Protocol of the Session on June 4, 2003

Das erste Ziel ist: Dieser Senat benötigt zur Finanzierung der Media School Geld, weil das Public-private-partnership-Konzept zur Finanzierung der Media School nicht aufgeht. Deshalb muss der Offene Kanal geschlachtet werden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

In diesem Gesetz wird festgelegt, dass die Media School in Zukunft auf unterschiedlichen Wegen über die zweiprozentige Rundfunkgebühr 1,2 Millionen Euro bekommen wird. Das heißt, die Media School, die zur Hälfte vom Staat und zur Hälfte von Privaten finanziert werden soll, wird heute in Wahrheit zur Hälfte vom Staat und zur anderen Hälfte vom Zwangsgebührenzahler der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gezahlt. Und das nennen Sie Public-private-partnership.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Im Zusammenhang mit dem Offenen Kanal: Ich habe Gespräche mit den Mitarbeitern geführt. Es ist ein offener Skandal. Er wird am 1. Juli in dieser Stadt abgeschaltet und mit diesen Mitarbeitern spricht keiner. Der Einzige, der dort hingeht, ist der Mann, der im Moment die Media School für den Senat promoten soll, und das ist Herr Jan Henne De Dijn. Und dieser Mann hat vier Wochen vor Schließung des Offenen Kanals kein einziges Angebot an die Mitarbeiter gemacht. Die wissen nicht, was sie tun sollen. Die liegen letztendlich auf der Straße. Im Wirtschaftsausschuss ist der Mann noch nicht einmal in der Lage gewesen, der Öffentlichkeit vier Monate vor Beginn des ersten Studienganges an dieser neuen Media School ein Konzept vorzulegen. Das ist eine einzige medienpolitische Bruchlandung, nicht nur bezogen auf das Gesetz, sondern auch bezogen auf die Media School. Das ist peinlich.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das zweite Ziel ist ebenso deutlich: Es soll erstmalig der Paragraph 5 des Grundgesetzes, und zwar dort, wo die Rundfunkfreiheit definiert ist, im Interesse privater Rundfunkanbieter unterlaufen werden. Die privaten Rundfunkanbieter sollen von der Verpflichtung zu einem ganz bestimmten Programmauftrag freigestellt werden. Alle Gutachter, Professor Ring, der aus Bayern kommt und der CSU näher steht als den Sozialdemokraten und Grünen, ein Mann, der bei Stoiber in der Staatskanzlei gearbeitet hat und bei Stoiber hohe Beliebtheit genießt, haben ihnen schlicht und ergreifend gesagt, dass dieser Paragraph 3, so, wie Sie ihn formuliert haben, auch in der Mogelpackung, die Sie jetzt hinzubekommen versuchen, mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes

nicht vereinbar sei, und deshalb wird es auch geprüft, weil es geprüft werden muss.

(Beifall)

Die dritte Mogelpackung ist nicht nur die Art und Weise, die Media School über Rundfunkgebühren zu finanzieren, denn Herr Henne de Dijn hat im Wirtschaftsausschuss, wo er gefragt worden ist, was er denn mache, wenn er ab Oktober nicht in der Lage sei, das im Bürger- und Ausbildungskanal zu leisten, was im Gesetz steht, gesagt, das sei doch ganz klar, wir haben doch Studio Hamburg. Und genau das ist es, Studio Hamburg ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Norddeutschen Rundfunks, und es geht ihr ganz dreckig. Insofern ist dies eine doppelte Mogelpackung, die Finanzierung der Media School und auf diesem Wege die Subventionierung der nicht ausgelasteten Kapazitäten bei Studio Hamburg.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Unterstellungen!)

Das ist keine Unterstellung, das ist ein Sachverhalt. Dieses wird ausschließlich mit Rundfunkgebühren durchgeführt und das ist eine Zweckentfremdung.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Farid Müller GAL: Jawohl!)

Sie schlagen drei Fliegen mit einer Klappe, aber mit Rundfunk hat das alles nichts zu tun.

Welche weiteren Fragen stellen sich in diesem Zusammenhang? Die HAM ist unstrittig in den letzten anderthalb Jahrzehnten Anreger und Förderer des privaten Rundfunks gewesen. Sie hat Abwanderungen verhindert, sie hat den medienwissenschaftlichen Standort an dieser Stelle gefördert. In Bayern und in anderen CDU- und CSU-regierten Ländern wird darüber diskutiert, den Landesmedienanstalten nicht nur zwei, sondern sogar drei Prozent der Rundfunkgebühr zur Verfügung zu stellen. Das hat Professor Ring gesagt und das bedeutet eine Aufwertung.

Ich komme aber noch einmal auf die Schlachtung des Offenen Kanals zugunsten der Media School und des Bürger- und Ausbildungskanals zurück; darin liegt wieder eine Mogelpackung. War im alten hamburgischen Mediengesetz eine Soll-Vorschrift enthalten, dass aus den Rundfunkgebühren der Offene Kanal finanziert werden solle, so ist im Hinblick auf den Arbeitsauftrag des Bürger- und Ausbildungskanals lediglich eine Kann-Vorschrift enthalten. Das heißt, im Gesetz steht, man kann das machen, im Gesetz steht aber auch, man bekommt auf jeden Fall 1,2 Millionen Euro. Dieses ist die größte Mogelpackung, die je in ein Gesetz hineinmanipuliert worden ist. Es ist eine Manipulation, der Anstalt Geld zu geben und den Arbeitsauftrag lediglich mit einer Kann-Vorschrift zu versehen. Das bedeutet schlicht und ergreifend, er braucht übermorgen nicht mehr zu arbeiten, das ist schlicht und ergreifend die Subventionierung der Media School, dort wo Sie das Geld bei den Verlagen und Wirtschaftsunternehmen nicht haben eintreiben können.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Darüber hinaus wird nach dem Gesetz in Zukunft der Hamburgischen Anstalt für neue Medien im Prinzip verboten, sich bundesweit an Kooperationsmodellen zu beteiligen. Dies wird – Professor Ring und die anderen haben es auch gesagt – eine Rückwirkung haben. Es bedeutet, dass sich die anderen Landesmedienanstalten, die zum Beispiel Hamburger Institutionen mitfördern,

fragen werden, ob sie nicht auch aus dieser Förderung aussteigen. Dieses Gesetz gefährdet die gesamtbundesstaatliche Finanzierung des Hans-Bredow-Instituts.

Lassen Sie mich noch einige Schlusssätze sagen. Professor Ring hat darauf hingewiesen – ich zitiere wörtlich:

"Aber ich glaube, dass die Reduktion der HAM auf eine reine Lizenzanstalt, eine pure Lizenzverwaltung und Medienpolizei – das ist meine Bewertung aufgrund einer verkürzten Ansicht – der grundsätzlich falsche Weg ist."

Und er endet mit dem entscheidenden Satz:

"Landesmedienanstalten sind in Zeiten dieser Veränderung …"

also auch der Globalisierung in der Medienwirtschaft selbst –

"… nicht Frequenzverwaltung und Medienpolizei. Das ist der eigentliche Rückschritt. Das ist nicht modern, sondern ein Rückfall in die Steinzeit des dualen Systems."

Dem ist aber auch nichts hinzuzufügen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat der Abgeordnete Rusche.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Über das neue Mediengesetz ist vom Kollegen Müller-Sönksen sehr ausführlich berichtet worden. Dem ist im Grunde genommen nichts hinzuzufügen, Sie haben das ausgezeichnet gemacht.

(Christa Goetsch GAL: 2 oder 1?)

Aber zwei, drei Schwerpunkte möchte ich noch ansprechen. Zunächst einmal ist in den Ausführungen von Herrn Dobritz eines vollkommen außen vor geblieben, die Tatsache nämlich, dass wir hier nicht nur über ein rundfunkrechtliches, sondern auch über ein wirtschaftspolitisches Thema sprechen.

(Rolf Kruse CDU: Sehr wahr!)

Hamburg ist nämlich, das scheinen einige vergessen zu haben, in erster Linie als Wirtschaftsstandort ein wichtiger Platz, aber eben als solcher auch ein Medienstandort. Es gibt hier ungefähr 65 000 Arbeitsplätze und 11 000 Unternehmen, die sich auf diesem Sektor tummeln; davon war bisher bei Ihnen nicht die Rede. Private Rundfunkveranstalter, das sollten wir nicht vergessen, sind auch Unternehmer und als solche zu respektieren und zu berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Burkhardt Müller-Sönk- sen FDP: Nicht vergessen: Die können gar nicht so denken!)

Und für private Unternehmer darf es keine ordnungspolitischen Rahmenbedingungen geben, die einengen und Vorschriften machen. Hier gilt das, was für das freie Unternehmertum schlechthin gilt.

(Farid Müller GAL: Nicht im Rundfunk!)

Wir müssen – auch im Rundfunk –, wenn es sich um private Veranstalter handelt, Freiräume schaffen und

genau dieses hat der Senat mit dem Gesetz vor. Hier muss Bürokratie abgebaut und es müssen Anreize durch eine Vereinfachung der Zulassung geschaffen werden; das ist von Herrn Müller-Sönksen ausdrücklich erwähnt worden. Hier muss die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit in den Vordergrund geschoben werden und hier dürfen vor allen Dingen keine inhaltlichen Vorgaben gemacht werden; die gibt es auf dem Pressemarkt auch nicht.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Vergessen wir doch nicht, dass wir über einen Wirtschaftszweig mit Zukunftschancen reden und nicht über einen, der leider, wie viele andere, langsam abbaut, sondern Zuwachsraten hat. Ich darf daran erinnern, dass dieser Wirtschaftszweig seit 1995 in Hamburg um rund 70 Prozent gestiegen ist, und unter diesem Aspekt müssen wir die Dinge beachten.

Nun zu Herrn Dobritz. Herr Dobritz hat es für richtig gehalten, Professor Ring weitschweifig zu zitieren und die elf – ich glaube, es waren elf Präsidenten – der übrigen Landesmedienanstalten.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: 15 hat er ge- sagt!)

Es ist richtig, dass Professor Ring über den Gesetzentwurf, den wir beraten haben, nicht besonders erfreut war. Das kann man nachempfinden, das gilt für alle Leiter der Medienanstalten, denn das sind die Betroffenen und sie müssen gewisse Rechte, die sie bisher gehabt haben, abbauen. Man kann von diesen Herren schlechterdings nicht erwarten, dass sie Beifall klatschen.

Wenn Sie aber schon diese Vertreter in der Anhörung so weitschweifig zitieren, dann muss es mir erlaubt sein, auch einige Gegenstimmen zu zitieren; ich beginne mit der Handelskammer Hamburg.

(Lachen bei der SPD und der GAL)

Die Handelskammer Hamburg war bisher immer auf Ihrer Linie und Sie haben doch mit der Handelskammer jahrelang engstens zusammengearbeitet. Haben Sie das vergessen?

(Ingo Egloff SPD: Das war unter einem anderen Geschäftsführer!)

Die Handelskammer Hamburg – ich darf zitieren – sagt:

"Die Freiheit, in die hier entlassen wird, ist natürlich eine Freiheit im Wettbewerb. Und der Wettbewerb sichert Qualität und Differenzierung."