Besonders gefährlich für die schwächsten Verkehrsteilnehmer ist aber eine zu hohe Geschwindigkeit der Autofahrer, und bei diesem Thema hat der Senat noch erheblichen Nachholbedarf. Es ist lobenswert, dass der neue Innensenator die Politik Schills, die als Ermunterung zum Rasen verstanden werden musste und von vielen auch so verstanden und praktiziert worden ist, teilweise zurückgenommen hat. Diese Politik, die Herr Schill eingeführt hat, hat sich nur noch durch Anhebung der Geschwindigkeitsgrenzen ausgezeichnet, und, was eigentlich ein Skandal als solcher ist – Herr Schill hat das nicht mehr so erfahren müssen, da er aus anderen Gründen zurückgetreten ist –, durch die klammheimliche Anhebung der Toleranzgrenzen beim Blitzen. Es ist wirklich unglaublich gewesen, was er sich da geleistet hat.
Dann hat er in einem Grundsatz von Liberalität gewissermaßen einen Appell an die Eigenverantwortung der Autofahrer gerichtet, das werde es dann richten. Wir wissen doch alle und auch wir selber können uns da nicht ausnehmen, dass es so nicht läuft. In Hamburg, in allen Ballungsgebieten und selbst auf dem Lande müssen wir leider noch auf lange Zeit Rasereien aktiv kontrollieren und auch ahnden. Die Annahme, den Verkehrsfluss im innerstädtischen Verkehr durch die Erhöhung der zugelassenen Höchstgeschwindigkeiten verbessern zu können, ist falsch. Dieses kann so nicht funktionieren, erhöht den Gefährdungsgrad aller Verkehrsteilnehmer und muss deshalb unbedingt zurückgenommen werden. Der Senat ist noch in der Pflicht, hier seine verkehrte Politik zu überdenken und zu ändern.
Der vermeintliche Zeitgewinn, den man zum Beispiel durch eine Erhöhung der Geschwindigkeit um 10 Stundenkilometer hat, steht in keinerlei Verhältnis zum wachsenden Gefährdungsrisiko bei einem Unfall. Ein Beispiel: Würde man eine Strecke von 20 Kilometern durchgehend mit 60 statt mit 50 fahren, wäre ein rechnerischer Zeitgewinn von vier Minuten zu erzielen. Da man jedoch diese 20 Kilometer nirgendwo durchfahren kann und in einem Stadtbereich ständig ausgebremst wird, reduziert sich der tatsächliche Zeitgewinn, wenn er denn überhaupt eintritt, auf wenige Sekunden. Objektiv betrachtet bringt das also keine Zeitersparnis.
Dann hätte immer der Querverkehr keine grüne Welle. Sie wissen doch, dass das unsinnig ist, und je weiter man in den Stadtbezirk hineinkommt, desto weniger ist das machbar.
Zum Risiko bei Verletzungen: Während die Überlebenschancen eines Fußgängers bei einem Aufprall mit 40 Stundenkilometern noch 70 Prozent betragen, sind es bei 60 Stundenkilometern nur noch 15 Prozent. Jeder zweite Verkehrstote in Hamburg ist ein Opfer von Raserei. Wenn solche Dinge in den nächsten Jahren passieren, dann müssen Sie sich vorhalten lassen, dass Sie dafür verantwortlich sind. Die kurzräumige Einrichtung von 60-Stundenkilometer-Bereichen über zwei oder drei Kilometer wird dann zu solchen bedauerlichen Unfällen mit schwersten Verletzungen und mit Todesfolge führen, und das alles für nichts; das ist unverantwortlich.
Dies sind auch die Erkenntnisse Ihrer Fachbehörde, das sind Ihre eigenen Zahlen. Handeln Sie doch bitte verantwortlich danach, ziehen die Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen und lassen von Ihrer Politik der Temposteigerung und der Ermunterung zum schnellen Fahren ab.
Ihre falsche Doktrin der Tempoerhöhung gefährdet gerade das Leben und die Gesundheit der schwächsten Verkehrsteilnehmer, der Kinder und der älteren Menschen. Die Erhöhung der zugelassenen Geschwindigkeit ist der falsche Weg, den Verkehrsfluss verbessert man mit anderen Maßnahmen. Das können wir durchaus gemeinsam beraten und auch umsetzen. Da gibt es viele Ansätze, zum Beispiel die Optimierung der Ampelschaltung – daran wird ja schon ein bisschen gebastelt –,
den besseren Ausbau der Kreuzungen und die Schaffung von Kreisverkehren, wo es geeignet ist, und das konsequente Unterbinden von Parken in zweiter Reihe. Das ist doch ein tägliches Ärgernis, das während Ihrer zwei Jahre Regierungszeit immer mehr geworden ist. Ich frage mich, wie das kommen kann, wo doch mehrfach gesagt wurde, hier würde man konsequent eingreifen – null Erfolg – und auch mehr Parkraum schaffen, um unnötige Verkehrsfahrten zu vermeiden. Das alles sind Themen, über die man sich unterhalten kann, die wirklich helfen und dann auch die Fahrt von Autos beschleunigen können, nicht zur Raserei, aber zum zügigeren Fahren im erlaubten Bereich zwischen 30 und 50.
Erlauben Sie mir noch ein Wort zum Thema Abzocke, weil damit etwas transportiert wurde. Mobile Tempokontrollen an besonders gefährdeten Standorten sind keine Abzocke, sondern notwendige Sanktionierung eines gefährlichen Verhaltens. Das ist bitte auch durchzuführen, das ist die Pflicht eines jeden Senats und Senators.
Noch eine letzte Bemerkung. Wir werden in den nächsten Tagen auf Antrag aus Ihren Reihen eine Kinderkommission konstituieren. Diese Kommission tut gut daran und es ist auch notwendig, sich mit der Frage der Gefährdung von Kindern im Straßenverkehr zu beschäftigen und vielleicht auch Vorschläge an den Bau- und Verkehrsausschuss zu machen. Dieses Thema kann man nicht einfach so erledigen, wenn die Zahlen etwas zurückgehen. Es muss kontinuierlich dagegen angearbeitet werden und vor allen Dingen muss eine sinnvolle Verkehrspolitik, eine
Abkehr von der Förderung des Rasens beim Senat erfolgen. Ich bitte Sie, Ihre bisherige Politik zum Wohle aller Verkehrsteilnehmer zu überdenken und zu ändern. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich werde versuchen, auf die Beiträge der Opposition sachlich zu reagieren. Die Entwicklung der Unfallzahlen ist stets unter dem Aspekt der Langfristigkeit zu sehen. In der Retrospektive der letzten Jahrzehnte ist die Zahl der Verkehrstoten trotz eines steigenden Mobilisierungsgrades deutlich und konstant zurückgegangen. Im Jahre 2002 wurden auf Hamburgs Straßen 34 Menschen getötet. Das ist der niedrigste Stand seit 1945.
Um einer differenzierten Betrachtung der Unfallstatistik gerecht zu werden, muss konzediert werden, dass die Kinder in Hamburg im bundesdeutschen Vergleich im Beobachtungszeitraum 2002 mehr gefährdet waren. In der letzten Zeit – das haben wir gehört – gingen die Unfallzahlen jedoch wieder eindeutig zurück.
Unfallzahlen und Statistiken eignen sich nicht zur politischen Polemisierung. Vielmehr geht es darum, die Verkehrssicherheit nachhaltig zu verbessern und den Verkehrsfluss zu optimieren. Nach einer aktuellen Studie der Bundesanstalt für Straßenverkehr basiert die nachhaltige Strategie zur Unfallvermeidung auf einer Kombination von straßenverkehrsbehördlichen Maßnahmen, Maßnahmen der Kontrolle und der Verkehrserziehung. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Bereich der Verkehrserziehung. Wenn Sie, Herr Lühmann, mit ideologischer Fixiertheit eine Unfallgefährdung der Kinder auch weiterhin dem Senat zur Last legen mögen, dann schauen Sie doch bitte einmal in die rotgrüne Vorgängerzeit zurück. Ganz und gar unverständlich ist es, warum Rotgrün im Jahr 2000 den Verkehrsunterricht in den Klassen 5 und 6 gestrichen hat.
(Bernd Reinert CDU: Sehr richtig! – Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)
Ich werde Ihnen sagen warum. Es waren Sparmaßnahmen an der Sicherheit der Kinder. Dieses war eine Unverantwortlichkeit, über deren Niederschlag in der Unfallstatistik ich nicht spekulieren mag. Unser Hauptziel liegt im Gegensatz zu Ihnen bei der Verbesserung der vorschulischen und schulischen Verkehrserziehung. Eine entscheidende Bedeutung besitzt hier die Förderung der Zusammenarbeit von Polizei und Kitas.
Im Mittelpunkt der vielschichtigen Unfallursachenanalyse steht nach wie vor der Erwachsene mit seinem Fehlverhalten. Ein Blick hinter die Zahlen zeigt, dass falsches Abbiegen und Einbiegen an Kreuzungen wie auch überhöhte Geschwindigkeit zu den Hauptunfallursachen zählen. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass ein Drittel der verunglückten Kinder Mitfahrer in einem Pkw waren. Gerade bei der Zielgruppe der Erwachsenen muss deshalb präventiv durch bewusstseinsändernde ebenso wie durch repressive Maßnahmen auf eine verkehrsgerechte Verhaltensänderung hingearbeitet werden.
Zur Förderung der Vorbildfunktion der Erwachsenen, an der es gerade bei Fußgängern und Radfahrern mangelt, dienen unter anderem die erfolgreich angelaufenen Veranstaltungsreihen der Polizei "Rücksicht auf Kinder... kommt an".
Zusammenfassend ist hervorzuheben, dass Verkehrssicherheit und Mobilität unabdingbar miteinander verbunden sind. Verkehrsunfälle sind nicht der schicksalhafte Preis, den wir für eine wachsende Mobilität zu zahlen haben. Sie sind die Folgen menschlichen Fehlverhaltens und als solche zu bekämpfen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch ich begrüße den zuletzt erfolgten Rückgang der Unfallzahlen. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung und ich kann nur der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass sich dieser Trend fortsetzt, wenn auch, wie Herr Reinert es schon richtig sagte, wir da alle nicht wirklich drinstecken.
Hamburg nimmt insbesondere bei Kindern eine traurige Spitzenposition ein, über die wir uns im Klaren werden müssen. Das ist aber nicht neu, das obliegt nicht unbedingt dieser Regierung, sondern das war schon immer so. Und der Versuch, einen Zusammenhang zwischen der Senatspolitik und diesen Unfallzahlen herzustellen, muss zwangsläufig scheitern, das geben die Zahlen auch gar nicht her. Herr Kahlbohm war so freundlich, bereits vor einiger Zeit eine Kleine Anfrage dazu zu stellen, aus der unter anderem hervorging, dass seit Beginn der Amtszeit dieses Senats zusätzliche Tempo-30-Zonen vor Schulen eingerichtet worden sind.
Was die Beseitigung der Poller angeht, die Sie in Ihrer Presseerklärung auch als Grund für das Hervorspringen hinter einem Hindernis ansehen, sieht es schlicht und ergreifend so aus – ich darf aus Ihrer eigenen Großen Anfrage zitieren –, dass falsch geparkte Kfz in zwölf Fällen ein Sichthindernis darstellten. Und dann war Ihre Frage:
"In wie vielen Fällen waren die Kfz auf Flächen abgestellt, die erst infolge der Entfernung von Absperrelementen für diesen Zweck gebraucht werden konnten?"
Gleiches gilt für den grünen Pfeil. Erwachsene sind die Hauptverursacher von Unfällen mit Kindern. Es wurden in 78 Fällen Fehler beim Abbiegen und in 92 Fällen ein Fehlverhalten gegenüber Fußgängern als Hauptunfallursache festgestellt. Dabei gab es einen Unfall an einer Kreuzung mit einem grünen Pfeil. Diesen Zusammenhang können Sie also nicht herstellen und es wäre auch unseriös, daraus politische Handlungslinien abzuleiten.
Nun zu dem, was Herr Kahlbohm gesagt hat. Herr Kahlbohm, die Unfallstatistik erfasst Unfälle in dem Moment, wo man davon ausgehen kann, dass, wie es im Polizeideutsch so schön heißt, die Geschwindigkeit unangepasst war. Da wird nicht unbedingt davon ausgegangen, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung überschritten worden ist, sondern nach Paragraph 1 der Straßenverkehrsordnung hat man sich immer so zu verhalten, dass man rechtzeitig bremsen kann, und das kann auch bei einer geringeren als der zulässigen Höchstgeschwindigkeit der Fall sein. Das hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Es lässt sich signifikant statistisch überhaupt nicht nachweisen, ob Tempo 60 auf Hauptverkehrsstraßen einen irgendwie gearteten Einfluss auf die Unfallzahlen hat.
Wir müssen zusehen, dass wir in dieser Sache in einen ernsthaften Diskurs eintreten, um eine Strategie gegen zu hohe Unfallzahlen bei Kindern zu entwickeln. Da kann man es sich einfach machen und sagen, wir Hamburger können das vielleicht gar nicht, aber so einfach sollte man es sich nicht machen. Man sollte vor allen Dingen zusehen – auch da gebe ich Ihnen in Ihrem Ansatz Recht –, dass man vergleichbare Städte heranzieht wie München und Berlin. Dieser Senat hat schon einiges gemacht, das ist auch schon erwähnt worden: Verstärkung der Verkehrserziehung, verstärkte Kontrolle in Wohngebieten und vor Schulen, was Tempoüberprüfungen angeht, verstärkte Einrichtung von Tempo-30-Zonen rund um Schulen.
Man müsste auch ohne Ursachenforschung noch an die Überwachung und Förderung der Kindersicherung in Pkws herangehen. Wie aus Ihren Anfragen hervorgeht, ist eine signifikant hohe Zahl von Kindern in Autos nicht hinreichend abgesichert gewesen, und da ist in der Tat Aufklärungsarbeit notwendig.
Aber man muss sich auch über die Ursachen und Gründe, warum Hamburg von München und Berlin so divergiert, Gedanken machen. Eine Idee ist mir beim Lesen Ihrer Großen Anfrage gekommen. Es ist dem Normalbürger sehr leicht verständlich zu machen, dass die Unfallzahlen natürlich je nach Uhrzeit sehr stark schwanken. Auf dem Hin- und Rückweg zur Schule haben wir jeweils Spitzen. Das ist logisch, das hätte man sich auch vorher denken können. Wir haben auch festgestellt, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Stadtgebieten gibt, was die Unfallzahlen angeht, wenn Sie Ihre Große Anfrage einmal zugrunde legen. Vielleicht mag es damit zusammenhängen, dass die Schulen in Hamburg sehr dezentral organisiert und nicht so viele Schulen an einem Fleck sind. Das müsste man einmal überprüfen. Das wären Denkansätze, über die man reden könnte.
Alles in allem sollten wir in einen ernsthaften Diskurs treten. Insofern bedanke ich mich für Ihre Anregungen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Immer dann, wenn Menschen dicht beieinander leben müssen, ist ein gewisses Maß an Disziplin notwendig, damit das reibungslos funktioniert,
und das gilt auch für die Verkehrsdisziplin. Wir haben eben gehört, dass die schulische Ausbildung zur Verkehrsdisziplin in Hamburg eine außergewöhnlich gute ist. Unser Problem sind eigentlich vielmehr die Erwachsenen. Da ist nämlich die Straßenverkehrsordnung von den Fußgängern außer Betrieb gesetzt worden. Wenn Sie sich einmal ansehen, wie Fußgänger mit einer Selbstverständlichkeit in den fließenden Verkehr laufen mit der Begründung, der Autofahrer sieht mich ja, dann ist das für die Kinder schwer nachvollziehbar. Wie soll das funktionieren, wenn die Kinder bei Rot an der Ampel halten und die Eltern sie einfach weiterziehen, weil im Moment kein Auto kommt? Das nehmen die doch als Beispiel mit. Und wenn Sie einmal beobachten, mit welcher Selbstverständlichkeit dann Kinder, wenn sie es gewöhnt sind, mit ihren Eltern über die Straße zu gehen, ohne nach rechts und links zu schauen, plötzlich in den fließenden Verkehr hineingehen, dann wissen Sie, wie Unfälle entstehen.