Dafür ist keine Zeit und Angehörigengespräche können mit Ach und Krach vielleicht die Leiterin oder der Leiter der Abteilung machen.
Frau Senatorin, für die SPD-Fraktion gehört eine Öffentlichkeitskampagne in ein Gesamtkonzept zur Verbesserung der Berufsbedingungen für Altenpfleger und Altenpflegerinnen. Darüber haben Sie sich in Ihrer Behörde offensichtlich noch keine Gedanken gemacht, wie aus der Kleinen Anfrage von Frau Dr. Freudenberg hervorgeht. Nur so kann man die Antwort über die Arbeitsbedingungen in den 139 stationären Pflegeeinrichtungen verstehen, in denen es sicherlich auch individuelle Probleme gibt, aber vor allem eine Vielzahl an Schwierigkeiten, die sich bei allen Einrichtungen zeigen, zum Beispiel ein unglaublich hoher Zeitdruck, der bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einen großen Frust auslöst, weil man den Wünschen der zu Pflegenden nie nachkommen kann, ungünstige Arbeitszeiten, der Personalschlüssel, eine nicht gerade gute Bezahlung. Gerade bei den letzten beiden Punkten könnten Sie, Frau Senatorin, Abhilfe schaffen.
Zum einen fragen wir uns, weshalb in so schwierigen Zeiten die Pflegesatzverhandlungen noch nicht zum Abschluss gebracht worden sind und zum anderen ist es äußerst bedenklich, dass sich der Senat mit „PLAISIR“ und dem Modellversuch der Hamburgischen Pflegegesellschaft, die ihr Ergebnis vor Wochen vorgestellt hat, immer noch nicht beschäftigt hat.
Zusammengefasst: Die Imagekampagne ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber sich zwölf Monate lang – so lange soll die Kampagne andauern – nur auf diese Kampagne zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu verlassen, wäre ein großer Fehler.
Dann werden nämlich nicht, wie heute schon, etwa 70 Prozent der Altenpflegerinnen und Altenpfleger innerhalb von fünf Jahren den Beruf wechseln, sondern sehr viel mehr und auch viel früher; das ist sicherlich von keinem gewollt. Die SPD-Fraktion will, dass zum Beispiel ein transparentes, ordentliches Verfahren wie „PLAISIR“ zur Bemessung des Pflege- und Personalbedarfs in der stationären Pflege zur Anwendung kommt wie auch in den anderen Bundesländern, zum Beispiel bei unserem Nachbarn SchleswigHolstein, und das sehr schnell.
Zum Schluss, Herr Schira: Wir haben Ihren Antrag damals nicht deshalb abgelehnt, weil wir ihn nicht richtig fanden, wir hatten einen Zusatzantrag,
der sehr viel umfangreicher und sehr viel genauer war. Und wenn er so falsch war, Herr Schira, dann frage ich mich, warum wenige Wochen, nachdem unser Antrag von Ihnen abgelehnt worden ist, die Behörde für Soziales und Familie mit dem Arbeitsamt Hamburg zusammen eine Presseerklärung herausgegeben und gesagt hat, dass gerade für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Altenpflegebereich das Jobrotationsgesetz enorme Chancen biete. Ich würde mal gerne hören, was Sie dazu sagen.
Verehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will noch einmal ganz kurz die Zahlen ins Gedächtnis rufen. Wir haben zurzeit circa 42 000 Personen, die der Pflege bedürfen. Die Schätzungen gehen bis 2015 von einem Anstieg um circa 7 Prozent aus. Wir haben zurzeit im ambulanten Bereich und in den Pflegeheimen zusammen circa 15 000 Beschäftigte. Wenn wir noch einmal 7 Prozent dazurechnen, sind das etwa 1000 Personen, die zusätzlich gebraucht werden.
Es ist also ein laufender Bedarf vorhanden, der gedeckt werden muss, und wir haben zu wenig Personal; das ist bekannt. Die eine Seite ist das Erscheinungsbild, wenn wir es einmal ansprechen. Es ist natürlich schwer, zu vermitteln, dass es ein sehr schöner Beruf sein kann, wenn man sich überlegt, dass die Leute ständig mit Verfall, mit Exkrementen und Tod konfrontiert sind. Auf der anderen Seite ist es natürlich ein sicherer Arbeitsplatz – auch das ist in der Drucksache erwähnt worden – mit einer Vielfalt von Tätigkeiten und selbstständigem Arbeiten. Dieser Teil wird mit der Imagekampagne angesprochen und da ist es notwendig, das Image zu verbessern, und zwar aus folgendem Grunde: Wir haben der PISA-Studie entnehmen können, dass unsere Schüler zwar nicht viel können, aber eine sehr hohe soziale Kompetenz aufweisen.
Diese soziale Kompetenz erschöpft sich allerdings darin, Forderungen zu stellen, man müsse etwas für die Leute tun. Wenn es aber darum geht, sich selber die Finger schmutzig zu machen, dann hört es auf, dann ist die soziale Kompetenz plötzlich nicht mehr vorhanden.
Der zweite Teil ist natürlich das Geld. Ich habe vorhin an einer Veranstaltung mit jüdischen Bürgern teilgenommen, die ehemals in Hamburg gelebt haben und jetzt über die Welt verstreut sind. An meinem Tisch saßen Bürger aus den USA und England und wir kamen kurz auf das Sozialsystem zu sprechen und sofort hörte ich von allen Seiten: Oh, das deutsche System is very expensive, es ist sehr teuer, sehr aufwendig. Und genau da haben wir unser Problem, dass wir nämlich kein Geld haben und zusehen müssen, dass wir es zusammenhalten.
Wir müssen also erst einmal versuchen, die Imagekampagne zu nutzen, um die Leute überhaupt zu interessieren. Wir wollen hoffen, dass es uns damit gelingt und wir dann die Rahmenbedingungen wieder so machen können, wie wir sie eigentlich brauchen.
(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Barbara Duden SPD: Das ist ja nun eine merkwürdige Schlussfolgerung!)
und auch kleinkariert, Herr Schira, obwohl sie so flott daherkommt. Und gerade dieses flotte Daherkommen ist das Problem, denn hier wird ein Bild des Berufs vermittelt, das einfach nicht zutrifft. Das Problem, das wir haben, ist doch, dass 70 Prozent der examinierten Pflegekräfte innerhalb von fünf Jahren den Beruf aufgeben. Viele machen zwar ihre Ausbildung noch zu Ende, damit sie einen fertigen Beruf haben, gehen aber nicht in den Beruf, weil sie merken, dass ihre Vorstellungen, die sie hatten, überhaupt nicht der Realität entsprechen. Die Imagekampagne verstärkt diese Diskrepanz und darum finden wir sie falsch.
Wenn man den jungen Leuten klarmacht, worum es in der Pflege geht, Herr Rutter, ihnen sagt, dass es um Auseinandersetzung mit Verfall, um Begleitung zum Tod geht und nicht darum, irgendwie flotten Leuten die Tüten nach Hause zu bringen, dann werden die Leute auch eher bei der Stange bleiben. Man muss sie aber darauf vorbereiten, das ist der Punkt.
Wenn wir die Menschen, die den Beruf aufgeben oder auch frustriert sind, nach ihren Gründen fragen, dann sagen sie, das Schlimmste sei, keine Zeit für die Menschen zu haben. Sie wollen sich den Menschen zuwenden, der Arbeitsdruck, die Arbeitsdichte ist aber so, dass dies gar nicht möglich ist. Darum fordern wir den Senat auf, sich endlich einmal mit der Frage der Personalbemessung auseinander zu setzen.
So ist das einfach kurzsichtig und wirklich falsch und auch in Ihrer Drucksache steht wieder, dass Sie als Hauptzielgruppe die Leute haben, die in die Erstausbildung sollen. Das ist es nicht, die Hauptzielgruppe sind die bereits Ausgebildeten, die gerne bei der Stange bleiben wollen und endlich bessere Arbeitsbedingungen haben müssen. Gucken wir doch einmal nach Baden-Württemberg, Hessen oder Schleswig-Holstein. „PLAISIR“ ist lange in der Diskussion und in diesen Ländern eingeführt. Sie behaupten jetzt, der Senat habe sich nie damit befasst. Hier in Hamburg wird ewig verhandelt,
aber eben nie zu Ende, weil Sie es nicht hinkriegen. Machen Sie endlich etwas Richtiges daraus, aber nicht diese Hallodria-Plakate.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal Dank an den Senat für eine sorgfältige Mitteilung und vor allem natürlich, das hat Herr Schira auch schon gesagt, an die vielen Helfer aus den unterschiedlichsten Bereichen. Man beachte: Es sind
ja nicht immer dieselben Verdächtigen, sondern ganz andere, die sich normalerweise gar nicht damit beschäftigen, unter anderem Werbeagenturen.
Frau Dr. Freudenberg, Sie und Frau Brinkmann haben natürlich vollkommen Recht, dass das alleine nicht reicht, und es ist auch richtig, den Menschen die Wahrheit über ihren zukünftigen Beruf zu sagen. Aber Miesepetrigkeit schadet noch viel mehr, Frau Dr. Freudenberg.
Wer sich hinstellt und sagt, hier ist ein Beruf, da geht es um Tod und Exkremente, willst du nicht bei uns anfangen, der hat keinen Erfolg, Frau Dr. Freudenberg. Das ist einfach so, da mag es in Ihrem Bereich anders sein, aber so funktioniert es nicht.
Es wurde auch zu Recht von Frau Brinkmann, Frau Dr. Freudenberg und auch von anderen gesagt, das sei natürlich nur ein Baustein, ein sehr guter Baustein aus meiner Sicht, aber eben nur ein Baustein.
Ich nenne gerne noch ein paar andere Punkte, nicht nur der etwas verklausulierte Hinweis auf „PLAISIR“, dies, ohne direkt zu sagen, wir machen das auch so, nur müssen wir darüber diskutieren; das ist im Einzelfall ja schon umstritten. Das Personal, sowohl in der Altenpflege als auch in der Krankenpflege, würde sich sehr über eine Entlastung von Bürokratie freuen. Sie wissen vielleicht, dass im Krankenhaus mindestens ein Drittel der Arbeitszeit des Pflegepersonals für Verwaltung aufgewandt wird. Die examinierten Pflegekräfte würden sich sehr freuen, wenn sie wenigstens dieses Drittel noch den kranken oder pflegebedürftigen Menschen widmen könnten, statt Anfragen des MDK zu beantworten, Frau Dr. Freudenberg.
Oder man könnte das Fachpersonal von einfachen Tätigkeiten entlasten. Gerade für rotgrüne Politiker ist natürlich eine stärkere Differenzierung beim Pflegepersonal immer eine gefährliche Sache. Es spricht doch überhaupt nichts dagegen, sehr viele verschiedene Mitarbeiter zu haben, von der top ausgebildeten Fachkraft über Mittelqualifizierte bis zu einfachen Tätigkeiten. Auch da würde es für examinierte Fachkräfte einfacher und attraktiver sein, im Beruf zu bleiben, wenn sie weniger Bürokratie machen müssten und weniger einfache Tätigkeiten zu erledigen hätten, die auch andere machen können.
Oder wie wäre es mit einem sorgfältigeren Umgang mit angeblichen und tatsächlichen Pflegeskandalen. Wie ist es denn damit, dass wir zwar zu Recht danach fragen, ob hier schlecht gepflegt wurde. Wir fangen aber an, in der Öffentlichkeit zunehmend mit dem Pflegeberuf zu assoziieren, das sind diejenigen, die immer Dekubitalgeschwüre fabrizieren. Ich bin dafür, das im Einzelfall streng aufzuklären, aber es muss in der Öffentlichkeit sehr sorgfältig argumentiert werden. Nur wenn nachgewiesen wurde, dass Fehler passiert sind, die vermeidbar waren, kann man einschreiten, aber unterschwellig einen Verdacht herzustellen, hilft dem Beruf auch nicht.
Ein anderer Punkt, den üblicherweise rotgrüne Politiker nicht so gerne mögen: Wir brauchen Anreize für Selbstzahler. Es muss erlaubt sein, selbstzahlenden Pflegebedürftigen, übrigens auch Krankenhauspatienten, zu erlauben, für mehr Geld auch mehr Leistung in Anspruch zu nehmen. Die Tendenz von Aufsichtsbehörden, manchmal
auch der Rechtsprechung und der Gesetzgebung, geht dahin, gerade dies zu nivellieren und zu sagen, das ist ja ungerecht. Das ist nicht ungerecht, ich finde es sehr gut, wenn es reicheren Pflegebedürftigen erlaubt wird, mehr Geld zu zahlen und dafür auch ein größeres Zimmer und so weiter zu bekommen. Das ist nicht schlecht, das ist gut, das hilft nämlich allen.
Oder wie ist es zum Beispiel mit der vermehrten Einbindung von Ehrenamtlichen? Sie wissen, dass die Senatorin, aber auch andere dabei sind, dieses Ehrenamt zu fördern. Auch das ist ein Einsatzbereich für das Ehrenamt.
Schließlich ein anderer Punkt, der mir als Gesundheitspolitiker sehr am Herzen liegt. Wie wäre es denn, wenn wir uns nicht nur darüber Gedanken machen, wie wir die Pflege besser organisieren oder mehr Leute gewinnen können, sondern möglichst viel Pflegebedürftigkeit vermeiden? Das geht nicht immer, es geht aber wesentlich häufiger, als es bisher passiert.