qualität und für Transparenz.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir können in Hamburg mit einem modernen Wahlrecht zu einem Vorreiter des Parlamentarismus in Deutschland werden. Diesen Mut zur Moderne sollten wir alle gemeinsam aufbringen,
denn wenn wir als Bürgerschaft diesen Mut jetzt nicht aufbringen, dann – davon bin ich fest überzeugt – werden es die Wählerinnen und Wähler am 13. Juni zur Europawahl sein, die für das modernste und freiheitlichste Wahlrecht in ganz Deutschland stimmen werden. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung nicht für den Antrag der GAL, sondern für den Antrag des Volksbegehrens für ein faires Wahlrecht. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich denke, dass die beiden ersten Redner in dieser Debatte sehr deutlich gemacht haben, was sie angesichts der Tatsache, dass sie über Jahre in diesem Parlament waren, empfinden. Deswegen habe ich, um dem nachzukommen, meinen Redeentwurf dahinten liegen lassen und versuche mal, auf Herrn Ehlers einzugehen, weil er beklagt hat, dass es hier keine Dialoge gegeben habe, sondern lediglich Rituale stattgefunden hätten.
Ich teile Ihre Einschätzung, Herr Ehlers, was die Einflussnahme der Initiative angeht. Ich glaube, auch ohne die Initiative hätte sich dieses hohe Haus in dieser Legislaturperiode nicht mit der Frage nach einem Wahlrecht beschäftigt. Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal herzlich bei der Initiative für diesen Entwurf und alles, was Sie damit jetzt schon bewirkt haben, bedanken.
Es wird auf jeden Fall nach dem 13. Juni in Hamburg ein besseres Wahlrecht geben als das, was wir jetzt haben, und zwar – da weiche ich von der Meinung von Herrn Ehlers ab – nicht unabhängig von der Entscheidung des Volkes, sondern es wird nur das beschlossen, was wir beschließen wollten. Natürlich entscheidet die Bürgerschaft nur dann erneut darüber, wenn keine der beiden Alternativen eine Mehrheit im Volk findet, sodass es nicht ganz unabhängig von diesem Volksentscheid sein wird.
Das bessere Wahlrecht unterscheidet sich darin, ob mehr Einfluss auf die Zusammensetzung dieses hohen Hauses ausgeübt werden kann.
Das tun beide. Die Zusammensetzung des hohen Hauses entscheidet aber nicht über die Rituale, die hier ablaufen. Die werden dieselben bleiben. Wir haben eine grundsätzliche Problematik darin, dass sich hier das Demokratieprinzip und das Gewaltenteilungsprinzip widersprechen. In dem Moment, wo die demokratische Mehrheit eines Parlamentes natürlich die Regierung stellt, gibt es so etwas wie eine Interessengleichheit zwischen Legislative und Exekutive, die ursprünglich in dem Demokratieprinzip so gar nicht gedacht gewesen ist, die aber entsteht. Auf diese Art und Weise entstehen diese Rituale, die – zumindest beim Bundestag – schon dafür gesorgt haben, dass man sich darüber beschwert, dass die Parlamente immer weniger Einfluss haben und die Exekutiven immer mehr. Das ist natürlich eine Folge dieses Rituals. Das ändere ich aber nicht – und da widerspreche ich Herrn Ehlers ausdrücklich – mit dem Wahlrecht, sondern das ändere ich nur dadurch, dass ich mich in der Tat parlamentsintern anders orientiere.
Ja, Demokratie ist schlechterdings nicht steigerbar. Wir müssen im Grunde genommen die Frage, was demokratischer ist, letztlich der Entscheidung überlassen, was das Volk als demokratischer empfindet. Wo denkt das Volk, dass es mehr Einflussmöglichkeiten hat? Da widerspreche ich auch Ihnen. Die 25 Prozent, die wissen, was eine Zweitstimme ist, werden am 13. Juni sehr bewusst entscheiden, was sie tun, zumindest diese 25 Prozent. Die werden sich bewusst für mehr Einflussmöglichkeiten entscheiden und mögen dann, je nach Präferenz, die eine oder andere Variante bevorzugen.
Aber die Verdrossenheit gegenüber der Politik ändern wir, glaube ich, nicht mit dem Wahlrecht, sondern dadurch, dass wir das Volk darüber abstimmen lassen, wie
es wählen möchte. Bürgerbeteiligung in jedweder Form ist ein Weg gegen Politikverdrossenheit und einer der ganz wichtigen.
Deswegen halten wir es für extrem wichtig, dass das Volk am 13. Juni Alternativen hat, über die es abstimmen
und dann wirklich entscheiden kann. Da ist das Problem des GAL-Antrages. Wir werden ihn nicht ablehnen, weil wir einen klaren Parteitagsbeschluss haben und natürlich unsere Sympathien auch der Initiative gelten. Wir können ihn aber auch nicht annehmen, und zwar schlicht und ergreifend deshalb nicht, weil Sie hier wieder versuchen, einen Volksentscheid zu antizipieren.
Wenn die Bürgerschaft heute Ihren Antrag annehmen würde, dann wäre der Volksentscheid obsolet. Das haben Sie neulich schon bei dem Thema Rosengarten gemacht. Ich glaube nicht, dass Sie der Initiative Rosengarten damit einen Gefallen getan hat, denn einen Bürgerschaftsbeschluss kann die Bürgerschaft in der nächsten Legislaturperiode auch wieder umändern. Sie tun der Initiative keinen Gefallen und dem Parlament auch nicht, wenn Sie versuchen, einen Antrag, der nicht auf Ihrem Mist gewachsen ist, hier zur Abstimmung zu stellen. – Herr Müller, bitte.
Eine ganz schlichte Frage, Herr Rumpf: Haben Sie das Gesetz für Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide überhaupt verstanden? Diese drei Stufen sind extra dafür vorgesehen, dass die Bürgerschaft die Zeit hat, nach dem Volksbegehren diesem Gesetz zuzustimmen. Wir machen den Vorschlag, dass sie ihm zustimmt.
Die höchste Hürde für eine Volksinitiative ist nicht die Abstimmung am Schluss – das wissen Sie und das weiß ich –, sondern die höchste Hürde ist die Überwindung des Quorums für das Volksbegehren, das Sie niedriger ansetzen wollten und wir auch. Wenn man einmal da ist, dass das erreicht wurde, es dann noch zu antizipieren, ergibt aus meiner Sicht keinen Sinn und führt den Volksentscheid ad absurdum. Das ist meine Auffassung.
Um den Dialog zu beenden: Aus unserer Sicht ist es gut und richtig, dass es eine Alternative des Parlamentes geben wird. Es ist gut und richtig, dass am 13. Juni das Volk über ein neues Wahlrecht entscheidet und wir werden am 14. Juni wissen, wie diese Entscheidung ausgegangen ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir dann ein besseres Wahlrecht haben als das, nach dem wir dieses Mal noch wählen. – Danke.