Protocol of the Session on November 13, 2003

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: So ist das!)

und bei einem Teil des Hauses große Empörung, die wir, aber auch die GAL und auch die CDU, damals nicht geteilt haben, sondern einhellig mit einer Meinung vorgegangen sind und auch entsprechende Anträge verabschiedet haben. Es ist also nicht so, dass behauptet werden kann, hier wurde nicht kontrolliert. Hier wird versucht, ein Märchen aufzubauen. Das ist so nicht wahr!

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Dann nehmen wir den nächsten Punkt. Kollege Schira, die gemeinnützige Arbeit, die hier eingeführt wurde, ja super, wahrscheinlich noch flächendeckend. Das haben Sie nicht behauptet, aber es schwingt immer so ein bisschen mit. De facto stimmt, dass einige wenige Sozialhilfeempfänger die Möglichkeit haben, in diesem Bereich tätig zu sein. Das ist auch okay und nicht diskriminierbar. Aber so zu tun, als würde jetzt flächendeckend die ganze Mannschaft loslaufen und Heu einschaufeln – ich denke dabei an die Miniermottendebatte von gestern, die wir nicht geführt haben –, das ist nicht der Fall. Es ist ein kleiner Bereich, der im Prinzip auch in Arbeit gebracht werden soll. Aber so zu tun, als wenn wir jetzt alle etwas gegen die faulen Leute unternehmen, die auf der Bank sitzen, ist wohl nicht der Fall. Diese Art des Vorgehens und der Argumentation ist populistisch und möchte ich

hier auch nicht so teilen in diesem Haus. Wir sollten uns dagegen verwahren.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Dann der Datenabgleich, den Sie benannt haben und den Sie ab 2002 durchführen. Ja super, Held der Arbeit. Aber Sie wissen doch selber, dass erst ab 2001 die Rechtsgrundlagen abschließend dafür geschaffen wurden und dass 16 Jahre lang Kohl es überhaupt nicht geschafft hat, die entsprechende Verordnung im Bund zu schaffen und die rotgrüne Bundesregierung dafür nötig war.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Herr Schinnenburg, Sie hatten noch die Nachträge angesprochen, die wir andauernd im Sozialhilfebereich erhalten und die ich natürlich hier moniert habe. Ich habe nicht von den steigenden Zahlen gesprochen. Natürlich gibt es Nachforderungen aufgrund ansteigender Empfängerzahlen. Das ist das eine Thema. Aber das andere Thema ist immer: Es soll eingespart werden, weil der Missbrauch bekämpft wird. Da ist nicht eine müde Mark in diesem Parlament abgeliefert worden.

(Frank-Thorsten Schira und Michael Fuchs, beide CDU: Freundschaft! – Beifall bei der SPD)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Die sehe ich nicht. Dann kommen wir nun zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drs. 17/3564 in der Neufassung an den Sozialausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Die Überweisung ist somit abgelehnt.

Dann kommen wir jetzt in der Sache zur Abstimmung. Wer möchte den Antrag aus der Drs. 17/3564 in der Neufassung annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Mit großer Mehrheit und einigen Enthaltungen angenommen.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 49, Drs. 17/3501, Antrag der GAL-Fraktion: Hamburger Frauenhäuser – Vertrauensschutz und Sicherheit für alle gefährdeten Frauen gewährleisten.

[Antrag der Fraktion der GAL: Hamburger Frauenhäuser – Vertrauensschutz und Sicherheit für alle gefährdeten Frauen gewährleisten – Drs. 17/3501 –]

Wer wünscht das Wort? – Frau Dr. Lappe.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Von 1980 bis 1982 war ich wissenschaftliche Mitarbeiterin im Begleitforschungsprojekt zu den damals zwei Hamburger Frauenhäusern.

Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen, die damals passiert ist, damit Sie besser verstehen, warum wir diesen Antrag eingebracht haben und warum wir fordern, dass die Behörde für Soziales und Familie keinesfalls darauf bestehen darf, die Namen der Frauenhausbewohnerinnen genannt zu bekommen und geduldeten Frauen den Aufenthalt in einem der Frauenhäuser zu untersagen.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Meine Damen und Herren! Ein bisschen mehr Ruhe. Wenn Sie

Gespräche führen wollen, verlassen Sie bitte den Plenarsaal.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Tresengespräche bitte draußen! – Petra Brinkmann SPD: Die Männer in- teressiert das natürlich nicht, ist doch klar!)

Bitte fahren Sie fort.

Danke, Herr Präsident. Ich komme zu dem, was damals passiert ist.

Eine Frau aus dem Ruhrgebiet kam mit ihren drei Töchtern in eines der Hamburger Frauenhäuser auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann. Ich lernte sie kennen, als sie bereits dabei war, ihre Zukunft für sich und ihre Töchter in Hamburg zu organisieren. Sie fand eine Wohnung und lernte auch einen neuen Freund kennen, immer in der Hoffnung, dass ihr Mann ihren Aufenthaltsort nicht herausfinden möge. Eines Nachts kam sie jedoch wieder in das Frauenhaus. Ihr Mann hatte sie gefunden und bedroht. Die Adresse des Frauenhauses hatte er auch herausbekommen.

Sicher haben manche von Ihnen schon mal in die Augen von Menschen geschaut, die wirklich Angst um ihr Leben haben. Sie sehen dort Ohnmacht und Hilflosigkeit. Und als diejenige, die helfen will, fühlen Sie sich auch ohnmächtig, weil Sie merken, dass alles, was Sie tun, seine Grenzen hat. Es wird immer ein Restrisiko bleiben bei dem, was Sie machen.

Wir haben uns damals entschieden, Frau K. privat unterzubringen. Das sah dann so aus, dass wir sie bei Nacht und Nebel möglichst unentdeckt mit einem privaten PKW in die vorgesehene Wohnung gebracht haben, wobei wir uns ständig umgeschaut haben, ob irgendjemand uns verfolgt. Es ist in der Nacht nichts passiert. Sie ist danach wieder in das Frauenhaus gegangen und hat sich entschieden, in ihrer Wohnung zu bleiben, weil sie der Meinung war, dass sie nicht dauernd auf der Flucht vor ihrem ehemaligen Mann sein kann. Sie hatte auch gehofft, dass durch den neuen Freund der Schutz vielleicht mehr gewährleistet ist, als wenn sie allein gewesen wäre. Dem Mann wurde untersagt, sich in der Nähe ihrer Wohnung aufzuhalten. Doch eines Nachts drang er in die Wohnung ein und erschoss sie. Der Freund konnte noch gerade mit einem Sprung aus dem Fenster sein Leben retten. Die drei Töchter schliefen nebenan in ihrem Schlafzimmer.

Was ich Ihnen damit sagen will oder was für mich eine wichtige Erfahrung in diesem Zusammenhang war: Gewalt kommt in den besten und deutschen Familien vor, denn genau um so eine Familie handelte es sich damals. Die Anstrengungen, die Daten der Frauenhausbewohnerinnen zu schützen, können gar nicht groß genug sein. Es bleibt immer ein Restrisiko und genau hier liegt auch die schwierige Aufgabe der Frauenhaus-Mitarbeiterinnen. Sie müssen nämlich in jedem Fall eine Gefahrenabschätzung vornehmen und sie müssen jeden Tag entscheiden, ob eine Frau sich allein in der Öffentlichkeit bewegen kann oder nicht. Sie müssen auch entscheiden, ob überhaupt eine Wohnungswahl in Hamburg der Sicherheitslage entspricht oder die Maßnahme ergriffen werden muss, den Namen zu ändern.

Sie werden sagen, so etwas passiere ja nun nicht jeden Tag in Hamburg. Das stimmt, aber es passiert eben. Das letzte Mal in Hamburg 1995 und vor allem kann es immer wieder passieren. Die Bedrohung ist immer da und genau

das prägt auch den Alltag in einem Frauenhaus neben der ständigen Überfüllung. Betroffen sind davon nicht nur die Mitarbeiterinnen, sondern alle Frauen und Kinder, die dort Schutz suchen.

Mitte der Neunzigerjahre hat sich die Hamburger Politik im parteiübergreifenden Konsens und mit Unterstützung des Datenschutzbeauftragten bei der Novellierung des Hamburger Meldegesetzes für einen besonderen Schutz der Namen und Adressen von Frauen, die in Frauenhäuser flüchten, eingesetzt. Es wurden auch Verfahren erwirkt, die diesen besonderen Schutz bei der Ausländerbehörde, bei den Sozialämtern und beim Familiengericht gewährleisten sollen, damit es nicht zu Pannen wie der folgenden kommen kann: Ein gewalttätiger Mann bekam noch 1994 den aus Schutzgründen geänderten Namen und die Adresse der geflüchteten Frau, als er sie einfach bei der Polizei als vermisst meldete.

Eine regelhafte Namensnennung gegenüber der Behörde, wie jetzt gefordert, würde dieses Risiko wieder erhöhen, weil die BSF sicher nicht über die Schutzmaßnahmen verfügt, die besonders betroffene Ämter extra eingeführt haben. Um dies zu verdeutlichen: Die bereitwillige Herausgabe der Adresse des geplanten Ortes für die geduldeten Frauen an die Presse zeigt, wie wenig Sensibilität für diese Frage in der Behörde vorhanden ist und das weckt keinesfalls den Wunsch nach mehr.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Doch das ist nicht alles. Die Verpflichtung der Namensnennung bringt die Frauenhaus-Mitarbeiterinnen in Konflikt mit dem Strafgesetzbuch Paragraph 203. Dieser Paragraph verbietet Beraterinnen – ich zitiere –:

"… unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis"

zu offenbaren. Eine Einwilligung der Klientinnen wäre notwendig. Dabei würde sich ungefähr folgendes Szenario entwickeln:

Wenn eine Frau im Frauenhaus Schutz sucht, muss sie als Erstes gefragt werden, ob sie damit einverstanden ist, dass ihr Name samt weiterer Daten nach ihrem Auszug der Behörde mitgeteilt wird, ohne Rücksicht auf ihre Verfassung und ihre aktuelle Notsituation. Wenn sie Nein sagt, müsste sie wieder gehen, weil sonst das Frauenhaus vermeintlich nicht sachgerecht abrechnet. Sie könnte auch aufgenommen werden und kurz vor ihrem Auszug gefragt werden, ob sie damit einverstanden ist, dass ihr Name weitergereicht wird. Wenn sie dann allerdings Nein sagt, was ihr gutes Recht ist, sieht das Frauenhaus schlecht aus und könnte die Auflage der Behörde nicht erfüllen. Ich frage Sie: Wollen Sie wirklich solch einen Zustand in Hamburg hervorrufen? Ich glaube nicht. Wenn Sie sich alle ernsthaft fragen, glaube ich nicht, dass Sie das wirklich wollen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Die Frauen haben vor allem auch deshalb ein Recht auf den Schutz ihrer Privatsphäre, weil das Problem der Gewalt in der Beziehung nicht nur ein gesellschaftliches, sondern eben auch ein ganz persönliches ist mit all den Zweifeln, der Wut, den Schuld- und Ohnmachtsgefühlen, wie sie diese Frauen haben. Manche kommen immer wieder ins Frauenhaus. Für manche Frauen dauert es lange, bis sie in der Lage sind, sich ein gewaltfreies

Leben aufzubauen, manche schaffen es nie. All diese Sachen müssen sie in der Beziehung zwischen ihren Beraterinnen und sich klären können.

Nun zu den Begründungen der Behörde für das Vorgehen, was Sie jetzt beabsichtigen. Angeblich soll das Haushaltsrecht das einfordern. Das stimmt einfach nicht. Lesen Sie nach. Es steht nirgends, dass es erforderlich sei, die Namen zu nennen in solchen Fällen wie bei den Frauenhäusern. Wie Sie alle wissen, sieht der Datenschutzbeauftragte dies auch anders als die Behörde. Ein sachgerechter Verwendungsnachweis muss unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten rechtliche, fachliche und haushaltsrechtliche Erfordernisse erwägen. Eine Statistik ist erforderlich, aber keine Namensnennungen. Das kann mit Pseudonym erfolgen und würde so die hohen persönlichen Schutzrechte der Frauen nicht gefährden und die Mitarbeiterinnen vor Verstößen gegen das Strafrecht schützen. Es ist nicht nachvollziehbar, was die Behörde wirklich erreichen will. Vielleicht ist der Grund einfach in dem zu finden – Frau Koop, ich zitiere Sie ja so gerne –, dass Frau Koop am 20. Oktober 1994 im Zusammenhang mit der aus Ihrer Sicht so zögerlichen Einrichtung und Finanzierung des fünften Hamburger Frauenhauses und der damals so spät stattfindenden Debatte über dieses Thema gesagt hat:

"Es ist..., wie es mit den Frauen immer ist; die kommen immer zuletzt."

Zumindest das scheint sich mit bemerkenswerter Konsequenz bei dem jetzigen Senat fortzusetzen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Nun zu den geduldeten Frauen. Sie sollen das Frauenhaus nicht mehr nutzen können, weil sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen und das sehe nun mal die Leistung Frauenhaus nicht vor. Keine Sozialleistung in Hamburg sieht die Leistung Frauenhaus vor. Im Übrigen – damit Sie das auch alle wissen – ist die Frauenhausfinanzierung keine Einzelfallfinanzierung, sondern das gesamte Projekt wird finanziert und nicht nach Kopfzahl abgerechnet. Wenn man diese Formulierung weiter überlegen würde, würde das heißen, dass Frauen, die berufstätig sind – und die kommen auch in Frauenhäuser –, gar kein Recht darauf hätten, in ein Frauenhaus zu gehen, weil bei ihrer Entlohnung nun wirklich überhaupt keine Leistung Frauenhaus drin ist. Sie haben aber ein Recht darauf – vielleicht könnte man das sagen –, weil sie Steuern zahlen und aus Steuern wird ja das Frauenhaus finanziert.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Gibt es eine Männer- und eine Frauensteuer?)

Herr Müller-Sönksen, Sie glänzen wieder durch unqualifizierte Zwischenrufe.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Dabei sollte gerade Ihre Fraktion...