Protocol of the Session on October 29, 2003

und das gilt auch für die Verkehrsdisziplin. Wir haben eben gehört, dass die schulische Ausbildung zur Verkehrsdisziplin in Hamburg eine außergewöhnlich gute ist. Unser Problem sind eigentlich vielmehr die Erwachsenen. Da ist nämlich die Straßenverkehrsordnung von den Fußgängern außer Betrieb gesetzt worden. Wenn Sie sich einmal ansehen, wie Fußgänger mit einer Selbstverständlichkeit in den fließenden Verkehr laufen mit der Begründung, der Autofahrer sieht mich ja, dann ist das für die Kinder schwer nachvollziehbar. Wie soll das funktionieren, wenn die Kinder bei Rot an der Ampel halten und die Eltern sie einfach weiterziehen, weil im Moment kein Auto kommt? Das nehmen die doch als Beispiel mit. Und wenn Sie einmal beobachten, mit welcher Selbstverständlichkeit dann Kinder, wenn sie es gewöhnt sind, mit ihren Eltern über die Straße zu gehen, ohne nach rechts und links zu schauen, plötzlich in den fließenden Verkehr hineingehen, dann wissen Sie, wie Unfälle entstehen.

Noch eins zum Thema Radfahrer, Herr Lühmann. Radfahrerinnen auf dem Fußweg sind auch so eine Sache. Wer älter als zwölf Jahre ist, hat laut Straßenverkehrsordnung da überhaupt nichts mehr zu suchen. Da ist die Straßenverkehrsordnung einfach außer Betrieb gesetzt worden und kein Mensch kümmert sich darum, was überhaupt noch an Ordnung da ist. Man wird es einfach tolerieren müssen, weil es sich bei uns so eingebürgert hat. Wir sollten einmal ernsthaft darüber nachdenken, wie wir vor allen Dingen bei Erwachsenen das Bewusstsein stärken können, dass sie auch Vorbilder für Kinder sein müssen.

Im Übrigen gab es einmal Bestrebungen, die Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 30 zu setzen. Ich möchte nur daran erinnern, dass eine Stadt dieser Größenordnung Beschränkungen solcher Art am wenigsten vertragen kann, denn wir haben neben dem Pkw-Verkehr einen Lieferverkehr, der für diese Stadt lebenswichtig ist, und der sollte auch einigermaßen zügig durchkommen. Da ärgern wir uns schon ständig, dass die Fahrzeuge nicht durchkommen.

Also ein bisschen mehr Disziplin der Erwachsenen und ein bisschen mehr Verständnis für das Auto wären nicht schlecht.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit ist die Große Anfrage der Drs. 17/2903 besprochen.

Ich rufe jetzt Punkt 19 der Tagesordnung auf, Große Anfrage der Koalitionsfraktionen: Tuberkulose in Hamburg.

[Große Anfrage der Fraktionen der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Tuberkulose in Hamburg – Drs. 17/3300 –]

Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion an den Gesundheitsausschuss überweisen. Wer begehrt das Wort? – Herr Dr. Schinnenburg, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Koalition hat sich ganz be

wusst das zunächst vielleicht langweilig klingende Thema Tuberkulose auf die Tagesordnung geschrieben, und zwar deshalb, weil die Gefahr besteht, dass eine nicht geringe Gefahr in diesem Lande, in dieser Stadt nicht ausreichend beachtet wird.

Wenn wir die Große Anfrage und die Antworten darauf lesen, haben wir einige sehr erschreckende Fakten zu gewärtigen. Im Jahre 2002 gab es in dieser Stadt nicht weniger als 218 Neuerkrankungen an Tuberkulose. Tuberkulose ist nach HIV die zweithäufigste Todesursache unter den Infektionskrankheiten, also mehr als zum Beispiel Hepatitis. Es gibt mittlerweile nicht wenige, die resistent gegen Antibiotika sind. Das heißt, die an Tbc Erkrankten haben zunehmend Probleme, sich adäquat behandeln zu lassen. Wir mussten auch erfahren, dass es aus offenbar wohl erwogenen Gründen keine Impfungen mehr gibt. Die Impfungen gegen Tbc haben eine begrenzte Wirksamkeit und es gibt eine nicht geringe Zahl von Impfkomplikationen. Das sind aus meiner Sicht erschreckende Fakten, die es wert waren, einmal bekannt gemacht zu werden.

Es gibt auch etwas Positives, und zwar nimmt die Zahl der Neuerkrankungen in den Industrieländern und auch in Hamburg ab. Wir haben also ein wenig die Hoffnung, dass sich die jährliche Zahl von im Schnitt 218 Neuerkrankungen verringert.

Weiter haben wir danach gefragt, wer eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit hat, an Tbc zu erkranken. Hier wurden im Grunde genommen drei Risikomerkmale genannt: das höhere Lebensalter, ein anderes Geburtsland als Deutschland und sozial schwächere Schichten. Aus diesen Risikomerkmalen könnte man jetzt folgern, dass man zum Beispiel gegen Menschen mit einem anderen Geburtsland als Deutschland, auf Deutsch Migranten, besondere Vorsichtsmaßnahmen ergreifen müsste. Da ist aber eine eindeutige Antwort gegeben worden, nämlich dass dies nicht erforderlich sei. Es gibt bisher keine Erkenntnisse, dass die deutsche Bevölkerung durch Zuwanderung von Migranten höher gefährdet ist, an Tbc zu erkranken. Dieses nehmen wir als FDP-Fraktion zum Anlass, jeder Art von Diskriminierung von Tbc-Kranken, maßgeblich solchen, die aus anderen Ländern kommen, entgegenzutreten.

(Beifall bei Martin Woestmeyer FDP)

Weiter sollten wir die Zahlen dieser Großen Anfrage auch einmal in Beziehung zu Aids setzen. Aids ist eine große Gefahr in Hamburg, in Deutschland, noch mehr in Afrika oder den ehemaligen GUS-Ländern. Wenn man sich aber die Zahlen anguckt, ist Tbc eine etwas kleinere, aber keineswegs zu unterschätzende Gefahr. Wir sollten uns nicht nur den populären, allgemein diskutierten Krankheiten zuwenden, sondern auch einer Krankheit wie Tbc, die wesentlich weniger in den Schlagzeilen ist, aber nicht fürchterlich viel weniger gefährlich ist.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen trotz dieser Zahlen keine Hysterie. Wir brauchen schon gar keine Ausgrenzung, sondern die Betroffenen brauchen unsere Hilfe. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Herr Rosenfeldt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Schinnenburg hat mit Recht darauf hingewiesen, dass wir an dieser Stelle keine Hysterie zu haben brauchen. Wir haben seit Jahren sinkende Zahlen an Tuberkulose und ich habe mich bei dieser Anfrage, die ein durchaus wichtiges Thema im Medizinbereich aufgreift, gefragt, was uns diese Anfrage eigentlich lehrt.

Wenn man im Internet recherchiert hätte, hätten alle gestellten Fragen dort schon beantwortet werden können. Unter www.medicine-worldwide.de ist der größte Teil der Anfrage wörtlich nachzulesen. Möglicherweise war die Anfrage früher und sie haben es später eingestellt, auf jeden Fall entspricht es wörtlich dem, was in der Einleitung der Anfrage in vielen Fragen steht; eine Fleißaufgabe, die ich aber lobe. Wenn man weitergelesen und noch ein bisschen weiterrecherchiert hätte, hätten sich damit viele Fragen beantwortet.

Es lehrt uns trotzdem etwas. Es lehrt uns erstens, dass die Tbc weiter auf dem Rückzug ist und man durch sorgfältige Aufklärung und Beobachtung trotz der Probleme, die durch Risikogruppen entstehen, Erfolge erreichen kann und man in Deutschland und den meisten Industrieländern sehr gute Mechanismen entwickelt hat, um diese Krankheit im Griff zu behalten.

Wir haben zweitens gelernt, dass es eine Armutskrankheit ist – das wussten die meisten schon –, die meistens die Armen trifft, und die kommen oft noch aus armen Ländern. Das hätte man da auch nachlesen können.

Interessant ist aber, dass in dieser Anfrage – das fehlt mir eigentlich – nicht gefragt wird, wie wir in Hamburg mit den Risikogruppen umgehen und ob es hier bestimmte Auffälligkeiten gibt. Damit sollten wir uns beschäftigen, weil uns das handlungsorientiert interessieren könnte, und nicht mit einer allgemeinen Information, die wir überall erhalten können, und mit der Frage, die sich daraus ergibt. Eine gesunde Lebensweise schützt vor Infektionen, insbesondere auch bei Tuberkulose. Gerade die Älteren kennen noch aus der Nachkriegszeit Hunger und dass da das Risiko einer Ansteckung wesentlich höher war.

Wie also gehen wir heute mit den Risiken um, die sich bei falscher Ernährung und schlechter Lebensweise ergeben? Wie gehen wir mit Aufklärung in der Schule um? Wie machen wir die Krankheit – das ist nämlich eines der tatsächlichen Probleme – erkennbar? Diese Krankheit weist relativ wenige spezifische Symptome auf. Wenn jemand hustend durch die Gegend zieht, kommt man in der Regel nicht sofort darauf, dass er eine Tuberkulose hat, sondern er wird erst einmal auf Husten behandelt, bis man tatsächlich auf die größeren Risiken eingeht. Da kann man noch etwas durch Aufklärung und Bewusstmachen tun. Gerade in Zeiten, in denen die Infektionen zurückgehen, lässt in der Regel auch die Wachsamkeit nach, und da könnte man sich überlegen, was möglicherweise in Hamburg zu tun ist bei den Risikogruppen – hier ist noch von HIV geredet worden –, die zum Beispiel schlechter ernährt oder insgesamt anfälliger sind. Das betrifft auch die älteren Leute, die für Krankheiten einfach anfälliger sind, das ist nämlich auch eine große Risikogruppe für Neuerkrankungen.

Die rasche Identifizierung dieser Krankheit ist ein wichtiges Thema und dieser Aufklärungsfrage sollten wir uns im Ausschuss noch einmal annehmen. Was bei der Eindämmung auf organisatorischem Wege getan werden

kann, ist getan. Das Infektionsschutzgesetz der Bundesregierung von 2001 hat uns erstmals Handhabungen geliefert, mit denen man vernünftig umgehen kann.

(Dietrich Wersich CDU: Was?)

Sie hätten im Internet weiterlesen sollen, dann hätten Sie die Anfrage noch einmal überarbeiten können.

Es ist in allen Veröffentlichungen hervorgehoben, dass damit erstmals die Grundlagen für konkretes, weitergehendes Handeln, für gute Datenlagen gegeben sind, weil die Daten zum Geburtsland erstmalig flächendeckend erhoben werden. Die WHO hat Deutschland vor kurzem als ein Land eingeordnet, in dem auch über das DOTSSystem Entwicklungen von Krankheiten genau verfolgt werden können. Im organisatorischen Bereich ist also vieles, was generell da ist, geklärt.

Wenn wir das Thema weiter bearbeiten, sollten wir uns vielleicht darauf konzentrieren, wo in Hamburg Schwerpunkte sind, wo wir regional stärker mit Aufklärung und Fortbildung vorgehen müssen und wo wir als Hamburger vielleicht auch noch mehr Unterstützung leisten können, was die Länder betrifft, bei denen große Risiken bestehen. Da lässt sich noch einiges bei Fortbildung, Forschung und Unterstützung in armen Ländern machen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Wersich, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Rosenfeldt, Sie haben sich richtig Mühe gegeben, der ganzen Sache einen politischen Sinn zu verleihen. Aber Ihre Spekulationen waren, ehrlich gesagt, zum Teil eher allgemeinpolitischer Art.

Ich finde die Anfrage gut und wichtig, weil wir in der Vergangenheit immer wieder mit zum Teil spektakulär aufgemachten Presseberichten konfrontiert worden sind: Tuberkulose auf dem Vormarsch und, und, und. Die Anfrage hat doch sehr deutlich gemacht, dass diese Menschheitsgeißel, diese Krankheit in Hamburg zum Glück sogar rückläufig ist, dass wir eine positive Tendenz haben. Sie hat uns auf der anderen Seite aber auch gezeigt, dass wir im Bereich der Zuwanderer und auch im Zusammenhang mit Alter und anderen Erkrankungen natürlich erhöhte Zahlen haben. Daraus aber irgendetwas Konkretes für eine Prävention in Schulen oder so abzuleiten, halte ich für reflexartig verfrüht. Insofern ist diese Anfrage gut und umfassend beantwortet und wir können im Moment keinen politischen Handlungsbedarf im Parlament erkennen, der es rechtfertigt, auch noch in Ausschüssen weiter darüber zu reden.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Herr BarthVölkel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Thema Tuberkulose ist auf den ersten Blick kein bestimmendes Thema für die Gesundheitspolitik hier in Hamburg. Wir leben in einem Land, in dem die Möglichkeiten einer Ansteckung mit Tuberkelbakterien aufgrund der Lebensumstände und wegen der guten medizinischen

Versorgung eher gering sind. Das Ansteckungsrisiko mit Tuberkulose ist dort besonders hoch, wo viele Menschen unter schlechten hygienischen Bedingungen auf dichtem Raum zusammenleben. In Hamburg ist dieses bekanntermaßen nicht der Fall.

Aber, wie so oft, täuscht der erste Eindruck. Hamburg ist als Tor zur Welt und eben auch zu Osteuropa hier in einer besonderen Situation. Es ist Fakt, dass die Inzidenz der Tuberkulose in Hamburg über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegt, allerdings ausdrücklich nicht in einem besorgniserregenden Umfang. Der Grund für diese Tatsache ist darin zu suchen, dass auch der prozentuale Anteil an Neuerkrankungen in Hamburg, die nicht die Bundesrepublik als Geburtsland angegeben haben, circa acht Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegt. Tuberkulose ist in den Industrienationen zwar weitestgehend besiegt, jedoch sind jährlich nach Zahlen der Weltgesundheitsorganisation circa drei Millionen Neuerkrankungen, hauptsächlich in den ärmeren Ländern der Welt, zu verzeichnen.

Gefährlich in diesem Zusammenhang sind die Mutationen der Erreger und die auftretenden Resistenzen gegen die existierenden Medikamente, meistens aufgrund nicht korrekt durchgeführter Medikationen. Besonders ausgeprägt ist diese Tendenz bedauerlicherweise in Ländern Osteuropas, der ehemaligen Sowjetunion. Genau diese Länder wickeln nun einmal einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Handelsaktivitäten über Hamburg und den Hamburger Hafen ab.

Insbesondere Hamburgs exponierte Lage als Hafenstadt, in die Menschen aus allen Herren Länder kommen, lässt es daher angezeigt erscheinen, dass hier in Hamburg besonders sorgfältige Kontrollen und gründliche Untersuchungen der Risikogruppen durch die zuständigen Behörden stattfinden müssen. Die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg stellen sicher, dass durch möglichst schnelle Identifizierung und, wenn nötig, Isolierung der infektiösen Patienten und einer kontrollierten Betreuung bis zur Ausheilung das Risiko einer Ausbreitung dieser Krankheit minimiert wird. Dazu gehört auch die regelhafte Untersuchung des Umfeldes auf Infektionen. Außerdem werden regelhaft alle Asylbewerber auf Symptome der Tuberkulose untersucht, da zum Beispiel bei einer Unterbringung in einer Asylbewerberunterkunft mit einer raschen Ausbreitung zu rechnen wäre.

Eine ähnliche Situation entsteht bei der Aufnahme von Menschen in andere Gemeinschaftsunterkünfte wie Senioren- oder Pflegeheime, sodass auch hier wegen der erhöhten Ansteckungsgefahr regelhaft ein Attest über das Nichtvorliegen einer ansteckenden Tuberkulose beizubringen ist.

Wie die Antwort des Senats auf diese Anfrage und im Übrigen auch auf meine eigene Kleine Anfrage zur Frage des Schutzes der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt vor Infektionskrankheiten zeigt, wird in Hamburg dieser besonderen Sorgfaltspflicht Rechnung getragen. Vergleicht man die zur Verfügung stehenden Daten der letzten zehn Jahre, so ist ein kontinuierlicher, deutlich messbarer Rückgang der Inzidenz zu verzeichnen. Dieses ist, abgesehen von der nicht zu vernachlässigenden Arbeit der Ärzte, auch ein Verdienst der guten Arbeit der Behörden in Hamburg. – Vielen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Frau Dr. Freudenberg, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch ich sehe keinen Grund zur Panik, aber die GAL-Fraktion hat den Antrag auf Überweisung dieser Großen Anfrage in den Gesundheitsausschuss gestellt, und zwar deshalb, weil wir meinen, dass das Thema doch noch sehr viel mehr hergibt, als durch Ihre Anfrage erfasst wurde.