Protocol of the Session on May 7, 2003

Meine Damen und Herren! Man muss den Redner wieder hören können, denn ich muss ihn auch fragen können, ob er eine Zwischenfrage gestattet.

Von Herrn Schinnenburg immer.

Herr Dr. Petersen, könnten Sie kurz dem Auditorium mitteilen, wie lange die Wartezeit für Hüftoperationen im staatlichen britischen Gesundheitswesen sind?

(Zurufe – Wolfgang Franz SPD: Können Sie sagen, wie lange das in der Schweiz dauert?)

Ich weiß zwar nicht, wie das jetzt zusammenhängt, aber die Wartezeiten sind dort natürlich viel länger. Aber der Staat hätte ja durchaus Einfluss auf die Wartezeiten. Wenn wir das privatisieren, hat keiner von uns mehr Einfluss auf diese Wartezeiten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

(Dietrich Wersich CDU)

Und deswegen ist es unredlich, davon zu reden, dass wir durch eine Privatisierung einen besseren Gesundheitsschutz für die Bürger haben.

Es hat hier keiner von Ihnen die Antwort gegeben, wie die Rendite stattfinden soll. Keiner von Ihnen hat sich hier hingestellt und gesagt: 10 Prozent Rendite werden wir erreichen, weil wir wirtschaftlicher arbeiten. Nein, die 10 Prozent Rendite kriegen Sie nur hin, wenn Sie in der Behandlung selektieren. Sie haben sonst gar keine anderen Möglichkeiten.

(Dietrich Wersich CDU: Das ist doch Quatsch!)

Herr Wersich, wenn Sie sagen, dass das Quatsch sei, dann können Sie sich hier hinstellen und sagen, wie jemand 10 Prozent Rendite hat.

Wenn der LBK durchaus die Möglichkeit hat, 10 Prozent Rendite zu tragen, dann machen wir das doch als Stadt! Dann freuen wir uns doch, wenn wir 10 Prozent Rendite haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Dietrich Wersich CDU: Genau daran sind Sie doch gescheitert!)

Wenn Sie sagen, Herr Peiner, dass Sie kein Geldinteresse haben, aber in der Kleinen Anfrage antworten, dass die Konsolidierung des Haushaltes ein Motiv sei, dann ist das auch nicht so ganz redlich. Also, stellen Sie sich hier hin, sagen Sie, wie die Rendite funktionieren soll, sagen Sie, wie das insgesamt funktionieren soll. Ich glaube, Sie werden keine Antworten dafür haben. Die einzige Antwort, die es hierfür gibt: Sie schleichen sich aus der Verantwortung.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Müller-Sönksen.

Herr Präsident, meine lieben Kollegen! Frau Freudenberg, erst einmal möchte ich den Wortlaut, den Sie hier eben gerade interpretiert haben, noch einmal zitieren, damit in die Diskussion wieder Schärfe hineinkommt. Das ist das offizielle Flugblatt der Gewerkschaft:

„Der Senat wird aufgefordert, sicherzustellen, dass die Freie und Hansestadt Hamburg Mehrheitseigentümerin des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK), seiner einzelnen Krankenhäuser und anderen Einrichtungen bleibt.“

Sie haben ja gerade eben versucht, eine andere Deutung, die darüber hinausgeht, zu suggerieren.

Herr Kollege Grund, ich frage mich, ob nicht beides möglich sein kann, dass wir auf der einen Seite feststellen, dass wir privates Kapital nach Hamburg hineinführen, um mit den vorhandenen Mitteln, die wir in Hamburg haben und die begrenzt sind, mehr für die Hamburger Bürger zu tun, als es jetzt der Fall ist. Für mich steht fest: Hamburg bleibt bei seinem Engagement für die Krankenhäuser und für die Gesundheit unbeschränkt in gleicher Höhe zuständig und will das auch einbringen, aber wir werden sehr viel privates Kapital zusätzlich in die Stadt hineinholen.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Dr. Andrea Hil- gers SPD: Wie denn?)

Ein weiterer Punkt ist: Ich glaube den gewerkschaftlichen Ansagen nicht, dass der LBK jetzt bereits, so wie er steht und liegt, ein gesunder Betrieb ist. Wenn Sie die Altersver

sicherung der Vorstandsmitglieder der Gewerkschaft als Sicherheit dafür einbringen wollen, wenn Sie bereit sind, vielleicht 5 Prozent des LBK-Kapitals selbst zu zeichnen, Herr Grund, dann glaube ich Ihnen in der Tat, dass Sie auch mit eigenem Risiko für das, was Sie hier behaupten, geradestehen wollen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Ein letzter Satz noch: Die Diskussion führen wir hier als Platzhalter schon seit zehn Jahren. Glauben Sie mir, die gleiche Diskussion hatten wir, die gleiche Verunsicherung haben Sie versucht, den Bürgern und Bürgerinnen einzureden, als die Post privatisiert werden und dann aus einer Telekom, einer gelben Briefpost und einer blauen Postbank bestehen sollte. Da wollten Sie den Leuten auch einreden, dass die Briefe nicht mehr zugetragen würden, dass das Postgeheimnis verletzt werde und dass die Post und die Telekommunikation keine Ware sei. Wir sind längst darüber hinaus und mittlerweile haben wir festgestellt, dass es sehr gut ist, die Telekom zu privatisieren und mit einer Regulierungsbehörde auszustatten.

(Michael Neumann SPD: Ist es besser geworden? Tolles Beispiel!)

Die Freie und Hansestadt Hamburg wird weiterhin mit Geldern für die Krankenhäuser bereitstehen – übrigens für alle Krankenhäuser, nicht nur exklusiv für den LBK, auch das muss hier einmal gesagt werden. Wir reden nicht nur über den LBK, wir reden über das Gesundheitssystem ganz Hamburgs, zu dem nämlich auch die privaten Träger gehören. Wir werden zu dieser Verantwortung stehen und werden zusätzliches Kapital hereinholen. Das ist mehr, als Sie uns hinterlassen haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Alsdann bekommt das Wort der Abgeordnete Grund.

Herr Senator Peiner hat übrigens wie Herr Barth-Völkel das Thema „Arbeitsplatzsicherheit“ angesprochen und gesagt, das werde geregelt. Herr Senator Peiner hat sogar gesagt, der Senat sei der Anwalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das hören wir wohl und wir werden das aufschreiben, Herr Peiner. Wir werden Sie mit diesem Thema wieder konfrontieren. Ich will Ihnen sagen, warum:

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Wie sie jetzt ge- fährdet werden!)

Die Rhön-Klinik hat einen Vertrag zur Sicherung der Tarifverträge in einem nordrhein-westfälischen Krankenhaus relativ schnell gebrochen. Es ging um das Krankenhaus Appendorn. Sie ist dort aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten und die Tarifverträge waren damit weg. Asklepios, dichter bei Hamburg – es geht um das Krankenhaus Rissen –, hat sich in schnellster Zeit von den Personalbemessungssystemen verabschiedet und das Personal in einer Art und Weise nach unten gedrückt, wie es noch nie gesehen ward. Das ist die Realität der sozialen und Mitarbeiterabsicherung in den privatisierten Betrieben, über die Sie hier reden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Und überall dort, meine Damen und Herren, gab es Verträge.

(Dr. Mathias Petersen SPD)

Wissen Sie, ich finde es mittlerweile ziemlich ärgerlich: Sie alle wissen, dass diese Krankenhäuser nicht Anstalten öffentlichen Rechtes waren, sondern voll dem öffentlichen Dienst zugegliedert. Nirgendwo im öffentlichen Dienst gibt es Kapitalbildung für die Altersversorgung. Das Herauslösen solcher Unternehmen aus einer solchen Situation heraus führt dazu, dass solche Verpflichtungen in der Bilanz ausgewiesen werden müssen. Es ist doch ganz klar, wenn diese Kapitalvoraussetzungen nicht gegeben sind und Sie dies plötzlich in der Bilanz darstellen, dass dann Lasten auftreten. Der LBK ist selbstverständlich in der Lage, die aktuellen Verpflichtungen für laufende Altersversorgung und auch für die jetzt eingetretenen Mitarbeiter zu erbringen. Die Stadt ist für die Vergangenheit verantwortlich, solange sie entsprechender Eigner dieser Unternehmen war. Ich finde, das ist auch in Ordnung so, dass die Stadt für diese Altlasten eintritt.

Wir sind dafür, Kapital und Know-how herzuholen.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Und ist das gut?)

Ich wiederhole mich, glaube ich, zum dritten Mal, weil wir da gemeinsamer Auffassung sind. Deshalb ist dieses VEBGequake von Ihnen, Herr Wersich, zur Diskussion hier unerträglich. So etwas Abartiges gibt es gar nicht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Für uns ist das Thema „Privatisierung“ keine ideologische Frage. In ganz vielen Fällen sind Unternehmen in Hamburg durch Sozialdemokraten privatisiert worden.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Dietrich Wersich CDU: Richtig! – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Scheinprivatisiert!)

Es gibt Ausnahmen und die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und die Wasserversorgung sind Beispiele, wo wir meinen, dafür muss es Ausnahmen geben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Der Abgeordnete Dr. Maier hat das Wort.

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Will da jemand zum 1. Mai sprechen?)

Nein, ich will nicht zum 1. Mai sprechen. Ich will zum Gesundheitsthema sprechen.

Was mich richtiggehend befremdet, sind die Töne, teilweise bis zum Hass, gegen die Gewerkschaften. Man kann ja manche Regungen, die da gezeigt werden, starr finden. Aber dass die Gewerkschaften stärker zur Freiheitsbewegung im letzten Jahrhundert in diesem Land beigetragen haben als die Parteien rechts von der Mitte, das muss man festhalten.

(Beifall bei der GAL und der SPD)