Protocol of the Session on October 29, 2003

Das wissen Sie und darüber haben wir im Haushalt auch gesprochen. Sie sollten auch wissen, Herr Böwer, es ist nach wie vor immer noch ein Unterschied, ob wir über 2000 Kinder und 2000 Plätze sprechen. Das ist ein ganz gewaltiger Unterschied. Sie wissen, Sie haben Plätze finanziert und wir haben Kinder finanziert. Deswegen ist das hier, wie man so schön sagt, Äpfel und Birnen miteinander vergleichen.

Aber eines ist natürlich auch für unsere Fraktion – und das möchte ich betonen – sehr wichtig: Wir brauchen in dieser Situation verlässliche Zahlen.

(Thomas Böwer SPD: Ja, sagen Sie doch einmal!)

Diese möchten wir konkretisiert haben. Es ist unsere Bitte an den Senat, uns diese Zahlen vorzulegen. Wenn hier gegebenenfalls nachgesteuert werden muss, möge der Senat dieses bitte tun. Wir haben alle ein großes Interesse daran, dass Kinderversorgung in Hamburg besser sein wird und besser ist als das, was Sie uns jahrzehntelang gegeben haben.

(Petra Brinkmann SPD: Daran werden Sie noch scheitern! – Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat die Abgeordnete Goetsch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Weinberg, ich beneide Sie ja nicht, eine Rede halten zu müssen, wo man das, was in den Brunnen gefallen ist, mit Lyrik ausbaden muss. Aber kommen wir zum Thema.

(Karen Koop CDU: Dafür wären wir sehr verbun- den!)

Wir können ja seit gestern auf Plakaten hamburgweit sehen: „Unsere Stadt ist in guten Händen.“ Weiter heißt das Zitat:

„Mit weitreichenden Reformen der Schul- und Hochschulstrukturen sichern wir die Zukunft unserer Kinder.“

Die Kitas werden schon gar nicht mehr als Bildungseinrichtung erwähnt, denn Kinder in dieser Stadt sind weder bei Herrn Lange in guten Händen noch bei dem Bürgermeister der Freien und Hansestadt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Aber mal chronologisch, dann wird es deutlich, dass es schon eine hausgemachte Katastrophe ist.

Am 24. Juni diesen Jahres erreichte uns eine Drucksache über:

„Erhebliche Änderungen der Haushaltsentwicklung im Haushaltsjahr 2003“.

Das waren die berühmten 19,4 Millionen Euro Nachforderung im Deckungskreis 33 für Kindertagesbetreuung. Im Grunde genommen hatte sich da schon deutlich gezeigt, was die Opposition, die Träger, die betroffenen Eltern im letzten Jahr schon immer wieder öffentlich deutlich dargelegt und wovor sie gewarnt hatten, dass ohne Ausbau von Plätzen und eine solide Finanzierung kein nachfrageorientiertes System eingeführt werden kann. Das konnte nicht gut gehen.

Gut gehen konnte aber auch nicht die fachlich stümperhafte Einführung nach dem Motto: Erst einmal machen wir es und dann werden wir es ja sehen. Gut gehen konnte dann ebenfalls auch nicht, das halte ich auch nochmals für ganz besonders erwähnenswert, dass ein Prioritätenkatalog mit einer bisher einzigartigen Ausgrenzung sozial benachteiligter Kinder hier herhalten musste.

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Die hat das noch immer nicht begriffen!)

Sie, meine Damen und Herren auf der Senatsbank, erdreisten sich, auch noch die ganze Stadt voll zu plakatieren: „So viel Kita-Förderung wie nie." Dazu kann ich nur sagen, so viel Kita-Täuschung wie noch nie, so viel Verdummung wie noch nie.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Haben Sie sich vorher getäuscht?)

Also, eigentlich sollten Sie sich schämen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Und dann kommt die ganze Geschichte auch noch schlimmer, Herr Müller-Sönksen. Am 1. September 2003 kamen Sie nicht mehr davon, als die Antwort des Senats auf die Große Anfrage der GAL zum Thema Kita kam. Jetzt wurde es wirklich ernst für Herrn Lange und man war gespannt, wie er sich da noch herauslavieren würde. Über 6000 Antragsteller, sprich Eltern, sind abgelehnt worden. 3900 Anträge sind gar nicht bearbeitet worden. Es spielen sich Dramen in den Familien und bei den Eltern ab, ganz zu schweigen, wenn die Übergangsregelung im Dezember aufhört und die Kinder rausfallen, deren Eltern arbeitslos sind, von Sozialhilfeempfängern oder wo ein Elternteil zu Hause ist, zum Beispiel bei Migrantenkindern. Wir haben damals sofort gesagt: Stopp, Stopp, fangen Sie dieses Gutscheinsystem noch einmal neu an. Das Drama ging weiter. In dieser unsäglichen Haushaltsausschusssitzung, einige werden sich erinnern, haben wir eine Stunde lang Herrn Senator Lange gelöchert und gebohrt. Wir bekamen keine Zahlen am 16. September. Ich zitiere aus dem Bericht des Haushaltsausschusses …

(Glocke)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, Herr MüllerSönksen soll sich melden und selbst zu dem Thema in die Bütt gehen. Dann bin ich auf seine Fachlichkeit gespannt.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das bekomme ich gerade noch auf die Reihe bei dem Niveau, das Sie vorlegen!)

Ich zitiere aus dem Bericht des Haushaltausschusses auf die Nachfrage der Auskömmlichkeit der Mittel – das ist ja dieses Haushaltsausschussdeutsch –:

„Die Frage der Auskömmlichkeit der Mittel könne angesichts des tief greifenden Systemwechsels derzeit nicht mit hinreichender Sicherheit beantwortet werden.“

Ja, dann frage ich, wann denn, wenn nicht zur ersten Lesung in den Haushaltsberatungen eine Antwort gegeben wird. Wann sollen wir denn diese erhalten?

(Dr. Willfried Maier GAL: Zur zweiten Lesung gab es auch keine!)

Jetzt geht es weiter. Wir machen das mal schön chronologisch. Eine sehr unangenehme Situation war es auch, als wir in der gleichen Woche den Tag der offenen Tür der Bürgerschaft hatten. Die kita-politischen Sprecher der Regierungskoalition rechtfertigten an diesem Tag gebetsmühlenartig hier vor dem Plenum, wie gut es Hamburg als wachsende Stadt mit dem neuen KitaGutscheinsystem geht und es weitergehen soll. Mir wurde noch vorgeworfen, was mir von allen Dreien einfalle, dass ich Ihnen ein entsprechendes Menschenbild vorgeworfen habe, das Kinder ganzer Stadtteile ausgrenzt und nicht ein Teil der wachsenden Stadt hier in Hamburg sein werden.

Ganz absurd wurde es dann, als nach der von der Opposition verweigerten zweiten Lesung des Kita-Gutscheingesetzes in den Jugendämtern Pressemitteilungen vergrößert vom Senator aufgehängt werden, worin steht, die Opposition habe die Schuld an der Misere. Da fällt einem überhaupt nichts mehr ein. So werden Legenden gestrickt.

(Rolf Harlinghausen CDU: Das ist so wie bei Ihrem Thema!)

Wir wären Schuld, dass es nicht genug Geld gäbe. Nein, Sie verunsichern die Eltern in der Stadt. Die ganze Stadt sieht doch, welches Chaos Sie von Woche zu Woche hier verursachen. Also, welche absurderen Ideen kommen Ihnen eigentlich noch, um vom eigenen Versagen abzulenken. Die Erhöhung des Haushaltsansatzes über 19 Millionen ist ja auch schon Schnee von gestern, denn am 24 Oktober erklärte ja der blitzgescheite Pressesprecher der Schulbehörde

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ist übertrieben, finde ich!)

auch noch, er gehe davon aus, dass der Haushalt ausreiche. Das hatte Herr Böwer schon angesprochen. Nun ist die Frage, ob er belastbare Zahlen hat oder nicht. Zwei Tage später erklärt der Senator, es reiche nicht und es müsse nachgefordert werden. Da frage ich mich doch, ob sie überhaupt miteinander sprechen. Der Senator konnte noch nicht einmal erklären – jetzt komme ich auf die Haushaltsausschusssitzung der zweiten Lesung –, wie hoch dieser Millionenbetrag ist. Letzte Woche hieß es, 14 Millionen Euro, das muss einfach noch einmal gesagt werden. Das kann doch kein Normalsterblicher mehr nachvollziehen, was man sich da bieten lassen muss. 14 Millionen Euro und die 19 Millionen Euro noch dazu ergeben 33 Millionen Euro. Die fehlen aber im nächsten Jahr, die sind ja strukturell gar nicht drin. Manchmal frage ich mich, ob der Senator investive Mittel oder Betriebskosten verwechselt hat. Zuzutrauen wäre es ja bald. Seit heute wissen wir, dass der Blindflug noch nicht zu Ende ist. Man spricht von 18 Millionen Euro und gar von 50 Millionen Euro. Damit komme ich, meine Damen und Herren, besonders auf Sie, Herr Müller-Sönksen, zu sprechen.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Ja gerne, jetzt kommen Sie mal zur Sache!)

Sie, in dieser ach so wirtschaftsliberalen FDP, was würden Sie denn mit einem solchen Unternehmer wie Senator Lange machen, der ohne Geschäftserfolg, ohne Perspektive und ohne Konzept so ein Unternehmen den Bach herunterfährt.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das haben Sie gesagt! Ist nicht vergleichbar. Reden wir mal über Herrn Stolpe! – Dr. Willfried Maier GAL: Manager des Jahres!)

Ich frage Sie aber, Herr Müller-Sönksen.

Aber lassen wir es mal gut sein, offensichtlich haben Sie noch nicht die richtige Lösung parat, die Sie hier öffentlich darlegen würden. Offensichtlich sind hier alle im Machtkorsett erstarrt und wollen sich nicht bewegen. Wir haben ja gesehen, dieser Senator hat aber auch gar nichts im Griff, nicht die Schulen und auch nicht die Kitas. Deshalb frage ich mich mal wieder, warum greift der Erste Bürgermeister nicht ein. Es geht hier um Sorgen und die

Zukunft von tausenden von Eltern und tausenden von Kindern. Sie warten immer erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Der Erste Bürgermeister ist nicht da. Er versagt mit seinen guten Händen für die Stadt und für die Zukunft der Kinder. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schinnenburg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Böwer! Sie haben zu Recht erwähnt, dass Senator Lange mit Guido Westerwelle und anderen Personen auf der Bundesebene tätig ist. Ich gebe zu, als ich dies zuerst hörte, habe ich mir auch Sorgen gemacht. Herr Lange hat im Bildungsbereich in Hamburg so viel Mist aufzuräumen, den Sie hinterlassen haben. Darum habe ich mich gefragt: Hat er noch so viel Zeit, sich auch noch darum zu kümmern?

(Beifall bei Burkhardt Müller-Sönksen FDP)

Diese Sorge habe ich mir schon gemacht, aber sie dauerte nur eine Sekunde. Dann habe ich mich gefragt: Wer ist denn beim Bund der Gegner? Mir fiel dazu der komische Name Schröder ein. Wenn es nur darum geht, die Versäumnisse der Bundesregierung aufzuarbeiten, dann macht das Herr Lange nebenbei. Das ist keine große Aufgabe, das können Sie jeden Tag in der Zeitung lesen.