Protocol of the Session on September 24, 2003

Beim LBK finden Sie schon die Begründung, warum ich Ihnen keinen Erfolg wünsche. Sie haben wieder einmal ein Bild vom LBK gezeichnet, das mit der Realität nichts zu tun hat. Hier wurde schon gesagt, dass der Kassenkredit bei der Landeshauptkasse in Kürze die 500-Millionen-Euro-Marke erreichen wird und das Schlimmste daran ist, dass die Verschuldung drastisch zunimmt. Früher waren es 20 bis 30 Millionen Euro pro Jahr, jetzt sind wir bei 50, 60, 70, 80 Millionen Euro im Jahr angekommen. Die Altlasten sind kapitalisiert fast 400 Millionen Euro wert und es besteht ein Investitionsrückstand von etwa 300 Millionen Euro, summa summarum ein Kapitalbedarf von 1,2 Milliarden Euro.

(Petra Brinkmann SPD: Siehst du, das wird immer mehr!)

Das ist aber noch nicht alles. Wir haben beim LBK ineffiziente Strukturen zu beklagen. Die vielzitierten Servicebetriebe – ich verweise einmal auf die Wäscherei – arbeiten allesamt mit operativem Verlust. Hier wird ein großer Wasserkopf gezüchtet, der hinterfragt werden muss. Angesichts dieser finanziellen Situation und der Strukturen ist, gerade wenn man nichts macht, beim LBK die gesundheitliche Versorgung gefährdet und deshalb besteht Handlungsbedarf. Im Übrigen besteht eben nicht nur Geld-, sondern auch Know-how-Bedarf.

Private Betreiber können Kranke genauso gut, vielleicht sogar besser versorgen. Nehmen wir nur das Beispiel der Praxis von Herrn Dr. Petersen. Herr Dr. Petersen, behandeln Sie denn Patienten nur nach Ihrem Geldbeutel? Das glaube ich nicht, ich bin überzeugt, Sie behandeln alle Patienten nach medizinischen Bedürfnissen.

(Werner Dobritz SPD: Jeder Krankenschein ist ba- res Geld!)

Sie sind also ein ganz mieser privater Praxisbetreiber. Aber ich sage Ihnen, was Sie gut machen, machen private Krankenhausbetreiber genauso gut. Oder wollen Sie behaupten, dass im Marienkrankenhaus oder im Albertinen-Krankenhaus in Hamburg nur nach dem Geldbeutel behandelt wird? Nein, da wird nach medizinischen Be

dürfnissen behandelt. Oder wollen Sie behaupten, dass außerhalb Hamburgs bei den Rhön-Kliniken, den HeliosKliniken nur nach dem Geldbeutel behandelt wird? Nein, die behandeln nach medizinischen Bedürfnissen. Oder wollen Sie sagen, dass die Endo-Klinik in Hamburg nicht nach medizinischen Bedürfnissen, sondern nach dem Geldbeutel behandelt? Nein. Auch wenn einige das vielleicht aus ideologischen Gründen immer noch glauben, private Betreiber sind keine Gefahr für die gesundheitliche Versorgung, ganz im Gegenteil. Sie werden gerade angesichts der heutigen Situation der öffentlichen Hand sogar besser für die Patienten sein.

Allerdings räume ich ein, dass es keine Privatisierung um jeden Preis geben kann. Wir müssen bei einer Privatisierung eine flächendeckende gute Versorgung erwarten. Der Preis muss stimmen und die marktbeherrschende Stellung muss abgebaut werden. Dieses sind, auf einen kurzen Nenner gebracht, die Forderungen – es gibt noch ein paar Punkte mehr, wenn man es genau betrachtet –, die die FDP immer an das weitere Verfahren beim LBK gestellt hat. Dies hat sich nicht geändert und ich weiß nicht, wo Herr Kerstan seine Spekulationen herhat. Sie können doch noch keine Konditionen beurteilen, weil es sie noch gar nicht gibt; die Verhandlungen laufen noch. Aber Sie sind dabei, die Verhandlungen zu stören.

Meine Damen und Herren! Wenn diese von mir gerade genannten drei Kriterien nicht erfüllt sind und es möglicherweise nicht zu einem Verkauf kommt, kann man trotzdem nicht so weitermachen wie bisher. Der laufende Betrieb des Landesbetriebs Krankenhäuser wird von der Landeshauptkasse mit zig Millionen Euro subventioniert. Dies geschieht auf Kosten anderer dringender Bedarfe, zum Beispiel der Schulen, Kitas und vieler anderer Zukunftsprojekte. Das operative Geschäft ist, anders als Herr Dr. Petersen gesagt hat, im Minus. Es besteht Handlungsbedarf, eine entschlossene Restrukturierung wäre notwendig. Unter anderem könnte man über mehr Verantwortung für die einzelnen Häuser, Ausgliederung oder Abschaffung der Servicebetriebe, Fremdvergabe der nichtmedizinischen Tätigkeiten nachdenken.

Nun aber zur Frage, ob das eingeleitete Volksbegehren oder der Volksentscheid dazu führen kann oder sogar führen muss, dass wir hierüber zurzeit nicht entscheiden können. Bei dieser Frage müssen wir die entsprechende Rechtslage einmal genau untersuchen. Der erste Schritt der Volksinitiative hat zunächst keinerlei Frist, wie lange man braucht, um Unterschriften zu sammeln. Nachdem die gut 10 000 Unterschriften zusammen sind, hat der Senat zwei Monate Zeit um festzustellen, dass ausreichend Unterschriften gesammelt worden sind. Dann hat die Bürgerschaft vier Monate Zeit, eventuell entsprechend zu verfahren. Nach Ablauf dieser Frist haben die Initiatoren wieder einen Monat Zeit zur Antragstellung für das Volksbegehren. Dann hat der Senat wiederum drei Monate Zeit, dieses Volksbegehren auch durchzuführen. Sechs Wochen nach der Bekanntgabe der Durchführung wird es dann durchgeführt. Danach besteht zwei Wochen Zeit, sich in die Listen des Volksbegehrens einzutragen, dann prüft der Senat wieder und dann hat die Bürgerschaft auch noch drei Monate Zeit. Wenn Sie das alles zusammenrechnen, kommen Sie auf eine Mindestzeit von 17 Monaten.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Meine Damen und Herren! Es ist mir entschieden zu laut im Plenarsaal. Ich bitte Sie noch einmal, entweder den Saal zu verlassen oder dem Redner zuzuhören.

Eine Volksinitiative dauert minimal 17 Monate, im Regelfall noch wesentlich länger. Ich nenne Ihnen einmal die verschiedenen Verlängerungsmöglichkeiten. Die Unterschriftensammlung für die Volksinitiative kann länger dauern. Die Fristen beziehungsweise die Volksbegehren, der Volksentscheid laufen im Sommer zwei Monate lang nicht. Schließlich ist eine wiederholte Verlängerung um drei Monate möglich.

(Petra Brinkmann SPD: Stimmt doch alles gar nicht!)

Im Ergebnis wird meistens eine Verfahrensdauer von zwei Jahren zustande kommen, so auch in diesem Fall. Sie erinnern sich vielleicht, dass das Zustandekommen der Volksinitiative vom Senat am 23. Juli 2002 festgestellt worden ist. Es geht jetzt darum, dass der Volksentscheid im Juni 2004 stattfindet. Auch in diesem Fall haben wir eine zweijährige Verfahrensdauer.

Wenn durch die Einleitung oder das Betreiben der Volksinitiative die Gesetzgebung lahmgelegt werden könnte, und zwar für zwei Jahre oder gar mehr, dann würde die Funktionsfähigkeit des Parlaments ausgehebelt. Deshalb kann ich es nicht nachvollziehen, dass Sie meinen, hier müssten die Planungen angehalten werden, im Gegenteil. Angesichts der dramatischen Lage des LBK ist eine Fortsetzung der Planungen notwendig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Der nächste Redner ist Herr Rutter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kerstan, Sie haben davon gesprochen, dass wir die Argumente der Bürger nicht aufnehmen würden. Von Argumenten habe ich aber überhaupt nichts gehört und gesehen. Ich habe nur etwas von Befürchtungen gehört und das sind die Befürchtungen, die Sie streuen, und sonst nichts. An den Befürchtungen ist wahrhaftig nichts dran.

(Jens Kerstan GAL: Genau das hat er gemeint!)

Genau das ist das Problem, dass Sie die Befürchtungen streuen, an denen nichts dran ist, und nachher sagen, wir nähmen die Befürchtungen nicht auf. Großartig, eine reife Leistung.

Zum Thema, ob wir die Mehrheit daran behalten oder nicht. Das ist doch eine ganz einfache Geschichte. Suchen Sie sich einmal einen Investor, der bereit ist, ein marodes Unternehmen zu übernehmen, und von vornherein garantiert, dass die Geschäftsführung weitermachen darf wie bisher. Das geht einfach nicht, das funktioniert nicht, damit fahren wir noch weiter in die Schulden hinein.

(Vizepräsidentin Rose-Felicitas Pauly übernimmt den Vorsitz.)

Noch etwas zum Thema Volksentscheid. Wenn Sie es wirklich fair betreiben, dann sagen Sie bitte gleich, dass

jeder Bürger sofort 500 Euro spenden muss, ob das ein Säugling oder ein Greis ist. Alle müssen 500 Euro spenden, damit wir das ganze Projekt erhalten können. Wenn wir an den Zeitrahmen denken, den Herr Dr. Schinnenburg eben angesprochen hat, dann heißt das ganz klar, dass die Schulden in der Zeit weiter wachsen. Und wenn Sie jetzt schon wünschen, dass Sie wirklich nach zwei Jahren wieder an die Regierung kommen – ich nehme einmal an, dass Sie sich das wünschen, obwohl es irreal ist –, dann können Sie doch nicht ernsthaft wünschen, dass wir Ihnen solch ein Problem hinterlassen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat Herr Senator Rehaag.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, was man sich bei diesem Thema, insbesondere von Herrn Dr. Petersen und seinen Fraktionskollegen, auch heute wieder anhören musste. Ich empfinde diesen Antrag als zutiefst unaufrichtig und auch als eine gesundheitspolitische Zumutung. Bei diesen Debatten wird lediglich immer wieder vorgegeben, das Wohl des allseits geliebten hamburgischen Unternehmens LBK liege Ihnen am Herzen. Herr Dr. Petersen, mit diesem Antrag haben Sie sich quasi geoutet. Das liegt Ihnen hier nicht am Herzen, sondern in Wahrheit sind Sie nicht der gesundheitspolitische, sondern der gewerkschaftspolitische Sprecher Ihrer Fraktion in dieser Geschichte.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das muss man so machen, wenn man Bür- germeister werden will!)

Man muss auch hier weiter die Wahrheit sagen. Es geht nicht darum, mit diesem Antrag etwas auszusetzen, sondern Sie wollen den Verkauf dauerhaft vereiteln, obwohl Sie wissen, dass der LBK ohne diese Restrukturierung überhaupt nicht überlebensfähig ist und somit auch Ihr verantwortliches Handeln perspektivisch hunderte, wenn nicht sogar tausende von Arbeitsplätzen in diesem Unternehmen gefährden würde.

Die SPD-Fraktion versucht hier, Fakten zu schaffen, weil sie sehr genau weiß, auf welch dünnem rechtlichem Eis sie sich bewegt. Da das Volksbegehren keinerlei aufschiebende Wirkung, also keinen Suspensiveffekt entfaltet, setzt man auf die normative Kraft des Faktischen und versucht, so viele Fakten wir irgend möglich zu schaffen. Das wird nicht funktionieren, denn es ist immer wieder hier im Hause gesagt worden – auch heute noch einmal -, dass die Rahmenbedingungen, unter denen wir dieses inhaltlich überaus anspruchsvolle und differenzierte Thema LBK-Teilprivatisierung zu sehen haben, überhaupt nicht von diesem Senat oder von diesem hier sprechenden Gesundheitssenator gesetzt worden sind – auch Sie, Frau Brinkmann, wissen das genauso gut wie Herr Dr. Petersen, Sie kennen doch aus jahrelanger eigener Anschauung die Wahrheit und wissen um die Fakten –, sondern der rotgrüne Senat hat seinerzeit viel zu spät auf die Bremse getreten, um die Umstellungen der Altersversorgung zu veranlassen. Seit Mitte der Neunzigerjahre dreht sich über die Kreditmittel der Landeshauptkasse eine Schuldenspirale hoch, wie es heute auch schon immer wieder gesagt wurde.

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Herr Dr. Petersen, kurz zu Ihnen. Ich wollte eigentlich nicht wieder diese Zahlenlitanei wiederholen, aber eines ist ganz klar. Sie sagen, dass hier Gewinne gemacht würden. Sie ziehen da etwas aus der Tasche, wenn Sie das um die aufgelaufenen Verluste bereinigen; aber das kann man doch nicht machen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der CDU)

Sie reden von Überschüssen. Es gibt zum 31. Dezember 2002 ein Bilanzdefizit von 189 Millionen Euro; da kann man doch nicht von Gewinnen sprechen.

(Petra Brinkmann SPD: Sie trennen das doch auch!)

Im Übrigen wurde auch von Herrn Dr. Petersen die Sorgfaltspflicht genannt, die alle Hamburger Senate gerade bei diesen gesundheitspolitischen Fragen vorher ausgezeichnet hat. Ich frage Sie, wo denn die Sorgfaltspflicht nach 1995 war. Warum wurden nicht die entsprechenden Weichen gestellt, um dieses Problem, das wir heute in riesigen Ausmaßen haben, von vornherein abzuwenden?

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Ich verwahre mich ausdrücklich gegen die Anwürfe, der Senat verletze demokratische Grundsätze; Herr Kerstan hat das durchblicken lassen. Der Senat dieser Stadt ist dazu bestellt, in dieser Stadt und für diese Stadt die Weichen für die Zukunft zu stellen und er ist von Amts wegen zum Handeln berufen und wir werden handeln.

Angesichts der Größe, der Beschäftigungszahl, der fachlichen Bedeutung und des Innovationspotentials des Unternehmens LBK fordere ich Sie auf, uns hierin zu unterstützen und nicht ständig diese destruktive Blockadehaltung aufrechtzuerhalten. Ich weiß gar nicht, warum Sie die Zahlen und die Situation nicht wahrhaben wollen.

Eine Sache, die heute noch nicht angesprochen wurde, auch das muss in diesem Hause einmal klargestellt werden: In Berlin sitzt Ihre Parteigenossin Ulla Schmidt und setzt für die deutschen Krankenhäuser 2004 den beschämenden Budgetwert von 0,02 Prozent fest. Das ist in den Vorreden heute noch nicht thematisiert worden. Das bedeutet, dass hier eine Krankenhausfinanzierung stattfindet, die sämtliche Häuser, nicht nur in Hamburg, in riesige Bedrängnis bringt und im Übrigen real gesehen eine Verlustgrößenordnung von mindestens 3 bis 4 Prozent des Gesamtbudgets darstellt, und das müssen die Häuser verkraften. Das heißt, wir gehen nächstes Jahr in eine deutliche Minusrunde.