Protocol of the Session on October 29, 2003

Das bedeutet, dass Sie – in die Rolle der Bundesopposition schlüpfend – der Regierung vorwerfen, dass sie ihre eigenen Vorgaben nicht schnell genug erreicht. Darüber kann sich eine Regierung tatsächlich nur freuen, wenn das die inhaltliche Kritik der Opposition ist.

Tatsächlich ist es so, dass die Lkw-Maut sicherlich kommt, aber sie wird weit verspätet kommen. Die Regierung ist gut beraten, genau nachzusehen, was die Entlassung des Toll Collect-Geschäftsführers Michael Rummel genau bedeutet. Dieser ist entlassen worden, weil er wissentlich die Auslieferung fehlerhafter On-Board-Units veranlasst hat. Ich glaube, dass dies genau der Schlüssel ist, mit dem die Bundesregierung – beziehungsweise das Bundesministerium – Schadensersatzansprüche geltend machen kann, weil hier wissentlich gegen den Vertrag verstoßen wurde, sodass das Konsortium nicht mehr behaupten kann, es seien Fehler gemacht worden, die von der Schadensersatzregelung ausgenommen waren. Deswegen wird die Lkw-Maut kommen, sie wird aber später kommen, als wir es uns alle wünschen. Wenn nicht mit diesem, dann mit einem anderen Betreiber.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Rumpf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat hat die Lkw-Maut etwas geschafft, was meines Wissens vorher noch keiner geschafft hat: Sie wurde als unpersönlicher Gegenstand Liebling des Monats bei Harald Schmidt.

(Barbara Duden SPD: Na, das ist doch etwas!)

Frau Duden, das hat die Maut, aber nicht der Transrapid geschafft.

(Michael Neumann SPD: Da gab's Harald Schmidt noch gar nicht!)

Ich darf doch einmal an die Realitäten erinnern: Sie und Ihr Kanzler haben den Transrapid beerdigt, und nicht wir.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Er ist danach grinsend nach China gefahren, um ihn dort zu verhökern. Sie sollten also ein bisschen vorsichtig sein.

Bevor ich auf das Chaos, die eigentliche politische Verantwortlichkeit und auf den Hamburg-Bezug eingehe,

möchte ich eine grundsätzliche Bemerkung zu Herrn Lühmann machen. Er hat von einer Tendenz gesprochen, die Regierung aufzufordern, die von ihr gewollten Sachen schneller zu machen.

Die grundsätzliche Tendenz der Lkw-Maut, nämlich zu einer durch die Nutzer finanzierten Infrastruktur zu kommen, sehen wir positiv. Aber nach der Maut-Einführung wird es, weil die Mineralölsteuer unverändert hoch bleibt, eine höhere Abgabenbelastung auf Deutschlands Straßen geben. Die Mittel für Investitionen in den Infrastrukturausbau sollen nach dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung gegenüber 2003 – das hat Herr Senator Mettbach schon gesagt – im Jahre 2004 sogar gekürzt werden. Genau das Gegenteil, nämlich die Verwendung der Maut-Einnahmen für eine Aufstockung der Investitionsmittel, war aber Grundbedingung für eine Abgabenerhebung durch die Maut.

(Bernd Reinert CDU: Eben!)

Stattdessen wird die Bundesregierung lediglich bisher steuerfinanzierte durch mautfinanzierte Investitionen ersetzen. Insofern ist die Lkw-Maut von Rotgrün nur eine Art Steuer und eine zusätzliche Einnahmequelle für Finanzminister Eichel. Das ist Pfusch!

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Nichtsdestotrotz teile ich die Meinungen meiner Kollegen – auch der liberalen Kollegen – nicht unbedingt, dass Herr Stolpe die alleinige politische Verantwortung dafür zu tragen hat.

(Martin Woestmeyer FDP: Es reicht aber trotzdem für einen Rücktritt!)

Sie liegt bei seinem Vorgänger Herrn Bodewig. Es war ausnahmsweise einmal kein abgewählter Ministerpräsident. Es bestehen – wie der "Spiegel" in seiner Ausgabe von letzter Woche schreibt – über 17 000 Seiten mit offenen Fragen, und zwar auch insbesondere – das hat auch Herr Lühmann schon angesprochen –, was die Beteiligung von Toll Collect an den finanziellen Auswirkungen angeht.

So sicher wie Herr Stolpe das gestern in den Nachrichten dargelegt hat, dass Toll Collect dafür zur Verantwortung gezogen werden kann, ist das Vertragswerk nicht. Das ist für Sozialdemokraten – aber nicht für Anwälte – übrigens typisch, wenn sie Verträge machen, Frau Duden. Es wäre besser gewesen, die Anwälte hätten die Verträge gemacht.

Ich komme zum Hamburger Bezug. Die Maut wird allein deswegen Auswirkungen auf Hamburg haben, weil der Ausbau der A 7 als Betreibermodell vorgesehen ist. Wenn das nicht rechtzeitig passiert – auch da hoffe ich, dass Herr Stolpe seine Versprechungen wahr macht –, wird es Folgen für den Deckel und für die A 26 haben.

Auch die politische Verantwortung hat einen HamburgBezug, denn die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium kommt aus Hamburg. Sie war schon unter Bodewig im Amt und von Anfang an in diese traurige Geschichte involviert.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Ach, deswegen!)

Sie sagt, eine westliche Elbquerung widerspreche den Interessen Hamburgs. Bei der Zusammenstellung des Bundesverkehrswegeplans wurden der Deckel und die

Hafenquerspange bei der zukünftigen Verkehrsentwicklung nicht berücksichtigt. Dazu kommt nun auch noch das für Hamburg schädliche Chaos durch die Maut. Meiner Ansicht nach sollte nicht zuerst Herr Stolpe zurücktreten. – Danke.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3, Drs. 17/3298: Wahl eines Mitgliedes des Hamburgischen Verfassungsgerichts.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl eines Mitglieds des Hamburgischen Verfassungsgerichts – Drs. 17/3298 –]

Da das Gesetz über das Hamburgische Verfassungsgericht in seinem Paragraphen 4 eine geheime Wahl vorschreibt, findet die Wahl in Wahlkabinen statt. Wir verfahren so, dass Herr Farid Müller, Frau Pauly und Frau Pawlowski abwechselnd die Mitglieder der Bürgerschaft in alphabetischer Reihenfolge aufrufen. Ich bitte Sie, dann zur Kanzleibank zu gehen und Ihren Stimmzettel entgegenzunehmen, der Felder für Zustimmung, Ablehnung und Wahlenthaltung enthält.

Mit dem Stimmzettel gehen Sie bitte in eine der Wahlkabinen und nehmen die Wahlentscheidung dort vor. Ich bitte, die Stimmzettel jeweils nur mit einem Kreuz zu versehen. Stimmzettel, die den Willen des Mitgliedes nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Nach der Wahlhandlung begeben Sie sich bitte zu Frau Rogalski-Beeck, bei der die Wahlurne steht, und stecken Sie Ihren Stimmzettel dort hinein. Ich darf Herrn Müller bitten, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf wird vorgenommen.)

Ist ein Mitglied des Hauses nicht aufgerufen worden? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, dass alle aufgerufen worden sind. Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Ich erkläre die Wahlhandlung für geschlossen. Ich bitte nunmehr, die Stimmauszählung vorzunehmen.

Für die Dauer der Stimmauszählung ist die Sitzung unterbrochen.

Unterbrechung: 16.48 Uhr

______________

Wiederbeginn: 17.02 Uhr

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, die Plätze wieder einnehmen zu wollen.

(Glocke)

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das Ergebnis der Wahl bekannt. Bei der Wahl eines Mitglieds des Hambur-

_______________

Ergebnis siehe Seite 2838 B

gischen Verfassungsgerichtes sind 112 Stimmzettel abgegeben worden. Alle waren gültig. Herr Dr. Martin Schmidt erhielt 58 Ja-Stimmen bei 48 Nein-Stimmen und sechs Enthaltungen. Damit ist Herr Dr. Schmidt zum Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichtes gewählt worden.

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Dr. Schmidt, die Bürgerschaft hat Sie soeben zum Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichtes gewählt. Hierzu beglückwünsche ich Sie im Namen des Hauses. Ich frage Sie, ob Sie die Wahl annehmen.

Dr. Martin Schmidt: Ja.

Nach Paragraph sieben des Gesetzes über das Hamburgische Verfassungsgericht haben die Mitglieder desselben vor Antritt ihres Amtes vor der Bürgerschaft einen Eid zu leisten. Ich lese Ihnen den Wortlaut des Eides vor und bitte Sie, bei erhobener rechter Hand die Beteuerungsformel „Ich schwöre es“ oder „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe“ nachzusprechen.

Der Eid hat folgenden Wortlaut:

„Ich schwöre, dass ich als gerechter Richter alle Zeit das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, die Verfassung und die Gesetze getreulich wahren und meine richterlichen Pflichten gegenüber jedermann gewissenhaft erfüllen werde.“

Dr. Martin Schmidt: Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.