Protocol of the Session on May 7, 2003

(Christa Goetsch GAL)

Viele Fragen sind nicht geklärt, Frau Goetsch hat diese angesprochen. Hamburgs Schulen erwarten Antworten auf die vielen Fragen. Die Realität ist jedoch eine andere. Die politisch Verantwortlichen, die Vertreterinnen und Vertreter der Regierungskoalition und der Senat, kneifen auf den Veranstaltungen. Sie beantworten Briefe nicht, Sie rufen nicht zurück, wenn gefragt wird. Ich frage mich, wie viel Sie eigentlich selbst von einem Modell halten, für das Sie nicht den Mumm haben, es in der Öffentlichkeit an Hamburgs Schulen zu vertreten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich möchte aber vor dem Hintergrund der aktuellen Proteste dieser beiden Tage eine Bemerkung machen. Einige Lehrerinnen und Lehrer sind in den letzten Tagen nicht zur Schule gegangen, haben sich krankgemeldet und der Unterricht ist ausgefallen.

(Richard Braak Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Riesensauerei! – Ilona Kasdepke Partei Rechts- staatlicher Offensive: Frechheit der Beamten!)

Ich möchte ganz deutlich erklären, dass ich dieses eine absolute Ungeheuerlichkeit finde, für die es keine Rechtfertigung gibt.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Für das Krankfeiern von Staatsbeamten gibt es kein Verständnis und ich glaube, dass diese Aktion den Lehrerinnen und Lehrern Hamburgs sehr großen Schaden zugefügt hat und dass diese Aktion noch lange nachwirken wird, was wir sehr bedauern.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich hoffe aber – ich hoffe das auch für die Debatte –, dass diese Aktion leider nicht weniger, aber doch einiger in den Schulen Sie nicht dazu verleitet, den Protest an den Schulen insgesamt nicht ernst zu nehmen.

Einen wichtigen Punkt, den die GAL angesprochen hat, möchte ich auch unterstützen. Sie umgehen hier ausdrücklich das Parlament. Es sind in der Vergangenheit reihenweise Beschlüsse gefasst worden, um bestimmte Bereiche der Schulen mit mehr Stellen auszustatten. Sie umgehen das Parlament hier, um die massiven Stelleneinsparungen, die Sie schon durchgeführt haben und noch weiter planen, zu verschleiern. Das ist auch ein großer Skandal, den wir spätestens zu den Haushaltsberatungen wieder aufnehmen werden.

Die Vorschläge der Lehrerarbeitszeitkommission sind ein weiterer Baustein für den Hamburger Sonderweg bei den Einsparungen. An keiner Schule in Hamburg gibt es Verständnis und Zustimmung dafür und das ist richtig so. Eine Politik des Augen-zu-und-durch wird scheitern. Daher hoffen wir, dass Sie dieses Modell nicht so durchziehen, und wir stimmen dem Antrag der GAL zu.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Drews.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit Ihrem Antrag, Frau Goetsch, das haben Sie eben auch noch einmal in ihrer Rede deutlich gemacht, fallen Sie in die klassische Verweigerungshaltung der Opposition zurück. Sie skizzieren völlig unbegründet ein Horrorszenario, das Ihrer Meinung nach eintreten würde,

wenn das neue Lehrerarbeitszeitmodell eingeführt wird. Äußerst leichtfertig stellen Sie unbewiesene Thesen in den Raum, dass Förder-, Teilungs- und Differenzierungsstunden verknappt werden würden und sogar die Schließung von ganzen Schulstandorten die Folge wäre, obwohl Sie wissen, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Ich frage mich, woher Sie diese Informationen überhaupt haben.

(Christa Goetsch GAL hält den zweiten Bericht hoch.)

Aus dem Bericht der zweiten Lehrerarbeitszeitkommission, Frau Goetsch, ist das wahrlich gerade nicht zu entnehmen. Anstatt sauber bei den Fakten zu bleiben, agieren Sie – wie wir es leider aber von Ihnen in der letzten Zeit nicht anders gewohnt sind – bewusst mit falschen Informationen und Halbwahrheiten und schüren Ängste. Vermutlich gehört das zu Ihrer Rollenfindung als Opposition, aber es ist unredlich!

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Grundsätzlich bestand in diesem Hause bereits in der letzten Wahlperiode die fraktionsübergreifende Konsenshaltung, dass die Neuregelung der Lehrerarbeitszeit dringend geboten ist. Mit dem bisherigen Pflichtstundenmodell wird die Arbeitszeit der Lehrkräfte nur über die reine Unterrichtsverpflichtung, und zwar wie seit 180 Jahren in Deutschland üblich, definiert. Die neu hinzugekommenen Aufgaben der Lehrkräfte werden jedoch nicht erfasst. Vorarbeiten für das Lehrerarbeitszeitmodell wurden auch bereits in der letzten Wahlperiode von Rotgrün geleistet und die Ergebnisse der ersten Lehrerarbeitszeitkommission, insbesondere von SPD und GAL, gelobt. Nur umgesetzt, Frau Goetsch, haben Sie davon nichts. Natürlich wissen wir, warum Sie nichts von diesen Ergebnissen umgesetzt haben, weil Sie die Hosen voll hatten vor einer Debatte, die Sie heute führen müssen, um sie uns in die Schuhe zu schieben.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

So sagte Frau Ernst auch hier, wir hätten keinen Mumm, auf Veranstaltungen zu gehen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Sie hatten nicht den Mumm in der letzten Legislaturperiode, die Erkenntnisse der Lehrerarbeitszeitkommission umzusetzen. Sie haben sie weggeschlossen und Sie haben gekniffen, meine Damen und Herren! Der neue Senat hingegen hat gehandelt. Er hat in einem Bereich gehandelt, von dem er zunächst einmal weiß, dass damit kein Blumentopf zu gewinnen ist. Frau Goetsch schlägt in der gewohnten Haltung mit Ergebnissen aus dem Kommissionsbericht, wie sie nicht drinstehen, drauf. Frau Ernst kommt mit dem Vorwurf, wir hätten keinen Mumm, auf Veranstaltungen zu gehen, obwohl sie selber weiß, dass ihr ehemaliger Fraktionskollege und Ex-Sprecher, Günter Frank, genau zu dieser Thematik immer vier Jahre lang den Daumen draufgehalten und die Senatorin zu diesem Thema ohnehin nichts durchgesetzt hat. Auch in diesem Punkt haben wir nach 44 Jahren – und jetzt sagen Sie wieder hoho – den Stillstand in Hamburg aufgehoben, obwohl auch Sie wissen, dass sich die Arbeitswelt generell, auch für Lehrer in den Schulen, verändert hat, und das müssen Sie einfach einmal akzeptieren. Und ich sage auch an dieser Stelle, auch die Lehrer müssen akzeptieren, dass sich die Arbeitswelt in unserem Land generell geändert hat, wie es so viele Arbeitslose und Berufstätige auch müssen.

(Britta Ernst SPD)

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Bernd Reinert CDU: Das haben alle Lehrer schon vor Jahren mitgekriegt!)

Mit dem neuen, transparenten und modernen Modell werden neben der reinen Unterrichtsverpflichtung alle Elemente der Lehrertätigkeit, zum Beispiel auch die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Elterngespräche, funktionsbezogene Aufgaben und die Teilnahme an Konferenzen oder Fortbildungen, zum ersten Mal gerecht erfasst. Das heißt, wir haben Lehrer, die ganz stark an ihren Schulen von entsprechenden Aufgaben entlastet werden, wie sie im Lehrerarbeitszeitmodell auch vorgesehen sind. Insofern ist das Lehrerarbeitszeitmodell auch ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit an den Schulen. Das ist genau das, Frau Goetsch, was Sie in der letzten Legislaturperiode auch gefordert haben. Ich zitiere:

„Wir Grüne wollen, dass die Arbeitszeit als Ganzes beschrieben und bewertet wird, und zwar sichtbar – da kommen wir zum Punkt der Transparenz – für Schülerinnen und Eltern, für die Öffentlichkeit und Politikerinnen, damit man weiß, was Lehrerinnen und Lehrer tatsächlich tun, und wir von allen Klischees wegkommen.“

Das haben Sie, Frau Goetsch, am 29. November 2000 an dieser Stelle gesagt. Ich stelle fest, dass wir mit dem Modell der zweiten Hamburger Lehrerarbeitszeitkommission – wenn wir uns den Kommissionsbericht anschauen – genau das von Ihnen Formulierte erreicht haben.

Erstens: Die unterrichtsbezogenen Aufgaben aller Fächer, Schulstufen und Schulformen und die dafür tatsächlich erforderlichen Arbeitszeiten der einzelnen Lehrkräfte für die Erteilung des Unterrichts werden mit einem hochdifferenzierten Modell erfasst. Dadurch wird endlich auch die von Ihnen gewünschte Transparenz fachbezogen hergestellt. Für jedermann ist dann nachgewiesenermaßen ersichtlich – dies wird erstmals auch vom Arbeitgeber, der Behörde für Bildung und Sport, berücksichtigt –, dass die Erteilung von Unterricht heute nicht die einzige Aufgabe der Lehrer ist. Genau dieses müssen wir unter Gerechtigkeitsaspekten berücksichtigen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Zweitens: Durch das bisherige Pflichtstundenmodell an Hamburger Schulen wurden die funktionsbezogenen Aufgaben von Lehrern nur unzureichend gewürdigt und lediglich für wenige ausgewählte Tätigkeiten Entlastungsstunden gewährt. Jetzt ist es die einzelne Entscheidung der Schulen – Stichwort Schulautonomie, die Sie zu Recht immer gefordert haben und die wir alle immer wollten –, ob sie – jetzt kommt der entscheidende Punkt, Frau Ernst, den Sie angesprochen haben – unter Verzicht auf Teilungsstunden deutlich kleinere Klassen wollen oder ob sie – ich komme noch darauf, was das heißt – durch größere Klassen mehr Lehrerarbeitszeit für Förder-, Teilungs- und Differenzierungsstunden zur Verfügung haben möchten.

In der Summe unterscheiden sich aber die zur Verfügung gestellten Arbeitszeitkontingente in beiden Fällen nicht. Das steht im Kommissionsbericht. Ich sage es noch einmal: In der Summe unterscheiden sich die zur Verfügung gestellten Arbeitszeitkontingente in beiden Fällen nicht. Das kann man hier gar nicht oft genug wiederholen.

Das heißt, es gibt im Prinzip Lehrer, die summa summarum im gleichen System durch die Differenzierung und durch

die gerechtere Verteilung etwas mehr arbeiten müssen. Aber auf der anderen Seite haben wir genauso viel Lehrer in der Stundendifferenzierung, die weniger arbeiten müssen. Ihre Befürchtungen, dieses würde automatisch zu einer Kürzung der Teilungsstunden führen, sind vollkommen unbegründet. Vielmehr wird mit der hundertprozentigen Zuweisung der Lehrerarbeitszeit für die Zuweisung und die Erteilung der Grundstunden – jetzt kommt ein ganz entscheidender Punkt, den Sie hier natürlich bewusst verschwiegen haben, meine Damen und Herren von der Opposition –

(Thomas Böwer SPD: Das ist unser Verfassungs- auftrag, Herr Kollege!)

und durch die Aufstockung der lang- und kurzfristigen Vertretungsreserve um gut 230 Lehrerstellen ein Beitrag zur Verminderung des Unterrichtsausfalls geleistet. Das haben Sie in den letzten Jahren unter den Senatorinnen Raab und Pape nicht in den Griff bekommen. Wir schaffen zur Vermeidung des Unterrichtsausfalls zusätzlich 230 Lehrerstellen für die Vertretungsreserve.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Zudem wird sich für die einzelnen Schulen – das hat Frau Ernst spöttisch mit dem Begriff Auskömmlichkeit bezeichnet, zu dem ich gleich komme; hätten Sie ihn bloß nicht angesprochen – die Planungssicherheit erhöhen, da den Schulen erstmalig seit Jahren durch die beispielhafte Vorbereitung des neuen Lehrerarbeitszeitmodells von der Schulbehörde – der Senator wird darauf genauer eingehen – in diesem Jahr bereits sechs Wochen vor den Sommerferien die Bedarfe bekannt sein werden. Somit steht für die Planung des neuen Schuljahres ausreichend Zeit zur Verfügung.

Wenn wir einmal in die Annalen zurückgehen: Zuletzt wurden den Schulen zu Beginn der vorletzten Legislaturperiode sechs Wochen vorher die entsprechende Bedarfe und damit die Planungssicherheit bekannt gegeben.

Ich komme kurz auf den Begriff der Auskömmlichkeit. Dieser von Ihnen, Frau Goetsch, angesprochene Begriff ist nicht neu, sondern er wurde schon von der ersten Lehrerarbeitszeitkommission als Terminus verwendet

(Thomas Böwer SPD: Alttestamentarisch!)

und ist somit kein Begriff der von Ihnen wenig geliebten schwarz-blau-gelben Bürgerkoalition.

(Thomas Böwer SPD: Du sollst keine Auskömm- lichkeit neben mir haben!)

Der Stopp aller Vorbereitungen für die Umsetzung des neuen Modells – wie von Ihnen, Frau Goetsch, gefordert – würde die Schulen in ein unverantwortbares Planungschaos stürzen. Wie Sie meinen Ausführungen auch entnehmen konnten, ist das Modell ein wichtiger Schritt zur Planungssicherheit und vor allem zur gerechteren Verteilung der Lehrerarbeitszeit. Das wurde auch von Ihnen gefordert.

Wie jedes Modell muss es sich in der Praxis erst bewähren. Ich appelliere an alle Beteiligten –, das, was wir vom Grundsatz wollen, eine gerechtere Verteilung der Lehrerarbeitszeit für alle Lehrer, für die unterschiedlichen Fächer und für alle Schulformen, nicht von vornherein durch ungerechtfertigte Kritik, die aus dem Bericht nicht so zu entnehmen ist, wie Sie sie vorgetragen haben, und durch das Schüren von Ängsten zu zerreden, sondern die Ergebnisse der Erprobung abzuwarten.

(Wolfgang Drews CDU)

(Vereinzelter Beifall bei der CDU, der Partei Rechts- staatlicher Offensive und der FDP – Thomas Böwer SPD: Sie probieren so viel, Herr Kollege!)

Lassen Sie mich zum Schluss noch zwei Punkte anführen.

Erster Punkt: Zu den funktionsbezogenen Aufgaben und der Ungerechtigkeit, über die ich gesprochen habe, möchte ich noch etwas anführen. Es werden nämlich zwischen 14 und 16 Prozent der einer Schule zur Verfügung gestellten Arbeitszeit zukünftig auf die funktionsbezogenen Aufgaben entfallen. Damit können die Schulleitungen insbesondere die Position des Klassenlehrers stärken – das wurde von uns auch immer wieder gefordert – und die Zeitkontingente selbst verteilen und zur Verfügung stellen, zum Beispiel für Konferenzen und Elterngespräche.

Als zweiten Punkt möchte ich etwas zu den allgemeinen Aufgaben sagen. Zukünftig werden zwischen 9 und 11 Prozent der Lehrerarbeitszeit – wie zum Beispiel die Teilnahme an Konferenzen, schulischen Veranstaltungen oder Fortbildung in den Schulferien – auf die allgemeinen Aufgaben entfallen. Diese wichtigen Aufgaben wurden bisher nicht durch das Pflichtstundenmodell abgedeckt. Mit dem neuen Modell werden insbesondere die Teilzeitlehrerkräfte besser berücksichtigt, da ihnen diese Zeitfaktoren zum ersten Mal voll angerechnet werden. Das bedeutet für diejenigen einen Fortschritt einer gerechteren Bewertung der Lehrerarbeitszeit, die im Lehr- und Schuldienst tätig sind.