Protocol of the Session on May 8, 2003

Der Senat hat im Zusammenhang mit der Abschaffung des Sozialtickets verkündet, dass bis zu 4 Millionen Euro eingespart würden. Ich frage deshalb: Haben Sie in Ihre Kalkulation mit einbezogen, dass sich dadurch für den HVV die Verluste um diesen Betrag erhöhen werden? Wie wollen Sie diese dann finanzieren?

Der HVV ist ein selbstständiges Unternehmen,

(Dr. Ingrid Stöckl SPD: Ja, das wissen wir!)

mit dem das Prinzip „eine Hand, andere Hand“ nicht funktioniert. Wir subventionieren den HVV nicht mit Sozialhilfemitteln, Frau Abgeordnete.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Frau Dr. Freudenberg.

In Ihrer Pressemitteilung, mit der Sie uns die Abschaffung des Sozialtickets vorgestellt haben, teilen Sie uns mit, dass die Sozialhilfeempfänger, die zusätzliche Fahrten außerhalb der Geltungszeit der CC-Karte – so habe ich es verstanden –, zum Beispiel eine Therapie- oder Qualifizierungsmaßnahme, wahrnehmen, die Möglichkeit haben, für einzelne Fahrten ergänzende Leistungen der Sozialhilfe zu beantragen.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD)

Meine Frage lautet: Sieht der Senat darin eine Benachteiligung der Menschen, die am 1-Euro-Programm teilnehmen, gegenüber denjenigen, die Qualifizierungsmaßnahmen in Anspruch nehmen können?

Frau Abgeordnete, Einzelfallprüfungen müssen von den Sozialdienststellen nur dann vorgenommen werden, wenn der Antragsteller einen Bedarf geltend machen will, der über die bestehenden Regelleistungen des BSHG und die HVV-Angebote hinausgeht.

Herr Kienscherf.

Herr Staatsrat, ich habe eine Verständnisfrage. Sie sind in der Politik immer für eine klare Linie. Das ist ja nicht zu bemängeln.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU, der Partei Rechts- staatlicher Offensive und der FDP)

Ich frage Sie: Am 4. Juni letzten Jahres haben Sie eine schöne Pressemitteilung herausgegeben, in der Sie darauf hingewiesen haben, dass das Sozialticket für die Sozialhilfeempfänger im Gegensatz zu den Tarifsteigerungen des HVV extra ausgenommen wird. Wie stimmt das mit Ihrer jetzigen Linie überein?

Herr Abgeordneter, die Politik wird vom Senator, dem Präses der Behörde für Soziales und Familie, bestimmt und nicht vom Staatsrat.

(Lachen bei der SPD und der GAL)

Das sage ich aus Verfassungsgründen.

Bezogen auf die Pressemitteilung des vergangenen Jahres haben Sie dabei möglicherweise nicht die Erklärung des Präses der Behörde für Soziales und Familie berücksichtigt, dass sämtliche Leistungen der Sozialhilfe überprüft werden. Infolge dessen war dies keine abschließende Mitteilung.

Die Abschaffung des Sozialtickets bedurfte eines erheblichen Vorlaufes, weil die Informationen zusammengeführt werden müssen. Ich will Ihnen meine Erläuterungen ersparen, wie in einer solchen großen Behörde die Sachverhalte zusammengetragen und zu einem Ergebnis geführt werden, von dem man dann mit Fug und Recht sagen kann, dass es ein in sich stimmiges ist.

Herr Kienscherf, Sie haben eine zweite Frage.

Ich würde mir wünschen, dass dann immer gleich die Senatorin antwortet. Ich möchte die Frage in diesem Fall an die Senatorin weiterleiten.

Sie haben darauf hingewiesen, dass – im Gegensatz zu allen anderen Menschen in Hamburg, die sich dafür eingesetzt haben, dass das Sozialticket nicht preislich angepasst wird – dadurch zusätzliche Kosten für die Stadt entstünden.

Ich möchte Frau Senatorin Schnieber-Jastram fragen, wie Sie das heute erläutern kann.

Der Senat entscheidet selbst darüber, wer antwortet. Es antwortet Herr Staatsrat Meister.

Herr Abgeordneter! Jeweils für ein Jahr wird der Haushalt festgestellt und jeweils für ein Jahr wird das gesamte Zahlenwerk aufgestellt, sodass jährlich die Politik neu zu justieren ist. Das sollte auch der Sinn meiner vorherigen Anmerkung gewesen sein.

Gibt es weitere Fragen? – Herr Kerstan.

Herr Staatsrat! Sie haben eben gesagt, Sie machen eine Einzelfallprüfung, indem Sie bei zusätzlichen Fahrscheinen, die jetzt aufgrund der Arbeitsaufnahme notwendig werden, den Bedarf prüfen.

Wie hoch darf Ihrer Meinung nach bei einem Soziahilfeempfänger der prozentuale Anteil an den Fahrkosten in Bezug auf seine Sozialhilfe sein, bevor Sie ihm einen zusätzlichen Bedarf zubilligen?

Herr Abgeordneter! Die Frage ist jeweils vom Einzelfall abhängig zu machen.

(Dr. Ingrid Stöckl SPD: Ne, das ist keine Antwort!)

Gibt es weitere Fragen? – Die sehe ich nicht. Dann ist die nächste Fragestellerin Frau Spethmann.

Die Bundesjustizministerin Zypries hat gegenüber der Europäischen Union auf die nationale Selbstständigkeit des Gemeinschaftspatentgerichts verzichtet. Ab 2010 müssen alle gemeinschaftspatentgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten in allen europäischen Sprachen beim Europäischen Patentgericht in Luxemburg eingereicht werden.

Welche Auswirkungen wird die Verlagerung des Patentgerichts an das Europäische Patentgericht im Jahre 2010 für die Hamburger Justiz und die Hamburger Rechtsanwälte haben?

Für den Senat antwortet Herr Senator Dr. Kusch.

Frau Präsidentin, Frau Abgeordnete! Zwischen allen Bundesländern und der Bundesregierung bestand Einigkeit darüber, dass Deutschland innerhalb der Europäischen Union dafür eintritt, die Patentgerichtsbarkeit im Interesse der Funktionsfähigkeit der Wirtschaft und auch im Interesse einer schlanken und örtlich organisierten Patentgerichtsbarkeit dezentral zu gestalten. In Hamburg haben wir eine kleine, aber weit über die Grenzen hinaus anerkannte Patentgerichtsbarkeit. Wir hätten in einem Verbund der norddeutschen Bundesländer gute Chancen gehabt, dass eine Eingangsinstanz für den norddeutschen Raum in Hamburg angesiedelt gewesen wäre angesichts dessen, dass die Hamburger Patentgerichtsbarkeit in Norddeutschland keine Konkurrenz hat.

Überraschend und ohne Vorwarnung hat die Bundesjustizministerin Anfang März innerhalb der europäischen Absprachen das Regionalisierungsprinzip aufgegeben und grünes Licht für eine zentrale Eingangsinstanz gegeben. Diese Entscheidung stieß bei allen Bundesländern – nicht nur bei den unionsregierten – auf größte Ablehnung und Empörung. Auch ich habe der Bundesjustizministerin geschrieben und Sie darauf hingewiesen, dass hier ohne Not ein Regionalisierungsprinzip aufgegeben wurde. Für

(Dr. Dorothee Freudenberg GAL)

Hamburg bedeutet das bis zum Jahre 2010, dass wir keinen Massenexodus haben – Patentgerichtsstreitigkeiten sind mit vielleicht 100, 200 pro Jahr mehr Einzelfallsachen –, dass wir aber einen wesentlichen Standortfaktor für Hamburg und somit für die Hamburger Justiz verlieren werden.

Herr Müller.

Herr Senator! Kann es sein, dass die Bundesjustizministerin Gründe für ihr Verhalten angeführt hat?

Ich unterstelle der Bundesjustizministerin nicht, dass sie grundlos etwas tut. In Europa wird über vieles verhandelt und es könnte gut sein, dass sie unter Preisgabe des Regionalisierungsprinzips bei der Patentgerichtsbarkeit vielleicht eine andere Gegenleistung bekommen hat. Mir ist diese Gegenleistung ebenso wenig bekannt wie meinen Kolleginnen und Kollegen. Im Übrigen war es absprachewidrig und entsprach auch nicht dem Stil des Umgangs der Bundesjustizministerin mit ihren Länderkolleginnen und -kollegen, dass sie ohne Vorwarnung und ohne die Möglichkeit der Intervention ein einvernehmliches deutsches Prinzip aufgegeben hat.

Herr Müller.

Noch eine kurze Nachfrage. Patente werden auch von Unternehmen beantragt. Kann es eine Rolle gespielt haben, dass immer mehr Unternehmen auch europaweit tätig sind und daher eine solche Maßnahme vielleicht sinnvoll erscheint?

Die neue zentrale Eingangsinstanz ist in Luxemburg, Herr Abgeordneter. Mir ist nicht bekannt, dass alle europäischen Unternehmen ihre Zentrale in Luxemburg haben.

Gibt es weitere Fragen? – Das ist nicht der Fall. Der nächste Fragesteller ist Herr Müller.

Die von den umstrittenen Bebauungsplänen betroffenen Bürger in Wohldorf-Ohlstedt und in Bergstedt im Bezirk Wandsbek verklagen den Senat aufgrund der Einschränkung ihrer Bürgerrechte im Zusammenhang mit den gestoppten Bürgerentscheiden. Der Erste Bürgermeister Ole von Beust hat in einem Brief an die Bürger eine Einschränkung der Bürgerbeteiligung angekündigt, ohne dass diese Ankündigung bisher konkretisiert wurde.

Ich frage den Senat, wie er vor dem Hintergrund der gegen ihn gerichteten Bürgerklagen zukünftig mit der Bürgerbeteiligung in Hamburg umgehen will?

(Rolf Kruse CDU: Von Fall zu Fall!)

Für den Senat antwortet Herr Senator Dr. Kusch.