Protocol of the Session on January 28, 2004

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Uwe Grund SPD: Sehr gut!)

Betrachten wir andere Bundesländer, so befinden wir uns in guter Gesellschaft. Schleswig-Holstein hat zum Beispiel 2003 über ein Vergabegesetz beraten und es verabschiedet. Trotz der noch ausstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über das Berliner Vergabegesetz müssen wir handeln.

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt übernimmt den Vorsitz.)

Die Situation im Baugewerbe ist zweifellos brisant und es wäre schön, wenn wir dem Baugewerbe durch ein Vergabegesetz helfen könnten, die Tariftreue einzuhalten. Für den Bereich der Vergabe von Verkehrsleistungen im öffentlichen Personenverkehr ist eine ähnliche Entwicklung zu befürchten. Deswegen stimmen wir für den Antrag. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der SPD)

Das Wort hat jetzt Herr Kerstan.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben diese Debatte in diesem Haus vor einem Jahr schon einmal geführt. Zu meinem Erstaunen

stelle ich fest, dass einige Redner sie damals unter völlig anderen Vorzeichen geführt haben als das, was wir jetzt von ihnen gehört haben. Vor einem Jahr hat zum Beispiel die PRO-Partei eine glühende Rede gegen dieses Vergabegesetz gehalten, jetzt wollen sie ihm zustimmen.

Frau Ahrons, vor einem Jahr haben Sie noch den Mut gehabt, zu Ihrer Meinung zu stehen und zu sagen: Wir brauchen so etwas nicht, das ist schädlich, das lehnen wir ab, und Sie haben sogar die Überweisung an den Ausschuss verweigert. Heute haben Sie inhaltlich eine identische Rede gehalten, dieser aber vorangestellt, dass wir ein Vergabegesetz brauchen und dieses Gesetz jetzt an den Ausschuss überweisen wollen. Ich kann den Unmut der Bürger über Politik ganz gut verstehen, wenn sich angesichts des Wahlkampfs die Meinung um 180 Grad dreht und Sie sich noch nicht einmal die Mühe geben, das inhaltlich zu begründen; so sollte man keine Politik machen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Dieses Vergabegesetz ist inhaltlich überhaupt nichts Neues. Letztendlich ist fast alles, was in diesem Gesetz gesetzlich geregelt wird, im Moment im Rahmen von Verwaltungsvorschriften und Verwaltungsverordnungen schon gängige Praxis. Die Argumentation, so etwas sei schädlich, würde die Bürokratie nach oben treiben und Ähnliches, ist ein sehr unglaubwürdiges Argument, denn letztendlich findet das bereits Tag für Tag statt. Die Wirtschaft sagt uns, diese Verordnungen sind gut und schön, aber letztendlich greifen sie nicht richtig. Dies ist der Versuch, mit einem Gesetz Präzisionen und bessere Regelungen zu schaffen, damit das, was man möchte, auch wirklich stattfindet, und das ist sinnvoll.

Wir befinden uns in einer Situation, die spannend ist: ein gescheiterter Senat, eine nicht mehr vorhandene Regierungsmehrheit. Das verführt natürlich dazu, auf der Zielgeraden einer Legislaturperiode mit wechselnden Mehrheiten bestimmte Projekte noch zu verabschieden, um dann im Wahlkampf gegenüber dem Bürger vielleicht doch Punkte machen zu können und manchmal auch billige Showeffekte zu erzielen.

Meine Damen und Herren! Die Politik in diesem Lande steht im Moment in keinem besonders guten Ruf. Wir dürfen nicht unterstützen, dass sich ein solcher Eindruck verfestigt.

(Jens Pramann Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Ja, da haben Sie Recht!)

Auf Bundesebene gewinnt man den Eindruck, dass in Kungelrunden – ich meine hier den Vermittlungsausschuss – insbesondere SPD und CDU in nächtlichen Verhandlungen plötzlich unausgegorene Geschichten auf den Tisch bringen, die nicht weiter durchgerechnet sind. Parteivorsitzende sagen, das machen wir so, und damit werden Gesetze verabschiedet, die von Fachleuten nicht vernünftig beraten wurden, die auch inhaltlich nicht sachlich fundiert sind. So sollte man keine Politik machen.

(Zurufe von der CDU: Doch!)

Sie sagen, doch, so kann man es machen, weil die Strategie der CDU dann aufgeht, dort Sand ins Getriebe zu streuen, für verbrannte Erde zu sorgen, um damit der Regierung billig eins auswischen zu können. Das ist billig.

Auf Bundesebene sind durch eine unglückliche Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen und

dem Vermittlungsausschuss leider solche Kuhhändel bei der jetzigen Gesetzeslage nicht vermeidbar.

(Ilona Kasdepke Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Was soll das denn jetzt!)

In Hamburg besteht diese Notwendigkeit jedoch nicht. Ich und meine Fraktion plädieren dafür, dieses Gesetz, das wir inhaltlich für richtig halten, an den Ausschuss zu überweisen. Aber nicht, um es dort zu begraben und es damit zu verhindern, wie die CDU das offensichtlich vorhat – diese Absicht ist in der Rede von Frau Ahrons sehr deutlich geworden –, sondern um ein ordnungsgemäßes Verfahren zu sichern. Wir haben noch mindestens eine Sitzung der Bürgerschaft, wahrscheinlich sogar zwei. Man kann ohne Probleme die vorgeschriebene Sorgfalt wahren, man kann es im Ausschuss beraten und dort auch eine Expertenanhörung durchführen. Wie man das macht, haben Sie gerade bei der Landebahnverlängerung im Schweinsgalopp mit einer großen Koalition vorexerziert. Da die Mehrheit in diesem Hause dieses Gesetz will, kann man es ohne weiteres mit der Mehrheit dieses Parlaments wieder auf die Tagesordnung setzen und so ein ordnungsgemäßes, fundiertes und inhaltlich richtiges Verfahren durchführen, auch wenn die CDU versucht, dieses Gesetz im Ausschuss zu blockieren, indem sie auch noch eine öffentliche Anhörung fordern sollte.

Wir plädieren ganz entschieden für ein solches Verfahren und möchten aus dem Grunde dieses Gesetz an den Ausschuss überweisen. Falls die Mehrheit dieses Hauses das verweigert, werden wir, obwohl wir das Gesetz inhaltlich für richtig halten, diesem Gesetz nicht zustimmen, sondern uns enthalten. Wir möchten nicht, dass es sich einbürgert, in Wahlkampfsituationen schlampig und ohne die notwendige Sorgfalt zu handeln. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort hat Frau Pauly.

Wir haben ja wirklich spannende Zeiten! Es gibt sicher keine Koalition mehr, das haben wir drastisch vorgeführt bekommen.

(Beifall bei Jörg Lühmann GAL – Dr. Willfried Mai- er GAL: Das bereitet uns ein gewisses Behagen!)

Ich gehöre auch zu den Abgeordneten, die, wenn sie Bedenken haben, diese klar ausdrücken. Aber so viel Solidarität zur abgelaufenen Koalition habe ich doch noch, dass ich nicht gegen Anträge stimme, die wir einmal gemeinsam entwickelt haben, oder dass ich einem Antrag der Opposition zustimme, den wir vor ungefähr einem Jahr in diesem Hause abgelehnt haben. Insofern ist das ein spannender Abend. Die Presse wird sich ärgern, dass sie nicht dageblieben ist.

Wir von der FDP bleiben, was dieses Gesetz betrifft, Herr Egloff, bei unserer Meinung. Ich will auch noch einmal darauf hinweisen, dass dieses Gesetz rechtlich auf äußerst wackligen Füßen steht, denn das EU-Verfahren ist noch anhängig, es ist nicht entschieden. Die Europäische Gemeinschaft ist eine Institution, die sehr stark darauf achtet, dass der Wettbewerb nicht beschränkt wird; insbesondere nicht der Wettbewerb zwischen den EUStaaten. Insofern habe ich Zweifel, ob dieses Berliner Gesetz, das zur Debatte steht, auf Dauer Bestand haben wird. Wenn es abgelehnt wird, ist es gleichzeitig in Nie

dersachsen oder in Bayern oder wo es sonst noch sein mag hinfällig.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen dem Handwerk helfen, das haben wir immer so bekundet, aber wir sind der Meinung, dass wir den Handwerksbetrieben mit einem solchen Gesetz nicht helfen können. Schutzzäune haben der Wirtschaft noch nie genutzt, denn sie bewahren die Wirtschaft davor, sich im Wettbewerb zu behaupten. Die Betriebe werden schwach und krank und irgendwann sterben sie dahin. Der Wettbewerb hält sie gesund und kräftig.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Das erzählen Sie hier, aber nicht in der Handwerkskammer!)

Eine auf Hamburg begrenzte Regelung ist auch insofern schädlich, als wir gesagt haben, wir wollen die Metropolregion insgesamt stärken. Das bedeutet, dass wir um die Hamburger Handwerksbetriebe keinen Schutzzaun gegen die Betriebe aus dem Umland errichten können, sondern die müssen schon alle gleich behandelt werden. Außerdem wird eine solche Regelung immer die Bürger reizen, Umgehungen zu suchen und zu finden. Die Bürger sind in der Regel findiger als der Staat. Der Staat wird mit noch größeren Kontrollapparaten antworten müssen. Sie waren vor knapp einer Stunde noch ausdrücklich dafür zu deregulieren. Hier haben wir wieder etwas, wofür Sie unglaublich viele Regelungen brauchen, um das Gesetz im wirklichen Leben aufrechtzuerhalten.

(Beifall bei der FDP, bei Karen Koop und bei Mi- chael Fuchs, beide CDU)

Selbst eine nationale Regelung hilft dem Hamburger oder dem deutschen Handwerk nicht, denn wir werden den Wettbewerb zwischen unseren und den Handwerksbetrieben anderer EU-Länder durch eine nationale Regelung nicht unterbinden können. Sie werden hier anbieten dürfen und unsere Handwerksbetriebe werden wettbewerbsmäßig nicht reagieren können, weil sie – im Gegensatz zu ausländischen Betrieben – an die Tariftreue gebunden sind. Damit werden unsere Betriebe den Nachteil haben.

Wenn man aus sozialen Gründen meint, eine solche Regelung haben zu wollen, dann geht das nur auf europäischer Ebene, jedenfalls nicht auf regionaler und auch nicht auf nationaler. Nur dieses könnte dann einigermaßen funktionieren. Aber ob das sinnvoll ist, muss jede Partei für sich selber beurteilen. Die FDP hält eine solche Regelung nicht für sinnvoll. Ich habe es vorhin schon gesagt. Wir lehnen sie grundsätzlich ab.

Ich will auch noch ein paar weitere Argumente hinzufügen. Wir wollen das Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Kartell nicht weiter zementieren; bei dieser Regelung würde das passieren.

(Erhard Pumm SPD: Kartell? – Es ist bestenfalls ein Westerwelle-Kartell!)

Wenn es eine europäische Regelung gäbe, würde es mit Sicherheit bald auch europäische Flächentarife geben. Auch davor kann man nur warnen, denn bisher hat dieses Kartell immer nur für Arbeitsplatzbesitzer und gegen Arbeitsplatzsuchende Politik gemacht. Genau das ist – zusammen mit der rotgrünen Wirtschafts- und Finanzpolitik in Berlin – die Hauptursache für die Arbeitsplatzmisere in unserem Lande. Das können wir durch so ein Gesetz nicht noch weiter unterstützen.

(Beifall bei der FDP)

Im Gegenteil. Wir wollen die Macht der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften begrenzen. Wir wollen dieses Tarifkartell ebenfalls in seiner Macht begrenzen und möglichst zerschlagen. Wir wollen dem Hamburger Handwerk selbstverständlich helfen. Wir haben dazu bereits einen Antrag eingebracht, der dem Hamburger Handwerk wirklich helfen wird. Mit etwas Glück können wir ihn in der nächsten Sitzung debattieren. Deshalb will ich heute nicht mehr dazu sagen.

(Beifall bei der FDP – Ehrhard Pumm SPD: Das ist ja fast schon verfassungswidrig gewesen! – Uwe Grund SPD: Ab ins Nirwana!)

Der nächste Redner ist Herr Adolphi.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Seit Jahren beklagen wir den Niedergang der deutschen Bauwirtschaft, den Zustrom billiger ausländischer Arbeitskräfte in den Bausektor. Alle wundern sich, dass wir steigende Arbeitslosigkeit bei Maurern, Polieren und in anderen bautechnischen Berufen haben. Die Entwicklung im öffentlichen Personennahverkehr lässt Ähnliches befürchten.

Die öffentliche Hand trägt eine besondere Verantwortung, dass diesem Missstand entgegengetreten wird. Es darf nämlich nicht so enden, dass deutsche Bauleute in Zukunft stempeln gehen und ausländische Bauarbeiter für einen Hungerlohn ausgebeutet werden.

Meine Damen und Herren, gehen Sie doch einmal zu den Neubauten am Sandtorkai und betrachten Sie dort die Nationalitäten der Bauarbeiter. Sie werden sich wie im Ausland vorkommen. Nur, diese Menschen können wir nicht dafür verantwortlich machen, dass sie von Subunternehmern zu untertariflichen Löhnen beschäftigt werden. Das Problem liegt eindeutig in der mangelhaften Durchsetzung der deutschen Gesetze und in der fehlenden Durchsetzung der hiesigen Tarifstrukturen. Lohn- und Sozialdumping können und werden wir nicht dulden. Das sind wir unseren, aber auch den ausländischen Bauarbeitern schuldig. Deswegen sind wir von der Ronald-SchillFraktion grundsätzlich der Meinung, dass ein Vergabegesetz zur Erhaltung der Tariftreue eine gute Sache ist. Nur müssen wir bedenken, dass ein so wichtiges Gesetz nicht auf die Schnelle und ohne Diskussionen in den zuständigen Ausschüssen beschlossen werden kann.

Ich möchte zum Beispiel auf die Bestimmung der Europäischen Union für die Vergabe öffentlicher Aufträge hinweisen. Leider können wir in Deutschland nicht mehr ohne Beachtung europäischer Gesetze über eigene Gesetze entscheiden. Es müsste aber auch geprüft werden, ob die im Gesetzestext angesprochenen Kontrollen und Nachweispflichten nicht wieder zu ausufernd und überregulierend sind.

Wir hatten vorhin das Thema Deregulierung angesprochen. Jetzt können wir nicht den entgegengesetzten Weg einschlagen und wieder für mehr Regulierung plädieren. Wir halten uns an die bewährte altgriechische Weisheit: Haltet das richtige Maß, so wenig Regulierung wie möglich, so viel Kontrolle wie nötig. In diesem Sinne plädieren wir von der Ronald-Schill-Fraktion für eine tiefer gehende Beratung in den zuständigen Ausschüssen. – Danke schön.

A C